Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit eines Nageldesigners in einem Nagelstudio
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist nach einer Betriebsprüfung streitig, ob die Klägerin verpflichtet ist, im Hinblick auf die Beschäftigung
von M. J. (im Folgenden Beigeladener zu 1) in der Zeit vom 10.12.2008 bis 14.12.2009 Gesamtsozialversicherungsbeiträge und
Umlagen in Höhe von insgesamt 7.871,40 Euro inklusive Säumniszuschläge nachzubezahlen.
Die Klägerin hat ein Nagelstudio im Einkaufszentrum "S." in S. betrieben. Dort bot sie u.a. Nagelmodellage, Nageldesign, Maniküre
und Fußpflege an. Sie meldete insoweit am 29.01.2007 ein Gewerbe an. Im Dezember 2008 begann der Beigeladene zu 1, in den
Räumlichkeiten der Klägerin als Nageldesigner tätig zu sein. Eine beantragte Arbeitserlaubnis als Aushilfe im Nagelstudio
der Klägerin wurde von der Agentur für Arbeit abgelehnt. Zum 08.12.2008 meldete der Beigeladene zu 1 ein Gewerbe "Nageldesign
und kosmetische Fußpflege" an, das zum 21.01.2009 von Amts wegen zunächst wieder abgemeldet, im Dezember 2009 rückwirkend
jedoch wieder angemeldet wurde.
Am 04.12.2009 und am 14.12.2009 führte das Hauptzollamt S. jeweils eine verdachtsunabhängige Prüfung in den Räumlichkeiten
der Klägerin durch. Bei der Prüfung am 04.12.2009 wurden nach Angaben des Hauptzollamtes S. drei Personen angetroffen, zwei
Arbeitnehmer sowie der Beigeladene zu 1. Dieser gab bei der Kontrolle an, seit November 2008 selbstständig als Nageldesigner
im Betrieb der Klägerin tätig zu sein. Er erklärte weiter, dass er in diesem Betrieb einen Stuhl für monatlich 200,00 Euro
miete. Im Durchschnitt habe er täglich vier bis fünf Kunden.
Bei der Kontrolle am 14.12.2009 wurden nach Angaben des Hauptzollamtes S. die Inhaberin sowie vier weitere im Nagelstudio
Tätige angetroffen. Hierbei habe es sich um drei Arbeitnehmer sowie erneut um den Beigeladenen zu 1 gehandelt. Auf Befragung
habe der Beigeladene zu 1 hier angegeben, dass er seit 2008 als selbstständiger Nageldesigner im Nagelstudio tätig sei. Er
habe einen Stuhl für 200,00 Euro Mietkosten von der Inhaberin gepachtet. Eigene Preise würden von ihm nicht gestellt. Es würden
die ausgeschriebenen Preise im Eingangsbereich, welche von der Inhaberin festgelegt würden, gelten. Werbung für sein Geschäft
habe er bislang nicht betrieben. Eigene Büroräume habe er nicht. Er sammele lediglich alle Belege und schicke diese zu seinem
Steuerberater, der im Übrigen derselbe wie der der Inhaberin sei. Dort befinde sich auch der Vertrag über den angemieteten
Stuhl im Nagelstudio. Eine Kopie sei nicht vor Ort gewesen. Separate Rechnungen würden von dem Beigeladenen zu 1 nicht geschrieben.
Seine Einnahmen würden in der Kasse der Inhaberin verbucht. Jeden Abend nach Ladenschluss bekomme er von der Inhaberin das
von ihm erzielte Entgelt in bar ausbezahlt. Dies seien ca. 70,00 bis 80,00 Euro netto täglich. Im Monat seien dies netto ca.
2.500,00 Euro. Das Arbeitsmaterial werde vom Beigeladenen zu 1 zum Teil selbst gekauft, er benutze jedoch auch die Arbeitsgeräte
der Inhaberin. In dem von ihm am 14.12.2009 ausgefüllten Fragebogen gab der Beigeladene zu 1 weiter an, dass er an die Öffnungszeiten
gebunden sei, er aber selbst entscheiden könne, wann er komme. Er sei eigentlich gelernter Koch, habe Nageldesign aber privat
bei einem Bekannten gelernt. Krankenversichert sei er bei der Hanse Merkur. Zudem gab der Beigeladene zu 1 an, mittelgut Deutsch
zu sprechen.
