Sozialversicherungspflicht von Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung über
die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 11.04.2008 bis 31.12.2010.
Die Klägerin vertreibt unter der Geschäftsbezeichnung "C.-P." als Inhaberin einer Einzelfirma Autozubehör und bietet im Rahmen
ihres Betriebes auch Reparaturarbeiten an Fahrzeugen an. Der Ehemann der Klägerin, Herr H., ist in der Firma der Klägerin
als Angestellter tätig. Der 1968 geborene Beigeladene zu 1) ist gelernter Kfz-Mechaniker-Meister und als solcher seit Juli
2008 in der Handwerksrolle eingetragen. Er erbrachte für die Klägerin im Zeitraum April 2008 bis Dezember 2010 Kfz-Mechaniker-Arbeiten
auf Stundenlohnbasis in den von der Klägerin angemieteten Räumen und meldete zum 11.04.2008 ein Gewerbe für Maschinenreparaturen
und Veranstaltungstechnik an. Unter seiner Wohnanschrift unterhält er ein Büro. Ein schriftlicher Vertrag wurde zwischen der
Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) nicht geschlossen.
Das Hauptzollamt S. überprüfte den Betrieb der Klägerin am 28.10.2010 und traf dabei den Ehemann der Klägerin sowie den Beigeladenen
zu 1) an. Der Beigeladene zu 1) gab bei der Personenbefragung an, dass er bei der Klägerin als selbstständiger Automechaniker
wöchentlich ca 19 bis 25 Stunden arbeite, für die Stunde 24,95 € berechne, die Werkstatt sowie die Arbeitsgeräte für die Reparaturen
der Fahrzeuge unentgeltlich nutzen könne und die Bestellungen von Ersatzteilen nach Anforderung durch ihn durch den Ehemann
der Klägerin erledigt werde. Er habe seit Januar 2010 lediglich drei kleinere Aufträge von Privatkunden angenommen, ansonsten
sei er nur für die Klägerin tätig gewesen. Das Hauptzollamt stellte fest, dass sich auf dem Privatfahrzeug des Beigeladenen
zu 1) Werbung von der Firma der Klägerin befand.
Mit Schreiben vom 13.07.2011 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung
inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 16.344,79 € an. Diese verwies auf weitere Auftraggeber des Beigeladenen
zu 1). Im Rahmen von Nachermittlungen durch das Hauptzollamt legte der Beigeladene zu 1) sämtliche von ihm ausgestellten Rechnungen
vor und wies auch auf Tätigkeiten als selbstständiger Bühnentechniker, Wartungstätigkeiten für die Firma S. L. sowie verschiedene
Privatkunden hin.
Mit Bescheid vom 23.11.2011 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 11.04.2008 bis 31.12.2010
eine abhängige Beschäftigung ausgeübt habe und demnach Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Gesetzlichen Sozialversicherung
bestehe. Zudem forderte sie Beiträge zur Sozialversicherung iHv 16.344,79 € nach. In diesem Betrag waren Säumniszuschläge
iHv 3.042,50 € enthalten. Zur Begründung führte sie aus, dass der als Kfz-Mechaniker eingesetzte Beigeladene zu 1) dem Direktionsrecht
der Klägerin unterlegen habe, in ihren Betrieb eingegliedert und ihr gegenüber weisungsgebunden gewesen sei.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass sie sich vom Steuerberater über die Sozialversicherungspflicht
beraten lassen habe und die Konstellation von diesem als unproblematisch angesehen worden sei. Eine Eingliederung in den Betriebsablauf
sei nicht erfolgt. Die von der Beklagten verwendeten Abgrenzungskriterien entsprächen nicht mehr der Neuregelung von §
7 SGB IV. Zudem habe der Beigeladene zu 1) für seine Tätigkeit Spezialgeräte angeschafft. Der Klägerbevollmächtigte übersandte eine
Stellungnahme des Beigeladenen zu 1) von Januar 2012, wonach dieser im Besitz von hochwertigen Spezialwerkzeugen im Wert von
ca 4000 - 4500 € sei. Zudem habe er ein eigenes kleines Lager angemietet. Da ihm jedoch vom Vermieter der Klägerin untersagt
worden sei, seine Werkzeuge in der Werkstatt zu lagern, habe er meist die Grundwerkzeuge der Klägerin benutzt. Jedoch habe
er auch Einzelteile an Spezialwerkzeugen sowie fehlendes Grundwerkzeug aus seiner eigenen Kollektion verwendet. Ein Motorkran
von ihm sei in der Werkstatt untergestellt.
