Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft.
Mit Urteil vom 14.10.2021 hat das LSG wie vor ihm der Beklagte und das SG einen Anspruch der Klägerin auf einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 40 verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe verfahrensfehlerhaft kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt und damit seine Pflicht zur
Amtsermittlung verletzt; es sei zudem von der Rechtsprechung des BSG abgewichen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder
der behauptete Verfahrensmangel noch eine Divergenz ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem
die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§
103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, dem
das LSG nicht gefolgt ist.
An einer solchen Bezeichnung fehlt es. In dieser Hinsicht kann dahinstehen, ob die in der Beschwerdebegründung zitierten Schriftsätze
aus dem Berufungsverfahren prozessordnungsgemäße Beweisanträge enthalten (vgl dazu BSG Beschluss vom 21.4.2020 - B 13 R 85/19 B - juris RdNr 11 mwN). Denn ein im Berufungsverfahren anwaltlich vertretener Beteiligter - wie die Klägerin - kann nur dann mit der Rüge des Übergehens
eines Beweisantrags iS von §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch einen entsprechenden Hinweis zu
Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; zB BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch
einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts
(§
103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht.
Einen entsprechenden Hinweis zu Protokoll zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung bezeichnet die Klägerin nicht. Sie
behauptet auch nicht, dass das LSG in seinem Urteil einen förmlichen Beweisantrag wiedergibt.
Soweit die Klägerin mit ihrer Beschwerde im Übrigen ausführlich in der Art einer Berufungsschrift auf ihre Gesundheitsstörungen
und die nach ihrer Ansicht dafür vorzunehmende Bewertung bei der GdB-Bemessung eingeht, wendet sie sich letztlich gegen die
Beweiswürdigung des LSG (vgl §
128 Abs
1 Satz 1
SGG), die §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG indes der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen
Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar
angegriffen werden (BSG Beschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B - juris RdNr 10 mwN).
2. Die für eine Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) notwendigen Voraussetzungen zeigt die Beschwerde ebenfalls nicht in der gesetzlich gebotenen Weise auf.
Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte
Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung
des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen,
weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Erforderlich ist, dass das LSG einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt
und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 9 V 58/16 B - juris RdNr 21 mwN).
In dieser Hinsicht fehlt es bereits an der substantiierten Bezeichnung eines entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatzes
des Berufungsgerichts. Der Vorwurf an den Beklagten, dieser habe entgegen der einschlägigen Rechtsprechung des BSG keine Einzel-GdB für die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt und angegeben, kann eine genaue Bezeichnung
eines Rechtssatzes im Berufungsurteil ebenso wenig ersetzen wie die Gegenüberstellung mit der vermeintlich entgegenstehenden
höchstrichterlichen Rechtsprechung, an der es ebenfalls fehlt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.