Im Rahmen einer erneuten Vernehmung durch das Hauptzollamt S. am 10.08.2010 gab der Beigeladene zu 1 an, er sei durch Freunde
und Bekannte zu der Beschäftigung gekommen. Er sei seit etwa vier Jahren als Nageldesigner tätig, zuerst in R., später in
N. und dann in S.. Er habe bei der Klägerin angefangen zu arbeiten, sobald er seinen Gewerbeschein gehabt habe. Da man keine
Arbeitsgenehmigung für diesen Beruf bekomme, habe er sich selbstständig machen müssen. Er habe meistens um 9.30 Uhr mit der
Arbeit begonnen, er habe aber kommen können, wann es ihm gepasst habe. Er trinke dann einen Kaffee und wenn ein Kunde für
ihn komme, dann bediene er diesen. Er habe bei der Klägerin eigene Kunden, die er ausschließlich bedient habe (Stammkunden),
gehabt. Er habe aber auch Laufkundschaft bedient, wenn er frei gewesen sei. Es habe ihm niemand vorgeschrieben, wie er seine
Arbeit erledigen müsse. Er habe etwa Montag bis Samstag von ungefähr 10.00 bis 20.00 Uhr gearbeitet. Wenn nichts zu tun gewesen
sei, sei er auch zwischendurch weggegangen. Das Nagelstudio sei zu denselben Zeiten geöffnet gewesen wie das Einkaufszentrum
und er habe keinen Schlüssel für das Nagelstudio gehabt. Er habe eine eigene Kasse gehabt und habe alles Geld, das die Kunden
ihm gegeben hätten, in die Kasse getan. Dies sei von Anfang an so gewesen. Falls er bei der Prüfung im Jahr 2009 andere Angaben
gemacht habe, so stimmten diese nicht. Es sei unterschiedlich gewesen, wieviel er pro Tag verdient habe, mal 40,00 Euro, mal
60,00 Euro, auch mal 200,00 Euro am Tag. Es sei Zufall, dass er die gleiche Steuerberatungsgesellschaft beauftragt habe, wie
die Klägerin. Er habe die Buchhaltungsgesellschaft in B. beauftragt, weil er dort gearbeitet und gewohnt habe. Er bekomme
kein Geld von der Inhaberin. Wenn wenig los sei, verliere er Geld. Er müsse Miete für den Tisch bezahlen. Die Tischmiete betrage
200,00 Euro. Er könne nicht sagen, wie sich sein Arbeitsverhältnis von dem der anderen Arbeitnehmer unterscheide. Er wisse
auch nicht, ob Kunden erkennen könnten, dass er einen eigenen Betrieb gehabt habe. Auf erneute Nachfrage sagte er, dass er
ungefähr 2.000,00 Euro pro Monat verdient habe. Er habe in einem Buch notiert, welche Beträge er einnehme. Dies und die Rechnung
für den Materialeinkauf habe er dann an die Steuerberatungsgesellschaft geschickt. So werde dann die Höhe seiner Steuern berechnet.
Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft S. ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin ein, das dann im Jahr 2015 nach §
153 Abs.
1 Strafprozessordnung eingestellt worden ist.
Am 01.02.2011 führte die Beklagte daraufhin hinsichtlich der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Im Rahmen dieser Betriebsprüfung
wertete die Beklagte die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes S. aus.
Mit Schreiben vom 11.02.2011 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung
in Höhe von insgesamt 12.135,04 Euro an. In der Nachforderung seien Säumniszuschläge nach §
24 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) in Höhe von 1.688,50 Euro enthalten. Bei der vom Beigeladenen zu 1 für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit handle es sich
um eine nichtselbstständige Beschäftigung im Sinn der Sozialversicherung. Für das Vorliegen einer nichtselbstständigen Beschäftigung
sprächen vorliegend insbesondere, dass der Beigeladene zu 1 Weisungen hinsichtlich der regelmäßigen Arbeitszeit erhalten habe.
Diese hätten sich an den Öffnungszeiten des Nagelstudios orientiert. Die Arbeiten seien auch persönlich vom Beigeladenen zu
1 auszuführen gewesen. Die Leistungserbringung sei ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers erfolgt. Der
Kundenstamm des Beigeladenen zu 1 habe sich auf die Kunden des Nagelstudios beschränkt. Die Preise seien vom Nagelstudio fest
vorgegeben gewesen und der Beigeladene zu 1 sei nicht als Selbstständiger am Markt (z.B. Werbung) aufgetreten. Auch sei aus
den Unterlagen kein unternehmerisches Risiko des Auftragnehmers erkennbar.
Mit einem Schreiben vom 16.03.2012 im Ermittlungsverfahren führte der Bevollmächtigte der Klägerin aus, dass das bestehende
Mietverhältnis im unmittelbaren Anschluss an die am 14.12.2009 erfolgte verdachtsunabhängige Prüfung einvernehmlich aufgelöst
worden sei. Damit seien für die Zeit ab Januar 2010 keine Beiträge mehr nachzuentrichten. Allerdings gehe man auch für den
Zeitraum von Dezember 2008 bis Dezember 2009 davon aus, dass der Beigeladene zu 1 selbstständig gewesen sei und daher keine
Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten worden seien. Aus Sicht der Klägerin spreche es nicht für eine abhängige Beschäftigung,
dass der Beigeladene zu 1 sich bei der Preisgestaltung an den Preisen des Nagelstudios habe orientieren müssen. Es wurde weiter
darauf hingewiesen, dass die Abrechnung mit dem Kunden direkt über den Beigeladenen zu 1 erfolgt sei. Es habe keine Abrechnung
gegenüber der Klägerin stattgefunden. Der Beigeladene zu 1 habe die benötigten Gerätschaften nicht von der Klägerin zur Verfügung
gestellt bekommen, sondern diese seien mit der monatlichen Miete von 200,00 Euro bezahlt worden. Es habe sich hierbei auch
im Wesentlichen um den Tisch, die Stühle sowie die Beleuchtung gehandelt. Die übrigen Materialien habe er auf eigene Rechnung
erworben bzw. mitgebracht. Der Beigeladene zu 1 habe auch keinen Weisungen durch die Klägerin unterlegen.
