Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anforderungen an die Nachkodierung von OPS-Kodes nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist des § 7 Abs 5 PrüfvV 2014
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, Trägerin eines nach §
108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) zugelassenen Krankenhauses, behandelte die bei der beklagten Krankenkasse Versicherte L (Versicherte) wegen Anpassung und
Handhabung eines implantierten Kardiodefibrillators (ICD10 Z45.01) vollstationär in der Zeit vom 29.06.2015 bis zum 20.07.2015.
Die Beklagte berechnete hierfür zunächst mit Rechnung vom 12.08.2015 unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related
Group <DRG>) F12A (Wechsel eines Herzschrittmachers, Mehrkammersystem oder Alter > 16 Jahre) sowie der OPS-Prozedur 5-378.52
(Entfernung, Wechsel und Korrektur eines Herzschrittmachers und Defibrillators: Aggregatwechsel <ohne Änderung der Sonde>:
Schrittmacher, Zwei-Kammer-System) 7.564,13 €. Diesen Betrag beglich die Beklagte vollständig.
Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren nach §
4 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung <PrüfvV 2014>) mit der Prüfart "Vollprüfung der Abrechnung" ein und führte zur Prüfung Auffälligkeiten
an: "MDK Direktberatung erfolgte anhand 301 Daten, VWD und Kodierung nicht zweifelsfreinachvollziehbar". Die Beklagte informierte
die Klägerin entsprechend über die Einleitung des Prüfverfahrens. Mit Schreiben vom 28.08.2015 setzte auch der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Klägerin über die Einleitung der Prüfung in Kenntnis und forderte verschiedene Unterlagen
über den stationären Aufenthalt an. Zum Prüfanlass bzw zur Auffälligkeit wurden der Klägerin folgende Fragen der Krankenkasse
übermittelt: "War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in vollem Umfang medizinisch begründet? Ist die DRG korrekt?
- MDK Direktberatung erfolgte anhand 301 Daten OGVD und Kodierung nicht zweifelsfreinachvollziehbar
Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt?
- MDK Direktberatung erfolgte anhand 301 Daten, OGVD und Codierung nicht zweifelsfreinachvollziehbar".
Der MDK gelangte in seinem Gutachten vom 19.11.2015 durch K zu dem Ergebnis, dass die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer
in vollem Umfang medizinisch begründet sei und die DRG sowie die Hauptdiagnose korrekt seien. Dabei führte der MDK ua eine
Prüfung der Kodierung durch und bestätigte die von der Klägerin kodierte Hauptdiagnose Z45.01 und den abrechnungsrelevanten
OPS 5-378.52, die die DRG F17A ansteuern.
Am 25.02.2016 stornierte die Klägerin ihre Rechnung vom 12.08.2015 und erteilte der Beklagten eine neue Schlussrechnung über
den Betrag von 15.239,04 € unter Zugrundelegung der DRG F02A (Aggregatwechsel eines Kardioverters/Defibrillators <AICD>, Zwei-
oder Drei-Kammer-Stimulation). Hierbei kodierte die Klägerin nun den OPS 5-378.55 (Entfernung, Wechsel und Korrektur eines
Herzschrittmachers und Defibrillators: Aggregatwechsel <ohne Änderung der Sonde>: Defibrillator mit Zwei-Kammer-Stimulation)
anstelle des ursprünglich abgerechneten OPS 5-378.52. Die Beklagte weigerte sich, den Differenzbetrag zwischen den beiden
Rechnungen iHv 7.674,91 € zu zahlen, da das Prüfverfahren abgeschlossen und eine Änderung der Abrechnungsdaten nicht mehr
möglich sei.
