Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten in Höhe von 31.128,24 Euro, die während eines Aufenthaltes von
N. und deren drei minderjährigen Kindern in einem Frauenhaus im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 06.07.2017 entstanden sind.
Die 1990 geborene N. sowie deren 2011, 2013 und 2015 geborene Kinder hielten sich zunächst ab dem 27.05.2016 in einem Frauenhaus
im Zuständigkeitsbereich des Beklagten auf, bevor sie über dieses Frauenhaus in das Frauenhaus "Frauen helfen Frauen e.V."
in L. vermittelt wurden. Dort hielten sie sich insgesamt vom 11.07.2016 bis 06.07.2017 auf.
N. ist ungarische Staatsbürgerin und 2011 im Rahmen der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Nach eigenen Angaben hat sie sich im Anschluss ununterbrochen in Deutschland aufgehalten. Am 15.02.2016 trennte sie sich von
ihrem Ehemann und verblieb zunächst in der Wohnung in G., Landkreis B.. Aufgrund der fortdauernden Bedrohungslage durch den
Ehemann wurden N. und die drei Kinder am 27.05.2016 im Frauenhaus in D., Landkreis B., aufgenommen. Nachdem die Unterbringung
dort für nicht ausreichend sicher erachtet wurde, wurden N. und die Kinder am 11.07.2016 im Frauenhaus "Frauen helfen Frauen
e.V." in L. (im Folgenden Frauenhaus L. ) aufgenommen. Mit Bescheid vom 15.07.2016 bewilligte der Kläger N. und ihren Kindern
ab dem 11.07.2016 bis 31.10.2016 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bestehend aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Kosten der Unterkunft und Heizung sowie den täglichen Betreuungskosten
für das Frauenhaus. Diese wurden direkt an das Frauenhaus überwiesen. Mit Schreiben vom selben Tag informierte der Kläger
den Beklagten über die Leistungsgewährung und bat im Anerkennung der Kostenerstattungspflicht nach § 36a SGB II.
Hierauf teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass man grundsätzlich zur Kostenerstattung bereit sei. Nach Auszug aus dem Frauenhaus
bitte man um Übersendung weiterer Unterlagen.
Der Kläger gewährte N. und ihren Kindern im Anschluss erneut Leistungen nach dem SGB II; zunächst für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 (Bescheid vom 13.10.2016), dann auch für die Zeit vom 01.02.2017 bis
30.04.2017 (Bescheid vom 25.01.2017) und schließlich vom 01.05.2017 bis 31.07.2017 (Bescheid vom 26.04.2017) und teilte dies
dem Beklagten jeweils schriftlich mit.
Ein zwischenzeitlich für Anfang 2017 vorgesehener Auszug - hier hatte N. bereits beim Kläger die Übernahme der Unterkunfts-
und Kautionskosten - beantragt, wurde ausweislich einer Stellungnahme des Frauenhauses vom 24.01.2017 nicht verwirklicht,
weil der Ehemann der N. mehrmals versucht habe, über Bekannte die Telefonnummer der N. zu erhalten, um den Aufenthaltsort
der N. zu erfahren und sie erneut unter Druck zu setzen. N. und ihre Kinder seien daher auf die Unterbringung im Frauenhaus
weiter angewiesen und könnten nur dort gewaltfrei leben.
In der Begründung für die Notwendigkeit des weiteren Aufenthaltes über drei Monate hinaus der N. und ihrer Kinder vom 25.01.2017
führte das Frauenhaus aus, dass weiterhin die Situation vorliege, die eine weitere Beratung und Betreuung durch das Personal
des Frauenhauses notwendig mache. Der weitere Aufenthalt stehe nicht in Zusammenhang mit der Wohnungsnotsituation, sondern
liege daran, dass sich die Auszugspläne aufgrund der erneuten Bedrohungslage zerschlagen hätten. N. sei vor den erneuten Drohungen
durch den Ehemann sehr aktiv und engagiert bei der Wohnungssuche gewesen. Sobald es die Bedrohungslage wieder hergebe, solle
N. wieder auf Wohnungssuche gehen. Im Moment benötige sie aber für sich und die Kinder weiterhin den geschützten Rahmen des
Frauenhauses.
Mit Schreiben vom 31.01.2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass N. und die Kinder sich bereits vor dem Aufenthalt im
Frauenhaus in L. (mit Unterbrechungen) seit 17.06.2015 in verschiedenen Frauenhäusern aufgehalten hätten. Unter Berücksichtigung
dieser langen Aufenthalte könne man eine Kostenerstattungszusage über den 31.01.2017 hinaus nur erteilen, wenn detailliert
dargelegt werde, warum ein weiterer Aufenthalt im Frauenhaus notwendig gewesen sei. Man bitte daher um Übersendung eines detaillierten
Sozialberichts aus dem die aktuelle Gefährdungslage der N. hervorgehe sowie dargelegt werde, ob dem Ehemann der N. deren derzeitiger
Aufenthaltsort bekannt sei, welche polizeilichen Maßnahmen eingeleitet worden seien und welche Perspektiventwicklung angestrebt
sei. Man bitte zudem um Übersendung der Vereinbarung nach §§ 17, 16a SGB II mit dem Frauenhaus L. für 2016 und 2017.
