Anspruch auf Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anforderungen an die Meldepflichten bei abschnittsweiser Bewilligung für Folge-Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen
Erforderlichkeit eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts – hier im Falle einer vom Arzt beantworteten formularmäßigen Anfrage
der Krankenkasse
Gründe:
I
Im Streit steht die Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 26.3.2015 bis 17.5.2015.
Der 1975 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) pflichtversicherte Kläger bezog bis 18.3.2015 Arbeitslosengeld (Alg)
nach dem
SGB III und im Anschluss daran Krg. Die ihn behandelnde Vertragsärztin bescheinigte ihm wegen eines operationsbedürftigen Leistenbruchs
abschnittsweise Arbeitsunfähigkeit (AU) durchgehend ab dem 5.2.2015 und mit Folge-Bescheinigung vom 13.3.2015 weitere AU bis
zum 25.3.2015. Auf die formularmäßige Anfrage der Beklagten bestätigte die behandelnde Ärztin die AU des Klägers am 25.3.2015
per Telefax. Sie gab ua an, dass ein Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit erst nach der anstehenden Operation absehbar sei.
Am 2.4.2015 bescheinigte der Chirurg weiterhin AU zunächst bis 24.4.2015 und in Folgebescheinigungen abschnittsweise bis 17.5.2015.
Der Chirurg teilte am 30.4.2015 ergänzend mit, dass AU durchgehend seit 5.2.2015 bestehe und dass die für den 25.3.2015 geplante
Operation des Leistenbruchs auf den 1.4.2015 habe verschoben werden müssen. Die Beklagte lehnte die weitere Zahlung von Krg
über den 25.3.2015 hinaus ab, weil die AU seit diesem Datum nicht lückenlos nachgewiesen sei (Bescheid vom 14.4.2015; Widerspruchsbescheid
vom 21.10.2015). Auf die dagegen erhobene Klage hat das SG die Beklagte zur Zahlung von Krg vom 26.3.2015 bis 17.5.2015 verurteilt und hat im Übrigen die weitergehende Klage abgewiesen:
Durch die Beantwortung der formularmäßigen Anfrage der Beklagten vom 25.3.2015 habe die behandelnde Ärztin die AU bis zur
Operation bescheinigt, sodass eine lückenlose Feststellung der AU bis 17.5.2015 nach §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V idF bis 22.7.2015 (aF) vorgelegen habe. Auch die weitere AU-Bescheinigung durch den Chirurgen vom 2.4.2015 sei lückenlos
erfolgt (Urteil vom 25.9.2018).
Die dagegen gerichtete Berufung nur der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen und das Urteil des SG bestätigt: Die Voraussetzungen für den Krg-Anspruch seien nach §§
44,
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF für die streitige Zeit vom 26.3.2015 bis 17.5.2015 erfüllt. Die Mitgliedschaft des Klägers als Versicherter mit Anspruch
auf Krg sei nach Ende des Bezugs von Alg (§
5 Abs
1 Nr
2 SGB V) zum 18.3.2015 nach §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V erhalten geblieben. Die AU sei während der streitigen Zeit lückenlos ärztlich bescheinigt gewesen. Die behandelnde Ärztin
habe die AU des Klägers in der am 25.3.2015 ausgefüllten und am selben Tag der Beklagten übersandten Muster-Anfrage aus Anlass
der geplanten Operation des Leistenbruchs prognostisch bis 1. und 2.4.2015 festgestellt. Für den Krg-Anspruch sei es unschädlich,
wenn die AU auf keinem durch die AU-Richtlinie vorgesehenen Vordruck festgestellt werde. Hingegen sei die ärztliche Feststellung
der AU lediglich ein über die innere ärztliche Überzeugungsbildung hinausgehender Akt mit Außenwirkung, der - vor allem gegenüber
der als leistungspflichtig in Anspruch genommenen KK - beweissicher zu dokumentieren sei (Hinweis auf BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 18). Entsprechendes sei auf dem ausgefüllten Fragebogen erfolgt. Eine (nochmalige) persönliche
Vorstellung des Klägers am 25.3.2015 bei der behandelnden Ärztin sei nicht nötig gewesen. Ihre Einschätzung habe sie aus den
regelmäßigen Vorstellungsterminen gewonnen, zuletzt nur zwölf Tage zuvor (am 13.3.2015). An der Richtigkeit der Feststellung
