Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit eines Rohrreinigers für einen Auftraggeber
Kein Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit bei der Möglichkeit der Tätigkeit für andere Auftraggeber
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Anforderungen an die Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags und die Erhebung von Säumniszuschlägen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Beitragsnachforderung im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch
(
SGB IV) hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 15.06.2014.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die insbesondere Leistungen der Rohr- und Kanalreinigung anbietet.
Sie beschäftigt ca 40 Mitarbeiter.
Der Beigeladene zu 1) war bis zum 31.10.2011 als R bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Wirkung zum 31.10.2011
beendete der Beigeladene zu 1) das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Er meldete zum 01.04.2012 ein Gewerbe für Gebäudereinigung
und zum 15.01.2013 ein Gewerbe für Rohrreinigung an. Im Juli 2012 erwarb er eine Software für Buchhaltung und Rechnungswesen.
Im Oktober 2013 inserierte er in privaten Mitteilungsblättern als "Firma E Dienstleistungen" und offerierte handwerkliche
Leistungen und Fachkompetenz Rohrreinigung, Kehrwoche, Gartenpflege, Winterdienst für Gewerbe oder privat, Hausmeisterdienst
für Gewerbe oder privat sowie Montage. Im März 2013 erwarb der Beigeladene zu 1) einen Kastenwagen, im Mai 2013 ein Werkzeugset
und im Januar 2014 eine Schlauch- und eine Klauenkupplung. Im Januar 2013 wollte er sich eine Spiralmaschine für bis zu 30
m lange Leitungen mit einem Durchmesser bis 110 mm, im Juni 2013 eine Rohrreinigungsmaschine für bis zu 70 m lange Leitungen
mit einem Durchmesser bis 150 mm und im Dezember 2013 einen Nass- und Trockensauger anschaffen. Die Spiralmaschine, die Rohrreinigungsmaschine
und der Nass- und Trocken-Sauger wurden jeweils an den Firmensitz der Klägerin geliefert und von der Klägerin bezahlt. Seit
dem 16.06.2014 ist der Beigeladene zu 1) wieder bei der Klägerin versicherungspflichtig in Vollzeit mit einem Stundenlohn
von 14,00 € beschäftigt.
Mitte des Jahres 2012 trat der Beigeladene zu 1) an die Klägerin heran und teilte dieser mit, dass er Dienstleistungen aller
Art rund um das Haus anbiete, und fragte an, ob er für die Klägerin Notdienste durchführen und Aufträge zu Stoßzeiten übernehmen
könne. Der Geschäftsführer der Klägerin erklärte sich damit einverstanden. Einen schriftlichen Vertrag schlossen der Beigeladene
zu 1) und die Klägerin nicht. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub wurden nicht vereinbart. Hatte die Klägerin
keine freien eigenen Ressourcen, um einen Rohrreinigungsauftrag auszuführen, fragte sie den Beigeladenen zu 1) fernmündlich,
ob und wann er Zeit habe, den Auftrag zu übernehmen. Bei der Ausführung des Auftrages verwendete der Beigeladene zu 1) die
vom Kunden zu unterschreibenden Reportzettel der Klägerin zur Erfassung der geleisteten Tätigkeiten, des eingesetzten Materials
und der aufgewandten Arbeitszeit. Die Klägerin gab die Preise vor. Gelegentlich nutzte der Beigeladene zu 1) eines der Firmenfahrzeuge
der Klägerin. Der Beigeladene zu 1) trug bei der Ausführung der Aufträge nicht die Dienstkleidung der Beschäftigten der Klägerin,
sondern eigene Arbeitskleidung. Der Beigeladene zu 1) rechnete die von ihm erbrachten Leistungen gegenüber der Klägerin ab,
die Klägerin wiederum gegenüber ihren Kunden.
In der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013 rechnete der Beigeladene zu 1) insgesamt Entgelte in Höhe von 67.521,34 € und
in der Zeit vom 01.01.2014 bis zum 15.06.2014 16.446,53 € ab; dabei berechnete der Beigeladene zu 1) einen Stundensatz von
zunächst 28,00 € und später iHv 33,50 €. Umsatzsteuer setzte er unter Hinweis auf § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht an.
Im Juni 2017 führte die Beklagte bei der Klägerin hinsichtlich des Prüfzeitraums vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2016 eine Betriebsprüfung
durch. Die Klägerin gab unter dem 06.07.2017 im Fragebogen zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des
Beigeladenen zu 1) an, dass dieser im Bereich der Rohrreinigung tätig gewesen sei, ein schriftlicher Vertrag nicht bestehe,
eine Gewerbeanmeldung und Eintragung in die Handwerksrolle nicht angefordert worden sei, der Beigeladene zu 1) auch für andere
Auftraggeber (Winterdienst) tätig gewesen sei, gleiche oder ähnliche Tätigkeiten auch von festangestellten Mitarbeitern verrichtet
worden seien, der Beigeladene zu 1) teilweise mit festangestellten Mitarbeitern zusammengearbeitet habe, seine Arbeitszeit
habe frei gestalten können, Zeitnachweise geführt habe, keine Arbeiten an der Betriebsstätte der Klägerin ausgeführt habe,
eine Auftragskarte mit Informationen erhalten habe, den Rapport des Auftrages der Klägerin vorgelegt habe, bei neuen Aufträgen
an den morgendlichen Besprechungen teilgenommen habe, die gleiche Dienstkleidung wie festangestellte Mitarbeiter getragen
habe, keinen Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehabt habe, seine Arbeiten persönlich habe ausführen
müssen, Aufträge habe ablehnen können, die Preise nicht habe selbst gestalten können sowie Spezialmaschinen und Fahrzeuge
ihm zur Verfügung gestellt worden seien.
Unter dem 05.09.2017 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung für die Zeit
vom 01.01.2013 bis 14.06.2014 iHv insgesamt 32.843,50 € (einschließlich Säumniszuschlägen nach §
24 Abs
1 SGB IV iHv 10.109,90 €) an. Der Beigeladene zu 1) habe mit der Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis nach §
7 Abs
1 SGB IV gestanden und der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen.
Auf die Anhörung übersandte die Klägerin einen "korrigierten Einstufungsbogen". Der ursprüngliche Fragebogen sei von der Buchhalterin
der Klägerin ausgefüllt worden. Diese sei in den Vorgang nicht eingebunden gewesen. Die Buchhalterin sei nicht zur Außenvertretung
der Klägerin befugt gewesen. Diese kenne zudem auch die organisatorischen Abläufe in der Rohrreinigung bzw die Absprachen
zwischen den Lieferanten nicht. Sie sei von einem völlig falschen Zusammenhang ausgegangen, da der Beigeladene zu 1) schon
als angestellter Rohrreiniger beschäftigt gewesen sei, und habe einige Fakten durcheinandergebracht. In dem korrigierten Fragebogen
gab die Klägerin nun an, dass mündliche Vereinbarungen bestanden hätten, der Beigeladene zu 1) für andere Auftraggeber im
Bereich Winterdienst und Rohrreinigung tätig gewesen sei, sich die selbstständige Tätigkeit von dem Arbeitsverhältnis vom
15.09.2009 bis 31.10.2011 hinsichtlich der freien Arbeits- und Auftragseinteilung, des Einsatzes eigenen Materials und Werkzeugs
und der fehlenden Weisungsgebundenheit unterschieden habe. Grundsätzlich habe der Beigeladene zu 1) die gleichen oder ähnlichen
Tätigkeiten ausgeübt wie festangestellte Mitarbeiter. Jedoch seien die Mitarbeiter der Klägerin nur für bestimmte Bereiche
in der Rohrreinigung geschult. Der Beigeladene zu 1) könne das gesamte Leistungsspektrum neben der Rohrreinigung selbst abdecken,
dh er könne Rohrausfräsungen, Hochdruckspülungen, Kanalsanierungen, Dichtheitsprüfungen und Kamerauntersuchungen eigenständig
durchführen. Der Beigeladene zu 1) sei in der Regel beauftragt worden, die Auftragsspitzen abzudecken. Eine Zusammenarbeit
mit festangestellten Mitarbeitern habe nur bei Großaufträgen stattgefunden. Grundsätzlich habe der Beigeladene zu 1) die Arbeitszeit
frei gestalten können. Terminvereinbarungen habe der Beigeladene zu 1) selbstständig abändern können. Arbeitszeitnachweise
seien nicht zu führen gewesen. Seiner Rechnung seien nur Stundennachweise beigelegt worden. Die Arbeiten seien nicht an der
Betriebsstätte der Klägerin auszuführen gewesen. Nach einer Auftragsannahme sei für den Beigeladenen zu 1) der Einsatzort
frei wählbar. Hinsichtlich der Ausführungen der Arbeiten seien keine Anweisungen erfolgt. Gleiches gelte für den Umfang des
Auftrages. Dieser habe nur vor Ort eingeschätzt und umgesetzt werden können. Die Arbeitsergebnisse seien nicht kontrolliert
worden. Der Kunde habe den Rapport unterschrieben. In diesem seien alle Arbeiten aufgeführt, die der Beigeladene zu 1) verrichtet
habe. Diese seien Grundlage für die Rechnungstellung durch den Beigeladenen zu 1) gewesen. An Besprechungen habe der Beigeladene
zu 1) nicht teilgenommen. Dienstkleidung habe er nicht getragen. Es habe keine Verpflichtung bestanden, die Arbeiten persönlich
durchzuführen. Der Beigeladene zu 1) habe bei Erkrankung keine Vertretung stellen müssen. Bei Erkrankungen habe der Beigeladene
zu 1) Termine selbstständig neu terminiert. Der Beigeladene zu 1) habe ohne Zustimmung der Klägerin Arbeiten von Hilfskräften
übernehmen lassen. Der Beigeladene zu 1) habe alle Aufträge ablehnen können. Er habe selbst entschieden, für wen er arbeite
und was er mache. Der Beigeladene zu 1) habe die Preisliste der Klägerin anwenden müssen. Der Beigeladene zu 1) habe Werkzeuge
und Materialien für die Vorreinigung mitgebracht. Für Schäden oder Schlechtleistungen habe der Beigeladene zu 1) persönlich
gehaftet.