Daraufhin legte der Kläger ein Schreiben des Frauenhauses L. vom 21.03.2017 vor, in dem mitgeteilt wurde, dass N. kein Deutsch
spreche und keine Familie und Freunde in Deutschland habe, die sie unterstützen könnten. Sie sei daher im Umgang mit Behörden,
Ärzten und dem Kindergarten überfordert. Bei vorherigen Trennungsversuchen sei sie nicht in der Lage gewesen, den Alltag für
sich und ihre Kinder ohne Unterstützung des Ehemannes zu organisieren. Es erscheine daher nach wie vor wichtig, dass der Ehemann
den Aufenthaltsort der N. und ihrer Kinder nicht erfahre. Aus diesem Grund habe man auch von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz (GwSG) abgesehen, da dann über das Gericht der Aufenthaltsort bekannt werde. N. mache inzwischen eine positive Entwicklung
hinsichtlich eigener Lebensplanung. Zwei der Kinder gingen in den Kindergarten, das dritte Kind könne diesen wahrscheinlich
ab April besuchen. N. benötige nach wie vor die Unterstützung und den sicheren Rahmen durch das Frauenhaus. Die Entwicklung
deute aber an, dass es N. gelingen könne, ihren Alltag für sich und ihre Kinder zu organisieren. Die momentane geschützte
Situation sollte daher nicht entzogen werden und man befürworte eine weitere Unterbringung der N. im Frauenhaus.
Mit Schreiben vom 28.03.2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass man auch nach Vorlage dieses Sozialberichts die Notwendigkeit
für einen längeren Aufenthalt im Frauenhaus nicht erkennen könne. Daher lehne man die weitergehende Kostenerstattungspflicht
nach § 36a SGB II ab.
Mit Schreiben vom 04.07.2017 legte der Kläger dem Beklagten die mit dem Verein "Frauen für Frauen e.V. L. " geschlossene Kooperationsvereinbarung
nach § 17 Abs. 2 SGB II vor. In § 5 dieser Vereinbarung wird u.a. geregelt, dass zusätzliche Voraussetzung für die Erbringung von Ermessensleistungen nach §
16a Nr. 3 SGB II in Form der Übernahme psychosozialer Betreuungskosten die Erforderlichkeit der Leistungen für die Eingliederung der Hilfesuchenden
in das Erwerbsleben sei. Dies sei regelmäßig dann der Fall, wenn die Eingliederung in Arbeit an Schwierigkeiten zu scheitern
drohte, die ihren Grund in der allgemeinen Lebensführung haben. Die Partner der Vereinbarung seien sich darüber einig, dass
Ermessensleistungen grundsätzlich dann zu erbringen seien, wenn kein vorrangiger Leistungsanspruch nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V bestehe und eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II gegeben sei. (...) Für die Kinder der leistungsberechtigten Frauen würden bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen sowohl
die im Frauenhaus anfallenden Kosten der Unterkunft als auch die für die Eingliederung der Mutter notwendigen Betreuungsleistungen
übernommen. Unter § 7.2 wurde u.a. geregelt, dass die Entscheidung über die Aufnahme der gewaltbetroffenen Frauen und ihrer
Kinder allein dem Frauenhaus obliege. Der Aufenthalt im Frauenhaus sei nur von vorübergehender Natur und die Verweildauer
sei, orientiert am Einzelfall, möglichst kurz zu halten. Zeichne sich ab, dass der Aufenthalt länger als drei Monate andauern
werde, so erstelle das Frauenhaus mit dem Betroffenen sowie in Abstimmung mit der zuständigen Vermittlungsfachkraft des Jobcenters
einen Maßnahmeplan, der konkrete Ziele und Schritte hinsichtlich der Eingliederung ins Erwerbsleben beschreibe und eine zeitliche
Prognose des weiter erforderlichen Aufenthaltes im Frauenhaus betreffe. Für nach Ablauf von drei Monaten weiterhin andauernde
Aufenthalte habe das Frauenhaus mit dem Formular "Begründung für die Notwendigkeit des Aufenthaltes im Frauenhaus länger als
drei Monate" gegenüber dem Jobcenter eine Begründung abzugeben. Der Maßnahmeplan sei beizufügen.
Außerdem wurden folgende weitere Stellungnahmen des Frauenhauses vorgelegt:
In der Begründung für die Notwendigkeit eines weiteren Aufenthaltes im Frauenhaus vom 19.04.2017 wurde u.a. angegeben, dass
nach wie vor eine Unterbringung im geschützten Rahmen notwendig sei. N. sei überfordert, die familienrechtlichen Fragen selbständig
zu regeln. Da nicht einzuschätzen sei, wie der Ehemann reagiere, wenn er den Aufenthaltsort von N. erfahre, müsse diese weiterhin
den Schutz des Frauenhauses genießen. Der weitere Aufenthalt stehe ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit der Wohnungsnotsituation.