vom 25.3.2015 bestünden keine Zweifel. Das BSG (aaO RdNr 23) habe nur in dem - hier nicht vorliegenden - Ausnahmefall einer für den Erhalt des Krg-Anspruchs nach §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF nicht rechtzeitigen bzw fehlenden ärztlichen AU-Feststellung einen unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt für erforderlich
gehalten. Da die Beklagte Kenntnis von der AU-Bescheinigung und davon gehabt habe, dass der Kläger weiterhin Krg beanspruche,
seien die Obliegenheiten des Klägers nach §
46 Satz 1 Nr
2 aF, §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V erfüllt (Beschluss vom 24.6.2019).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF. Die Vorschrift setze "unabdingbar" sowohl bei der Erstfeststellung der AU als auch bei jeder weiteren Folge-AU-Feststellung
einen unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt und die persönliche Untersuchung durch einen Arzt voraus. Dies folge aus der Rechtsprechung
des BSG, von der das LSG abgewichen sei (Hinweis auf BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R - juris RdNr 13 und auf BSG Urteil vom 22.3.2005 - B 1 KR 22/04 R - BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 29; BSG Urteil vom 8.8.2019 - B 3 KR 18/18 R - juris RdNr 23 ff). Selbst im Urteil vom 11.5.2017 (BSG aaO), das Ausnahmen von der Lückenlosigkeit der AU-Feststellung zugelassen habe, werde am Erfordernis eines unmittelbaren
Arzt-Patienten-Kontaktes zur Erlangung einer FolgeAU-Bescheinigung festgehalten. Die in der formularmäßigen Anfrage ohne persönliche
Untersuchung des Versicherten getroffene ärztliche Aussage, dass der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit erst
nach Durchführung der Operation absehbar sei, genüge daher nicht diesen Anforderungen. Die erst am 2.4.2015 ärztlich attestierte
AU wahre den Krg-Anspruch auch nicht ausnahmsweise. Der Beklagten zurechenbare Umstände, die den Kläger gehindert hätten,
rechtzeitig vor Ablauf des 25.3.2015 seine AU ärztlich feststellen zu lassen, lägen nicht vor. Im Übrigen diene die formularmäßige
Befragung der behandelnden Ärzte der Absehbarkeit des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit, zur Planung weiterer Maßnahmen
der Krankenbehandlung und zur Prüfung der Beteiligung des MDK. Das Arztanfrageformular werde auf der Grundlage der in der
Patientendatei enthaltenen Informationen ausgefüllt. Dieser Erklärungsinhalt entspreche daher nicht einer ärztlichen AU-Bescheinigung
(Hinweis auf LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.10.2015 - L 5 KR 5084/14 - juris = NZS 2016, 24).
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. Juni 2019 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Halle
vom 25. September 2018 zu ändern sowie die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger hat sich mangels Prozessvertretung nicht geäußert.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG).
Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger Anspruch auf Zahlung
von Krg dem Grunde nach über den 25.3.2015 hinaus hat.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Entscheidungen der Vorinstanzen, die unter Änderung des Bescheids der Beklagten
vom 14.4.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2015 den Anspruch des Klägers auf Weiterzahlung von Krg vom 26.3.2015
bis zum 17.5.2015 bestätigt haben.
2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Krg für Pflichtversicherte der GKV sind hier §
44 Abs
1 und §
46 Satz 1 Nr
2 SGB V in der bis 22.7.2015 geltenden Fassung (idF des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom
17.7.2009, BGBl I 1990, 3578 - aF) iVm §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V, der den Erhalt der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bei Anspruch auf oder Bezug von Krg bestimmt.