Einen Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lehnte das Sozialgericht Konstanz (SG) mit Beschluss vom 10.01.2012 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 13.06.2012 Klage zum SG erhoben. Mit Beschluss vom 24.08.2012 hat das Amtsgericht K. die Eröffnung des Hauptverfahrens bezüglich einer Straftat nach
§
266a StGB abgelehnt, da sich aus einer Gesamtabwägung ergebe, dass bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin von einer
selbstständigen Tätigkeit auszugehen sei.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16.04.2013 ein Anerkenntnis dahingehend abgegeben, dass Säumniszuschläge nur für die
Zeit vom 28.10.2010 bis 13.07.2011 gefordert werden. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. Mit Bescheid vom 24.05.2013
hat die Beklagte das Anerkenntnis ausgeführt und festgestellt, dass die Nachforderung nunmehr insgesamt 14.494,29 € betrage.
Darin waren noch Säumniszuschläge iHv 1.192 € enthalten. Mit Urteil vom 19.07.2013 hat das SG den Bescheid vom 23.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2012 und in der Gestalt des Bescheides vom
24.05.2013 insoweit aufgehoben, als darin Säumniszuschläge erhoben werden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, dass von einer abhängigen und versicherungspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) auszugehen
sei. Er habe keine wesentlich andere Tätigkeit verrichtet, als sie üblicherweise ein angestellter Kraftfahrzeugmechanikermeister
erbringen würde. Er habe nämlich Kraftfahrzeugmechanikerarbeiten mit Abrechnung auf Stundenbasis erbracht. Ein wesentliches
Unternehmerrisiko betreffend die konkrete Tätigkeit liege nicht vor. Entscheidend sei nämlich nicht, über welche Arbeitsmittel
der Beigeladene insgesamt etwa auch für andere Tätigkeiten verfüge. Zu beurteilen sei hier lediglich die Tätigkeit für die
Klägerin. Für diese Arbeiten habe er aber vorrangig das in der von der Klägerin gemieteten Werkstatt vorhandene Werkzeug,
insbesondere auch die dortige Hebebühne, benutzt. Zudem sei die Verwendung eigener Werkzeuge auch bei angestellten Mitarbeitern
nicht grundsätzlich unüblich. Aus der tatsächlichen gelegentlichen Benutzung des Spezialwerkzeugs resultiere auch kein höherer
Stundensatz. Eine selbständige Tätigkeit sei ferner nicht deshalb anzunehmen, weil der Beigeladene nicht verpflichtet gewesen
sei, die Aufträge der Klägerin zu bearbeiten. Wenn er einen Auftrag angenommen habe, habe im Rahmen der Ausführung dieses
Auftrags eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin bestanden. Entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen
seiner Tätigkeit für die Klägerin letztlich im Wesentlichen seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt habe. Die Erhebung von
Säumniszuschlägen sei allerdings rechtswidrig, da aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts K. von Gutgläubigkeit der Klägerin
auszugehen sei.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 03.08.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 16.08.2013 Berufung zum Landessozialgericht
Baden-Württemberg eingelegt. Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 22.09.2015 erörtert.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich die Beklagte und das SG bei den Abgrenzungskriterien zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit unzulässig auf die Rechtslage
vor 2009 berufen würden. Der Beigeladene zu 1) sei im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit für sie tätig geworden. Er sei
nicht weisungsabhängig gewesen. Die von ihm erbrachten Leistungen hätte nicht grundsätzlich zu ihrem Leistungsumfang gehört.
