Vergütung für eine intensivmedizinische Komplexbehandlung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin, Trägerin eines nach §
108 SGB V zugelassenen Krankenhauses, ist mit ihrem Begehren auf Verurteilung der beklagten Krankenkasse (KK) zur Zahlung restlicher
Vergütung in Höhe von 20.112,05 Euro nebst Zinsen bei den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Dem lag die Rechnung für eine
stationäre Behandlung eines Versicherten der Beklagten im Jahr 2015 nach DRG (Diagnosis Related Group) A09B unter Kodierung
des OPS-Kodes (Operationen- und Prozedurenschlüssel) 8-98f.41 (Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung, 1933 bis
2208 Aufwandspunkte) zugrunde. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die strukturelle
Voraussetzung des kodierten OPS-Kodes "24-stündige Verfügbarkeit des Verfahrens Interventionelle Kardiologie mit Akut-PTCA".
Denn die Klägerin halte lediglich entsprechende Räumlichkeiten und Geräte vor. Zur Durchführung interventioneller kardiologischer
Verfahren bedürfe es nach OPS 8-98f.41 aber zusätzlich eines Kardiologen, der 24 Stunden "im eigenen Klinikum" verfügbar sei.
Die Klägerin greife hingegen lediglich auf Kardiologen eines anderen Krankenhauses zurück, die nach dem geschlossenen Kooperationsvertrag
innerhalb von 30 Minuten zur Verfügung stünden (Urteil vom 30.1.2020).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig
(entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 14.4.2010
- 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Die Klägerin formuliert folgende Rechtsfragen:
"1. Ist das DIMDI als nicht rechtsfähige Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit befugt, Schlüssel
für Operationen und Prozeduren mit verbindlicher Wirkung für die Krankenhäuser vorzugeben (§
301 Abs.
2 Satz 2 iVm Absatz
1 Satz 1 Nr.
6 SGB V)?
2. Ist vom DIMDI beim Erlass des jeweiligen OPS Kodes (hier: OPS-Kode 8-98f.41 Version 2015) der Vorrang der gesetzlichen
Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG zwingend zu beachten, wonach ein Krankenhaus berechtigt ist,
nicht fest angestellte Ärzte hinzuziehen bzw. Dritte in Anspruch zu nehmen (hier: Kardiologen aufgrund eines Kooperationsvertrages
mit einem anderen Krankenhaus)?"
Sie legt aber weder die Klärungsbedürftigkeit (dazu a) noch die Klärungsfähigkeit (dazu b) dieser Fragen ausreichend dar.
a) Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung
hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten
ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen
soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 12.9.1991
- 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn
der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen
vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung
vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung
führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2; BSG vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Das BSG hat bereits in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Grundlage des Vergütungsanspruchs aus §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und dessen Höhe die Vereinbarungen der Vertragspartner auf Bundesebene sind und der vom Deutschen Institut für Medizinische
Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebene OPS lediglich insoweit Vergütungsvoraussetzungen regelt, als sich die
Vertragspartner durch die vergütungsrelevante Einbeziehung der Klassifikationen in die Fallpauschalenvereinbarung (FPV) über
die Definierung der jährlich von ihnen zu vereinbarenden Fallpauschalen verständigt haben. Der Vergütungsanspruch von Krankenhäusern
bemisst sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen
Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, FPVn)
konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der Privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach
§ 9 Abs 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die
Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog nach § 17b Abs 1 Satz 4 KHG einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zu Verlegungsfällen und zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit
von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (effektive Bewertungsrelationen). Ferner vereinbaren
sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPVn auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Nr 3 KHEntgG. Die Verbindlichkeit der in
den FPV und den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass
sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind. Die Rezeption der Klassifikationen richtet sich nach den jeweils für die
zertifizierten Grouper geltenden vertraglichen Regelungen, nicht dagegen nach §
301 SGB V. Diese Norm regelt nicht die rechtliche Verbindlichkeit der Klassifikationssysteme für die Ermittlung der DRGs, sondern sieht
Informationspflichten der Krankenhäuser, anderer stationärer Einrichtungen und der ermächtigten Krankenhausärzte gegenüber
den KKn im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Soweit der OPS in den Komplexziffern auch strukturelle Anforderungen
definiert, regelt er lediglich Vergütungsvoraussetzungen, über die sich die Vertragspartner auf Bundesebene verständigt haben
(vgl nur BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 39/17 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 10 RdNr 10 ff mwN). Der Vergütungsanspruch richtet sich nach den Vereinbarungen der Vertragspartner auf Bundesebene, nicht hingegen nach verbindlichen
Vorgaben des DIMDI.
Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Dazu hätte jedoch in ihrem Fall insbesondere mit Blick
auf die nach der Rechtsprechung fehlende Verbindlichkeit der Vorgaben des DIMDI Veranlassung bestanden. Nichts anders gilt,
soweit sie auf Stimmen in der Literatur Bezug nimmt, die sich, soweit von der Klägerin referiert, ebenfalls mit dieser höchstrichterlichen
Rechtsprechung nicht auseinandersetzen.