Der Beigeladene zu 1) gab im Fragebogen zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status unter dem 29.09.2017 ua
an, dass er über eine eigene Betriebsstätte mit Büro, Lager und Werkstatt verfügt habe, seine Arbeitszeit frei gestaltet habe,
Rapportzettel mit Bestätigungen der Kunden geführt habe, der Arbeitsort dem Auftragsort entsprochen habe, ihm keine Weisungen
hinsichtlich der Ausführung der Arbeiten erteilt worden seien, er keinen Bericht über seine Tätigkeit zu erstatten gehabt
habe, nicht an Besprechungen teilgenommen habe, nicht die gleiche Dienstkleidung getragen habe, nicht zur persönlichen Arbeitsleistung
verpflichtet gewesen sei, keine Vertretung bei Erkrankung zu stellen gehabt habe, er Hilfskräfte habe einsetzen können, im
Grunde jeden Auftrag habe ablehnen können, die Preise nicht habe selbst gestalten können, über für den Auftrag notwendige
Arbeitsmittel verfügt habe, Werbung betrieben habe, seine Leistungen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung erbracht habe,
bei Schäden und schlechter Leistung persönlich gehaftet habe und für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei.
Mit Schreiben vom 08.01.2018 legte der Beigeladene zu 1) Rechnungen über die Anschaffung eines Autos, von Werkzeug und Material
etc vor. Er führte ua aus, dass er seit seiner Firmengründung die übermittelten Rohrreinigungsaufträge der Klägerin mit seinem
eigenen PKW und seinen eigenen Werkzeugen abgearbeitet und seinen Geschäftsbereich dann durch Zukauf von Spezialmaschinen
sukzessive erweitert habe. Ab Mitte 2013 habe er dann auch einen eigenen Transporter dafür eingesetzt. Zu keinem Zeitpunkt
habe er während seiner Selbstständigkeit mit Fahrzeugen oder Werkzeugen der Klägerin gearbeitet.
Mit Bescheid vom 16.05.2018 stellte die Beklagte für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013 hinsichtlich der Tätigkeit
des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin als Rohrreiniger Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung
fest und forderte für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013 Beiträge iHv 14.211,83 € nach. Versicherungspflicht zur Kranken,
und Pflegeversicherung wurde nicht festgestellt, da das Arbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) in dieser Zeit die für diese
Versicherungszweige geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritt. Für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 14.06.2014 wurde
Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung festgestellt und es wurden Beiträge für
diesen Zeitraum in Höhe von 5.633,01 € festgesetzt. Zusammen mit den Säumniszuschlägen für die Monate Januar 2013 bis Juli
2014 iHv von 9.493,50 € ergaben sich Beiträge iHv insgesamt 29.338,34 €. Beiträge für die Zeit vor dem 01.01.2103 wurden wegen
eingetretener Verjährung nicht gefordert. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Rahmen der Betriebsprüfung sei
aus dem Sachkonto der Klägerin (Bauleistungen § 13b UStG) ersichtlich, dass von Januar 2013 bis Juni 2014 Zahlungen an den Beigeladenen zu 1) geleistet worden seien. Ausweislich
der im Rahmen der Prüfung vorgelegten Rechnungen seien monatliche Arbeitsstunden in schwankender Höhe erbracht worden. Umsatzsteuer
sei auf den Rechnungen mit Hinweis auf die Anwendung des § 13b UStG nicht ausgewiesen worden. Die Zahlungen an den Beigeladenen zu 1) seien beitragsfrei in der Sozialversicherung erfolgt. Eine
freie Wahl von Arbeitsort und Arbeitszeiten sei nur eingeschränkt möglich gewesen, da sich der Einsatzort nach den Kunden
der Klägerin gerichtet habe. Ebenso hätten sich der zeitliche Rahmen und die Fertigstellungstermine an den Vereinbarungen
zwischen der Klägerin und ihren Kunden orientiert. Der Beigeladene zu 1) habe der Klägerin Arbeitsstunden für Rohrreinigungsnotdienste
in Rechnung gestellt. Der Beigeladene zu 1) habe zwischen seinen versicherungspflichtigen Beschäftigungen die gleichen Tätigkeiten
wie zuvor als Festangestellter und die sonstigen festangestellten Mitarbeiter ausgeübt. Auch die Berücksichtigung bei der
Einteilung für die Sicherstellung des 24-stündigen Notdienstes spreche für eine Eingliederung im Betriebsablauf. Nach außen
sei er nicht als selbstständig Tätiger wahrgenommen worden, sondern als Mitarbeiter der Klägerin. Zu Beginn seiner Tätigkeit
habe der Beigeladene zu 1) noch kein eigenes Rohrreinigungsgerät besessen und im Laufe des Kalenderjahres insgesamt zwei Geräte
angeschafft. Spezialwerkzeuge und Maschinen, die für die komplexen Tätigkeiten neben der klassischen Rohrreinigung benötigt
würden, seien von ihm nicht angeschafft worden. Deshalb habe er auf die Arbeitsgeräte der Klägerin zurückgreifen müssen. Der
Beigeladene zu 1) habe auch kein relevantes unternehmerisches Risiko getragen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein (Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 01.06.2018). Zur Begründung
führte die Klägerin ua aus, dass sie dem Beigeladenen zu 1) nur Ort und Zeit eines Auftrages mitgeteilt habe. Der Beigeladene
zu 1) habe keinerlei Vorgaben erhalten, in welchem Zeitraum und wie er den Auftrag auszuführen habe. Die Klägerin habe im
Vornhinein weder die Art der Rohrverstopfung noch das Ausmaß der notwendigen Arbeiten gekannt. Es hätten daher keine weitergehenden
Weisungen erteilt werden können. Der Beigeladene zu 1) sei nicht im Team eingesetzt worden. Hinsichtlich der Tätigkeit des
Beigeladenen zu 1) im Notdienst verkenne die Klägerin den tatsächlichen Ablauf. Die telefonische Annahme von Notfällen sei
über einen Zentralruf erfolgt. Von dort seien die Aufträge an die bei ihr angestellten Mitarbeiter weitergegeben worden. Nur
wenn keine angestellten Mitarbeiter verfügbar gewesen seien, sei beim Beigeladenen zu 1) angefragt worden, ob er den Auftrag
ausführen wolle oder nicht. Der Beigeladene zu 1) sei nicht für den Notdienst eingeteilt worden. Die durchschnittliche Stundenvergütung
der Mitarbeiter der Klägerin liege bei 15,00 €. Der Beigeladene zu 1) habe als Selbstständiger 33,50 € je Stunde erhalten.