Deshalb könne auch keine Integration in die Arbeitsorganisation vorliegen. Zwar sei die Tätigkeit in den Räumen der Klägerin
erfolgt, jedoch habe es sich nicht um eine Verpflichtung diesbezüglich gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19.07.2013 sowie den Bescheid vom 23.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23.05.2012 und des Bescheides vom 24.05.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Gegenstand der Berufung ist der Betriebsprüfungsbescheid vom 23.11.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 23.05.2012
und des Bescheides vom 24.05.2013 mit Ausnahme der darin geltend gemachten Säumniszuschläge. Insoweit ist der Bescheid aufgrund
des Urteils des SG rechtskräftig aufgehoben, da diesbezüglich keine Berufung der Beklagten vorliegt. Das SG hat die Klage zu Recht im Übrigen abgewiesen. Denn der Bescheid ist bezüglich der Feststellung der Sozialversicherungspflicht
des Beigeladenen zu 1) in der Tätigkeit für die Klägerin vom 11.04.2008 bis 31.12.2010 und die Nacherhebung von Beiträgen
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Beklagte konnte nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV die Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach
dem Recht der Arbeitsförderung erlassen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen
bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage
nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG 30.10.2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400, § 28p Nr 1; siehe auch: Roßbach, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hg.), Kommentar zum Sozialrecht, 3.
Aufl 2013, § 28p
SGB IV Rn 4, 12).
Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig. Nach § 28p Abs 1 Satz 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, und sie
sind nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV auch für den Erlass der entsprechenden Verwaltungsakte einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber
zuständig. Die Prüfung umfasst ua nach § 28p Abs 1 Satz 4
SGB IV auch die Prüfung der Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Die vor Erlass des Bescheides
vom 23.11.2011 nach § 24 Abs 1 SGB X erforderliche Anhörung hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 13.07.2011 vorgenommen.
Der Bescheid der Beklagten ist auch materiell rechtmäßig, soweit er hier zur Überprüfung steht. Der Beigeladene zu 1) ist
in Bezug auf die Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 11.04.2008 bis 31.12.2010 als Beschäftigter im Sinne des §
7 Abs
1 SGB IV tätig gewesen und unterliegt damit, da die Beschäftigung auch gegen Entgelt (§
14 Abs
1 Satz 1
SGB IV) erfolgte, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§
1 Abs
1 Nr
1 SGB VI), der gesetzlichen Krankenversicherung (§
5 Abs
1 Nr
1 SGB V), der sozialen Pflegeversicherung (§
20 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB XI) und der Arbeitslosenversicherung (§
25 Abs
1 SGB III).
Nach §
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; gemäß §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (ua BSG 20.03.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 19) erfordert eine Beschäftigung auch nach der Gesetzeslage seit 2009, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abhängig
ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert
ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit
kann eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige
Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt ist oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung
und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung
und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).
Nach den genannten Grundsätzen überwiegen zur Überzeugung des Senats in der Zusammenschau aller Aspekte die Einzelaspekte,
die für eine Beschäftigung sprechen, so dass nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung eine Beschäftigung gegeben ist.
Die Entscheidung des Amtsgerichts K. vom 24.08.2012, das die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Klägerin bezüglich des
Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (266a
StGB) aus tatsächlichen Gründen abgelehnt hat, ist für die hier vorzunehmende Gesamtabwägung nicht bindend. Der Auffassung des
Amtsgerichts, dass der Beigeladene zu 1) nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand, vermag sich
der Senat nicht anzuschließen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen
Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (ua Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende
Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit
eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist,
solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher
unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie
sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17).
Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) liegt nicht vor. Dies schließt eine Beschäftigung nicht
aus, denn eine solche kann sowohl mündlich vereinbart werden als auch durch faktischen Vollzug entstehen. Vielmehr spricht
vorliegend die nur mündliche Vereinbarung sogar eher für eine abhängige Beschäftigung, denn üblicherweise werden bei der Beauftragung
selbstständiger Unternehmer und beim Abschluss eines Werkvertrages wegen der Anforderungen an die steuerlichen Pflichten,
die Haftungsfragen, die Vergütungsregeln und den geschuldeten Umfang der Tätigkeiten sowie zu Beweiszwecken genaue und schriftliche
Vereinbarungen getroffen (siehe auch Senatsurteil vom 15.12.2015, L 11 R 2083/15).
Nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der Akten und insbesondere des Vorbringens der Beteiligten in den Vernehmungen
durch das Hauptzollamt sowie im Klage- und Berufungsverfahren wurde der Beigeladene zu 1) von der Klägerin mit Kraftfahrzeugmechanikerarbeiten
und entsprechenden Meisterarbeiten auf Stundenbasis beauftragt. Er übte diese Tätigkeiten in der von der Klägerin angemieteten
Werkstatt aus und verwendete hierzu überwiegend von der Klägerin (bzw deren Vermieter) gestellte Werkzeuge, sowie die in der
Werkstatt vorhandene Hebebühne, wobei hierfür vom Beigeladenen zu 1) kein Entgelt gezahlt wurde. Teilweise setzte er auch
von ihm selbst mitgebrachte Spezialwerkzeuge ein. Erforderliche Ersatzteile wurden vom Ehemann der Klägerin bestellt bzw vom
Kunden bei der Klägerin gekauft und dem Beigeladenen zu 1) zur Verfügung gestellt. Rechnungen gegenüber den Kunden wurden
von der Klägerin gestellt. Vertragspartner derjenigen Kunden, die Reparaturaufträge in Auftrag gaben, war nur die Klägerin.
Der Beigeladene zu 1) akquirierte für seine Tätigkeit in den Räumen der Klägerin keine eigenen Aufträge. Als Vergütung erhielt
er von der Klägerin bis Juli 2008 pro Stunde 22,40 € und ab dann 24,90 €. Die Vergütung rechnete er unter Ausweisung von Umsatzsteuer
üblicherweise zweimal monatlich ab. Der Beigeladene zu 1) war seit Juli 2008 in der Handwerksrolle als Kfz-Mechaniker-Meister
eingetragen und meldete zum 11.04.2008 ein Gewerbe für Maschinenreparaturen und Veranstaltungstechnik an. Er war im hier gegenständlichen
Zeitraum auch als Bühnentechniker bei verschiedenen Veranstaltungen für verschiedene Auftraggeber tätig. Zudem erhielt er
wenige Kfz-Reparaturaufträge von Privatpersonen, die er jeweils bei diesen Kunden - nicht in den Räumen der Klägerin - ausführte.
Eine solche Tätigkeit, wie der Beigeladene zu 1) sie für die Klägerin ausübte, ist grundsätzlich nicht nur im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit mittels Werkverträgen möglich. Für die Statusabgrenzung
ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht entscheidend, wie viele Aufträge der Betreffende wahrgenommen hat und ob er auch für andere Auftraggeber tätig ist
bzw war (BAG 09.10.2002, 5 AZR 405/01). Erforderlich ist selbst im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze (BSG, 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R). Abzustellen ist daher nur auf die Tätigkeit des Beigeladene zu 1) für die Klägerin. Abgesehen davon war der Beigeladene
zu 1) im streitigen Zeitraum in einem größeren Umfang für die Klägerin tätig, mit durchschnittlich rund 40 Arbeitsstunden
pro Monat, legt man die Rechnungen zu Grunde. Nach den eigenen Angaben des Klägers waren es 2010 sogar ca 19 bis 25 Stunden
wöchentlich. Schon dieser Umfang der Tätigkeit mit der Regelmäßigkeit der Beauftragung ist ein gewichtiges Indiz für abhängige
Beschäftigung.