Als weitere Maßnahme sei ein Sprachkurs geplant, wenn das jüngste Kind - voraussichtlich ab April - eine Kindertageseinrichtung
besuche.
In einer Stellungnahme vom 22.05.2017 teilte das Frauenhaus mit, dass die Familie sich zwar weiter habe stabilisieren können.
Es sei aber eine intensive weitere Unterstützung sinnvoll und im Sinne des Kindeswohl notwendig. Im Kontakt mit dem Jugendamt
prüfe man hier weitere mögliche Unterstützungsmaßnahmen. Nach wie vor habe N. große Angst, dass ihr Ehemann ihren Aufenthalt
erfahre und sie fühle sich hierdurch bedroht, so dass sie auch gegenüber Hilfsangeboten z.B. durch die Jugendhilfe ängstlich
sei. Man halte eine weitere Betreuung im Frauenhaus für notwendig bis eine Kooperation mit dem ASD L. für eine längerfristige
Unterstützung etabliert worden sei.
In der Stellungnahme vom 01.06.2017 wurde erklärt, dass sowohl die Mutter als auch die Töchter durch die Gewalterfahrungen
in der Familie sehr belastet wirkten. Dadurch, dass man seit letztem Sommer den Aufenthaltsort vor dem Ehemann habe geheim
halten können, sei es zu einer gewissen Stabilisierung gekommen. Man suche derzeit mit dem Jugendamt nach geeigneten weiteren
Unterstützungsformen. Es stehe zu befürchten, dass es zu einer erneuten Gefährdung für Mutter und Kinder komme, sofern der
Ehemann den Aufenthaltsort erfahre. Nur durch die Unterstützung der Mitarbeiterinnen des Frauenhauses könne man die Familie
effektiv vor Gewalt schützen.
Mit Schreiben vom 04.07.2017 forderte der Kläger den Beklagten auf, die Kosten des Aufenthaltes im Frauenhaus in L. für Frau
N. und ihre drei Kinder für die Zeit vom 11.07.2016 bis 31.01.2017 in Höhe von 30.804,88 Euro zu erstatten und teilte mit,
dass N. zum 06.07.2017 gemeinsam mit den Kindern das Frauenhaus verlassen hat.
Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schreiben vom 28.07.2017, dass man weitere Unterlagen benötige, um die Forderung für die
Zeit vom 11.06.2017 bis 31.01.2017 abschließend zu prüfen. Soweit der Kläger darüber hinaus auch die Übernahme der Kosten
für die Zeit ab dem 01.02.2017 begehre, lehne man die Kostenerstattung ab. Auch aus den nun vorgelegten Berichten gehe eine
akute Gefährdungslage nicht hervor. Soweit N. aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse im Alltag überfordert gewesen sei, hätte
man sie hier auch mit lokalen Angeboten unterstützen können. Eine weitere Unterbringung im Frauenhaus sei daher nicht notwendig
gewesen. Diese sei aber im Rahmen der Kostenerstattung des § 36a SGB II zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 02.10.2017 bzw. 10.10.2017 machte der Kläger sodann gegenüber dem Beklagten eine Erstattungsforderung in
Höhe von insgesamt 37.324,20 Euro für den Aufenthalt im Frauenhaus für die Zeit vom 01.01.2017 bis 06.07.2017 geltend. Dieser
setzte sich aus den Kosten der Unterkunft für N. und die drei Kinder sowie die Kosten der psychosozialen Betreuung für diese
zusammen (zur Kostenaufstellung im einzelnen vgl. Bl. 125 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten, auf die insoweit Bezug genommen
wird).
Mit Schreiben vom 06.11.2017 lehnte der Beklagte die Kostenerstattung nach § 36a SGB II für die Zeit vom 11.07.2016 bis 31.12.2016 ab, da für das Jahr 2016 mit dem Frauenhaus L. keine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung
vorgelegen habe. Die Kostenerstattungspflicht für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.01.2017 erkenne man an, auch wenn für diesen
Zeitraum noch nicht alle angeforderten Unterlagen vorlägen. Die hierfür entstandenen Kosten in Höhe von 6.196,44 Euro werde
man zeitnah überweisen. Die Kostenerstattung für die Zeit ab dem 01.02.2017 bis zum 06.07.2017 lehne man ebenfalls ab.
Am 15.01.2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Münster erhoben und vom Beklagten Kostenerstattung für die Zeit vom 01.02.2017 bis 06.07.2017 in Höhe von 31.128,24 Euro
begehrt. Das SG Münster hat den Rechtsstreit nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 05.02.2018 wegen örtlicher
Unzuständigkeit an das SG Heilbronn verwiesen.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Pflicht zur Kostenübernahme durch den Beklagten ergebe sich aus
§ 36a SGB II. Dieser beschränke die Kostenerstattungspflicht nicht nur auf einen kurzzeitigen Aufenthalt, sondern umfasse alle Fälle der
Aufnahme ins Frauenhaus. Sinn der Vorschrift sei es, den zuständig gewordenen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses vor
einer eigenständigen Kostenbelastung zu schützen. Einwendungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Frauenhausunterbringung
bzw. eine konkrete Überprüfung der vorliegenden Gefährdungssituation durch den erstattungspflichtigen Träger seien gesetzlich
nicht vorgesehen.