Der Beigeladene zu 1) habe zum 31.10.2011 sein Arbeitsverhältnis gekündigt, um sich selbstständig zu machen. Der Beigeladene
zu 1) habe eigene Betriebsmittel eingesetzt. Er habe Rohrreinigungsgeräte im Wert von ca 2.700,00 € netto gekauft. Darüber
hinaus habe er keine weiteren Geräte benötigt. Er sei nur zur klassischen Rohrreinigung herangezogen worden. Hochdruckspülungen,
Kanalsanierungen und Kamerauntersuchungen seien von ihm als Selbstständiger nicht durchgeführt worden. Schließlich seien die
festgesetzten Beiträge und die Erhebung eines Säumniszuschlages zu beanstanden.
Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 19.03.2019 den Widerspruch als unbegründet zurück. Mit Bescheid vom 16.05.2018
sei unter Beachtung der Verjährungsvorschriften für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.12.2013 zu Recht Versicherungspflicht in
der Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie für die Zeit vom 01.01.2014 bis 15.06.2014 in allen Zweigen der Sozialversicherung
hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin festgestellt worden. Der Beigeladene zu 1) sei für die Klägerin
in einer abhängigen Beschäftigung tätig gewesen. Ein unternehmerisches Risiko für den als Rohrreiniger tätigen Beigeladenen
zu 1) sei nicht festzustellen. Ein Unternehmerrisiko liege nicht allein darin, dass keine Regelung über feste Aufträge bestehe,
bei Nichtausführung der Arbeit - etwa infolge einer Erkrankung - keine Vergütung erfolge. Auch habe der Beigeladene zu 1)
seine Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, da eine Vergütung nach Abnahme der Arbeiten mit einem festen Stundensatz
erfolgt sei. Auch die Höhe der vereinbarten Stundensätze rechtfertige nicht die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Die
Beschaffung von Spezialmaschinen und eines Transportfahrzeuges stelle zunächst ein Indiz für ein unternehmerisches Risiko
dar. Jedoch habe der Beigeladene zu 1) angegeben, dass er die Spezialmaschinen über die Klägerin bezogen habe, um einen günstigeren
Preis zu erzielen und den Kaufpreis vorzufinanzieren. Einen Nachweis, dass der Beigeladene zu 1) letztlich die Aufwendungen
für die Spezialmaschinen getragen habe, habe er nicht erbracht. Auch für den ab Mitte 2013 eingesetzten Kastenwagen habe er
nicht zweifelsfrei dargelegt, dass dieser ausschließlich für die selbstständige Tätigkeit als Rohrreiniger angeschafft und
genutzt worden sei. Der Beigeladene zu 1) habe weitere Gewerbe im Bereich der Montage und Gebäudereinigung betrieben. Auch
sei nicht nachvollziehbar, dass der Beigeladene zu 1) bereits ab Juli 2012 als selbstständiger Rohrreiniger für die Klägerin
tätig gewesen sei und im Gegensatz zu den festgestellten Mitarbeitern das gesamte Leistungsspektrum neben der Rohrreinigung
habe abdecken können, wenn er nicht über die entsprechenden Spezialmaschinen und ein eigenes Fahrzeug zum Transport dieser
Geräte verfügt habe. Weiteres Indiz für die betriebliche Eingliederung sei die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der
Klägerin. Die Einbindung in die betrieblichen Strukturen der Klägerin lasse sich nicht mit der Möglichkeit, Aufträge annehmen
oder ablehnen zu können, negieren. Auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse seien Vertragsgestaltungen nicht unüblich,
die es weitgehend dem Arbeitnehmer überließen, ob er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder ob er ein konkretes Angebot
im Einzelfall ablehne. Nehme der Betroffene das Angebot jedoch an, übe er eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem
fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und werde nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden
Ablehnungsmöglichkeit zum selbstständig Tätigen. Der Beigeladene zu 1) sei für die Klägerin nicht als selbstständiger Subunternehmer
tätig, sondern abhängig beschäftigt gewesen. Er habe seine Tätigkeit nicht weisungsfrei ausgeübt. Die Klägerin habe die anfallenden
Aufträge dem Beigeladenen zu 1) bekannt gegeben und dieser habe entschieden, ob er diese annehme. Bei der ausgeübten Tätigkeit
als Rohrreiniger habe der Beigeladene zu 1) wie ein Arbeitnehmer auf Abruf fungiert. Bei einer Auftragsannahme habe sich der
Beigeladene zu 1) an den vorgegebenen Einsatzort begeben und den Auftrag ausgeführt. Es habe für ihn keine freie Gestaltungsmöglichkeit
bezüglich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes gegeben. Die übernommenen Aufträge seien bereits durch die jeweilige Kundschaft
festgelegt. Die Kontrolle der Auftragserledigung sei über Kundenrapporte erfolgt. Das Fehlen von konkreten Anweisungen durch
die Klägerin hinsichtlich der Ausführung und Herangehensweise der Auftragserledigung ergebe sich allein aus der Tatsache,
dass der Umfang der notwendigen Arbeiten erst vor Ort habe eingeschätzt werden können. Den Rahmen und die Methode zur Beseitigung
der Rohrverstopfung und der Beschädigung habe der Beigeladene zu 1) selbst festgelegt. Auch den angestellten Mitarbeitern
obliege diese Entscheidungsfreiheit bei der Auftragserledigung, da diese - ebenso wie der Beigeladene zu 1) - vorab nicht
das Ausmaß des Auftrages kennen würden. Nicht nur bei sogenannten Diensten höherer Art sei das ausgeübte Weisungsrecht eingeschränkt.
Dies gelte auch für die von dem Beigeladenen zu 1) verrichteten Tätigkeiten, wenn dieser auf seinem Fachgebiet über ein entsprechendes
Wissen verfüge. Er bedürfe insoweit keinerlei Anleitung und Beaufsichtigung bei der Durchführung bzw Erledigung der anfallenden
Arbeiten. Vielmehr genügten die Zuweisung der Arbeit und letztlich die Überwachung sowie die Abnahme der Erledigung durch
die Kundenrapporte. Die Möglichkeit, für weitere Auftraggeber tätig werden zu können, stehe der Feststellung einer abhängigen
Beschäftigung nicht entgegen. Hinsichtlich der Berechnung der nacherhobenen Beiträge sei eine Brutto-Hochrechnung der zugrunde
gelegten Entgelte nach §
14 Abs
2 SGB IV nicht vorgenommen worden. Der angefochtene Bescheid enthalte irrtümlich in der Begründung entsprechende Ausführungen hierzu.
Auch seien Säumniszuschläge zu Recht erhoben worden. Säumniszuschläge seien für eine nachträglich festgestellte Beitragsforderung
nach §
24 Abs
2 SGB IV nicht zu erheben, wenn der Beitragsschuldner glaubhaft mache, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht
gehabt habe. Die unverschuldete Unkenntnis werde als eigenständiger Rechtsbegriff verstanden, der von den Verschuldensgrundsätzen
des
BGB abweiche und im Sinne von mindestens bedingtem Vorsatz auszulegen sei. Von einem Verschulden des Beitragsschuldners sei daher
auszugehen, wenn der Arbeitgeber die Beiträge mit zumindest bedingtem Vorsatz vorenthalten habe. Dies sei der Fall, wenn er
die Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Von der Kenntnis
der Klägerin zur Versicherungspflicht sei auszugehen, da in der Firma nachweislich auch Rohrreiniger abhängig beschäftigt
gewesen seien, welche die gleichen Tätigkeiten verrichtet hätten wie der Beigeladene zu 1). Es sei davon auszugehen, dass
der Klägerin die Identität der Tätigkeiten bewusst gewesen sei und dass die bisherige sozialversicherungsrechtliche Beurteilung
des Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) für den streitbefangenen Zeitraum nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden
sei. Die Nichtzahlung von Beiträgen sei von der Klägerin billigend in Kauf genommen worden, da sie sich nicht um eine Statusklärung
bei der zuständigen Einzugsstelle oder der Clearingstelle bei der Beklagten bemüht habe.