Nach §
44 Abs
1 SGB V aF haben Versicherte Anspruch auf Krg ua dann, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte
Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden
Entstehungstatbestands für das Krg vorliegt (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 8; BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 §
46 Nr 8, RdNr 15). Nach §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF entsteht der Anspruch auf Krg von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Dies gilt auch
für an die ärztliche Erstfeststellung von AU anschließende Folgefeststellungen (stRspr; vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 13 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
3. Für den streitigen Anspruch des Klägers auf Krg ab 26.3.2015 kommt es darauf an, ob am 25.3.2015, dem letzten Tag innerhalb
des vom 13.3.2015 bis zum 25.3.2015 ärztlich festgestellten AU-Zeitraums, eine ärztliche Folge-AU-Feststellung vorlag. Letzteres
kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.
a) Um die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger nach §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V zu erhalten, war es erforderlich, dass am ersten Tag nach dem Ende der zuletzt ärztlich festgestellten AU Anspruch auf Krg
bestand. Dies setzt einen lückenlosen Krg-Anspruch oder Krg-Bezug voraus, der nach §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF nach stRspr des BSG auch bei fortbestehenden Dauererkrankungen erst vom Folgetag der ärztlichen AU-Feststellung an entsteht. Daher muss eine
erneute ärztliche AU-Feststellung - ohne dass ein Karenztag eintritt - spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten AU-Zeitraums
erfolgen (s erneut BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 12 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
b) Hier liegen - nicht im Streit stehende - ärztliche Folge-AU-Bescheinigungen über folgende Zeiträume vor: für die Zeit vom
13.3.2015 bis zum 25.3.2015 von der behandelnden Ärztin und vom 2.4.2015 bis zunächst zum 24.4.2015 vom Chirurgen. Anders
als es das LSG angenommen hat, war letztere Bescheinigung von dem Chirurgen ausgestellt. Der von der Beklagten beanstandete,
streitige Zeitraum - beginnend ab 26.3.2015 - kann nach den derzeitigen Feststellungen des LSG nicht als mit einer ärztlichen
Folge-AU-Bescheinigung als lückenlos attestiert beurteilt werden. Denn die von der Vertragsärztin beantwortete Formular-Anfrage
der Beklagten hat nicht den Erklärungswert einer ärztlichen AU-Feststellung.
c) Zutreffend hat das LSG zunächst ausgeführt, dass es auf die Verwendung der für Vertragsärzte vorgesehenen Mustervordrucke
zur einen Krg-Anspruch begründenden Feststellung der AU nicht ankommt (s § 5 Abs 1 bzw § 6 Abs 1 AU-RL - Richtlinie des GBA
über die Beurteilung der AU und die Maßnahmen der stufenweisen Wiedereingliederung nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
7 SGB V, hier idF vom 14.11.2013, BAnz AT 27.1.2014 B4; Muster Nr 1 bzw 17). Ebenso wenig ist die Verwendung des Begriffs "AU" von
Bedeutung. AU kann überdies durch jeden Arzt festgestellt werden; es muss sich nicht notwendig um den behandelnden Arzt oder
um einen Vertragsarzt handeln (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 30.9.2015 - B 3 KR 40/15 B - juris; BSG Urteil vom 12.3.2013 - B 1 KR 7/12 R - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 20/11 R - BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 13 mwN). Eine ärztliche "Feststellung" der AU ist indes kein bloßer rein praxisinterner Vorgang,
der lediglich in den Patienten betreffenden ärztlichen Behandlungsunterlagen (formlos) festgehalten werden müsste. Dies ergibt
sich auch schon mittelbar aus §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V und ist für den Bereich der AU-Feststellung durch Vertragsärzte bezüglich der meldetechnischen Ausgestaltung auch näher geregelt.