Die Beklagte erhob daraufhin mit Bescheid vom 09.05.2012 über den Prüfzeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2010 für die Zeit
vom 10.12.2008 bis 14.12.2009 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 7.871,40 Euro. In der Nachforderung
seien Säumniszuschläge nach §
24 Abs.
1 SGB IV in Höhe von 1.309,50 Euro enthalten. Die Nachforderung ergebe sich aufgrund der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. Dieser
habe in der genannten Zeit als abhängig beschäftigter Nageldesigner bei der Klägerin gearbeitet. Der Beigeladene zu 1 habe
im Nagelstudio Kunden bedient. Ein geeigneter Arbeitsplatz mit allen Gerätschaften habe für ihn zur Verfügung gestanden, wofür
er eine monatliche Miete in Höhe von 200,00 Euro gezahlt habe. Er sei vollständig in die Arbeitsabläufe des Betriebes eingegliedert
gewesen und habe mit weiteren, bei der Klägerin angestellten Personen zusammengearbeitet. Seine Vergütung habe sich nach den
bedienten Kunden gerichtet. Urlaubsentgelt oder Einmalzahlung habe er nicht erhalten. Vertretungskräfte bei Abwesenheit seien
von ihm nicht gestellt bzw. abverlangt worden. Der Beigeladene zu 1 sei schon aufgrund der Ladenöffnungszeiten nicht frei
in seiner Zeiteinteilung gewesen. Er habe auch über keinen Schlüssel zum Nagelstudio verfügt, sodass er keine Möglichkeit
gehabt habe, länger zu arbeiten bzw. früher zu beginnen. Die rein theoretische Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeitgestaltung
sei jedem Arbeitnehmer möglich und stelle daher kein Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit dar. Der Beigeladene zu 1 sei
in die Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen, da er die Infrastruktur und Betriebsmittel genutzt habe. Er sei ferner nicht
selbst gegenüber dem Kunden aufgetreten, sondern vielmehr als Erfüllungsgehilfe der Klägerin. Er habe die Aufträge direkt
durch die Firma (durch Laufkundschaft) erhalten. Dass er gewisse Stammkunden gehabt habe, führe nicht zu einer selbstständigen
Tätigkeit. Auch angestellte Dienstleister bauten sich über einen längeren Zeitraum eine Stammkundschaft auf. Der Beigeladene
zu 1 habe hingegen keine eigenen Kunden ins Nagelstudio gebracht. Es hätten weder ein unternehmerisches Risiko noch unternehmerische
Freiheiten bestanden. Die für einen Nageldesigner elementaren Arbeitsmittel und ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz seien
ihm für einen monatlichen Mietpreis von 200,00 Euro zur Verfügung gestellt worden. Er habe keinen Einfluss auf die Preisgestaltung
gehabt. Die Abrechnung sei nach Aussage des Beigeladenen zu 1 am 14.12.2009 jeweils abends direkt aus der Firmenkasse erfolgt.
Rechnungen seien nicht gestellt worden. Er habe die Angaben damals auf einem polnischen Fragebogen gemacht. Bei der erneuten
Vernehmung vom 10.08.2010 habe er dann angegeben, er hätte eine eigene Kasse gehabt und habe direkt abgerechnet. Diese Aussage
sei aber nicht nachgewiesen und scheine eine reine Schutzbehauptung zu sein. Dass eine Gewerbeanmeldung vorhanden gewesen
sei, sei für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status unerheblich. Eine zuvor beantragte Arbeitsgenehmigung
sei abgelehnt worden. Alles in allem stelle man daher fest, dass im Zeitraum vom 10.12.2008 bis 14.12.2009 ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Die fälligen Beiträge habe man anhand der vom Hauptzollamt S. dokumentierten und
anhand der Aussagen erstellten monatlichen Mindesteinkünfte abzüglich der Stuhlmiete als Bemessungsgrundlage verwendet. Aufgrund
der Stellungnahme des Rechtsanwaltes der Klägerin sei der Zeitraum bis zum 14.12.2009 begrenzt, da zu diesem Zeitpunkt das