Dagegen hat die Klägerin am 17.04.2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Der Beigeladene zu 1) habe seine Tätigkeit bei der Klägerin als Selbstständiger ausgeübt. Dieser habe selbst das
Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.10.2011 gekündigt, um sich selbstständig zu machen. Der Beigeladene zu 1) habe unter
seiner Privatanschrift angemessene Gewerberäume gehabt, habe eine Internetseite betrieben, Werbemaßnahmen ergriffen und in
Anzeigen seine Leistungen einschließlich die Rohrreinigung beworben. Er habe für seinen Gewerbebetrieb Reinigungsgeräte und
einen Kastenwagen gekauft. Zunächst habe der Beigeladene zu 1) seine selbstständige Tätigkeit auf die Gebäudereinigung fokussiert.
Da diese Tätigkeit nicht auskömmlich gewesen sei, habe er sich an die Klägerin gewandt und nach Aufträgen im Bereich der Rohrreinigung
gefragt. Der Beigeladene zu 1) habe sich bei der Klägerin als selbstständiger Allrounder rund ums Haus mit angeschlossenem
Winterdienst und Rohrreinigung gemeldet. Er habe der Klägerin versichert, dass seine Firma Dienstleistungen rund ums Haus
auch für andere Unternehmen und Privatpersonen erbringe. Die Klägerin habe dem Beigeladenen zu 1) zugesagt, bei Bedarf und
zur Abfederung von Auftragsspitzen Aufträge an ihn weiterzuleiten. Eine schriftliche Vereinbarung sei nicht getroffen worden.
Habe die Klägerin aus Kapazitäts- oder Zeitgründen einen Auftrag nicht ausführen können, habe sie bei dem Beigeladenen zu
1) angefragt, ob dieser als Subunternehmer den Auftrag ausführen könne. Es habe sich dabei um Aufträge im Bereich der klassischen
Rohrreinigung gehandelt. Hochdruckspülungen, Kanalsanierungen und Kamerauntersuchungen seien vom Beigeladenen zu 1) mangels
technischem Gerät nicht ausgeführt worden. Der Beigeladene zu 1) sei nicht in der Kleidung der Klägerin aufgetreten. Er sei
von außen nicht als Mitarbeiter der Klägerin wahrgenommen worden. Sofern der Beigeladene zu 1) einen Auftrag übernommen habe,
habe er der Klägerin seine Tätigkeit anschließend in Rechnung gestellt. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlter Urlaub
seien nicht vereinbart worden. Die Gesamtschau der Indizien und Merkmale führe vorliegend zur Annahme einer selbstständigen
Tätigkeit des Beigeladenen zu 1). Dieser habe keinen Weisungen der Klägerin in Bezug auf Arbeitsort und Arbeitszeit unterlegen.
Sie habe dem Beigeladenen zu 1) nur Ort und Zeit eines Auftrags mitgeteilt. Nach der Natur eines Auftrags im Rohrreinigungsgewerbe
sei dies unerlässlich. Der Einsatzort richte sich nach dem Kunden. Der Beigeladene zu 1) habe keinerlei Vorgaben erhalten,
in welchem Zeitraum und wie der Auftrag auszuführen sei. Die Klägerin habe weder die Art der Rohrverstopfung noch das Ausmaß
der notwendigen Arbeiten gekannt. Sie habe dem Beigeladenen zu 1) keine Weisungen erteilen können. Der Beigeladene zu 1) sei
nicht im Team der Klägerin eingesetzt worden. Dieser habe die Möglichkeit gehabt, selbst über die Annahme von Aufträgen zu
entscheiden. Das Fahrzeug des Beigeladenen habe keine Beschriftung mit dem Logo der Klägerin aufgewiesen. Der Beigeladene
zu 1) habe eine wesentlich höhere Vergütung als die bei der Klägerin beschäftigten Mitarbeiter erhalten. Schließlich habe
die Beklagte zu Unrecht Säumniszuschläge erhoben. Die Klägerin habe unverschuldet keine Kenntnis von einer angeblichen Zahlungspflicht
hinsichtlich der Beiträge gehabt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat mit den Beteiligten am 22.10.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und den Geschäftsführer der Klägerin M persönlich
angehört; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22.10.2019 (Bl 69/71
der SG-Akten) Bezug genommen.
Das SG hat mit Urteil vom 22.10.2019 den Bescheid vom 16.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2019 aufgehoben
und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 15.06.2014
nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Die Beklagte
habe zu Unrecht für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-,
Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung festgestellt. Der Beigeladene zu 1) sei in seiner Tätigkeit als Rohrreiniger
für die Klägerin nicht abhängig beschäftigt, sondern selbstständig tätig gewesen. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche,
dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit und seine Arbeitszeit im Wesentlichen habe frei gestalten können. Im vorliegenden
Fall habe keine privatrechtliche Pflicht des Beigeladenen zu 1) zur Erbringung von Arbeitsleistungen für die Klägerin bestanden.
Der Beigeladene zu 1) habe vielmehr Anfragen der Klägerin, einen bestimmten Auftrag anzunehmen, uneingeschränkt ablehnen können.
Daher habe kein Beschäftigungsverhältnis auf Abruf bestanden. Der Beigeladene zu 1) habe mit Blick auf Zeit und Ort der Durchführung
eines Auftrages keinem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen. Dass der Ort der Rohrreinigung von vornherein bestimmt gewesen
sei, folge nicht aus der Ausübung eines Direktionsrechts der Klägerin, sondern aus der Natur der Sache und aus den Wünschen
der Kunden der Klägerin. Die Klägerin habe den Termin, an dem ein Auftrag auszuführen gewesen sei, dem Beigeladenen zu 1)
nicht einseitig vorgegeben. Vielmehr habe sie den Termin zuerst mit dem Beigeladenen zu 1) abgestimmt, bevor sie den vom Beigeladenen
zu 1) auszuführenden Auftrag eines Kunden angenommen habe. Auch habe die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) hinsichtlich Art
und Weise der Rohrreinigung keine Weisungen erteilt. Erheblich für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass das vereinbarte
Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liege
und dadurch Eigenvorsorge zulasse. Weitere Indizien (keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein bezahlter Urlaub, eigene
Betriebsräume, eigene Betriebsmittel, Anzeigen, Inserate, Webseite, Rechnungstellung unter eigenem Briefkopf) sprächen für
eine selbstständige Tätigkeit. Für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin spreche, dass der Beigeladene
zu 1) gelegentlich Fahrzeuge der Klägerin genutzt habe, um Aufträge zu erledigen. Weiteres Indiz für die Eingliederung in
die Arbeitsorganisation der Klägerin sei der Umstand, dass die Klägerin drei für den Beigeladenen zu 1) bestellte Geräte (Spiralmaschine,
Rohrreinigungsmaschine und Trocken- und Nass-Sauger) zunächst selbst bezahlt und in Empfang genommen habe. Klägerin und Beigeladener
zu 1) hätten übereinstimmend mitgeteilt, dass Einigkeit darüber bestanden habe, die Kosten für diese Geräte mit den Zahlungsforderungen
des Beigeladenen zu 1) zu verrechnen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin
als etabliertes größeres Unternehmen der Rohrreinigungsbranche den Beigeladenen zu 1) als ehemaligen Angestellten durch die
Weitergabe günstigerer Großhandelspreise und die Überbrückung von Bonitätsproblemen in der Gründungs- und Aufbauphase seines
Unternehmens auf dem Weg in die Selbstständigkeit habe unterstützen wollen. Das eine selbstständige Tätigkeit prägende Unternehmerrisiko
werde dadurch zwar gemindert, aber nicht aufgehoben. Der Geschäftsführer der Klägerin habe der Kammer anschaulich erläutert,
dass die Durchführung einfacherer Rohrreinigungen nicht zwingend Spezialmaschinen erfordere.
Gegen das ihr am 29.01.2020 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 12.02.2020 beim Landessozialgericht (LSG)
Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Zwar könne die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, als Indiz für das
Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden. Jedoch sei eine solche Möglichkeit in Arbeitsverträgen nicht unüblich.