Der Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat ausgeführt, dass § 36a SGB II von einer zeitlichen Befristung des Aufenthaltes ausgehe. Es müsse daher in jedem Einzelfall geprüft werden, welche Aufenthaltsdauer
angemessen sei. Die vom Kläger vorgelegten Sozialberichte belegten vorliegend jedoch nicht die Notwendigkeit des Aufenthaltes
von Frau N. und ihren drei minderjährigen Kindern im streitigen Zeitraum.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 11.10.2018 stattgegeben und den Beklagten verurteilt, für den Aufenthalt der Frau N. und ihrer
drei Kindern im Frauenhaus L. in der Zeit vom 01.02.2017 bis 06.07.2017 31.128,24 Euro zu erstatten. Der Anspruch des Klägers
ergebe sich aus § 36 a SGB II. Danach sei der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus
zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten,
wenn eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht. Die Kostenerstattungspflicht umfasse dann auch die Leistungen der psychosozialen
Betreuung nach § 16a Nr. 3 SGB II. Der Kläger sei durch die Aufnahme von Frau N. und ihrer Kinder in einem Frauenhaus in seinem Bezirk zuständiger Leistungsträger
geworden, beim Beklagten handle es sich um den zuständigen Leistungsträger von Frau N. an deren (vorherigem) Wohnort. Kosten
seien in Höhe von 31.128,24 Euro entstanden. Die zwischen dem Kläger und dem Frauenhaus abgeschlossene Vereinbarung vom 24.11.2016
entspreche den Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 SGB II. Eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten entfalle auch nicht deshalb, weil der Aufenthalt von Frau N. und ihren Kindern
im streitigen Zeitraum nicht mehr erforderlich gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Erforderlichkeit
des Aufenthaltes im Rahmen der Erstattungspflicht nach § 36a SGB II nicht zu prüfen. Dies ergebe sich weder aus dem Wortlaut, aus dem Sinn und Zweck noch aus der Gesetzeshistorie des § 36a SGB II.
Gegen das ihm am 22.10.2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Beklagte am 31.10.2018 Berufung zum Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass hier lediglich der Zeitraum ab dem 01.02.2017
im Streit stehe. Es sei dem Kläger und dem SG zwar dahingehend recht zu geben, dass § 36 a SGB II zwar nicht explizit eine zeitliche Befristung zu entnehmen sei, eine zeitliche Befristung sei jedoch impliziert. Ein Aufenthalt
im Frauenhaus sei kein Daueraufenthalt, sondern stelle nur eine Zwischenstation dar. N. habe sich mit den Kindern seit dem
17.06.2016 ununterbrochen im Frauenhaus aufgehalten. Bereits zuvor sei sie ab 27.05.2016 mit Unterbrechungen in einem Frauenhaus
untergebracht gewesen. Ab dem 01.02.2017 könne man daher nicht mehr von einem zeitlich befristeten Aufenthalt ausgehen. Das
Merkmal der Erforderlichkeit eines Aufenthaltes im Frauenhaus sei Bestandteil der Prüfung, ob die zu erstattenden Kosten nach
§ 36a SGB II aufgrund rechtmäßiger Leistungsgewährung entstanden seien. Die Erforderlichkeit des doch sehr langen Aufenthaltes im Frauenhaus
sei nicht nachgewiesen worden. Auch aus den vorgelegten Sozialberichten ergebe sich dies nicht. Diese erfüllten nicht die
in der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung aufgestellte Forderung nach einem alle drei Monate vorzulegenden Maßnahmeplan.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, dass das Urteil des SG Heilbronn nicht zu beanstanden sei und man vollumfänglich hierauf verweise. Man gehe
weiterhin davon aus, dass sich aus § 36a SGB II keine zeitliche Befristung ergebe. Außerdem dürfe selbst wenn man davon ausgehe, dass auch im Rahmen des § 36a SGB II das Merkmal der Erforderlichkeit zu prüfen sei, hieran keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Die schutzsuchenden
Frauen müssten umfassend geschützt werden. So ergebe sich aus den vorgelegten Berichten gerade eindeutig, dass N. zumindest
subjektiv noch sehr große Angst gehabt habe.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 12.09.2019 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Im Anschluss an diesen Termin hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass N. während des Aufenthaltes im Frauenhaus in L. von
einer Fallmanagerin des Beklagten betreut worden sei. Am 01.08.2016 habe ein telefonischer Erstkontakt stattgefunden. Hieran
hätten neben der Mitarbeiterin des Klägers, N. und eine Mitarbeiterin des Frauenhauses teilgenommen. Man habe hier erarbeitet,
dass N. nach Vollendung des 3. Lebensjahres des jüngsten Kindes einen Sprachkurs machen wolle. Bis dahin werde sie eine "Elternzeiterklärung"
unterzeichnen und ihre Kinder betreuen. Deshalb habe man keine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen.