Vertragsverhältnis beendet worden sei. Man habe zudem nach §
24 Abs.
1 SGB IV Säumniszuschläge erhoben. Die Klägerin habe Zweifels ohne die Möglichkeit gehabt, den Status des Auftragnehmers durch die
Einzugsstelle bzw. die Clearingstelle rechtsverbindlich klären zu lassen. Diese Möglichkeit sei nicht genutzt worden. Darüber
hinaus hätten bei der Klägerin angestellte Nageldesigner die identische Tätigkeit wie der Beigeladene zu 1 ausgeübt. Somit
habe zumindest grobe Fahrlässigkeit vorgelegen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20.06.2012, eingegangen bei der Beklagten am 22.06.2012 Widerspruch und nahm
auf ein bereits zuvor übersandtes Schreiben vom 31.05.2012 Bezug. In dem Schreiben vom 31.05.2012 führte die Klägerin aus,
dass kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Der Beigeladene zu 1 sei bei seiner Tätigkeit
nicht den Weisungen der Klägerin unterlegen. Er habe auch das Unternehmerrisiko selbst getragen. Hier wurde u.a. darauf hingewiesen,
dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1 eine monatliche Miete für den Tisch und Stuhl in Höhe von 200,00 Euro in Rechnung
gestellt habe. Die weiteren Gerätschaften habe der Beigeladene zu 1 auf eigene Rechnung erworben. Er habe keinerlei Weisungen
der Klägerin unterlegen und habe die Einnahmen in eine eigene Kasse getan. Zudem sei der Beigeladene zu 1 bereits zuvor selbstständig
als Nageldesigner tätig gewesen. Ergänzend wurde mit Schreiben vom 10.09.2012 ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1 nicht
mit dem weiteren Personal zusammengearbeitet habe. Die Kunden seien eigenständig betreut worden. Er sei zudem frei in der
Einteilung seiner Arbeitszeiten gewesen. Die Ladenöffnungszeiten hätten sich an den Gesamtöffnungszeiten für das Einkaufszentrum
orientiert.
Im Rahmen der weiteren Ermittlungen wurde der Beigeladene zu 1 erneut durch die Beklagte schriftlich befragt. Hier gab der
Beigeladene zu 1 u.a. an, dass er die gleichen Arbeiten wie festangestellte Arbeiter ausgeübt habe. Er habe sein Gewerbe angemeldet.
Es seien keine eigenen Geschäfts- oder Betriebsräume und auch kein häusliches Arbeitszimmer vorhanden gewesen. Eine regelmäßige
Arbeitszeit sei nicht vereinbart worden. Er habe über eine Arbeitszeitkarte/Gleitzeitkarte/Stempelnachweis/Buchnachweis über
die Arbeitszeiten Buch führen müssen. Er habe keine Weisungen von der Klägerin erhalten und seine Arbeit sei auch nicht kontrolliert
worden. Er sei nicht in den betrieblichen Arbeitsablauf eingegliedert gewesen und er habe keine Vertretung im Falle der Erkrankung
stellen müssen. Bei seinem persönlichen Ausfall habe niemand den Auftrag erledigt. Er sei verpflichtet gewesen, die Arbeiten
grundsätzlich persönlich auszuführen. Die Einstellung von Vertretern oder Hilfskräften sei von der Zustimmung des Auftraggebers
abhängig gewesen. Er habe bestimmte Aufträge ablehnen können. Es seien ihm Arbeitsmittel kostenlos zur Verfügung gestellt
worden. Er sei nicht verpflichtet gewesen, eigenes Kapital einzusetzen. Eigene Werbung sei ihm nicht erlaubt gewesen und er
habe die Preise nicht selbst gestalten können. Er habe nicht mehrere Auftraggeber gehabt und habe keinen eigenen Kundenstamm
besessen. Die Vergütung sei pro Auftrag erfolgt. Die Zahlung sei immer nach der Rechnung erfolgt. Er habe keine eigene Unfallversicherung
geführt und keine Umsatzsteuer zu entrichten gehabt. Lohnsteuer sei nicht entrichtet worden, Einkommenssteuer dagegen schon.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2017 als unbegründet zurück. Die sich aus der Betriebsprüfung
ergebende Nachforderung in Höhe von insgesamt 7.871,40 Euro bleibe bestehen.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.03.2017 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erheben lassen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1 nicht als abhängig Beschäftigter
anzusehen sei. Der Beigeladene zu 1 habe in den Räumen der Klägerin, wie bereits mehrfach dargestellt, einen Arbeitsplatz
angemietet. Die Klägerin sei aber insbesondere nicht gegenüber dem Beigeladenen zu 1 weisungsbefugt gewesen und infolgedessen
sei dieser auch nicht weisungsgebunden gewesen. Eine betriebliche Eingliederung des Beigeladenen zu 1 in das Unternehmen der
Klägerin habe nicht bestanden. Durch die Anmietung des Tisches und des Stuhles sei der Arbeitsort zwingend vorgegeben gewesen.
Der Beigeladene zu 1 sei aber in seiner Arbeitsgestaltung völlig frei gewesen. Er habe seine Arbeitsmaterialien im Wesentlichen
selbst besorgt und gegebenenfalls lediglich ein Trocknungsgerät der Klägerin genutzt. Aufgrund der Ladenöffnungszeiten, die
aufgrund der Öffnungszeiten des Einkaufszentrums vorgegeben gewesen seien, sei auch ein eigener Schlüssel nicht erforderlich
gewesen. Eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Klägerin sei nicht erfolgt. Bestimmte Anwesenheitszeiten seien nicht
vereinbart gewesen. Der Beigeladene zu 1 sei nicht daran gehindert gewesen, seine Leistungen auch in einem anderen Nagelstudio
anzubieten.
Die Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat zur Begründung auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden
verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass der Beigeladene zu 1 von den Kunden der Klägerin nicht als selbstständiger
Unternehmer habe wahrgenommen werden können. Die Preise seien durch die Klägerin vorgegeben worden. Das Abkassieren von Kunden
und die Entgegennahme von Leistungsentgelt sei ein normaler Vorgang, der im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung zu den Aufgaben
eines Mitarbeiters gehören könne. Zudem sei der Beigeladene zu 1 verpflichtet gewesen, die angenommenen Aufträge jeweils zeitnah
zu realisieren.