In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen lediglich im Bedarfsfall
auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen werde, könne die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Anfrage abzulehnen. Dabei handele
es sich in der Regel nicht um eine Arbeit auf Abruf, sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge
(Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Der Beigeladene zu 1) habe grundsätzlich dem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen. Ein gewichtiges
Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei, dass der Beigeladene zu 1) im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten ausgeübt habe
wie bei der Klägerin Beschäftigte. Auch sei der Beigeladene zu 1) der Klägerin rechenschaftspflichtig gewesen. Auch habe dieser
bei Großaufträgen mit festangestellten Mitarbeitern der Klägerin zusammengearbeitet. Die Höhe des vereinbarten Stundenhonorars
müsse hinter den gewichtigen Kriterien, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, zurückstehen. Die vom SG angeführten weiteren Indizien für eine Selbstständigkeit begründeten kein ausreichendes Unternehmerrisiko. So führe allein
der Umstand, dass jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen Schutz zur Verfügung gestellt erhalte,
nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos. Einem unternehmerischen Risiko müssten - um sozialversicherungsrechtliche
Folgen auslösen zu können - auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen
Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner
Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folge kein Unternehmerrisiko. Für den
Beigeladenen zu 1) seien gerade keine größeren Verdienstchancen gegeben gewesen. Die Rechnungstellung durch den Beigeladenen
zu 1) und die Anmeldung eines Gewerbes stellten keine Indizien für eine selbstständige Tätigkeit dar. Der Beigeladene zu 1)
habe von der Klägerin für seine Tätigkeit ein festes Honorar pro Arbeitsstunde erhalten. Er habe die eigene Arbeitskraft nicht
mit ungewissem Erfolg eingesetzt. Die Klägerin habe die fraglichen Geräte, eine Spiralmaschine, eine Rohrreinigungsmaschine
und einen Trocken-Nass-Sauger bestellt und bezahlt. Diese Geräte seien auch an den Betriebssitz der Klägerin geliefert worden.
Zwar möge eine Absprache zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) getroffen worden sein, dass der Beigeladene zu 1)
die Geräte nachträglich bezahlen solle. Jedoch seien hierzu keine Nachweise eingereicht worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.10.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hat unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens das Urteil des SG verteidigt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26.01.2021 auf deren Antrag die AOK Baden-Württemberg, die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg
sowie die Bundesagentur für Arbeit beigeladen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten
sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entscheidet (§
124 Abs
2 SGG), ist statthaft und zulässig.
Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 16.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
19.03.2019 (§
95 SGG), mit dem die Beklagte für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 14.06.2014 hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei
der Klägerin Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung (01.01.2014 bis 15.06.2014) sowie in der Renten-
und Arbeitslosenversicherung (01.01.2013 bis 15.06.2014) festgestellt und entsprechende Beiträge nebst Säumniszuschlägen iHv
29.338,34 € festgesetzt hat. Dagegen hat sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage
nach §§
54 Abs
1,
55 Nr
1 SGG gewandt, der das SG vollumfänglich stattgegeben hat. Gegen das Urteil des SG wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und begehrt die Abweisung der Klage.
Die Berufung ist im tenorierten Umfang begründet, da der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 16.05.2018 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2019 bzgl der Feststellung der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung
(01.01.2014 bis 15.06.2014) sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (01.01.2013 bis 15.06.2014) hinsichtlich der
Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin sowie die Nacherhebung entsprechender Beiträge rechtmäßig ist. Die Klägerin
wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt. Dagegen hat das SG im Ergebnis zutreffend den Bescheid der Beklagten vom 16.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2019 bzgl
der Säumniszuschläge iHv 9.493,50 € aufgehoben.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p
SGB IV. Nach § 28p Abs 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen
erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der
Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die
Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im
Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten
§
28h Abs
2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß §
28h Abs
2 Satz 1 Halbsatz 1
SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung. Die Regelung
in § 28p
SGB IV weist seit 1996 die Prüfung bei den Arbeitgebern exklusiv den Rentenversicherungsträgern zu (zum Ganzen ausführlich BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4).
Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (§
28g Satz 1 und
2,
28e Abs
1 Satz 1
SGB IV). Der Arbeitgeber (Klägerin) hat gegen den Beschäftigten (Beigeladener zu 1) einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu
tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann allerdings nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend
gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach
nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (§
28g Sätze 1 bis 3
SGB IV). Vereinbarungen mit dem Beschäftigten, die einen Abzug vom Arbeitsentgelt in weiterem Umfang zum Inhalt haben, sind wegen
Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§
134 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>).
Nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern. Hierbei handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht nur um eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts, sondern um einen verpflichtenden Auftrag, Umfang und Ergebnis
der durchgeführten Prüfung anzugeben. Auch bei beanstandungsfreiem Abschluss einer Betriebsprüfung ist das Verfahren mit einer
rechtswirksamen Feststellung zum (Nicht-)Bestehen von Versicherungs- oder Beitragspflicht in den stichprobenweise geprüften
Auftragsverhältnissen und zum Ergebnis der übrigen geprüften Sachverhalte abzuschließen. Mit diesem Verständnis von § 28p
Abs 1 Satz 5
SGB IV wird der Berufsausübungsfreiheit der Arbeitgeber (Art
12 Abs
1 GG) Rechnung getragen, die durch ihre Indienstnahme zum Zwecke des Beitragseinzugs und die damit verbundene Notwendigkeit, vielfach
schwierige Statusfragen beurteilen zu müssen, berührt wird. Es entspricht folglich grundrechtsschonender Auslegung, auch das
Ergebnis beanstandungsfreier Betriebsprüfungen in dem Sinne "rechtssicher" auszugestalten, dass die Arbeitgeber sich hierauf
berufen können (BSG 19.09.2019, B 12 R 25/18 R, BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen auch im hier streitigen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
<SGB V>, § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI>, § 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB
VI>, § 25 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch <SGB III>), es sei denn Versicherungspflicht scheidet aufgrund gesetzlicher
Regelungen aus.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Weisungsgebundenheit und Eingliederung in
den Betrieb stehen aber weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung
geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also
im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (BSG 07.06.2019, B 12 R 6/18 R, BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44 unter Hinweis auf BT-Drucks 14/1855 S 6).
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder
die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen
Mittel also ungewiss ist. Allein der Umstand, dass jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen sozialen
Schutz zur Verfügung gestellt erhält, führt jedoch noch nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos; einem solchen Risiko
müssen vielmehr - um sozialversicherungsrechtliche Folgen auslösen zu können - auch größere Freiheiten in der Gestaltung und
der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen; auch aus dem
(allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu
können, folgt kein Unternehmerrisiko (BSG 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29, Rn 21; vgl auch BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99).
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild
der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen
Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung
ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt
oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig
ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche
Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen
erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit
der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel"
handelt, der uU als Scheingeschäft iSd §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts
festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende
Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren
Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu
1) im streitgegenständlichen Zeitraum eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin ausgeübt hat und daher
in dem von der Beklagten festgestellten Umfang der Versicherungspflicht unterlag.
Für den Senat steht fest, dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1) für die hier streitige Zeit mündlich vereinbart hatten,
dass der Beigeladene zu 1) im Bereich der Rohrreinigung für die Klägerin Notdienste durchführt und Aufträge zu Stoßzeiten
übernimmt zu einem Stundensatz von zunächst 28,00 € und später 33,50 €. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub
wurden nicht vereinbart. Wenn die Klägerin einen Rohrreinigungsauftrag nicht mit ihren festangestellten Mitarbeitern ausführen
konnte, fragte sie bei dem Beigeladenen zu 1) an, ob er diesen Auftrag ausführen konnte. Der Beigeladene zu 1) konnte einen
Auftrag ablehnen. Nach Bestätigung der Auftragsübernahme führte der Beigeladene zu 1) - persönlich (ohne den Einsatz von Hilfskräften)
- für die Klägerin die Rohrreinigungsarbeiten bei deren Kunden auf Rapportzettel (Erfassung der geleisteten Tätigkeiten, des
eingesetzten Materials und der aufgewandten Arbeitszeit) der Klägerin und nach deren Preisen aus. Die Klägerin rechnete die
vom Beigeladenen zu 1) erbrachten Leistungen gegenüber ihren Kunden ab. Der Beigeladene zu 1) stellte die Arbeitsstunden der
Klägerin in Rechnung und wies diese durch die von den Kunden der Klägerin unterzeichneten Rapportzettel nach. Gelegentlich
nutzte der Beigeladene zu 1) eines der Firmenfahrzeuge der Klägerin und arbeitete mit festangestellten Mitarbeitern zusammen.