Erforderlich ist dafür ein Akt mit Außenwirkung, der über eine lediglich irgendwie geäußerte innere Überzeugungsbildung des
Arztes hinausgeht und in Form eines entsprechenden Schriftstücks ("Bescheinigung") nach außen hin - vor allem gegenüber der
als leistungspflichtig in Anspruch genommenen KK - beweissicher zu dokumentieren ist (vgl BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 18). Dem Attest mit der ärztlichen Feststellung der AU ist die Bedeutung einer gutachtlichen
Stellungnahme beizumessen, ohne dass KKn und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (stRspr; vgl
nur BSG Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 18/04 R - SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 28 und BSG Urteil vom 10.5.2012 - B 1 KR 20/11 R - BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 14).
d) Das LSG hat den Antworten der Ärztin in der Formular-Musteranfrage eine nur am Wortlaut gemessene Bedeutung beigelegt.
Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist das Revisionsgericht an die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen
nach §
163 SGG gebunden, wenn nicht in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind (stRspr;
vgl nur BSG Urteil vom 5.9.2019 - B 8 SO 20/18 R - SozR 4-3500 § 18 Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 27.9.1994 - 10 RAr 1/93 - BSGE 75, 92, 95 f = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 46 f). Das Revisionsgericht darf die Würdigung einer Willenserklärung durch ein Tatsachengericht
deshalb nur daraufhin prüfen, ob dieses Gericht auf Grundlage seiner Feststellungen die Auslegungsregeln (§§
133,
157 BGB) beachtet und nicht gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen
hat (vgl BSG aaO). Ob eine Erklärung oder Bescheinigung den Inhalt einer ärztlichen AU-Feststellung iS von §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V hat, muss daher im Zweifel durch Auslegung der Erklärung nach Maßgabe von §§
133,
157 BGB und unter Berücksichtigung aller Umstände und des gesamten Auslegungsstoffs festgestellt werden (vgl bereits BSG Beschluss vom 30.9.2015 - B 3 KR 40/15 B - juris RdNr 13; vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.10.2015 - L 5 KR 5084/14 - juris RdNr 32).
aa) Auch wenn die behandelnde Ärztin die Fragen auf einem formularmäßigen Muster-Vordruck der Beklagten beantwortet hat, handelt
es sich um individuelle Erklärungen im Einzelfall, die nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt aus dem Empfängerhorizont und
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszulegen sind (vgl BSG Beschluss vom 30.9.2015 - B 3 KR 40/15 B - juris RdNr 13 mwN). Dazu gehört auch die Beachtung jener Umstände, die außerhalb der Erklärungen im Vordruck der Muster-Anfrage
liegen. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten erhobenen Einwände und nach den vorgenannten Maßgaben geht der Erklärungsgehalt
der Antworten der Ärztin im Anfrage-Formular vom 25.3.2015 nicht über den Zeitpunkt dieses Tages hinaus. Die Ärztin attestierte
mit der prognostischen Einschätzung zur Absehbarkeit des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit keine neue, über die mit AU-Bescheinigung
vom 13.3.2015 bis zum 25.3.2015 festgestellte hinausgehende AU. Ein solcher Erklärungsgehalt kann ihren Antworten unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls nicht entnommen werden. Die Ärztin bestätigte, dass der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit
erst voraussichtlich nach der Operation absehbar sei, die zu diesem Zeitpunkt für den 25.3.2015 durch den mitbehandelnden
Chirurgen geplant war. Diese prognostische Einschätzung beruhte aber auf der sich später als unzutreffend erweisenden Vorstellung
der Ärztin, dass die Operation tatsächlich an diesem Tag durchgeführt werde. Ausweislich der in den Gerichtsakten vorhandenen
medizinischen Unterlagen wurde die Operation aber an diesem Tag aus nicht näher aufgeklärten Gründen nicht durchgeführt, sondern
auf den 1.4.2015 verschoben. Erst am 2.4.2015 bescheinigte der Chirurg weitere fortbestehende AU bis zum 24.4.2015.