Am 26.09.2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und Zahlung iH des Differenzbetrages von 7.674,91 € nebst Zinsen begehrt. Sie - die Klägerin - habe die Überprüfung
durch den MDK zum Anlass genommen, eine interne Kodierrevision vorzunehmen, die Rechnung vom 12.08.2015 zu stornieren und
der Beklagten eine neue Rechnung zu erteilen. Im Rahmen der internen Kodierrevision sei festgestellt worden, dass der OPS
5-378.55 in der Abrechnung gefehlt habe. Die entsprechenden Daten seien irrtümlich nicht in die Entlassplanung eingefügt worden,
sodass der OPS gefehlt habe und eine entsprechende Korrektur notwendig geworden sei. Die neue Rechnung sei bei der Beklagten
am 25.02.2016 eingegangen. Diese habe keine neuerliche Prüfung der Rechnung eingeleitet bzw angezeigt. Die nunmehr vorgenommene
Kodierung sei nicht zu beanstanden. Die Rechnung sei sachlich und rechnerisch richtig. Die vorgenommene Neuberechnung mit
Rechnung vom 25.02.2016 sei statthaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe die Regelung des § 7 Abs 5 PrüfvV 2014
einer Rechnungskorrektur durch die Klägerin und einer damit verbundenen Nachforderung nicht entgegen. Nach § 7 Abs 5 Satz
1 PrüfvV 2014 seien Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich. Mit dieser Regelung seien die Vertragsparteien
übereingekommen, dass grundsätzlich einer Ergänzung oder Korrektur von Datensätzen möglich sei, auch wenn dies im Rahmen eines
laufenden MDK-Überprüfungsverfahrens im Rahmen des dortigen Prüfauftrages erfolge. § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV 2014 regele, dass
eine solche Änderung, die sich auf den Gegenstand der Prüfung des MDK beziehe, von diesem nur dann in die Prüfung einbezogen
werden müsse, wenn dies innerhalb von fünf Monaten nach Beauftragung des MDK erfolge. Hieraus folge aber keinesfalls, dass
eine Korrektur zwingend innerhalb dieser Frist vorzunehmen sei. Die Frist des § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV 2014 stelle keine Ausschlussfrist
dar. Eine Präklusion sei nicht vorgesehen. Im Übrigen wäre eine Ausschlussfrist auch nicht von der Ermächtigungsgrundlage
für die PrüfvV 2014 gedeckt. Auch finde die Regelung des § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV 2014 keine Anwendung. Im konkreten Fall sei
Gegenstand des Prüfauftrages des MDK die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer sowie die DRG. Die Erstellung der neuen
Rechnung vom 25.02.2016 beinhalte die Abrechnung der DRG F02A statt der ursprünglich abgerechneten DRG F17A. Die neue Rechnung
stehe also hinsichtlich der beim MDK in Auftrag gegebenen Prüfung einer möglichen sekundären Fehlbelegung nicht im Zusammenhang
mit der alten Rechnung. Der Prüfanlass habe sich somit auf einen anderen Sachverhalt als die bisher vorgenommene Rechnungskorrektur
bezogen. Schließlich sei auch keine Verwirkung eingetreten. Weiter hat die Klägerin vorgebracht, dass die in § 7 Abs 5 Satz
2 PrüfvV 2014 festgelegte Fünf-Monats-Frist die nachträgliche Datensatzkorrektur im MDK-Prüfverfahren, nicht jedoch die nachträgliche
Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren ausschließe. Das Krankenhaus sei nach Ablauf mit neuen Abrechnungsvorbringen nur
für das laufende MDK-Prüfverfahren formell, nicht jedoch für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren materiell präkludiert und
auch nicht an der Geltendmachung durch nachträgliche Rechnungskorrektur gehindert (Hinweis auf Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg
17.04.2019, L 5 KR 1522/17).
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der MDK habe in seiner Prüfung festgestellt, dass anhand der ihm von der Klägerin
im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zur Verfügung gestellten Unterlagen die DRG F17A, wie von der Klägerin in der ersten
Rechnung abgerechnet, korrekt sei. Insofern sei zu beachten, dass der Prüfauftrag nicht lediglich eine sekundäre Fehlbelegung,
sondern auch eine Prüfung der DRG beinhaltet habe. Mit ihrer zweiten Rechnung mache die Klägerin dann einen wesentlich höheren
Betrag, ausgelöst durch die nun kodierte DRG F02A geltend. Da die Klägerin innerhalb der Frist des § 7 Abs 2 Satz 3-4 PrüfvV
2014 keine Unterlagen nachgereicht habe, die ihre neue DRG F02A stützten, sei sie nun mit ihrem Vorbringen ausgeschlossen.
Das SG hat mit Urteil vom 30.09.2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.674,91 € nebst Zinsen hieraus iHv 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.03.2016 zu zahlen, und der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die nachträgliche
Rechnungskorrektur sei zulässig. Der Landesvertrag enthalte weder eine Regelung, die die Nachberechnung ausschließe, noch
eine solche, die eine zeitliche Grenze dafür setze. Mangels ausdrücklicher Regelung richte sich die Zulässigkeit von Nachforderungen
eines Krankenhausträgers wegen Behandlung eines Versicherten gemäß dem auf die Rechtsbeziehung zwischen Krankenhaus und Krankenkassen
einwirkenden Rechtsgedanken des §
242 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Die von der Klägerin vor Ablauf des auf die unrichtige Abrechnung aus dem
Jahr 2015 folgenden Kalenderjahres vorgenommene nachträgliche Korrektur der ersten Rechnung sei nicht verwirkt und damit zulässig.
Der Zulässigkeit der nachträglichen Rechnungskorrektur stehe auch nicht die Regelung aus der PrüfvV 2014 entgegen. Auch in
den Fällen, in denen - wie hier - eine Prüfung durch den MDK erfolgt sei, werde die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) zur Zulässigkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur nach § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 nur formell für das laufende MDK-Prüfverfahren modifiziert. Nach Verstreichen der in § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV
2014 festgelegten Fünf-Monats-Frist für die nachträgliche Korrektur von Abrechnungsdaten sei das Krankenhaus mit neuem Abrechnungsvorbringen
nur für das laufenden MDK-Prüfverfahren, nicht jedoch für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren materiell präkludiert und auch
nicht an der Geltendmachung durch nachträgliche Rechnungskorrektur gehindert (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg 17.04.2019,
L 5 KR 1522/17).
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 05.10.2020 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 20.10.2020 beim LSG
Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Das SG habe zu Unrecht ein Nachkodierungsrecht der Klägerin bejaht und die Beklagte zur Zahlung von weiteren Krankenhausbehandlungskosten
verurteilt. Die Frist des § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 wirke als Ausschlussfrist. Die Vertragsparteien seien über die Ermächtigungsgrundlage
des § 17c Abs 2 Krankenhausgesetz (KHG) ermächtigt, eine derartige Ausschlussfrist zu vereinbaren. Das BSG habe im Urteil vom 19.11.2019 (B 1 KR 33/18 R) ausdrücklich klargestellt, dass die Vertragsparteien der PrüfvV 2014 aufgrund hinreichender Ermächtigung zur Vereinbarung
von Ausschlussfristen befugt seien. Würde der Klägerin - wie vorliegend geschehen - eine Datensatzergänzung zugestanden, würden
sämtliche Vorschriften missachtet. Ein effizientes Prüfverfahren würde unterlaufen, wenn das Krankenhaus im eigentlichen Prüfverfahren
nicht mehr nachkodieren dürfte, diese Möglichkeit dann aber nach Beendigung des Prüfverfahrens wieder haben solle. Die Krankenkassen
müssten dann ggf ein neue Prüfverfahren einleiten. Die Klägerin sei Inhaberin der vollständigen Patientendokumentation und
als solche zur korrekten und vollständigen Kodierung verpflichtet. Gerade wenn die Krankenkasse eine Prüfung durch den MDK
einleite, sollte ein Krankenhaus die Gelegenheit nutzen, ihre Kodierung noch einmal auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu
kontrollieren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.09.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verweist zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen sowie das angefochtene Urteil des SG. In Bezug auf die Entscheidungen des BSG vom 18.05.2021 (B 1 KR 34/20 R, B 1 KR 37/20 R und B 1 KR 39/20 R) hat die Klägerin ausgeführt, dass die Regelung des § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 Datenänderungen nicht ausschließe, die den nicht
vom Prüfgegenstand erfassten Teil des Datensatzes beträfen. Seien die Datenänderungen nicht Gegenstand des Prüfverfahrens
gewesen, seien Datenänderungen zulässig. Dies treffe auf den vorliegenden Fall zu. Der später hinzugefügte OPS 5-378.55 sei
nicht Gegenstand des Prüfverfahrens gewesen. Zwar bewirke § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 nach der Rechtsprechung des BSG eine materielle Präklusion mit der Rechtsfolge, dass Änderungen zu Gunsten des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken an die
Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV geregelten Änderungsfristen unzulässig seien, soweit
der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden sei. Im vorliegenden Fall habe sich der Prüfauftrag der Beklagten auf
die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer und die abgerechnete DRG F17A bezogen. Die streitgegenständliche Schlussrechnung
beinhalte aber die neue DRG F02A. Im Rahmen der internen Kodierrevision habe sie - die Klägerin - festgestellt, dass der OPS
5-378.55 versehentlich nicht in die Abrechnung aufgenommen worden sei. Weder OPS 5-378.55 noch die DRG F02A seien Gegenstand
des Prüfverfahrens gewesen. Dieses habe sich nur auf die Grenzverweildauer und die abgerechnete DRG F17A bezogen.
Weiter hat die Klägerin vorgebracht, dass die Angabe der Fragestellung "Ist die DRG korrekt?" nicht ausreiche, um eine Präklusion
der Rechnungskorrektur herbeizuführen. Aus der Formulierung der Fragestellung "Ist die DRG korrekt?" sei nicht ersichtlich,
dass sämtliche kodierten Prozeduren geprüft werden sollten. Der MDK habe nach der Angabe der Fragestellung zur korrekten DRG
diese auf die Prüfung der Hauptdiagnose eingegrenzt. Aus dieser Fragestellung habe die Klägerin nicht entnehmen können, dass
alle Prozeduren geprüft werden sollten. Nachdem der MDK die Korrektur der Hauptdiagnose bestätigt habe, sei eine Prüfung aller
kodierten Nebendiagnosen und OPS mit dem korrekten Hinweis, dass diese nicht abrechnungsrelevant gewesen seien, entfallen.
Weiterhin müsse die Krankenkasse den Prüfgegenstand so konkret wie möglich benennen, was vorliegend offensichtlich nicht geschehen
sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Krankenkasse es ansonsten in der Hand habe, jegliche Rechnungskorrektur von vornherein
zu verhindern, indem bei jeder Prüfung die Fragestellung "Ist die DRG korrekt?" inkludiert werde.
Die Beklagte hat erwidert, dass zwischen den Beteiligten unstreitig sei, dass die Klägerin den Datensatz außerhalb der in
§ 7 Abs 5 PrüfvV 2014 vorgesehenen Frist von fünf Monaten geändert habe. Die Klägerin sei mit dieser Datenänderung auch ausgeschlossen,
da der Datensatz bereits Gegenstand des Prüfverfahrens gewesen sei. Die Beauftragung des MDK habe ua die Frage "Ist die DRG
korrekt?" beinhaltet. Diese Frage beinhalte die Frage nach der Kodierung der Haupt- und Nebendiagnosen und des OPS. Die Hinzukodierung
des streitgegenständlichen OPS diene auch nicht einer Umsetzung eines MDK-Ergebnisses. Die Klägerin habe nicht dem MDK folgend
ihren Datensatz geändert. Durch die Hinzukodierung des neuen OPS hätte die Klägerin ein neues Prüfverfahren im Hinblick auf
den Prüfgegenstand ausgelöst.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 29.03.2022 einen Erörterungstermin durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten
wird auf die Niederschrift vom 29.03.2022 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten
sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die gemäß §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§§
153 Abs
1,
124 Abs
2 SGG), ist zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, an die Klägerin 7.674,91 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Klage der Klägerin ist zulässig,
aber unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch iHv 7.674,91 € nebst Zinsen nicht zu.
Dem Krankenhaus stand dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch für die unstreitig erforderliche stationäre Krankenhausbehandlung
der Versicherten zu, was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist. Diese Behandlung hat die Beklagte entsprechend
der Rechnung der Klägerin vom 12.08.2015 iHv 7.564,13 € vollständig vergütet. Die Klägerin war nicht berechtigt, anstatt des
OPS 5-378.52 den OPS 5-378.55 nachzukodieren und die angesteuerte DRG F02A mit insgesamt 15.239,04 € am 25.02.2016 nach Abschluss
des von der Beklagten eingeleiteten Prüfverfahrens dieser in Rechnung zu stellen. Der Anspruch auf den Restbetrag iHv 7.674,91
€ (15.239,04 € - 7.564,13 €) ist nach dem hier zeitlich anwendbaren § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 materiell präkludiert.
§ 7 Abs 5 PrüfvV 2014 ist zeitlich auf die Krankenhausbehandlung der Versicherten anwendbar. Die mit Wirkung zum 01.09.2014
auf Grund der Ermächtigung des § 17c Abs 2 KHG in Kraft getretene PrüfvV 2014 erfasst Überprüfungen bei Versicherten, die ab dem 01.01.2015 aufgenommen wurden (§ 12 Abs
1 PrüfvV 2014). Die Versicherte der Beklagten wurde im vorliegenden Behandlungsfall in das Krankenhaus der Klägerin am 29.06.2015
stationär aufgenommen und unterfällt damit dem zeitlichen Anwendungsbereich der PrüfvV 2014.
Die Klägerin war nicht berechtigt, den OPS 5-378.55 nachzukodieren und die dadurch angesteuerte DRG F02A mit insgesamt 15.239,04
€ der Beklagten in Rechnung zu stellen, weil diese Korrektur des Datensatzes erst am 25.02.2016 und damit nach Ablauf der
Fünf-Monats-Frist des § 7 Abs 5 Satz 2 PrüfvV 2014, die mit Zugang der Prüfanzeige des MDK vom 28.8.2015 bei der Klägerin
am 01.09.2015 (Bl 25 der SG-Akten) zu laufen begann und am 01.02.2016 endete (vgl §
188 Abs
2 BGB), erfolgte.
§ 7 Abs 5 PrüfvV 2014 bewirkt eine materielle Präklusion mit der Rechtsfolge, dass Änderungen des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken
an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV 2014 geregelten Änderungsfristen unzulässig sind,
soweit der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist (dazu und zum Folgenden BSG 18.05.2021, B 1 KR 39/20 R; BSG 18.05.2021, B 1 KA 34/20 R, SozR 4-2500 § 1 Nr. 10; vgl ferner BSG 18.05.2021, B 1 KA 37/20 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 11 bzgl § 7 Abs 5 PrüfvV 2016). Änderungen des durch den MDK geprüften Teils des Datensatzes nach §
301 SGB V außerhalb der in §
7 Abs
5 PrüfvV 2014 geregelten Änderungsmöglichkeiten sind - auch mit Wirkung für ein ggf nachfolgendes Gerichtsverfahren - unzulässig.
Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses kann nicht erfolgreich auf Grundlage von neuen (geänderten oder ergänzenden) Daten
durchgesetzt werden, deren Übermittlung unzulässig ist. Die Vorschriften des § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 begründet eine materielle
Präklusion. Dies bedeutet, dass die nach dem jeweiligen Regelungszusammenhang erforderlichen Handlungen zur Durchsetzung oder
Abwehr eines Anspruchs ausgeschlossen sind. Dies hat bei § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 zur Folge, dass die Vergütungsforderung des
Krankenhauses nicht auf der Grundlage neuer - präkludierter - Daten durchgesetzt werden kann. Das Krankenhaus verliert das
Recht, den Datensatz nach §
301 SGB V zu ändern, soweit er Prüfgegenstand der von der Krankenkasse veranlassten MDK-Prüfung geworden ist; dies auch mit Wirkung
für das Gerichtsverfahren.
Voraussetzung für die Fälligkeit des Anspruchs auf eine geltend gemachte - wie vorliegend - höhere Vergütung ist eine ordnungsgemäß
korrigierte Abrechnung. Diese liegt nur vor, wenn die betreffenden Daten nach §
301 SGB V rechtmäßig noch übermittelt werden durften. Dagegen kann der Vergütungsanspruch, insbesondere auch eine Nachforderung, weiterhin
mit anderen, nicht von der materiellen Präklusion erfassten Daten innerhalb der Grenzen von Verwirkung und Verjährung erfolgreich
durchgesetzt werden, soweit die rechtmäßig übermittelten Daten zutreffend sind. Die Regelung einer solchen materiellen Präklusionswirkung
ist durch die Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs 2 KHG gedeckt. Ist die Übermittlung von zusätzlichen Daten, die vom Prüfauftrag umfasst sind, durch das Krankenhaus nach § 7 Abs
5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2014 unzulässig, folgt hieraus zwingend, dass diese Daten keinen oder keinen weitergehenden Vergütungsanspruch
auslösen können.
Die PrüfvV 2014 zielt auf die Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens, das nicht durch wiederholte und unzeitige
Datenänderungen in die Länge gezogen werden soll. Der gesamte Abrechnungsfall soll zügig seinen Abschluss finden. Die Regelungen
über die Prüfungsdauer, die ua in § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 umsetzt sind, sollen die Beschleunigung des Prüfverfahrens ermöglichen.
Die Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens wird durch § 7 Abs 5 Satz 1 und 2 PrüfvV 2014 ua dadurch erreicht,
dass der MDK seiner Abrechnungsprüfung nur die Daten nach §
301 SGB V zu Grunde legen muss, die nach Ablauf oder Ausschöpfung der Änderungsmöglichkeiten vorliegen. Der Regelungszweck würde in
sein Gegenteil verkehrt und die Vorschrift weitgehend funktionslos, wenn das Krankenhaus dies nach Abschluss des Prüfverfahrens
durch die Änderung des geprüften Teils des Datensatzes wieder zunichtemachen könnte. Damit § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 seinen Zweck
erfüllen kann, muss der MDK-Prüfungsumfang auch Konsequenzen für die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses
haben. Dieser vorrangige Zweck der Beschleunigung und Konzentration kann zudem nur erreicht werden, wenn die Präklusion nach
Abschluss des Prüfverfahrens, insbesondere in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren, fortgilt. Dabei ist der sachliche Anwendungsbereich
des § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 beschränkt. Änderungen des Datensatzes sind nur unzulässig, soweit dieser Gegenstand des Prüfverfahrens
geworden ist. Dies folgt aus § 7 Abs 5 Satz 3 PrüfvV 2014. Danach kann das Krankenhaus bei einer Erweiterung des Prüfgegenstandes
bzw Prüfanlasses unabhängig von § 7 Abs 1 Satz 1 PrüfvV 2014 zusätzlich einmalig Daten innerhalb von fünf Monaten nach der
Erweiterung ändern. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn § 7 Abs 1 Satz 1 PrüfvV 2014 von vornherein auch jede Datenänderung
auch außerhalb des Prüfgegenstandes erfassen würde, also mit Einleitung des Prüfverfahrens jede Datensatzergänzung und -korrektur
nach Ablauf von fünf Monaten ausgeschlossen wäre. Dies befindet sich im Einklang mit dem Regelungssystem. § 4 PrüfvV 2014
weist der Krankenkasse das Recht und die hiermit korrespondierende Aufgabe zu, den Prüfgegenstand festzulegen (vgl § 6 Abs
3 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014). Das Recht der Krankenkasse zur Festlegung des Prüfgegenstandes drückt als Kehrseite auch das
sich in einer Verzögerung des Abrechnungsfalles realisierende Risiko, dass sich die Festlegung im Nachhinein als unzutreffend
herausstellt. Das Krankenhaus hat dagegen keine Möglichkeit, den Prüfgegenstand festzulegen oder zu erweitern.
Die hier für die Durchsetzung der Nachforderung - auf Basis der DRG F02A - vorgenommene Datenänderung umfasst die Übermittlung
des bisher nicht übermittelten OPS 5-378.55 (Entfernung, Wechsel und Korrektur eines Herzschrittmachers und die Defibrillators:
Aggregatwechsel <ohne Änderung der Sonde>: Defibrillator mit Zwei-Kammer-Stimulation) anstatt des ursprünglich übermittelten
OPS 5-378.52 (Entfernung, Wechsel und Korrektur eines Herzschrittmachers und Defibrillators: Aggregatwechsel <ohne Änderung
der Sonde>: Schrittmacher Zwei-Kammer-System). Diese Datensatzänderung lag innerhalb des Prüfgegenstandes der von der Beklagten
eingeleiteten und der Klägerin angezeigten Vollprüfung der Abrechnung. Dabei ist die Auslegung des Prüfauftrags bzw der Prüfanzeige
der Krankenkasse bzw des MDK nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen vorzunehmen (vgl zB BSG 30.07.2019, B 1 KR 31/18 R, BSGE 129, 1; BSG 25.10.2016, B 1 KR 22/16 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 7; ferner LSG Baden-Württemberg 17.04.2018, L 11 KR 936/17). Nach §
133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der
Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen
(vgl auch zum Folgenden zB Bundesgerichtshof <BGH> 16.10.2012, X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 mwN). Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der
Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers maßgeblich sind, so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu
und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste. In Anwendung diese Grundsätze sind der Prüfauftrag der
Beklagten und die Prüfanzeige des MDK dahingehend auszulegen, dass der Prüfgegenstand vorliegend auch die Kodierung der DRG
sowie der abrechnungsrelevanten OPS-Prozedur umfasste. Die Beklagte zeigte der Klägerin mit Schreiben vom 27.08.2015 eine
Vollprüfung iSd § 4 Satz 1 PrüfvV 2014 an, die nach der dortigen Definition alle abrechnungsrelevanten Diagnosen und Prozeduren
etc umfasst. Damit brachte die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie eine vollständige und unbeschränkte Überprüfung
der Rechnung der Klägerin anstrebt, was auch zwanglos für einen objektiven Erklärungsempfänger aus dem maßgeblichen Verkehrskreis
(Krankenhäuser iSd §
108 SGB V) erkennbar war. Durch die weiteren Angaben der Beklagten in ihrem Schreiben vom 27.08.2015 hat sie die angezeigte Art der
Prüfung (Vollprüfung) nicht in eine Teilprüfung der Abrechnung beschränkt. Mit dem Hinweis, dass anhand der (von der Klägerin
mit der ersten Rechnung am 12.08.2015 übermittelten) Daten nach §
301 SGB V die Verweildauer und die Kodierung für die Beklagte nicht zweifelsfrei nachvollziehbar sei, kam sie vielmehr der Obliegenheit
nach § 4 PrüfvV 2014 nach, die aus ihrer Sicht bestehenden Auffälligkeiten mitzuteilen. Über die Prüfanzeige vom 27.08.2015
hinaus wurden der Klägerin durch den MDK mit Schreiben vom 28.08.2015 ua auch die Fragen der Beklagten übermittelt. Danach
wollte die Beklagte neben der medizinischen Begründung der Überschreitung der oberen Grenzverweildauer weiterhin geklärt wissen,
ob die von der Klägerin abgerechnete DRG F02A sowie die Hauptdiagnose korrekt ist. Diese beiden Fragen stehen unabhängig nebeneinander,
was in der Gliederung seinen Ausdruck findet. Als Prüfanlass für diese beiden Fragen wurde von der Beklagten jeweils gesondert
angegeben, dass die Kodierung anhand der nach §
301 SGB V von der Klägerin übermittelten Daten nicht zweifelsfrei nachvollziehbar sei. Aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven
Empfängers ergibt sich aus diesen Schreiben, dass die Beklagte der Klägerin eine Vollprüfung der Abrechnung angezeigt hat,
die die abrechnungsrelevanten Diagnosen und OPS-Prozeduren umfasst. So hat der MDK den Prüfauftrag der Beklagten auch verstanden
und neben der Grenzverweildauer die von der Klägerin abgerechnete DRG einschließlich der dieser zu Grunde liegenden und allein
abrechnungsrelevanten OPS-Prozedur 5-378.52 geprüft und nicht beanstandet. Das Vorbringen der Klägerin, der MDK habe nicht
die nachkodierte DRG F02A sowie die OPS-Prozedur 5-378.55 geprüft, sondern die ursprünglich abgerechnete DRG F17A einschließlich
des OPS 5-378.52, verkennt den Gegenstand der angezeigten MDK-Prüfung und möchte entgegen der Intention der PrüfvV 2014 (Beschleunigung
und Konzentration des Prüfverfahrens) sowie des Rechts der Krankenkasse zur Festlegung des Prüfgegenstandes diesen nachträglich
begrenzen. Die vergütungsrelevante Prozedur war mithin Gegenstand der Prüfung durch den MDK und konnte nicht durch die nach
Ablauf der Fünf-Monats-Frist nachkodierte OPS-Prozedur 5-378.55 ausgetauscht werden. Es war Sache der Klägerin, die Prüfanzeige
der Beklagten und des MDK zum Anlass zu nehmen, die Abrechnung der Krankenhausbehandlung sowie die an die Beklagte nach §
301 SGB V übermittelten Daten zu überprüfen und ggf zeitnah zu korrigieren. Warum die Klägerin ihre interne "Kodierrevison" erst ca
sechs Monate nach der Prüfanzeige und mehr als drei Monate nach Vorlage des MDK-Gutachtens vorgenommen hat, ist weder ersichtlich
noch nachvollziehbar.
Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich grundlegend von den den Urteilen des BSG vom 18.05.2021 zugrundeliegenden Sachverhalten. In dem Verfahren B 1 KR 34/20 R war Gegenstand der MDK-Prüfung entsprechend der dort von der Krankenkasse eingeleiteten Fehlbelegungsprüfung nur auf die
Grenzverweildauer, mithin die reine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung. Die Prüfung der Kodierung
der DRG einschließlich der zugrundeliegenden relevanten Abrechnungsdaten (Hauptdiagnose, OPS) war dort nicht vom Gegenstand
der MDK-Prüfung umfasst, sodass die vom Krankenhaus vorgenommene Nachkodierung einer anderen DRG und eines anderen OPS nicht
durch § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 ausgeschlossen war. In dem Verfahren B 1 KR 39/20 R war Gegenstand der MDK-Prüfung die Überprüfung eines bestimmten OPS sowie die Erforderlichkeit der Überschreitung der oberen
Grenzverweildauer, mithin eine Teilprüfung der Abrechnung und eine Fehlbelegungsprüfung. Dagegen bezog sich der Prüfauftrag
der Krankenkasse nicht auf die vom Krankenhaus nachkodierten Nebendiagnosen, sodass das BSG diese Nachkodierung als nicht von der Präklusionsregelung des § 7 Abs 5 PrüfvV umfasst ansah. Schließlich liegt auch kein Fall der Korrektur der Ursprungsrechnung als Reaktion auf ein MDK-Gutachten
und in Umsetzung der Empfehlung des MDK vor (BSG 18.05.2021, B 1 KA 37/20 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 11). Die Klägerin hat sich gerade dem Prüfergebnis des MDK nicht unterworfen und auf Hinweise bzw Einwendungen des MDK
reagiert, sondern die zunächst abgerechnete OPS-Prozedur 5-378.52, die vom MDK ausdrücklich nicht beanstandet wurde, durch
eine neue OPS-Prozedur (5-378.55) ersetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 HS. 1
SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.