Rente wegen Erwerbsminderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht
Gründe
I
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung. Ihre Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 16.12.2013
und den Widerspruchsbescheid vom 21.7.2014 hat vor dem SG keinen Erfolg gehabt (Urteil vom 13.6.2018). Das LSG hat die Berufung gegen diese Entscheidung nach Einholung eines Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet mit Urteil
vom 25.6.2020 zurückgewiesen. Die Klägerin verfüge unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts noch über
ein Leistungsvermögen von täglich mindestens sechs Stunden. Auch ihre Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht einen Verfahrensmangel geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG formgerecht begründet wurde. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht. Sie rügt eine Verletzung der richterlichen
Sachaufklärungspflicht gemäß §
103 SGG. Das LSG sei dem im Schriftsatz vom 11.5.2020 gestellten Beweisantrag, "zum Beweis des Vorliegens einer Erwerbsminderung
die Begutachtung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt auf dem Gebiete der Psychiatrie" durchzuführen, nicht gefolgt.
Das LSG habe diesen Beweisantrag in seinem Urteil nicht einmal erwähnt, sondern lediglich ausgeführt, dass ihre - der Klägerin
- Kritik an dem bereits vorhandenen psychiatrischen Gutachten in einer ergänzenden Stellungnahme jener Gutachterin widerlegt
worden sei. Die Klägerin habe sich bei der Gutachterin jedoch nicht hinreichend für eine psychiatrische Untersuchung öffnen
können, weil sie sich durch deren Bitte, im Hinblick auf ihre Schwerhörigkeit lauter zu sprechen, gemaßregelt gefühlt und
deshalb "unbewusst 'zu' gemacht" habe. Bei einer erneuten psychiatrischen Begutachtung durch einen anderen Facharzt hätte
sich ergeben, dass sich bei der Klägerin "ein psychisches Leiden eingestellt hatte, welches sich durch das permanente Erschöpfungs-
und Überforderungsgefühl und durch Schlafstörungen ausdrückt" und im Zusammenhang mit den körperlichen Leiden "den Grad einer
Erwerbsminderung" erreicht.
Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils
folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen
Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen
als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände,
die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme
und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen
kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt
aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können(stRspr, vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 5 R 161/20 B - juris RdNr 6; Fichte in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl 2020, §
160a RdNr 56).
Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag wiedergegeben. Ein solcher
Beweisantrag muss die zu begutachtenden Punkte (Tatsachen) angeben (vgl §
118 Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
403 ZPO)und sich im Rentenverfahren gerade mit den Auswirkungen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das berufliche Leistungsvermögen
befassen(vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2020 - B 13 R 267/19 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 121/20 B - juris RdNr 6 mwN). Die Frage, ob "eine Erwerbsminderung vorliegt", betrifft jedoch keine Tatsache, sondern die rechtliche Bewertung einer Mehrzahl
unterschiedlicher tatsächlicher Umstände (vgl §
43 Abs
1 Satz 2, Abs
2 Satz 2
SGB VI).Weiterhin ist die pauschale Angabe, es habe sich bei der Klägerin ein der Art nach nicht näher benanntes "psychisches Leiden"
eingestellt, das "den Grad einer Erwerbsminderung" erreiche, zur Darlegung des mutmaßlichen Ergebnisses der geforderten Beweisaufnahme
nicht ausreichend. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, den negativen Einfluss weiterer dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen
auf das verbliebene berufliche Restleistungsvermögen der Klägerin konkret zu beschreiben (vgl BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 121/20 B - juris RdNr 6). Schließlich enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen dazu, dass die Klägerin den nach eigener Darstellung im
Urteil nicht erwähnten Beweisantrag bis zum Schluss aufrechterhalten hat (zu diesem Erfordernis vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 11 mwN).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.