Sozialversicherungsbeitragspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über eine Beitragsnachforderung
von 67.274,40 Euro für die Tätigkeit des beigeladenen Gesellschafter-Geschäftsführers für die klagende GmbH.
Der Beigeladene zu 1 (im Folgenden: Beigeladener) war an der klagenden GmbH mit einem Kapitalanteil von 20 vH beteiligt. Beschlüsse
werden in der Gesellschafterversammlung der Klägerin grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst, eine Sperrminorität des
Beigeladenen sah der Gesellschaftsvertrag nicht vor. Die Klägerin meldete den Beigeladenen wegen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer
bei der Minijob-Zentrale der DRV Knappschaft-Bahn-See (Beigeladene zu 4) als geringfügig Beschäftigten an und zahlte Pauschalbeiträge.
Daneben war der Beigeladene auf der Grundlage eines Rahmenvertrags über partnerschaftliche Zusammenarbeit für die Klägerin
tätig; nach den diesen konkretisierenden Einzelaufträgen war er für die Akquise von Neukunden, Pflege von Bestandskunden,
Gewinnung von Projektaufträgen sowie Abrechnung von Kunden der Klägerin und der Partner zuständig. Die übrigen Gesellschafter
und Angestellten führten die vom Beigeladenen angenommenen Aufträge und Projektaufträge durch.
Mit Betriebsprüfungsbescheid vom 15.8.2017 und Widerspruchsbescheid vom 8.1.2018 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge
von 67.274,40 Euro für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2014 nach, weil der Beigeladene in einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis
bei der Klägerin gestanden habe. Er sei bei der Kundenakquise nicht als freier Handelsvertreter im Auftrag der Klägerin, sondern
als deren Geschäftsführer aufgetreten.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG Nürnberg vom 6.5.2019, Urteil des LSG vom 25.11.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, sowohl die Geschäftsführer- als auch die Vertriebstätigkeit sei im Rahmen eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden. Der Beigeladene sei ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen, sei auf deren
Homepage als "Geschäftsführer Vertrieb" bezeichnet worden und auch als solcher im Rechtsverkehr aufgetreten. Dass er faktisch
Kopf und Seele des Unternehmens gewesen sei, stehe nicht entgegen. Selbst wenn von einer selbstständigen Vertriebstätigkeit
ausgegangen würde, unterlägen die insoweit erzielten Einkünfte aufgrund eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses der
Beitragspflicht. In diesem Fall wäre der Beigeladene als im Wesentlichen für nur ein Unternehmen tätiger Selbstständiger in
der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) pflichtversichert.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre
nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft in ihrer Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob die Maßstäbe für die Abgrenzung der selbstständigen von der nichtselbstständigen Tätigkeit eines Handelsvertreters im
Handelsrecht anders geregelt sind, als im Sozialrecht", und führt dazu aus, dass die Entscheidung des LSG nicht mit § 84 Abs 1 Satz 2 HGB vereinbar sei sowie von der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte abweiche.
Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dar. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein im allgemeinen
Interesse erforderliches Klärungsbedürfnis aufgezeigt wird, wenn die Klägerin "die Einheitlichkeit der Rechtsordnung im konkreten
Fall" heranzieht, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu begründen. Jedenfalls fehlt es an hinreichenden Ausführungen
zur Rechtsfrage durch das Gesetz und die höchstrichterliche Rechtsprechung.
Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits
beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen
ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Auf solche Entscheidungen geht die Klägerin nicht ein.
Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zur Differenzierung zwischen arbeitsrechtlichem Arbeitnehmerbegriff und sozialversicherungsrechtlichem Beschäftigungsbegriff
(vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 29 f mwN; BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - RdNr 13 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) sowie zur Versicherungspflicht von GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführern unter Berücksichtigung außerhalb des Sozialrechts
liegender Maßstäbe (zuletzt BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 mwN) fehlt. Inwieweit sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung
nicht hinreichend deutlich hervor. Der Vortrag der Klägerin beschränkt sich darauf, die unrichtige Wertung des konkreten Sachverhalts
im Einzelfall zu behaupten. Das kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.
Soweit die Klägerin sich gegen die Hilfserwägungen des LSG zur Versicherungspflicht des Beigeladenen als selbstständig Tätiger
in der GRV wendet und insofern die grundsätzliche Bedeutung einer nicht näher formulierten Rechtsfrage behauptet, sind die
Anforderungen ebenso nicht erfüllt. Unabhängig davon, dass die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen
Rechtsfrage unverzichtbar ist, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann
(BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN), fehlt es auch an jeglichen Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der Versicherungspflicht als Selbstständiger im angestrebten
Revisionsverfahren. Solche wären aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das LSG die beanstandete Überlegung nur als
Hilfserwägung bezeichnet hat und sich deren Entscheidungserheblichkeit im Rechtsstreit der Arbeitgeberin gegen die Nachforderung
von Beiträgen aus einer Pflichtversicherung wegen Beschäftigung nicht ohne Weiteres aufdrängt.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Sie behauptet zwar einen Rechtssatz aus dem Urteil des
Senats vom 26.3.1998 (B 12 KR 17/97 R - SozR 3-2400 § 14 Nr 15 S 29 ff) und stellt dem auch einen Satz gegenüber, den sie in der hier angefochtenen Entscheidung zu finden meint. Weder erklärt sie
aber, inwiefern sie sich widersprechen noch inwieweit der Widerspruch im Grundsätzlichen und über die konkrete Anwendung im
Einzelfall hinaus besteht. Soweit sie die weitere Abweichung von einem Urteil des BSG vom 31.10.2012 (B 12 R 1/11 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 16) im konkreten Einzelfall behauptet, genügt das ebenso wenig den Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung einer Divergenz.
3. Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs ist ebenfalls nicht hinreichend ausgeführt. Eine Verletzung
des Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
128 Abs 2, §
62 SGG) liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in
seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG Urteil vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 26; BVerfG Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190). Das Recht auf rechtliches Gehör verpflichtet hingegen nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu
"erhören" (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.4.2014, aaO). Die Klägerin beanstandet jedoch nur, sie habe nicht gewusst, welche Steuerunterlagen sie als aussagekräftig habe vorlegen
müssen. In der Sache beruft sie sich damit allenfalls auf eine gebotene weitere Sachaufklärung. Die Beschränkung der Amtsermittlungsrüge
auf nicht hinreichend berücksichtigte Beweisanträge (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) kann jedoch nicht über den Umweg über die Vorschriften zum rechtlichen Gehör umgangen werden (vgl BSG Beschluss vom 31.7.2019 - B 13 R 263/18 B - juris RdNr 11 mwN).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 und
3, §
162 Abs
3 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG.