Anspruch auf Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger Anspruch
auf Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat.
Der 1958 geborene, bis zum 21.7.2001 bei der Beklagten versicherte Kläger beantragte am 4.6.2019 wegen eines noch im Juni
2019 beginnenden Beschäftigungsverhältnisses seine (erneute) Mitgliedschaft bei der Beklagten. Die Beklagte lehnte dies unter
Hinweis auf §
6 Abs
3a SGB V ab, weil der Kläger das 55. Lebensjahr vollendet habe und zuvor bei einer privaten Krankenversicherung (PKV) versichert gewesen
sei (Bescheide vom 25.6.2019, 17.9.2019; Widerspruchsbescheid vom 14.1.2020).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Dortmund vom 20.4.2021; Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.9.2021). Das LSG hat insbesondere bezüglich der Voraussetzungen des §
6 Abs
3a SGB V auf das Urteil des SG Bezug genommen und darüber hinaus ausgeführt, die Vorschrift verstoße nicht gegen Art
3 Abs
1 GG. Sie sei zum Schutz der Beitragszahler vor einer unzumutbaren Belastung infolge eines Wechsels zwischen den Versicherungssystemen
der PKV und der GKV sowie zur Sicherung der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der GKV als überragend wichtigem
Gemeinwohlbelang gerechtfertigt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur zulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1),
das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2), oder
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 9).
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). In der Beschwerdebegründung muss eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert werden (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN).
Im Rahmen der Klärungsbedürftigkeit ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, inwieweit sich weder aus den gesetzlichen
Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung des BSG - und gegebenenfalls des BVerfG - hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben. Wird
eine verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen, darf sich die Begründung nicht auf die bloße Behauptung der Verletzung einer
Norm des
GG beschränken. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG substantiiert ausgeführt werden, woraus sich im konkreten Fall die vermeintliche Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen
der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung
erörtert und die behauptete Verfassungsverletzung dargelegt werden (vgl BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale
bestehen sollen (vgl BVerfG <Dreier-Ausschuss> Beschluss vom 8.6.1982 - SozR 1500 § 160a Nr 45 S 62).
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage. Die Bezeichnung
einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht
an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
a) Eine hinreichend dargelegte Rechtsfrage lässt sich den Ausführungen auch nicht sinngemäß entnehmen. Soweit der Kläger fehlende
Informationsmöglichkeiten einhergehend mit einem Beratungsmangel bei seinem Eintritt in die PKV im Jahre 1990 rügt, wird daraus
keine abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen
Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht deutlich. Es wird weder eine Norm des Bundesrechts in Bezug genommen, aus der sich der geltend gemachte
Anspruch auf Mitgliedschaft in der GKV bei Vorliegen des behaupteten Beratungsmangels ergeben könnte, noch dargelegt, an welcher
Voraussetzung der Anspruchsausschluss nach §
6 Abs
3a SGB V scheitern könnte. Das gilt auch, soweit der Kläger im Hinblick auf die von ihm behauptete "Sachverhaltsverdrehung" und fehlerhafte
Feststellung des erstmaligen Eintrittsdatums in die PKV eine grundsätzliche Bedeutung geltend machen möchte.
b) Soweit der Kläger rügt, das LSG habe "übergeordnetes Recht" nicht beachtet, ergibt sich auch daraus nur seine Auffassung
von der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung, nicht aber eine (verfassungsrechtliche) Frage von grundsätzlicher Bedeutung.
Zwar bezieht sich der Kläger auf Art
3 GG, § 7 Abs 1 iVm § 1 AGG und Art 21 Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Er befasst sich aber weder mit der Rechtsprechung des BVerfG zu den Anforderungen
an einen Gleichheitsverstoß (vgl zB BVerfG <Kammer> Nichtannahmebeschluss vom 13.12.2016 - 1 BvR 713/13 - juris RdNr 19, ausführlich schon zur Vergleichsgruppenbildung) oder eine Stichtagsregelung (vgl zB BVerfG <Kammer> Nichtannahmebeschluss vom 19.5.2015 - 2 BvR 1170/14 - juris mwN) noch mit der Rechtsprechung europäischer Gerichte. Es fehlt an jeglicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung von Obergerichten
und denkbaren Sachgründen für die Ausgestaltung der anspruchshindernden Norm (§
6 Abs
3a SGB V). Eine Verfassungs- und Europarechtsverletzung wird lediglich behauptet, aber nicht hinreichend dargelegt. Unzureichend bleiben
die Darlegungen auch, soweit eine Ungleichbehandlung zu in Deutschland lebenden britischen Staatsbürgern behauptet wird. Eine
gesetzliche Grundlage für deren behauptete Einbeziehung in die GKV in höherem Lebensalter wird nicht genannt.
c) Schließlich bleibt auch die Berufung des Klägers auf ein Besitzstandsrecht ohne rechtliche Anknüpfung. Insoweit beziehen
sich seine Ausführungen lediglich auf sein Gerechtigkeitsverständnis, nicht aber auf die Anwendbarkeit oder Auslegung einer
revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG). Die Herleitung eines Besitzstandsrechts ist überdies wegen der weiteren Ausführungen, das System der GKV basiere gerade
nicht auf einem Anspar- oder Rückstellungsprinzip, bereits aus sich heraus kaum nachvollziehbar.
2. Auch ein Verfahrensfehler wird nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu genügt nicht die Behauptung, das Gericht habe den Sachverhalt
verdreht und den erstmaligen Eintritt in die PKV fehlerhaft festgestellt. Insoweit fehlt es jedenfalls an jeglichen Darlegungen
dazu, dass die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen könne.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.