Es liegt bezogen auf die konkrete Tätigkeit bei der Klägerin nur ein geringes Unternehmerrisiko als wesentliches Merkmal selbstständiger
Tätigkeit vor. Der Beigeladene zu 1) setzte letztlich hauptsächlich seine Arbeitskraft und keine wesentlichen Arbeitsmittel
mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen, ein. Die Belastung mit Risiken gerade im Zusammenhang mit der -
hier im Vordergrund stehenden - Verwertung der Arbeitskraft spricht jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine
größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht
(vgl BSG 13.07.1978, 12 RK 14/78, SozR 2200 § 1227 Nr 17; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 mwN). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil der Beigeladene zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin keine eigenen
Kunden betreute, sondern Aufträge für Kunden der Klägerin ausführte. Ein Unternehmensrisiko kann nur dann angenommen werden,
wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel
nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brach liegen (LSG Sachsen
04.03.2014, L 5 R 425/12). Zwar steht fest, dass der Beigeladene zu 1) tatsächlich höherwertiges Spezialwerkzeug angeschafft und auch teilweise bei
der Tätigkeit für die Klägerin eingesetzt hat. Grundsätzlich hat er damit ein Unternehmerrisiko getragen. Der tatsächliche
Gesamtwert des sich im Besitz des Beigeladenen befindlichen Spezialwerkzeugs kann offen bleiben. Diesbezüglich liegen sehr
widersprüchliche Aussagen im Laufe des Verwaltungs- und Klageverfahrens vor. Allerdings ist das auch mit der Möglichkeit des
Verlusts eingesetzte Kapital für die konkrete Tätigkeit bei der Klägerin, die insoweit eigenständig zu beurteilen ist, aufgrund
der nahezu vollständig ausgestatteten Werkstatt der Klägerin nur von untergeordneter Bedeutung. Um die Tätigkeit bei der Klägerin
auszuüben, hat es nicht des umfangreichen Spezialwerkzeuges bedurft. Es wurde auch nur in geringem Umfang eingesetzt. Darauf
hat der Beigeladene zu 1) selbst hingewiesen.
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht, dass der Beigeladene zu 1) nach dem übereinstimmenden Vorbringen mit der Klägerin
die Leistung nicht höchstpersönlich zu erbringen hatte, was arbeitnehmertypisch wäre (vgl BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2600 § 28p Nr 4). Angesichts der tatsächlichen Ausgestaltung, dass der Beigeladene zu 1) nämlich zu keinem Zeitpunkt
eigene Arbeitnehmer beschäftigt hat und auch der ihm gezahlte Lohn kaum die Einstellung von Hilfskräften erlaubt hätte, misst
der Senat der somit nur theoretisch bestehenden Möglichkeit der Erbringung der Leistung durch Hilfskräfte jedenfalls keine
entscheidende Bedeutung bei.
Zwar kann die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, die grundsätzlich bestand, als Indiz für das Vorliegen einer
selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte.
Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten
überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei
Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit
eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Eine derartige Vereinbarung kann auch arbeitsrechtlich zulässig sein. Dabei handelt
es sich dann idR nicht um eine Arbeit auf Abruf iSd § 12 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge
(TfBfG), sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge (Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Nach der Rspr
des BAG sind die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Auch kann der Arbeitnehmer - wie hier der Beigeladene zu 1) - ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion
haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und
Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 16.05.2012, 5 AZR 268/11, BAGE 141, 348). Derartige Einzelarbeitsverträge können auch in Kombination mit einem Rahmenvertrag vereinbart werden. Ob Dienstleistungen,
die auf diese Weise über einen längeren Zeitraum erbracht werden, zu einem einheitlichen Abrufarbeitsverhältnis führen, bedarf
hier keiner Entscheidung. Wird deshalb die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem
fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der
vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbständige Tätigkeit dar. Wenn der Beigeladene zu 1) den Auftrag angenommen hatte,
musste er auftragsgemäß handeln; mit der Annahme eines Auftrags wurde er auch zeitlich und örtlich gebunden. Im Übrigen ist
bei der Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne von §
7 SGB IV vorliegt, unbeachtlich, ob die konkrete Vertragsgestaltung arbeitsrechtlich zulässig ist.
Auch der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) weitere Kunden hatte, bei denen er Kraftfahrzeugmechanikerarbeiten durchführte,
kann grundsätzlich für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, insbesondere wenn ein Unternehmer selbst ständig werbend am
Markt tätig ist. Im vorliegenden Fall fällt dieser Umstand jedoch nach Ansicht des Senats nicht wesentlich ins Gewicht, da
unter Berücksichtigung sämtlicher vorliegender Rechnungen des Beigeladenen zu 1) der Umfang von solchen Arbeiten für Dritte
nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Zwar sah sich der Beigeladene zu 1) als Existenzgründer im Bereich von Kraftfahrzeugmechanikerarbeiten
als Problemlöser für viele Werkstätten, jedoch war er diesbezüglich tatsächlich fast ausschließlich für die Klägerin tätig.
Im Übrigen verursachte er auch nach außen den Anschein der Beschäftigung bei der Klägerin, indem er sein eigenes Fahrzeug
mit Werbung von der Firma der Klägerin ausstattete.