Das SG hat sodann mit Beschluss vom 27.09.2017 weiter die Technikerkrankenkasse (Beigeladene zu 2), die Technikerkrankenkasse -
Pflegekasse (Beigeladene zu 3) sowie die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 4) zum Rechtsstreit beigeladen.
Das SG hat sodann im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.10.2019 den Beigeladenen zu 1 befragt. Dieser hat mitgeteilt, dass
er nicht mehr wisse, ob das Mietverhältnis aufgrund eines mündlichen oder eines schriftlichen Vertrages erfolgt sei. Es könne
sein, dass auch die Klägerin mal Geld von einem Kunden entgegengenommen habe, das wisse er jedoch nicht mehr. Wenn es so gewesen
sein sollte, dann habe sie das Geld jedoch abends an ihn weitergereicht. Eine Zahlung mit EC-Karte sei bei ihm nicht erfolgt.
Die Kunden hätten immer in bar gezahlt. Falls die Kunden einen Beleg verlangt hätten, so habe er ihnen eine Quittung ausgestellt.
Wenn Laufkundschaft in das Geschäft gekommen sei, habe er sich mit den anwesenden Mitarbeitern abgesprochen, wer den Kunden
übernehme. Es seien immer ca. drei bis vier Mitarbeiter da gewesen, das wisse er aber nicht mehr genau. Die Klägerin habe
nicht vorgegeben, wer die Kunden nehme, sondern es sei abgesprochen worden. Er habe von der Klägerin eine Fräse, ein Trocknungsgerät
und eine UV-Lampe benutzt. Eine einheitliche Kleidung habe es nicht gegeben. Die Preise hätte die Klägerin festgelegt. Die
Preise seien im Schaufenster ausgehängt gewesen und er habe auch diese Preise gegenüber seinen Kunden abgerechnet. Er habe
immer frei entscheiden können, wann er komme und gehe. Er habe immer im Rahmen von Montag bis Freitag während der Öffnungszeiten
gearbeitet. Er sei aber auch nicht immer da gewesen. Auf weitere Frage hat der Beigeladene zu 1 erklärt, er wisse nicht mehr,
wie viele Stunden er in der Woche bei der Klägerin in den Räumen tätig gewesen sei. Eine andere Tätigkeit bei einem anderen
Unternehmen habe er jedoch nicht ausgeübt. Er habe einen Steuerberater gehabt. Dieser habe wohl auch die Jahresabschlüsse
gemacht. Es dürften jedoch seit dem Umzug keine Unterlagen mehr vorliegen.
Das SG hat sodann mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Zunächst hat es ausgeführt, dass das Gericht trotz Ausbleibens
des Klägerbevollmächtigten habe verhandeln und entscheiden können, da hierauf in der Terminsbestimmung zur mündlichen Verhandlung
hingewiesen worden sei. Die Terminsbestimmung sei dem Klägerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis vom 16.09.2019 zugestellt
worden. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.02.2017 sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sei § 28p Abs. 1 Satz 1,
Satz 5
SGB IV . Danach prüften die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen
Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stünden, ordnungsgemäß erfüllten.
Die Beklagte habe die Klägerin ordnungsgemäß vor Erlass des Bescheides angehört und habe sodann zutreffend festgestellt, dass
der Beigeladene zu 1 in der Zeit vom 10.12.2008 bis 14.12.2009 bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen
sei und somit Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung
(vgl. § 24 Abs. 1 , 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III], § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch
[SGB V], §
1 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI , sowie §
20 Abs.
1 S. 1, S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI]) bestanden habe. Voraussetzung hierfür sei jeweils eine abhängige
Beschäftigung nach §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV . Eine Beschäftigung im Sinne dieser Norm setze nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb
sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
umfassenden Weisungsrechts des Arbeitgebers unterliege. Die Weisungsgebundenheit könne, vornehmlich bei Diensten höherer Art,
eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber sei eine selbstständige
Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig sei, richte sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägten und
hänge davon ab, welche Merkmale überwögen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung
oder der selbstständigen Tätigkeit setze voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalles als Indizien in Betracht kommenden Umstände
festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar,
d.h. nach den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen würden. Ob eine wertende Zuordnung
zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt sei, ergebe sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen
des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden sei. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit sei regelmäßig
vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung auszugehen. Im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen
stehende tatsächliche Verhältnisse gäben jedoch den Ausschlag. Maßgebend sei die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert werde
und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig sei. Auf der Grundlage des festgestellten (wahren) Inhalts der
Vereinbarung sei eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit
vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine abweichende Beurteilung notwendig
machten. In Anwendung dieser Grundsätze stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen
zu 1 im streitgegenständlichen Zeitraum um eine versicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt habe. Ein schriftlicher Arbeits-
oder Anstellungsvertrag liege nicht vor. Für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit spreche im vorliegenden Fall zwar
auf den ersten Blick der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 abgeschlossenen Mietvertrag über einen Stuhl in den
Räumlichkeiten der Klägerin zu einem Preis von 200,00 Euro pro Monat. Zudem lasse sich für eine Selbstständigkeit anführen,
dass der Beigeladene zu 1 notwendige Arbeitsmaterialien teilweise selbst besorgt bzw. mitgebracht habe. Weiter spreche für
eine selbstständige Tätigkeit die Tatsache, dass nach den Angaben des Beigeladenen zu 1 keine konkreten zeitlichen Vorgaben
für die Ausführungen der Tätigkeit gemacht worden seien und er habe kommen und gehen können wie er wollte. Zudem habe die
Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1 nach eigenen Angaben auch keine Vorgaben zur Art und Weise der Durchführung seiner Tätigkeit
gemacht. Eine Regelung zum Urlaub bzw. Urlaubsvergütung sowie zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei ebenfalls nicht
vereinbart worden. Des Weiteren habe der Beigeladene zu 1 hinsichtlich seiner Tätigkeit ein Gewerbe angemeldet und sei auch
privat krankenversichert gewesen. Diesen Indizien für eine selbstständige Tätigkeit stehe jedoch entgegen, dass die Frage
der Einstufung der Tätigkeit nicht nach dem Willen der Beteiligten erfolge, sondern lediglich anhand der tatsächlichen Durchführung
und der Gesamtumstände zu beurteilen sei. Als gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei festzustellen, dass der
Beigeladene zu 1 im streitigen Zeitraum von der Klägerin in nicht unerheblichem Maße wirtschaftlich abhängig gewesen sei.