bb) Insofern hat das LSG in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise den bedeutsamen Umstand außer Acht gelassen, dass die
Operation entgegen der Annahme der behandelnden Ärztin gar nicht am 25.3.2015 stattfand. Die Folge-AU-Bescheinigung wurde
auch nicht am Tag der Operation, am 1.4.2015, ausgestellt. In der Zeit vom 26.3. bis 2.4.2015 besteht nach den derzeitigen
Feststellungen des LSG daher keine ärztlich festgestellte AU, die den relevanten streitigen Zeitraum ausfüllt. Damit ist der
gesamte Prozess- und Auslegungsstoff nicht hinreichend gewürdigt worden. Das ist ein im Revisionsverfahren beachtlicher Fehler,
der zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht führt (dazu auch unten
5.).
e) Die Muster-Anfrage der Beklagten dient im Übrigen auch nicht der ärztlichen Feststellung der AU. Nach §
82 Abs
1 SGB V iVm § 34 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä idF vom 1.1.2015) werden Vordrucke für schriftliche Informationen als verbindliche Muster in der Vordruckvereinbarung (Anlage
2 zum BMV-Ä) festgelegt. Der Vertragsarzt ist verpflichtet, die zur Durchführung der Aufgaben der KKn erforderlichen schriftlichen Informationen
(Auskünfte, Bescheinigungen usw) auf Verlangen an die KK zu übermitteln (§ 36 Abs 1 BMV-Ä). Nach der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung (§ 1 Abs 3 BMV-Ä, Anlage 2, hier idF ab 1.1.2015) enthält das Muster 52 den Vordruck für eine "Anfrage bei Fortbestehen der AU". Sie dient
dem Zweck, aufgrund des ärztlichen Befunds ggf weitere Maßnahmen der Krankenbehandlung mit dem Ziel der Gesundung und der
Wiedereingliederung des Versicherten in das Erwerbsleben planen oder prüfen zu können, ob der MDK zu beteiligen ist, und enthält
hierauf bezogene Fragestellungen (zB zur aktuell ausgeübten Tätigkeit des Versicherten, zum voraussichtlichen Eintritt der
Arbeitsfähigkeit, zu vorgesehenen diagnostischen/therapeutischen Maßnahmen, zu Maßnahmen zur Wiedereingliederung, zur Gefährdung
oder Minderung der Erwerbsfähigkeit usw, s Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung,
Stand Januar 2015, Muster 52, Ziff 2 - 7). Im Gegensatz zu Muster 1 (AU-Bescheinigung) und Muster 17 (Ärztliche Bescheinigung
zur Erlangung von Krg) sieht das Muster 52 für die gutachtliche Stellungnahme des Vertragsarztes keine Angabe für das Feststellungsdatum
(Muster 1) bzw das Untersuchungsdatum (Muster 17) vor. Die Ärzte beantworten die von den KKn gestellten Fragen daher regelmäßig
auf der Grundlage der von ihnen dokumentierten Informationen bzw aus der in der Patientendatei enthaltenen Angaben.
Im Regelfall wird daher allein in der Beantwortung dieser Muster-Anfrage durch den Vertragsarzt keine ärztliche Feststellung
der AU iS von §
46 SGB V liegen. Allerdings kann der Senat aber auch nicht generell ausschließen, dass die im Formular gegebenen Antworten im Einzelfall
nach Auslegung ihres Erklärungsgehalts und unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände sowie bei einem rechtzeitigen
Arzt-Patienten-Kontakt (dazu sogleich unten) die Bedeutung einer ärztlichen AU-Feststellung haben können.