Der Beigeladene zu 1) trug bei der Ausführung der Aufträge nicht die Dienstkleidung der festangestellten Beschäftigten der
Klägerin, sondern eigene Arbeitskleidung. Der Beigeladene zu 1) nahm unmittelbar mit den Kunden der Klägerin Kontakt auf,
um vereinbarte Termine zu ändern. Er setzte bei den Einsätzen für die Klägerin ua einen im März 2013 angeschafften Kastenwagen
(Kaufpreis 9.600,00 €), von der Klägerin finanzierte Werkzeuge (Januar 2013 Spiralmaschine <1.205,47 €>, Juni 2013 Rohrreinigungsmaschine
<1.720,31€>, Dezember 2013 Nass- und Trockensauger <261,80 €>) und selbst finanzierte Werkzeuge (Mai 2013 Werkzeugset gemischt
<236,81 €>, Januar 2014 Schlauchkupplung <8,23 €> sowie Januar 2014 Winkelschleifer <196,35 €>) ein.
Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) sowie den von ihnen vorgelegten Unterlagen. Dabei
hat die Klägerin an ihrem Vortrag, dass der Beigeladene zu 1) - anders als die festangestellten Mitarbeiter der Klägerin -
das gesamte Leistungsspektrum neben der Rohrreinigung (Rohrausfräsungen, Hochdruckspülungen, Kanalsanierungen, Dichtheitsprüfungen
und Kamerauntersuchungen) selbst habe abdecken und eigenständig durchführen können, nicht mehr festgehalten. Sie hat eingestanden,
dass der Beigeladene zu 1) mit den gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten wie festangestellte Mitarbeiter lediglich im Bereich
der klassischen Rohrreinigung betraut wurde. Der Senat ist weiterhin davon überzeugt, dass der Beigeladene zu 1) seine Leistungen
höchstpersönlich und ohne Einsatz von Hilfskräften erbracht hat. Dieser beschäftigte in der streitigen Zeit nach eigenen Angaben
keinen Arbeitnehmer und war damit von vornherein nicht in der Lage, einen Helfer zur Erfüllung eines ihm durch die Klägerin
erteilten Auftrages einzusetzen. Dass Klägerin und Beigeladener zu 1) entgegen der Zweifelsregelung des §
613 BGB vereinbart hatten, dass der Beigeladenen zu 1) die von ihm übernommenen Dienste nicht in Person zu erbringen hat, ist weder
ersichtlich noch vollziehbar dargetan. Hinsichtlich der von der Klägerin finanzierten Werkzeuge (Januar 2013 Spiralmaschine
<1.205,47 €>, Juni 2013 Rohrreinigungsmaschine <1.720,31€>, Dezember 2013 Nass- und Trockensauger <261,80 €>), die auch an
die Klägerin ausgeliefert wurden und der Beigeladene zu 1) dort abholen musste, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass
der Beigeladene zu 1) insoweit Zahlungen an die Klägerin erbracht hat. Zwar haben Klägerin und Beigeladener zu 1) angegeben,
dass die Klägerin die Werkzeuge für den Beigeladenen zu 1) gekauft und lediglich vorfinanziert habe, weil sie günstigere Preise
habe verhandeln können und der Beigeladene zu 1) zu Beginn seiner "Selbstständigkeit" noch Bonitätsprobleme gehabt habe, jedoch
haben sie trotz Aufforderung und Hinweis der Beklagten keinen Nachweis erbracht, dass der Beigeladene zu 1) letztlich die
Aufwendungen für die Spezialmaschinen tatsächlich getragen hat und diese von seinem Entgelt abgezogen wurden. Den aktenkundigen
Rechnungen des Klägers ist ein entsprechender Abzug auch nicht zu entnehmen. Der Senat ist gleichfalls nicht davon überzeugt,
dass der Beigeladene zu 1) bei seinen Einsätzen für die Klägerin eigenes Material eingesetzt hat. Denn ausweichlich der eingereichten
Rechnungen berechnete der Beigeladenen zu 1) gegenüber der Klägerin zu 1) lediglich seine Arbeitsstunden, nicht jedoch eingesetztes
Material. Auch existiert keinerlei Beleg, dass sich der Beigeladene zu 1) das zur Durchführung der Rohrreinigungen erforderliche
Material selbst beschafft hat. Zudem ist für den Senat nicht nachvollziehbar und plausibel, dass der Beigeladene zu 1) für
seine Einsätze einschließlich Materialverbrauch durch Zahlung eines bloßen Stundensatzes das wirtschaftliche Risiko für einen
ggf erforderlichen Materialeinsatz vollständig übernommen haben soll, während die Klägerin nach Maßgabe der Rapportzettel
das eingesetzte Material ihren Kunden in Rechnung gestellt hat. Diese Umstände lassen nur den Schluss zu, dass die Klägerin
dem Beigeladenen zu 1) das erforderliche Material - ebenso wie die Spezialmaschinen - zur Verfügung gestellt hat.
Dabei ist für die hier vorzunehmende Beurteilung auf die jeweiligen Einzeleinsätze abzustellen. Denn nach den getroffenen
Feststellungen wurden die einzelnen Dienste zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) individuell vereinbart. Erst
durch die Zusage des Beigeladenen zu 1) entstand eine rechtliche Verpflichtung, den zugesagten Einsatz auch tatsächlich zu
leisten. Bei Vertragsgestaltungen dieser Art ist für die Frage der Versicherungspflicht grundsätzlich jeweils auf die Verhältnisse
abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen (BSG 04.06.2019, B 12 R 2/18, SozR 4-2400 § 7 Nr 40 mwN).
Wenn der Beigeladene zu 1) einen Auftrag der Klägerin zur Rohrreinigung übernahm, war er fremdnützig zur Erfüllung der Verpflichtungen
der Klägerin gegenüber ihren Kunden nach Vorgaben bzw Weisungen der Klägerin tätig und trug dabei kein relevantes wirtschaftliches
Risiko. Der Beigeladene zu 1) übernahm keine eigenen Verpflichtungen gegenüber den Kunden, sondern war im Interesse und im
Auftrag der Klägerin zur Erfüllungen ihrer Verpflichtung gegenüber ihren Kunden tätig. Wenn der Beigeladene zu 1) einen Auftrag
der Klägerin angenommen hatte, führte er diesen im Wesentlichen wie ein festangestellter Mitarbeiter der Klägerin aus. Er
suchte nach Vorgaben der Klägerin den Einsatzort auf, analysierte bei dem Kunden entsprechend seiner Fachkenntnis die Havarie
bzw Rohrverstopfung, bestimmte Art und Umfang der zur Beseitigung der Havarie bzw Rohrverstopfung erforderlichen Arbeiten
und führte diese sodann aus sowie dokumentierte auf Rapportzetteln der Klägerin die erbrachten Tätigkeiten, das eingesetzte
Material und die aufgewandte Arbeitszeit und ließ sich dies vom jeweiligen Kunden bestätigen. Da Arbeitsort und Ablauf des
Auftrages im Hinblick auf das eng begrenzte Aufgabenfeld (Rohrverstopfung) vorgegeben waren, bedurfte es keiner weiteren detaillierten
Weisungen der Klägerin. Vielmehr war der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung - ebenso wie die festangestellten
Mitarbeiter der Klägerin - in der Lage, die Ursache für die Havarie bzw Rohrverstopfung zu ermitteln und die zu ergreifenden
Maßnahmen zu bestimmen. Er hatte für die Klägerin fachgerecht die Havarie bzw Rohrverstopfung so schnell wie möglich zu beseitigen.