Die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass er selbstständig
tätig gewesen ist, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet
nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus,
begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub
vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn bei Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit
wollten.
Auch wenn im vorliegenden Fall Indizien für eine selbstständige Tätigkeit vorliegen, so spricht die konkrete Vertragsbeziehung,
wie sie sich für den Senat darstellt, dafür, dass der Beigeladene zu 1) im Wesentlichen nur seine Arbeitskraft zur Verfügung
stellte und von der Klägerin persönlich abhängig war. Denn er war in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden und
unterlag im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Klägers, wobei für die Weisungsgebundenheit die
hier vorliegende funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess ausreicht. Das ist dann der Fall, wenn dem Arbeitgeber
eine Einflussnahme auf die Art der Ausführung einer Tätigkeit rechtlich versagt oder aus tatsächlichen Gründen, etwa wegen
der überragenden Sach- und Fachkunde des Dienstleistenden, nicht möglich ist. In diesen Fällen kommt für die Abgrenzung des
Beschäftigungsverhältnisses von der selbstständigen Tätigkeit dem Merkmal der Eingliederung in einen übergeordneten Organismus
das entscheidende Gewicht zu. Erhält die Dienstleistung ihr Gepräge von dem Betrieb und geht sie in der von anderer Seite
vorgegebenen Ordnung des Betriebes auf, ist sie fremdbestimmt. Solange jemand in einen für ihn fremden, dh den Interessen
eines anderen dienenden und von dessen Willen beherrschten Betrieb eingegliedert ist und damit der objektiven Ordnung dieses
Betriebes unterliegt, ist er abhängig beschäftigt (KassKomm/Seewald
SGB IV §
7 Rn 74mwN).
Dass der Geschäftsführer der Klägerin aufgrund seines fehlenden Fachwissens keine fachlichen Weisungen an den Beigeladenen
zu 1) erteilte, steht deshalb einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Vielmehr sprechen für eine Eingliederung in den
Betrieb der Klägerin, dass der Geschäftsführer dem Beigeladenen zu 1) die notwendigen Ersatzteile zur Verfügung stellte, die
Kunden ein Vertragsverhältnis mit der Klägerin innehatten und der Beigeladene zu 1) zur Erfüllung der Vertragspflichten der
Klägerin tätig wurde.
Anknüpfungspunkt für die Eingliederung in den Betrieb ist ebenfalls der Umstand, dass die Klägerin auch im hier streitgegenständlichen
Zeitraum mit dem Vorhandensein einer Kfz-Werkstatt warb und außer dem Beigeladenen zu 1) kein Mitarbeiter die notwendige Fachkunde
hierfür mitbrachte. Es kann dabei offenbleiben, ob sie auch mit dem Vorhandensein einer Meisterwerkstatt geworben hat. Ob
eine entsprechende Werbung im Internetangebot der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt bestand, kann und braucht nicht mehr ermittelt
werden. Jedoch führte sie jedenfalls schon nach dem eigenen Vortrag des Klägerbevollmächtigten "Kfz-Werkstatt" im Briefkopf.
Eine Offenlegung einer möglicherweise selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) gegenüber den Kunden fand nicht statt.
Der Senat geht deshalb auch von einem Weisungsrecht bezüglich des Orts der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) aus. Denn die
Werbung mit einer Kfz-Werkstatt setzt eine solche voraus, die auch tatsächlich betrieben wird. Da der Beigeladene zu 1) jedoch
der einzige Facharbeiter im Auftrag der Klägerin war, war sie darauf angewiesen, dass eingehende Aufträge auch tatsächlich
abgearbeitet werden. Gleichfalls für abhängige Beschäftigung spricht die Entlohnung nach einem festen Stundensatz, ohne dass
Werkstattmiete, verwendetes Material oder sonstige Pauschalen abgerechnet wurden.
In der Gesamtabwägung überwiegen nach alledem die Gesichtspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen.
Fehler in der Berechnung der Beitragsnachforderung sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG i.V.m. § 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 47 GKG. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Betrag der Beitragsnachforderung (Bescheid vom 24.05.2013) ohne die Säumniszuschläge.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.