4. Sollten die weiteren Ermittlungen des LSG hier ergeben, dass in der Zeit vom 26.3. bis 2.4. 2015 keine ärztlichen Folge-AU-Feststellungen
vorliegen sollten, so wäre zu prüfen, ob die Lückenhaftigkeit der ärztlichen Feststellung auf einer Verletzung der Obliegenheiten
des Klägers nach §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF beruht oder ob sich die Beklagte die Lückenhaftigkeit nach Maßgabe der Rechtsprechung des Senats zurechnen lassen muss.
Bei dieser Prüfung wäre der von der Beklagten als fehlend bemängelte Arzt-Patienten-Kontakt näher in den Blick zu nehmen.
a) Entgegen der Ansicht des LSG besteht das Erfordernis eines unmittelbaren Arzt-PatientenKontaktes für die ärztliche Feststellung
der AU und den rechtswahrenden Anspruch auf Krg. Die Formulierung, dass §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF "unabdingbar" sowohl bei der Erstfeststellung der AU als auch bei nachfolgenden Feststellungen die persönliche Untersuchung
des Versicherten durch einen Arzt voraussetzt (vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R - juris RdNr 13 mwN zur Rspr des BSG), muss im Lichte der später ergangenen Rechtsprechung des allein für das Krg zuständigen 3. Senats gelesen werden, die zur
ausnahmsweisen Unschädlichkeit der Lückenhaftigkeit eines ärztlich bescheinigten AU-Zeitraums bei einem erst verspätet erfolgten
Arzt-Patienten-Kontakt ergangen ist (vgl zuletzt BSG Urteil vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - SozR 4-2500 § 46 Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, in Fortentwicklung von BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8).
b) Grundsätzlich gilt, dass der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen hat, dass eine rechtzeitige
ärztliche AU-Feststellung erfolgt (stRspr; vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17, 22; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20). Sinn und Zweck dieser Obliegenheit ist es, Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu
vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung bei der Bewilligung von Krg beitragen
könnten (BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
c) Von diesen grundsätzlichen Erfordernissen sind in der Rechtsprechung des BSG allerdings enge Ausnahmen anerkannt worden (vgl nur - jeweils mwN - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 26 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr
21 ff; vgl auch - zur Meldung nach §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V - BSG Urteil vom 8.8.2019 - B 3 KR 6/18 R - BSGE 129, 20 = SozR 4-2500 § 49 Nr 9, RdNr 22 ff).
Der Senat hat insoweit bereits mit seinem Urteil vom 11.5.2017 (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 25 ff für die Rechtslage bis 22.7.2015) unter Fortentwicklung und Teilaufgabe früherer Rechtsprechung
entschieden, dass eine Lücke in den ärztlichen AU-Feststellungen nicht nur bei medizinischen Fehlbeurteilungen (BSGE 118,
52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 24 ff mwN), sondern auch bei nichtmedizinischen Fehlern eines Vertragsarztes im Zusammenhang
mit der AU-Feststellung für den Versicherten unschädlich ist, wenn sie der betroffenen KK zuzurechnen ist. Nach dieser Rechtsprechung
steht dem Krg-Anspruch eine erst verspätet erfolgte ärztliche AU-Feststellung nicht entgegen, wenn
1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen
zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um
(a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erreichen, und
(b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krg-Anspruch erfolgt
ist,
2. er an der Wahrung der Krg-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde
(zB eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und
3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der KK unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht (so BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 34).
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig
die ärztliche Feststellung der AU erhalten.
d) Der Senat hat diese Rechtsprechung zuletzt mit seinem Urteil vom 26.3.2020 (B 3 KR 9/19 R - juris RdNr 22 ff für die Rechtslage bis 22.7.2015 - SozR 4-2500 § 46 Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen)
fortentwickelt und sie dahin konkretisiert, dass ein Versicherter auch dann Anspruch auf Krg bei AU ab dem Folgetag eines
vereinbarten, zur ärztlichen Feststellung der AU rechtzeitigen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts hat, wenn es zu diesem
Kontakt aus dem Vertragsarzt und der KK zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist.
Denn es steht einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt zur Feststellung der AU gleich, wenn der Versicherte
alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat. Dies ist der Fall, wenn er rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden
bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg
zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der KK zurechenbaren Gründen erst verspätet,
aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist.
Das ist typischerweise anzunehmen in Fällen einer auf Wunsch des Vertragsarztes bzw seines von ihm angeleiteten Praxispersonals
erfolgten Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Arzttermins in der (naheliegenden) Vorstellung, ein späterer Termin
sei für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich, weil nach der AU-RL des GBA auch die begrenzte rückwirkende ärztliche
AU-Feststellung statthaft sei. Gleiches kann anzunehmen sein in Fällen, in denen ein rechtzeitiger Arzttermin vereinbart werden
sollte, vom Vertragsarzt oder seinem Personal aber ein späterer Termin vergeben worden ist in der Vorstellung, dies sei für
den Versicherten unschädlich. In diesen Fällen liegen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen eines Termins zur
ärztlichen Folge-AU-Feststellung jeweils in der Sphäre des Vertragsarztes (vgl zur Einbindung der Vertragsärzte in das GKV-System
nur § 2 Abs 2, § 72 Abs 1 und 2, §
73 Abs
2, §
75 Abs
1, §
76 Abs
1 Satz 1 und
2 SGB V) und nicht in derjenigen des Versicherten. Der Versicherte ist aber selbst bei einem nicht rechtzeitig erfolgten Termin zur
ärztlichen Feststellung der (Folge-)AU nicht von seiner Obliegenheit befreit, einen Arzttermin zur Feststellung der AU - wenn
auch verspätet - persönlich wahrzunehmen, um seinen Anspruch auf Krg aufrechtzuerhalten.
Für die Gleichstellung des aus den vorgenannten Gründen unterbliebenen rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakts mit einem tatsächlich
erfolgten Kontakt spricht, dass die Obliegenheiten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt
sind. Ein "Arzt-Hopping", das ohnehin grundsätzlich unerwünscht ist (vgl §
76 Abs
3 Satz 1
SGB V), statt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der AU schon vertrauten (hier: Haus-)Arzt weiterbetreut zu werden, kann
von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden. Für Versicherte fallen zudem ihr soziales Schutzbedürfnis in der GKV zu ihrer
finanziellen Absicherung im Krankheitsfall (s auch § 2 Abs 2 und §
4 Abs
2 Satz 1 Nr
2, §
21 Abs
1 Nr
2 Buchst g
SGB I) und die Verhältnismäßigkeit von leistungsrechtlichen Folgen bei tatsächlichen Fristversäumnissen ins Gewicht (verfassungsrechtliches
Übermaßverbot). Generalpräventive Erwägungen der Missbrauchsabwehr haben dagegen, vor allem in zweifelsfreien Folge-AU-Fällen,
kein solch großes Gewicht, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen könnten.
Für diese Auslegung des §
46 Satz 1 Nr 2
SGB V aF und Weiterentwicklung seiner Rechtsprechung hat der Senat sich zudem zum einen darauf gestützt, dass sich Versicherungsträger
in ihrem Verwaltungshandeln am Rechtsgedanken von Treu und Glauben (vgl §
242 BGB) auszurichten haben, welcher auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Anwendung findet. Zum anderen hat der Senat auf
den Rechtsgedanken des §
162 Abs
1 BGB Bezug genommen, dass niemand - auch kein Träger öffentlicher Verwaltung - aus seinem eigenen treuwidrigen Verhalten, das
er (oder ein seiner Sphäre zuzurechnender Dritter) einer ihm rechtlich verbundenen Person gegenüber gezeigt hat, einen Vorteil
ziehen darf (s im Einzelnen BSG Urteil vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - juris RdNr 25 f - SozR 4-2500 § 46 Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
In diesem Sinne dürfen auch KKn gegenüber dem Krg-Anspruch ihrer Versicherten nicht einwenden, der dafür erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt
sei nicht rechtzeitig zustande gekommen, wenn dies auf Gründen beruht, die
1. in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen, und die
2. auch den KKn zuzurechnen sind.