Unterlagen wie Abrechnungen zur Tätigkeit lägen zwar nicht vor. Auch die Jahresabschlüsse, die der Steuerberater für den Beigeladenen
zu 1 nach dessen Angaben gemacht habe, lägen nicht vor. Diese existierten nach den Angaben des Beigeladenen zu 1 auch nicht
mehr. Der Beigeladene zu 1 sei jedoch nur für die Klägerin tätig gewesen. Zudem habe er Arbeitszeiten gehabt, die annähernd
dem Umfang einer Vollzeitstelle entsprächen. Er habe aber im Allgemeinen von Montag bis Samstag von ca. 10.00 bis 20.00 Uhr
mit gelegentlichen Unterbrechungen gearbeitet. Der Aufgabenbereich des Beigeladenen zu 1 habe sich auch nicht hinsichtlich
der abhängig beschäftigten Nageldesigner unterschieden, was ein maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei. Auch
in seinem Auftreten gegenüber dem Kunden habe sich der Beigeladene zu 1 nicht von den anderen Beschäftigten unterschieden.
Besonders entscheidungsrelevant sei ferner, dass eine Eingliederung im Betrieb der Klägerin vorgelegen habe. Diesbezüglich
sei im vorliegenden Fall darauf abzustellen, dass der Beigeladene zu 1 im Rahmen seiner Tätigkeit im Wesentlichen seine Arbeitskraft
als Nageldesigner zur Verfügung gestellt habe. Hierbei handle es sich um eine typische Arbeitnehmertätigkeit. Er sei in den
Räumen der Klägerin tätig geworden und habe auch nach eigenen Angaben Fräse, Trocknungsgerät und eine UV-Lampe der Klägerin
benutzt. Auch ein Arbeitsplatz habe ihm damit zur Verfügung gestanden. Er habe sich ferner mit den anderen anwesenden Mitarbeitern
abgestimmt, wer den jeweils hereinkommenden Kunden bediene. Er habe daher nicht frei entscheiden können, welchen Kunden er
bediene. Er habe zudem kein wesentliches Unternehmerrisiko getragen. Eigenes Kapital und eigene Arbeitskraft habe der Beigeladene
zu 1 nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Ihm sei sicher gewesen, dass er für die übernommenen Kunden für die jeweilige
Tätigkeit die vorgesehene Vergütung erhalte. Dabei könne nach Ansicht der Kammer offenbleiben, ob die Kunden den Beigeladenen
zu 1 direkt bezahlt hätten oder ob das Geld erst in die Kasse der Klägerin eingezahlt worden sei und am Abend an den Beigeladenen
zu 1 ausgekehrt worden sei. Die Preise seien nach den glaubhaften übereinstimmenden Angaben des Beigeladenen zu 1 von der
Klägerin vorgegeben worden. Diese Preise habe er abgerechnet. Auch Werbung durch ihn sei nicht gestattet gewesen. Nach Gesamtwürdigung
aller Umstände der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 komme man daher zu dem Ergebnis, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
vorgelegen habe. Auch die Ermittlung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Erhebung
von Säumniszuschlägen gemäß §
24 SGB IV bestünden ebenfalls keine Bedenken.
Gegen das ihr am 08.11.2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.12.2019 Berufung zum Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass keine Zahlungen von der Klägerin an den Beigeladenen
zu 1 geflossen seien. Die Klägerin habe dem Beigeladenen zu 1 vielmehr nur für 200,00 Euro pro Monat einen Stuhl in ihrem
Nagelstudio vermietet. Der Beigeladene zu 1 habe selbst direkt mit den Kunden abgerechnet. Es liege daher schon kein Beschäftigungsverhältnis
gegen Arbeitsentgelt vor. Darüber hinaus sei der Beigeladene zu 1 auch nicht abhängig beschäftigt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 13. Febraur 2017 aufzuheben.