Die Klägerin geht auch nicht auf §
301 Abs
2 Satz 1 und
2 SGB V in der hier maßgeblichen vom 1.1.2013 bis 31.12.2015 geltenden Fassung des §
301 SGB V ein, wonach die Diagnosen nach §
301 Abs
1 Satz 1 Nr
3 und 7
SGB V nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM) in der jeweiligen vom DIMDI herausgegebenen deutschen
Fassung sowie die Operationen und sonstigen Prozeduren nach §
301 Abs
1 Satz 1 Nr
6 SGB V nach dem vom DIMDI herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln sind. Die Klägerin legt nicht dar, dass sich hieraus mehr an
Rechtsfolgen ergibt als die Pflicht zur Verwendung dieser Klassifikationen, wenn ihnen aufgrund der anderen, oben aufgezeigten
Regelungen Vergütungsrelevanz zukommt, dass also die Vertragsparteien verpflichtet sind, jeder Schlüsselnummer Vergütungsrelevanz
beizumessen. Insbesondere setzt sich die Klägerin nicht damit auseinander, dass §
301 Abs
2 Satz 2 Halbsatz 2
SGB V gerade den Weg vom KHG, also von den Vertragsparteien, hin zu §
301 SGB V und dem DIMDI vorzeichnet, indem es anordnet: "(…); der Schlüssel hat die sonstigen Prozeduren zu umfassen, die nach § 17b und § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes abgerechnet werden können".
Auch die Klärungsbedürftigkeit der zweiten Rechtsfrage legt die Klägerin nicht ausreichend dar. Es fehlen nachvollziehbare
Ausführungen dazu, wieso der OPS gegen § 2 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 2 Nr 2 KHEntgG verstoßen soll. Sie bestimmen ua, dass
Krankenhausleistungen nach § 1 Abs 1 KHEntgG insbesondere die ärztliche Behandlung auch durch nicht festangestellte Ärztinnen
und Ärzte umfassen und dass zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter
zählen. Die Klägerin legt weder dar, inwieweit OPS 8-98f.41 die Abrechnung vom Krankenhaus veranlasster Leistungen Dritter
ausschließen soll, noch warum - unterstellt OPS 8-98f.41 würde ärztliche Leistungen außerhalb eines Festanstellungsverhältnisses
ausschließen - es den Vertragsparteien der FPV gesetzlich untersagt sein sollte, die Anforderungen an eine einzelne Fallpauschale
enger als im Gesetz zu formulieren, also warum § 2 KHEntgG insoweit nicht vertragsdispositiv sein kann.
b) Die Klägerin zeigt auch nicht die Klärungsfähigkeit der Rechtsfragen auf. Dazu wäre darzustellen gewesen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfenen Fragen entscheiden müsste, die Fragen also entscheidungserheblich
sind (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Soweit die Klägerin vorträgt, das DIMDI sei mangels ausreichender parlamentsgesetzlicher Grundlage nicht berechtigt, Schlüssel
für Operationen und Prozeduren mit Außenwirkung für Krankenhäuser verbindlich vorzugeben, legt sie nicht dar, warum sich das
Revisionsgericht mit dieser Frage in dem von ihr angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich befassen müsste.
Entscheidungserheblich wäre die von der Klägerin formulierte erste Rechtsfrage nur dann, wenn die Vertragsparteien der FPV
für die Abrechnung der Vergütung ganz oder teilweise eine andere Klassifikation heranzögen, die Klassifikationen des DIMDI
jedoch auch für Grund und Höhe des DRG-Vergütungsanspruchs verbindlich im Sinne der Rechtsfrage wären. Ob die Entscheidungserheblichkeit
schon dann fehlte, wenn die Vertragsparteien nur einzelnen Schlüsselnummern des ICD-10-GM oder des OPS keine Vergütungsrelevanz
beimäßen, kann offenbleiben. Aber selbst wenn sich in dieser zweiten Variante die Frage einer Bindungswirkung der klassifikatorischen
Vorgaben des DIMDI ebenfalls stellte, fehlte es auch hier an der Entscheidungserheblichkeit der Frage. Denn die Vertragsparteien
haben gerade OPS 8-98f.41 Vergütungsrelevanz vertraglich beigemessen und sich damit die Klassifikationen des DIMDI vergütungsrechtlich
zu eigen gemacht. Warum das BSG im angestrebten Revisionsverfahren trotzdem darüber entscheiden müsste, ob das DIMDI - unabhängig von den Regelungen der
vertraglich zustande kommenden FPV - zu für Krankenhäuser verbindlichen Vorgaben berechtigt ist, legt die Klägerin nicht dar.
In Bezug auf die von der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung weiter angerissene Frage, ob das DIMDI zu Klarstellungen und
Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit berechtigt sei, legt sie deren Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden
Rechtsstreit ebenfalls nicht dar.
Auch die Entscheidungserheblichkeit der Frage 2 legt die Klägerin nicht ausreichend dar. Sie legt schon nicht dar, wieso das
DIMDI gegen § 2 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 2 Nr 2 KHEntgG verstoßen haben soll. Nach der vom LSG vorgenommenen rechtlichen
Auslegung des OPS 8-98f.41 kommt es gerade nicht darauf an, welches (vertrags-)rechtliche Verhältnis zwischen Kardiologe und
Krankenhaus besteht, sondern nur darauf, dass überhaupt ein mit den Verfahren der Interventionellen Kardiologie mit Akut-PTCA
vertrauter Kardiologe rund um die Uhr im Krankenhaus zur Verfügung steht. Die Klägerin hat diese rechtliche Auslegung des
LSG nicht mit einer Rüge angegriffen.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.