Es ist dann gerechtfertigt und vom Normzweck der gesetzlichen Regelungen zum Krg gedeckt, dass sich die KK nicht auf eine
dem vertragsärztlichen System anzulastende Verhinderung der rechtzeitigen AU-Feststellung berufen darf.
Der Senat hat diese Zurechnung fehlerhaften Arztverhaltens zu den KKn (bezogen auf deren Sozialversicherungsverhältnis zu
ihren Versicherten) in seinen Urteilen vom 11.5.2017 und 26.3.2020 mit einer missverständlichen Fassung der AU-RL des GBA
begründet. Die AU-RL (hier idF vom 14.11.2013, BAnz AT 27.1.2014 B4) erlaubt den Vertragsärzten als Leistungserbringern im
GKV-System in dem sie selbst betreffenden vertragsärztlichen Pflichtenkreis ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung
und rückwirkende Bescheinigung der AU (§ 5 Abs 3, s auch § 6 Abs 2 AU-RL). Die Vertragsärzte werden in dem Regelwerk zugleich
allerdings nicht - was geboten wäre - deutlich auf die damit verbundenen ganz erheblichen leistungsrechtlichen Nachteile für
die Krg-Ansprüche der sie aufsuchenden Versicherten der GKV hingewiesen. Entsprechend hervorgerufene bzw aufrechterhaltene
Fehlvorstellungen bei Vertragsärzten über deshalb auch vermeintlich den Versicherten in ihrem Verhältnis zu deren KK unschädliche
leistungsrechtliche Folgen rückwirkender AU-Feststellungen sind den KKn als maßgebliche Mitakteure im GBA (vgl näher §
91 SGB V) und Anspruchsgegner der Krg-Ansprüche Versicherter zuzurechnen (vgl zum Ganzen BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 31 ff; BSG Urteil vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - juris RdNr 28 - SozR 4-2500 § 46 Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl zu diesem Begründungszusammenhang
auch Schifferdecker in Kasseler Komm, §
46 SGB V RdNr 47c, Stand Mai 2020).
e) Ausgehend von der referierten Senatsrechtsprechung (insbesondere BSG Urteil vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - SozR 4-2500 § 46 Nr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) geht die Annahme des LSG daher im Ergebnis fehl,
dass ein unmittelbarer Arzt-Patienten-Kontakt nur für den Ausnahmefall einer für den Erhalt des Krg-Anspruchs nicht rechtzeitigen
bzw fehlenden ärztlichen Feststellung der AU als zwingend erforderlich angesehen werde.
5. Gemessen an den Vorgaben der og Rechtsprechung kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG nicht
abschließend beurteilen, ob der Kläger über den 25.3.2015 hinaus Anspruch auf Krg hat. Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt
hat das LSG bislang nicht ermittelt, ob und welchen unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt der Kläger im Zeitfenster vom 25.3.
bis zum 2.4.2015 gehabt hat. Das LSG wird insbesondere die im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben des Klägers zu
prüfen und zu bewerten haben, dass ihm auf Nachfrage in der ärztlichen Praxis am 25.3.2015 mitgeteilt worden sei, es sei ausreichend,
wenn die AU-Bescheinigung erst am 2.4.2015 ausgestellt werde. Im Übrigen wird es die bislang nicht näher festgestellten Gründe
für die Verschiebung der Operation auf den 1.4.2015 aufzuklären haben. Im Anschluss daran wird das LSG seine rechtliche Bewertung
unter Beachtung der Senatsrechtsprechung vom 26.3.2020 (BSG aaO) zu treffen haben. Dies führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung der Sache, um im wiedereröffneten
Berufungsverfahren die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.
6. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.