Hierauf hat der Beklagte ausgeführt, dass eine unterzeichnete "Elternzeitvereinbarung" zwar im Rahmen der Zumutbarkeit von
Arbeit im Sinne des SGB II zu berücksichtigen sei. Sie entbinde jedoch nicht von der in der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung Ziff. 7.2. normierten
Pflicht, alle drei Monate Maßnahmepläne vorzulegen. Hier gehe es um die in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II normierte Pflicht, Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen in einer Vereinbarung festzulegen. Weitere Maßnahmen seien
nach Angaben des Klägers nicht erfolgt. Hier stelle sich also sehr wohl die Frage, warum weiterhin psychosoziale Leistungen
abgerechnet worden seien. Darüber hinaus habe die nach § 16a SGB II erforderliche Ermessensausübung nicht stattgefunden. In der Vereinbarung mit dem Frauenhaus sei geregelt, dass der Beklagte
grds. die Kosten für die psychosoziale Betreuung zu übernehmen habe. Dies sei so nicht zulässig, weil diese Regelung den Anschein
erwecke, dass die Entscheidung über die Erbringung solcher Leistungen allein den Frauenhäusern obliege. Darüber hinaus sei
nochmals darauf hingewiesen worden, dass nach Überzeugung des Beklagten schon der Begriff "Frauenhaus" eine zeitliche Befristung
des Aufenthaltes vorsieht, auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich so erwähnt sei.
Der Kläger und der Beklagte (Schreiben vom 29.10.2020) haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Klägers
und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §
144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und den Beklagten zur Erstattung der Kosten des Aufenthaltes der N. und ihrer drei Kinder
im Frauenhaus L. auch für die Zeit vom 01.02.2017 bis 06.07.2017 in Höhe von 31.128,24 Euro verurteilt.
Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, ist die Klage als echte Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) statthaft, denn bei einem Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern handelt es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis.
Ein Vorverfahren ist nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht erforderlich (vgl. BSG Urteile vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R und B 14 AS 156/11 R).
Die Klage ist auch begründet.
Streitgegenstand ist allein die Kostenerstattung für die Zeit vom 01.02.2017 bis 06.07.2017, nachdem der Beklagte die Kosten
für den Aufenthalt der N. und ihrer Kinder für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.01.2017 erstattet hat und die Kosten für den
Aufenthalt in der Zeit vor dem 01.01.2017 vom Kläger bereits im Klageverfahren nicht (mehr) geltend gemacht worden ist.
Rechtsgrundlage für die Erstattungspflicht kann allein § 36a SGB II sein, diese Vorschrift ist eine gegenüber §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) spezialgesetzliche Kostenerstattungsregel (BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R). Nach dieser Vorschrift ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die
Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus
zu erstatten, wenn eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht. Anspruchsberechtigt ist insoweit der kommunale Träger gemäß
§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II, in dessen Gebiet sich das Frauenhaus befindet, und der in rechtmäßiger Anwendung der Vorschriften des SGB II Leistungen an die Zuflucht suchenden Personen erbracht hat (BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 156/11 R; Aubel in jurisPK SGB II Stand 26.09.2016 § 36a Rn. 8), erstattungspflichtig derjenige am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsortes (s. auch zur Aktiv- und Passivlegitimation
BSG a.a.O.). Die Kostenerstattungspflicht umfasst neben den Kosten der Unterkunft grundsätzlich auch die Leistungen der psychosozialen
Betreuung nach § 16 a Nr. 3 SGB II (vgl. BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190 / 11 R; juris Rn. 24,25 mwN).
Die Voraussetzungen des § 36a SGB II im Verhältnis der Beteiligten zueinander sind vorliegend erfüllt.
Der Kläger ist durch Aufnahme der N. und deren minderjähriger Kinder im Frauenhaus zuständiger kommunaler Träger geworden.
§ 36a SGB II ist keine Sonderregelung zur örtlichen Zuständigkeit (BSG Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 156/11 R -; Aubel in jurisPK-SGB II § 36a Rn. 4; a.A. Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 36a SGB II Rn. 10), so dass sich die Zuständigkeit nach den allgemeinen Regelungen im SGB II (§ 36 SGB II) richtet. Nach § 36 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich der Träger des gewöhnlichen Aufenthalts (§
30 Abs.
3 Satz 2
SGB I) für die Leistungserbringung zuständig. Da der letzte gewöhnliche Aufenthalt der N. und ihrer Kinder vor dem Einzug im Frauenhaus
in L. in G. bzw. im Frauenhaus in D., beides im Kreis B., war, ist der Beklagte Herkunftskommune iSd § 36a SGB II und daher dem Grunde nach zur Erstattung der Kosten verpflichtet.
Es ist dem SG weiter Recht zu geben, dass eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht von vorneherein auf eine bestimmte Dauer begrenzt ist.
Dies lässt sich der Regelung des § 36a SGB II gerade nicht entnehmen. Denn auch wenn der Aufenthalt im Frauenhaus zumeist vorübergehender Art ist, sieht § 36a SGB II ein Ende des Kostenerstattungsanspruchs nach einem bestimmten Zeitablauf anders als § 107 BSHG (zwei Jahre) gerade nicht vor (Krauß in: Hauck/Noftz, SGB, 11/13, § 36a SGB II Rdn. 26). Dem Träger am Ort des Frauenhauses sind daher grundsätzlich die Kosten für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus
zu erstatten. Die aufnehmende Kommune wird von sämtlichen Kosten freigestellt, für die die Herkunftskommune zuständig gewesen
wäre, wenn der gewöhnliche Aufenthalt dort nicht durch die Flucht ins Frauenhaus geendet hätte. Damit ist die Erstattungspflicht
lediglich durch die Dauer des Aufenthaltes begrenzt, sie endet mit der Beendigung des Aufenthaltes im Frauenhaus. Eine weitere
zeitliche Begrenzung sieht das Gesetz nicht vor (Adolph/Adolph, § 36a II; LPK-SGB II/Schoch § 36a Rn. 14; Eicher/Luik/Böttiger, 4. Aufl. 2017, SGB II § 36a Rn. 33).
Entgegen der Auffassung des SG ist aber auch im Rahmen des § 36a SGB II die Erforderlichkeit des Aufenthaltes im Frauenhaus zu prüfen. Es ist zwar richtig, dass das Merkmal der Erforderlichkeit
nicht ausdrücklich dem Gesetzestext zu entnehmen ist. Dies ergibt sich aber daraus, dass die Leistungen, für die Kostenerstattung
verlangt werden, nicht nur in eigener örtlicher Zuständigkeit, sondern auch im Übrigen rechtmäßig erbracht worden sein müssen
(Krauß in: Hauck/Noftz, SGB, 11/13, § 36a SGB II, Rn. 24; Gagel/Striebinger, 74. EL Juni 2019, SGB II § 36a Rn. 7). Denn wurden Leistungen zu Unrecht erbracht, d.h. ohne dass hierfür ein Rechtsgrund nach dem SGB II bestand, sind die hierdurch verursachten Kosten nicht vom früher zuständigen kommunalen Träger zu erstatten. Bei einer rechtswidrigen
Leistungsgewährung bestand dann nämlich keine Leistungspflicht des kommunalen Trägers am Ort des Frauenhauses. Dann kann aber
eine Erstattungspflicht des bisher zuständigen kommunalen Trägers auch nicht entstehen; zu Unrecht gewährte Leistungen wären
gegenüber dem Leistungsempfänger nach §§ 45, 48 SGB X aufzuheben bzw. zurückzunehmen und nach § 50 SGB X zurückzufordern (vgl. Eicher/Luik/Böttiger, 4. Aufl. 2017, SGB II § 36a Rn. 39).
Entgegen den Ausführungen des Beklagten sind die Leistungen bestehend aus dem Tagessatz für Kosten der Unterkunft und Heizung
sowie dem Tagessatz für die Kosten der psychosozialen Betreuung, die vom Kläger an N. und die mit ihr im Frauenhaus lebenden
Kinder für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus erbracht wurden, aber hier rechtmäßig erfolgt. Sie waren nach Überzeugung
des Senates hinsichtlich der Dauer, aber auch der Form der Leistungen letztlich nicht zu beanstanden.
Die Erbringung der Betreuungsleistungen an N. stützt der Kläger hier zu Recht auf § 16a SGB II. Nach dieser Vorschrift werden von den kommunalen Trägern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II) zur Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit u.a.
Betreuungsleistungen für minderjährige Kinder (Nr. 1) und eine psychosoziale Betreuung (Nr. 3) erbracht. Voraussetzung der
Erbringung von Ermessensleistungen auf dieser Grundlage ist neben der vorliegend unstreitig gegebenen Leistungsberechtigung
der N. und ihrer drei minderjährigen Kinder nach § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II die Erforderlichkeit der Leistung für die Eingliederung in das Erwerbsleben. Die Erforderlichkeit einer Eingliederungsleistung
nach § 16a SGB II beurteilt sich nach den Zielvorgaben der §§ 1, 3 SGB II. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder
Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sind. Verlangt wird eine Prognose über die möglichen Konsequenzen und Erfolge
der Eingliederungsleistung, wobei eine Leistungsgewährung nicht nur dann in Betracht kommt, wenn die Leistungsgewährung die
einzige Möglichkeit zur Eingliederung des Leistungsberechtigten ist (BSG, Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 190/11 R - mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Lebenssituation der N und ihrer drei Kinder war bereits seit längerer Zeit von Gewalt durch den Ehemann geprägt. Entgegen
den Ausführungen des Beklagten führt die Tatsache, dass N. und die Kinder bereits zuvor im Landkreis B. mehrmals (mit Unterbrechungen)
im Frauenhaus aufgehalten haben, nicht zur Rechtswidrigkeit der erbrachten Leistungen, sondern eher zur Rechtfertigung eines
längeren Aufenthaltes. Es ist dem Beklagten zwar recht zu geben, dass ein solcher Aufenthalt im Frauenhaus möglichst kurz
gestaltet werden sollte, hier war aber zu beachten, dass es in der Vergangenheit gerade nicht gelungen war, die Familie längerfristig
zu stabilisieren und eine endgültige Trennung vom (gewalttätigen) Ehemann zu realisieren. Dies lag daran, dass dieser immer
wieder versucht hat, die N. und ihrer Kinder ausfindig zu machen und "zurückzuholen", was ihm in der Vergangenheit auch gelungen
war. N. war mit den Kindern nach Angaben des Beklagten vor der Aufnahme im Frauenhaus L. mehrfach zum Ehemann zurückgekehrt.
Letztlich führte dies auch dazu, eine weitere räumliche Trennung durchzuführen, indem die Familie weit weg vom ursprünglichen
Wohnort aufgenommen werden musste. Auch während des Aufenthaltes in L. hat der Ehemann der N. versucht diese (über Bekannte)
ausfindig zu machen. Dies führte letztlich dazu, dass ein bereits zu Beginn des Jahre 2017 geplanter Auszug nicht möglich
war. Ein weiterer Aspekt für die Notwendigkeit eines längeren Aufenthaltes im Frauenhaus in L. war, dass N. neben dieser Bedrohung
auch aufgrund der familiären Situation mit drei (kleinen) Kindern auch durch die fehlenden Sprachkenntnisse gehindert war,
schneller ein eigenständiges Leben zu führen. Daneben hatte sie keinerlei Unterstützung von der Familie oder Freunden im Inland
und musste sich zudem durch die Unterbringung weit weg vom bisherigen Wohnort auch in einer völlig neuen Umgebung zurechtfinden.
Das Frauenhaus berichtete, dass sie dadurch oft überfordert gewesen sei und sich im Umgang mit Behörden aber auch Hilfsangeboten
für sich und die Kinder usw. schwer tat. Es bestand hier die Befürchtung (was wohl in der Vergangenheit auch passiert war),
dass N. aufgrund einer erneut eingetreten Überforderungssituation trotz der Gewalterfahrungen wieder zum Ehemann zurückkehrt,
wo erneut Gewalt gegen sie und die Kinder drohte. Es bedurfte also einer längerfristigen und umfangreichen Stabilisierung
der N., bevor ein Auszug realisiert werden konnte. Entgegen der Ausführungen des Beklagten geht der Senat davon aus, dass
aufgrund der weiterhin ernsthaft bestehenden Bedrohungslage in Verbindung mit den vielfachen Einschränkungen der N. auch eine
Unterstützung durch ambulante Angebote gerade nicht ausreichend und die Organisation eines dicht gewebten Unterstützungsnetzes
erforderlich war.
Es ist daher ohne weiteres nachvollziehbar, dass eine Stabilisierung in diesem Zustand mit Bewältigung der hiermit zusammenhängenden
Anforderungen geboten war, um N. - wie von § 16a SGB II verlangt - ganzheitlich und umfassend zu betreuen und zu unterstützen und so langfristig eine Reduzierung der Hilfebedürftigkeit
zu erreichen. Der Senat hält es nicht für geboten, weitergehende Voraussetzungen in dem Sinne, dass eine Betreuungsleistung
im Einzelfall nachweisbar einen konkreten Bezug zur Integration in das Arbeitsleben darstellt, zu fordern. Wie ein Vergleich
mit den anderen in § 16a SGB II genannten kommunalen Eingliederungsleistungen - Schuldner- und Suchtberatung - zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass
die Erbringung derartiger Leistungen ohne weitere inhaltliche Konkretisierung geeignet ist, individuellen Schwierigkeiten
zu begegnen, die erfolgreichen Integrationsbemühungen in das Erwerbsleben entgegenstehen. Die kommunalen Eingliederungsleistungen
stellen in der Regel als solche vorbereitende bzw. flankierende Maßnahmen dar (so Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 16a Rn. 3; für eine weite Auslegung auch Schoch in LPK-SGB II, 6. Aufl., § 36a SGB II Rn. 12; Aubel in jurisPK, § 36a Rn. 16), ohne dass im Einzelfall konkret arbeitsmarktbezogene Bestandteile oder Aktivitäten vorliegen müssen. Vorliegend
wurden insbesondere Maßnahmen zur Stabilisierung und die Organisation von Unterstützungsmaßnahmen für die Zeit nach dem Frauenhausaufenthalt
durchgeführt. So wurde für alle drei Kinder eine Betreuung in einer Kindertageseinrichtung organisiert, Kontakte zum Jugendamt
und ambulanten Betreuungsdiensten hergestellt, was sich aufgrund des extremen Misstrauens der N. verbunden mit der Angst,
erneut vom Ehemann gefunden zu werden, als schwierig und zeitintensiv herausstellte. Eingliederungsleistungen, die konkret
arbeitsmarktbezogene Bestandteile umfassten, waren hier auch schon deshalb nicht möglich, weil N. eine "Elternzeiterklärung"
unterzeichnet hatte und mit der zuständigen Mitarbeiterin des Klägers bereits zu Beginn des Aufenthaltes im Frauenhaus in
L. vereinbart worden war, dass N. mit Aufnahme des jüngsten Kindes in den Kindergarten, was ab dessen dritten Geburtstag geplant
war, einen Sprachkurs besuchen wollte, um ihre Chancen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erhöhen. Damit war eine Abstimmung
mit dem Kläger im Rahmen des Maßnahmeplanes bis dahin im vorliegenden Einzelfall entbehrlich und die Rechtmäßigkeit der Leistungen
scheitert nicht daran, dass eine solche Beteiligung nicht erfolgt ist.
Eine Kostenerstattungspflicht scheidet vorliegend auch nicht aus, weil entgegen den Ausführungen des Beklagten im noch streitigen
Zeitraum auch eine wirksame Vergütungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Frauenhaus L. bestanden hat bzw. weil die Vorgaben
dieser Vereinbarung vorgelegen haben. Gem. § 17 Abs. 2 SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden, bis heute insoweit unveränderten Fassung sind die Träger der Leistungen nach dem SGB II zur Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Dritten oder seinem Verband eine Vereinbarung insbesondere
über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Nr. 1), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne
Leistungsbereiche zusammensetzen kann (Nr. 2) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Nr. 3) besteht,
sofern - wie hier - im
SGB III keine Anforderungen geregelt sind, denen die Leistung entsprechen muss. Ohne die Vereinbarung besteht keine Vergütungspflicht,
die dennoch gezahlt Vergütung ist in diesem Fall rechtswidrig (Aubel in jurisPK-SGB II § 36a Rn. 9; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.05.2015 - L 12 AS 1955/14 -).
Eine solche Vereinbarung für die hier streitgegenständliche Zeit (ab dem 01.02.2017) liegt hier zwischen dem Kläger und dem
Verein "Frauen für Frauen e.V." vor. Hierbei ist auch zu beachten, dass an eine solche Vereinbarung keine zu hohen Anforderungen
gestellt werden dürfen (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 08.05.2015 - L 12 AS 1955/14 -), da nach § 17 Abs. 1 SGB II keine neuen Einrichtungen geschaffen werden sollen, soweit geeignete Einrichtungen vorhanden sind (Satz 1), die Träger der
freien Wohlfahrtspflege angemessen unterstützt werden sollen (Satz 2) und dieser Zielsetzung zu strenge Anforderungen an den
Inhalt der (teilweise bereits bestehenden) Vereinbarungen zuwiderlaufen würden. Die gesetzesgebundene Verwaltung darf jedoch
nur solche Vereinbarungen abschließen, in denen sämtliche gesetzlichen Bestandteile vollständig und hinreichend aussagekräftig
geregelt sind (Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, K § 17 Rn. 111). Die Vereinbarung enthält Regelungen zum Inhalt, dem Umfang und der Qualität der Leistungen (vgl. §§ 2, 4, 7 sowie
die in der Anlage 1 aufgeführte Leistungsbeschreibung), zur Vergütung (vgl. § 6 i.Vm. mit Anlage 2) und die Prüfung der Qualität
(§§ 8, 9) und entspricht damit den gesetzlich vorgegebenen Anforderungen.
Der Senat kann auch nicht erkennen, dass die Vereinbarung des Klägers mit dem Frauenhaus L. deshalb rechtwidrig ist, weil
durch diese eine Ermessenausübung durch den Kläger ausgeschlossen wird (vgl. § 5 der Vereinbarung). Es ist zwar richtig, dass
hier ausgeführt wird, dass Ermessenleistungen in Form der psychosozialen Betreuung "grundsätzlich zu erbringen" sind, wenn
das Frauenhaus positiv über die Aufnahme der betreffenden Frau entschieden hat. Diese Formulierung lässt aber sehr wohl -
wenn auch nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles - die Möglichkeit offen, dass diese Leistungen
auch nicht erbracht werden. Auch im vorliegenden Fall hat der Kläger sich hier Stellungnahmen und die "Drei-Monatsberichte"
vom Frauenhaus vorlegen lassen, bevor er über die Weitergewährung der Leistungen an N. und deren Kinder nach Antragstellung
jeweils für drei (weitere) Monate entschieden hat. Damit war hier gerade die Entscheidung über die Erbringung solcher Leistungen
für N. - anders als im vom Beklagten zitierten Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.05.2017 (- L 7 AS 2262/14 - abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) gerade nicht dem Frauenhaus L. überlassen. Auch wurden die länger als drei
Monate andauernden Aufenthalte jeweils nach drei Monaten (nämlich mit den Berichten vom 25.01.2017 und 19.04.2017; ein weiterer
Bericht hätte dann im Juli 2017 erfolgen müssen, hier war N. aber bereits ausgezogen) begründet, zumal bereits am 22.05.2017
und 01.06.2017 weitere Stellungnahmen vorgelegt wurden, die im Wesentlichen den Anforderungen an einen solchen Bericht entsprechen
und die Gründe für Erforderlichkeit des weiteren Aufenthaltes darlegen sowie die geplanten Maßnahmen benennen, vorgelegt wurden.
Nach alledem hat der Kläger zu Recht Leistungen im Frauenhaus an N. und deren Kinder erbracht und kann deren Erstattung vom
Beklagten nach § 36a SGB II verlangen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.
Die (endgültige) Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).