Die Beklagt beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 13.10.2020 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Die
Klägerin war unentschuldigt zu diesem Termin, obwohl ihr persönliches Erscheinen angeordnet war, nicht erschienen.
Im Anschluss hat der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 01.12.2020 ergänzend vorgetragen, dass der Beigeladene zu 1 eine
eigene Kasse gehabt habe. Eine EC-Kartenzahlung sei zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Die Preisabsprachen des
Beigeladenen zu 1 habe sie nicht kontrollieren können. Sie könne weiter nicht mehr sagen, ob sie die Stuhlmiete tatsächlich
als Betriebseinnahme beim Finanzamt angegeben habe. Dies sei schließlich auch über zehn Jahre her. Sie habe auch keinen Zugriff
mehr auf die Unterlagen, dass sie keinen Kontakt mehr zu der Steuerberatergesellschaft habe. Sie habe aufgrund der fehlenden
Sprachkenntnisse auch nicht alles nachvollziehen können.
Die Beklagte erwiderte hierauf, dass nach wie vor nicht nachgewiesen sei, ob und wie die Klägerin die Zahlungen für die Stuhlmiete
erhalten habe. Soweit die Klägerin vortrage, dass der Beigeladene zu 1 die Preise habe selbst gestalten konnte, erscheine
dies wenig wahrscheinlich, dass dieser im Laden höhere Preise gegenüber den Kunden habe verlangen können und die Klägerin
umgekehrt niedrigere Preise im eigenen Laden geduldet habe.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 16.11.2020 und 11.01.2021 darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit
ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden. Die Beteiligten haben
hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe
liegen nicht vor ( §
144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Gemäß §
153 Abs.
4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig
für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden
Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach §
153 Abs.
4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 13.02.2017
sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Beklagten
erfolgte Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, das Bestehen von Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-
und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung sowie die Voraussetzungen für das Vorliegen einer abhängigen
Beschäftigung ( § 28p Abs.
1 Satz 5
SGB IV ; §
24 Abs.
1 , 25 Abs.
1 S. 1
SGB III , §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V , §
1 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI , sowie §
20 Abs.
1 S. 1, S. 2 Nr.
1 SGB XI und §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV ) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1 im streitigen Zeitraum vom 10.12.2008 bis 14.12.2009 bei
der Klägerin abhängig beschäftigt war, deshalb Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestand und demnach
Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt 7.871,40 Euro inklusive Säumniszuschläge zu erheben waren.
Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß §
153 Abs.
2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen
Gerichtsbescheides zurück.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren.
Vielmehr sind weitere Indizien hinzugekommen, die für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin
sprechen. Insbesondere konnte die Klägerin auch auf explizite Nachfrage des Gerichts nicht erklären, ob die Stuhlmiete seinerseits
in bar oder per Überweisung gezahlt wurde. Ferner konnte sie weder einen Vertrag über die nach eigenen Angaben vereinbarte
Stuhlmiete noch sonstige Nachweise, die eine tatsächliche Zahlung dieser Miete belegen können, vorlegen. Auch wie diese vorgetragenen
Einnahmen steuerrechtlich berücksichtigt wurden, konnte sie nicht darlegen. Nachdem auch der Beigeladene zu 1 in seiner Aussage
beim SG hierzu keine genauen Angaben machen konnte, drängen sich daher erhebliche Zweifel auf, ob diese Stuhlmiete - so wie anfänglich
vorgetragen wurde - auch tatsächlich (regelmäßig) bezahlt wurde. Der Vortrag, mit der Stuhlmiete habe der Beigeladene zu 1
den zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz und die Geräte wie UV-Lampe und Trocknungsgerät bezahlt, kann dann nicht mehr überzeugen.
Ein wesentliches Unternehmerrisiko ist damit nicht erkennbar.
Ebenfalls nicht überzeugen konnte die Klägerin mit ihrem Vortrag, dass sie an den Beigeladenen zu 1 kein Entgelt ausbezahlt
habe. Es mag zwar sein, dass keine (monatliche) genaue Abrechnung erfolgte, jedoch setzt ein Arbeitsentgelt nicht die ordnungsgemäße
Abrechnung der zustehenden Vergütung voraus. Vielmehr kann als Vergütung auch vereinbart worden sein, dass der Beigeladenen
zu 1 die vom Kunden bezahlten Preise für die durchgeführte Dienstleistung erhält. Darüber hinaus hat der Senat erhebliche
Zweifel am Vortrag der Klägerin, es sei nie eine Abrechnung am Abend aus der Kasse des Nagelstudios erfolgt. In seiner ersten
Befragung hatte der Beigeladene zu 1 nämlich noch angegeben, dass er die Einnahmen in die Kasse der Klägerin tue und am Abend
das von ihm erzielte Entgelt von dieser ausbezahlt bekomme. Erst in einer weiteren Vernehmung hat er dies revidiert und angegeben,
dass er das Geld direkt von den Kunden erhalten habe. In der Befragung beim SG hat er sich nicht mehr genau erinnern können und mitgeteilt, dass es auch habe sein können, dass die Klägerin von den Kunden
das Geld entgegen genommen habe, und er es abends von ihr ausbezahlt bekommen habe. Dass die unterschiedlichen Angaben auf
den mangelnden Sprachkenntnissen des Beigeladenen zu 1 beruht haben, überzeugt ebenfalls nicht, da der Beigeladenen zu 1 zum
einen selbst angegeben hat, dass seine Deutschkenntnisse "mittel bis gut" seien und der Fragebogen bei der ersten Befragung
ihm zudem auf polnisch ausgehändigt worden war.