Eine Entscheidungsfreiheit bzgl der Einsatzzeit sowie des Umfangs der zu erbringenden Arbeitsleistung war damit nicht verbunden,
sondern durch den übernommenen Auftrag bzw Einsatz vorherbestimmt. Daher geht das Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen
zu 1), dieser habe seine Arbeitszeit frei bestimmen können, ins Leere. Hatte sich der Beigeladene zu 1) zur Übernahme eines
Auftrages in einem Notfall bereit erklärt, hatten sowohl die Klägerin als auch deren Kunden ein Interesse daran, dass die
Havarie bzw Rohrverstopfung so schnell wie möglich behoben wird. Der Beigeladene zu 1) konnte bei dieser Interesselange nicht
frei über den Einsatztermin disponieren, sondern hatte ggf im Hinblick auf andere Verpflichtungen bei der Abstimmung der Einsatzzeit
mit dem Kunden dessen Interessen sowie den Interessen der Klägerin Rechnung zu tragen.
Bei seinen Tätigkeiten als Rohrreiniger für die Klägerin war der Beigeladene zu 1) hinreichend in den Betrieb der Klägerin
eingliedert. Er übte eine dem Betriebszweck der Klägerin, nämlich die Erbringung von Leistungen der Rohrreinigung, dienende
Tätigkeit aus. Die Eingliederung in den Betrieb kam insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass er durch die vorzunehmende Rapportierung
seiner Tätigkeiten nach den Vorgaben der Klägerin (Rapportzettel der Klägerin) ihrer tätigkeitsbezogenen Kontrolle unterworfen
war. Durch das Tätigwerden des Beigeladenen zu 1) auf Veranlassung und im Auftrag der Klägerin sowie die Verwendung der Rapportzettel
der Klägerin gegenüber den Kunden der Klägerin trat der Beigeladene zu 1) nicht als selbstständiger Unternehmer, sondern wie
ein Mitarbeiter der Klägerin auf. Dies gilt unabhängig davon, ob der Beigeladene zu 1) eigene Arbeitskleidung trug. Hinzu
kommt, dass der Beigeladene zu 1) nach den Angaben der Klägerin gelegentlich (bei der Ausführung von Großaufträgen) mit den
bei ihr festangestellten Mitarbeitern zusammengearbeitet hat. Weiterhin hat er zur Ausführung der Aufträge bzw Einsätze auf
die von der Klägerin finanzierten Spezialmaschinen zurückgegriffen, gelegentlich ein Firmenfahrzeug der Klägerin benutzt und
Material der Klägerin eingesetzt.
Es liegen keine für Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte vor, die ein derartiges Gewicht haben, dass sie die Weisungsgebundenheit
und Eingliederung des Beigeladenen zu 1) auf- oder überwiegen könnten. Insbesondere war er nicht einem nennenswerten Unternehmerrisiko
ausgesetzt. Er erhielt einen festen Lohn für geleistete Stunden und hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten. Für ihn bestand
auch nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von
Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Da es lediglich auf eine Betrachtung der konkreten
Tätigkeit ankommt, ist das einzig in Betracht kommende Risiko des Beigeladenen zu 1), von der Klägerin keine weiteren Folgeaufträge
zu erhalten, für die Frage seines Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant. Für die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung
und selbstständiger Tätigkeit ist es nicht von Bedeutung, ob die Tätigkeit als Rohrreiniger als Haupterwerbsquelle oder im
Nebenerwerb ausgeübt wurde und ob es sich um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze oder um eine verstetigte Geschäftsbeziehung
handelte. Das Sozialversicherungsrecht ordnet Versicherungspflicht nicht nur für unbefristete Dauerbeschäftigungen an. Vielmehr
sind - sofern die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten sind - auch zeitlich befristete Arbeitseinsätze der Sozialversicherungs-
und Beitragspflicht unterworfen (vgl zB BSG 04.06.2019, B 12 R 11/18 R, BSGE 128, 191).
Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Beigeladene zu 1) in seinem Gewerbe "Service rund um das Haus" für mehrere
Auftraggeber tätig war. Zwar kann eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für eine ganz erhebliche Dispositionsfreiheit
in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet, weil
sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränkt (BSG 04.09.2018, B 12 KR 11/17 R, SozR 4-2400 § 7a Nr 10). Zunächst ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beigeladene zu 1) in dem hier relevanten Gewerbe der Rohrreinigung
in einem relevanten Umfang oder sogar schwerpunktmäßig für einen anderen Auftraggeber tätig war. Vielmehr ist dem Rechnungskonto
der Klägerin zu entnehmen, dass der Beigeladene zu 1) im Hinblick auf die erbrachten und abgerechneten Leistungen in der hier
streitigen Zeit Monat für Monat für die Klägerin in einem erheblichen Umfang tätig war.
Ein relevantes Unternehmerrisiko ergibt sich auch nicht aus der Anschaffung des Kastenwagens und der Werkzeuge sowie den Werbemaßnahmen.
Dabei ist zu beachten, dass der Beigeladene zu 1) neben seiner Tätigkeit als Rohrreiniger auch ein Gewerbe im Bereich Hausmeisterdienste,
Winterdienst, Gartendienst etc betrieben hat und das Fahrzeug sowie die Werkzeuge auch dafür nutzbar waren. Weiterhin ist
zu berücksichtigen, dass - wie oben dargelegt - die Spezialwerkzeuge für die Tätigkeit als Rohrreiniger über die Klägerin
bezogen und von dieser bezahlt wurden, mithin der Beigeladene zu 1) für die zur Ausübung der Tätigkeit als Rohrreiniger unerlässlichen
Spezialwerkzeuge keine finanziellen Aufwendungen aufgebracht hat.
Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass er selbstständig
tätig war, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht
statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbstständige Tätigkeit voraus,
begründen aber für sich allein keine solche (stRspr des Senats ua Urteil vom 28.03.2017, L 11 R 3962/15; Urteil vom 26.07.2016, L 11 R 3845/15; Beschluss vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B).
Vertragsklauseln bzw Abreden, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-,
steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
und Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu
werden oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt
werden, lassen ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Darüber
hinaus kommt solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des §
7 Abs
1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99). Die Vertragsparteien haben es nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch
bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich
widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für
eine abhängige Beschäftigung sprechen (BSG 14.03.2018, B 12 R 3/17 R, BSGE 125, 177 mwN). Der Wille der Vertragsparteien ist nicht maßgebend, wenn - wie im vorliegenden Fall - tatsächlich Umstände vorliegen,
die bei einer Gesamtschau zwingend zu einer Beurteilung des Vertragsverhältnisses als abhängige Beschäftigung führen (BSG 14.03.2018, B 12 R 3/17 R, BSGE 125, 177).
Die Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die jeweiligen Rechnungsbeträge
(ohne Mehrwertsteuer), die der Beigeladene zu 1) gegenüber der Klägerin in Ansatz gebracht hat und die ihm von Klägerin bezahlt
worden sind, der Berechnung zugrunde gelegt. Eine Hochrechnung auf der Grundlage des §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV ist nicht erfolgt.
Die Beiträge sind auch nicht deshalb zu hoch angesetzt, weil fraglich sein kann, ob die Klägerin dem Beigeladene zu 1) das
an ihn tatsächlich ausgezahlte Entgelt in voller Höhe schuldete. Legen die Parteien (hier: Klägerin und Beigeladener zu1)
ihrer Vergütungsvereinbarung eine unrichtige rechtliche Beurteilung darüber zugrunde, ob die Dienste abhängig oder selbstständig
erbracht werden, bedarf es der Auslegung, ob die Vergütung unabhängig von der rechtlichen Einordnung des bestehenden Vertrags
geschuldet oder gerade an diese geknüpft ist. Eine für freie Mitarbeiter ausdrücklich getroffene Vergütungsvereinbarung kann
nicht ohne Weiteres auch im Arbeitsverhältnis als maßgeblich angesehen werden. Andernfalls bliebe außer Acht, dass die Vergütung
von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbstständige Tätigkeiten erbringen, typischerweise zugleich Risiken abdecken
soll, die der freie Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer selbst trägt. Vor diesem Hintergrund muss dem Mitarbeiter regelmäßig
klar sein, dass er die für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beanspruchen kann,
falls sich das Rechtsverhältnis in Wahrheit als Arbeitsverhältnis darstellt (BAG 26.06.2019, 5 AZR 178/18, BAGE 167, 144 Rn 27). Hat ein Beschäftigter - wie hier der Beigeladene zu 1) - Arbeitsentgelt tatsächlich erhalten (erzielt), kommt es
nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 13/01 R, SozR 3-2400 § 14 Nr 24, Rn 22; BSG 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, BSGE 93, 119) wegen §
14 Abs
1 Satz 1
SGB IV nicht darauf an, ob ein wirksamer (arbeitsrechtlicher) Anspruch auf das gezahlte Arbeitsentgelt bestand. Insoweit löst der
Zufluss des Arbeitsentgelts den Beitragsanspruch aus, es sei denn, es handele sich um eine lediglich irrtümliche Zahlung,
zB auf Grund eines Bankirrtums oder eines Arbeitgeberversehens (zB Berechnungsfehler oder offenbare Unrichtigkeit).
Dagegen hat die Beklagte zu Unrecht Säumniszuschläge festgesetzt. Gemäß §
24 Abs
1 Satz 1
SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat,
für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50,00 € nach unten
abgerundeten Betrags zu zahlen. Die Berechtigung, rückwirkend Säumniszuschläge zu erheben, beruht auf der vom Gesetzgeber
implizit angestellten Vermutung, dass der Beitragsverpflichtete den Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt seiner konkreten
Verpflichtung kennt und deshalb für Rückstände verantwortlich ist, sodass insoweit grundsätzlich kein Vertrauensschutz in
Frage kommt. Die objektiven Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen sind hier zwar erfüllt, denn die Klägerin
hat für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) die im Prüfzeitraum geschuldeten Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt.
Säumniszuschläge sind jedoch nach §
24 Abs
2 SGB IV dann nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht
hatte. Dies ist der Klägerin gelungen.
Die Klägerin hatte kein sicheres Wissen um die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Beitragszahlung hinsichtlich
der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) als Rohrreiniger in der hier streitigen Zeit. Eine Exkulpation nach §
24 Abs
2 SGB IV ist ausgeschlossen, wenn der säumige Beitragsschuldner Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hatte (vgl auch zum Folgenden
BSG 12.12.2018, B 12 R 15/18 R, BSGE 127, 125 mwN). Dabei bedeutet "Kenntnis" das Wissen von einer Tatsache. Dem Begriff der "Zahlungspflicht" ist über das Wissen der
sie begründenden Tatsachen hinaus eine rechtliche Wertung iS des Erkennens einer konkreten Verhaltensanforderung immanent.
Kenntnis von der Zahlungspflicht nach §
24 Abs
2 SGB IV ist damit das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet zu sein. Sie liegt bei
einem nach §
28e SGB IV zahlungspflichtigen Arbeitgeber vor, wenn er die seine Beitragsschuld begründenden Tatsachen kennt, weil er zumindest als
Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzieht, dass einerseits Beschäftigung vorliegt, die andererseits die Beitragspflicht
nach sich zieht. Das Wissen um die (bloße) Möglichkeit der Beitragserhebung steht dem sicheren Wissen um die rechtliche und
tatsächliche Verpflichtung zur Beitragszahlung hingegen nicht gleich (vgl ferner BSG 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, BSGE 120, 209; Senatsurteil vom 18.02.2020, L 11 BA 651/19). Ein Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft schließt die Kenntnis aus (vgl auch Bundesgerichtshof <BGH> 24.01.2018, 1 StR 331/17, NStZ-RR 2018, 180).
Vorliegend befand sich die Klägerin in einem Irrtum über ihre Arbeitgebereigenschaft. Dies entnimmt der Senat den glaubhaften
Angaben der Klägerin. Diese hat angegeben, dass sie im Hinblick auf die Anbahnung der Aushilfstätigkeit des Beigeladenen zu
1) davon ausgegangen ist, dass dieser für sie als selbstständiger Subunternehmer tätig geworden sei. Im Hinblick darauf, dass
der Beigeladene zu 1) selbst das zunächst bei der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis als Rohrreiniger gekündigt hatte,
um sich selbstständig zu machen, tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit sowie ein Gewerbe in den Bereichen Hausmeisterdienst,
Gartenpflege und Service rund um das Haus mit eigener Betriebsstätte aufgenommen und aus eigener Initiative der Klägerin seine
Dienste im Rahmen einer vermeintlichen selbstständigen Tätigkeit angeboten hat, ist dieses Vorbringen nicht zu widerlegen.
Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihre Unkenntnis unverschuldet war. Allein das Fehlen der Kenntnis von der Beitragszahlungspflicht
steht der Festsetzung von Säumniszuschlägen noch nicht entgegen. Vielmehr sind Säumniszuschläge nur dann nicht zu erheben,
wenn die Unkenntnis unverschuldet ist. Dieses (Un-)Verschulden bestimmt sich nicht nach §
276 BGB, sondern setzt aufgrund eines eigenständigen Verschuldensmaßstabs wenigstens bedingten Vorsatz voraus (dazu im Einzelnen
BSG 12.12.2018, B 12 R 15/18 R, BSGE 127, 125). Dabei kommt es bei einer juristischen Person des Privatrechts - wie die hier klagende GmbH - grundsätzlich auf die Kenntnis
oder unverschuldete Unkenntnis zumindest eines Mitglieds eines Organs von der Beitragspflicht an. Säumniszuschläge sind für
die Vergangenheit ab Kenntnis oder verschuldeter Unkenntnis zu erheben. §
24 Abs
2 SGB IV sieht eine Exkulpation des Zahlungspflichtigen nur vor, "soweit" er eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht
glaubhaft macht. Damit kann eine unverschuldete Unkenntnis auch lediglich hinsichtlich eines Teils der Beitragsschuld - auch
in zeitlicher Hinsicht - bestehen. Säumniszuschläge sind deshalb nur für die Zeit nach der Fälligkeit der geschuldeten Beiträge
zu erheben, in der keine unverschuldete Unkenntnis (mehr) vorliegt, der Beitragsschuldner also positive Kenntnis von seiner
Zahlungspflicht oder seine Unkenntnis verschuldet hat (BSG 12.12.2018, B 12 R 15/18 R, BSGE 127, 125).
Die Klägerin hat unter Berücksichtigung des gesamten Verlaufs und ihres Vorbringens im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens
ein fehlendes Verschulden für den gesamten Zeitraum der Erhebung der Säumniszuschläge hinreichend glaubhaft gemacht. Der Senat
geht nach den gesamten Umständen davon aus, dass die Klägerin, vertreten durch ihre beiden Geschäftsführer, den Beigeladenen
zu 1) als selbstständigen Subunternehmer mit einzelnen Aufträgen betrauen wollte. Auch der Beigeladene zu 1) ging davon aus,
dass er nach seiner Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin, seinem Ausscheiden aus ihrem Betrieb im Herbst 2011
sowie der Anmeldung und Aufnahme eines Gewerbes im Frühjahr 2012 für die Klägerin als selbstständiger Subunternehmer tätig
werde, als er ihr die Übernahme von Einsätzen im Rahmen seines aufgenommenen Gewerbes anbot. Die Fehlvorstellungen der Klägerin
und des Beigeladenen zu 1) wurden insbesondere dadurch begünstigt, dass der Beigeladene zu 1) für seine Gewerbe aktiv Werbung
betrieb, an seinem Wohnort über eine Betriebsstätte mit Werkstätte verfügte und teilweise eigene Arbeitsmittel einsetzte.
Zu beachten ist weiterhin, dass im vorliegenden Einzelfall die vormals im Rahmen des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nicht auf Veranlassung der Klägerin nahtlos in eine "selbstständige Tätigkeit als
Subunternehmer" umgewandelt wurde, sondern die Einsätze des Beigeladenen zu 1) auf dessen Initiative und unter durchaus geänderten
Rahmenbedingungen veranlasst wurden. Unter diesen Umständen ist es der Klägerin auch nicht vorwerfbar, dass sie keine versicherungs-
und beitragsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) durch eine fachkundige Stelle herbeigeführt hat (vgl
BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R, BSGE 109, 254; BSG 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R). Frühestens mit der ersten Anhörung (Schreiben der Beklagten vom 05.09.2017) konnte die Klägerin hier die Beitragspflicht
erkennen, sodass ab diesem Zeitpunkt bedingter Vorsatz anzunehmen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §§
154 Abs
2,
155 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§
197a Abs
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
162 Abs
3 VwGO; vgl hierzu Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, § 197a Rn 29 mwN).
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach §
197a Abs
1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47, 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der streitigen Nachforderung im angefochtenen Bescheid.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.