Ferner hat der Senat - wie auch die Beklagte - erhebliche Zweifel am Vortrag der Klägerin, der Beigeladene zu 1 habe die Preise
gegenüber den Kunden selbst festlegen können. Wie dies in einem Nagelstudio, bei dem die Preise am Eingang ausgehängt waren,
und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es für die Kunden nicht erkennbar war, dass der Beigeladene zu 1 nicht als Mitarbeiter
der Klägerin tätig sein soll, praktisch umzusetzen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht, zumal dies auch den Aussagen
des Beigeladenen zu 1 widerspricht, der erklärt hat, dass er die von der Klägerin angeschriebenen Preise verlangt hat.
Ganz erheblich gegen eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 spricht nach Überzeugung des Senates auch, dass sich
seine Tätigkeit - was er auch in den Befragungen mehrfach bestätigt hat -nicht von der der anderen im Studio tätigen Mitarbeiter
unterschieden hat und er mit diesen sehr wohl zusammengearbeitet hat. Zwar war er in der Ausführung der Tätigkeit frei, sobald
er einen Kunden übernommen hatte, wer jedoch welchen Kunden bedient, haben die Mitarbeiter und der Beigeladene zu 1 abgesprochen.
Es lag daher sehr wohl eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin vor. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang,
dass der Beigeladene zu 1 einzelne Stammkunden (auf deren Wunsch hin) immer bedient hat. Dies ist auch im Rahmen eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses nicht unüblich.
Nach alledem überwiegen eindeutig die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, so dass eine Beschäftigung nach §
7 Abs.
SGB IV vorlag und der Beigeladene zu 1 versicherungspflichtig in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung und nach dem Recht
der Arbeitslosenversicherung war.
Weiter sind Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der Nachforderung zum Nachteil der Klägerin falsch berechnet worden sein sollte,
nach Aktenlage nicht erkennbar . Diesbezüglich hat die Klägerin weder im Verwaltungs-, noch im Klage- oder Berufungsverfahren etwas vorgetragen. Weitere Ausführungen
erübrigen sich daher.
Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt. Nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV verjähren Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die im Jahr 2008 bzw.
2009 fällig gewordenen Beiträge wären daher nach der regelmäßigen Verjährungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2012
bzw. 31.12.2013 verjährt, so dass die Nacherhebung mit Bescheid vom 09.05.2012 rechtzeitig erfolgte.
Es wurden auch zu Recht Säumniszuschläge erhoben. Dies beruht auf §
24 Abs.
1 SGB IV . Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender
Säumniszuschlag nach §
24 Abs.
2 SGB IV nur dann nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht
hatte. Dies hat die Klägerin hier nicht getan. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, der Vortrag der Klägerin sie habe
aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse die gesetzlichen Vorgaben nicht umfassend nachvollziehen können. Denn ein Arbeitgeber
nimmt es zumindest billigend in Kauf seine Beitragspflicht nicht zu erfüllen, wenn er es trotz fehlender eigener Sachkunde
unterlässt, sämtliche Maßnahmen, die die Erfüllung seiner Verpflichtungen zur Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge
sichern können, durchzuführen (LSG NRW, Beschluss vom 06.11.2012, L 8 R 193/12 B). Ein Rechtsirrtum ist nur dann erheblich, wenn ein unverschuldeter Rechtsirrtum vorliegt, d. h. wenn der Betroffene sich
sorgfältig über die Rechtslage informiert und kundigen Rat eingeholt ( LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31.05.2016 - L 3 R 280/15 - ). Gleiches gilt bei fehlenden Sprachkenntnissen. Ein der deutschen Sprache nicht ausreichend Kundiger ist verpflichtet,
sich gfs. Klarheit zu verschaffen (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 25.08.2011 - L 4 AS 260/10 -, juris). Dies hat die Klägerin, die z.B. ihre steuerrechtlichen Unterlagen von einer Steuerberatungsgesellschaft hat erledigen
lassen, offensichtlich nicht getan. Zu berücksichtigen war hier auch, dass wohl zunächst geplant war, den Beigeladenen zu
1 anzustellen, dies aber an der nicht erteilten Arbeitserlaubnis scheiterte. Spätestens hier hätte sich der Klägerin aufdrängen
müssen, dessen Status, z.B. bei der Einzugsstelle oder Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung, prüfen lassen zu müssen.
Auch die Berechnung der Säumniszuschläge, bezüglich derer der Senat auf die angefochtenen Bescheide verweist, lässt keine
Fehler zulasten der Klägerin erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) . Die Beigeladenen tragen gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
162 Abs.
3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Kosten aus Billigkeit der unterliegenden
Klägerin aufzuerlegen, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
13. Aufl 2020, § 197a Rn. 29 m.w.N.).
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 2 Satz 1 , 52 Abs 3 , 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der streitigen Nachforderung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor ( §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG ).