Anspruch auf häusliche Krankenpflege in der gesetzlichen Krankenversicherung; Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe
vom Sozialhilfeträger
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 07.04. bis zum 20.04.2010.
Die im Jahr 1957 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom,
einer emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderlinetypus sowie einer depressiven Episode. Für sie ist eine gesetzliche
Betreuung eingerichtet, welche die Bereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge umfasst. Die Klägerin
bezieht aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ab dem 01.07.2008 war die Klägerin
stationär im St. I. der E. Heimstiftung untergebracht. Am 23.07.2009 heiratete sie ihren Ehemann E. G..
Am 07.04.2010 beendete die Klägerin den stationären Aufenthalt im St. und zog im Rahmen einer Maßnahme des ambulant begleiteten
Wohnens (ABW) zusammen mit ihrem Ehemann in eine selbst angemietete Wohnung in der M.str. ... in I.. Der Mietvertrag vom 15.03.2010
wurde zwischen der Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie der Klägerin und ihrem Ehemann geschlossen.
Das Eingliederungs- und Versorgungsamt des Landkreis R. bewilligte mit Bescheid vom 29.03.2010 Leistungen iHv 589,10 € monatlich
ab April 2010 für ambulant betreutes Wohnen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Im Bescheid wird ausgeführt, dass die Hilfe nach den Bestimmungen des Sechsten Kapitels SGB XII gewährt werde. Das betreute Wohnen verbinde eine selbständige Lebensführung im eigenen Wohnraum mit einer planmäßig organisierten
regelmäßigen Beratung und persönlichen Betreuung durch Fachkräfte. Die Betreuung werde durch das St. I. durchgeführt. Die
Vergütung erfolge unmittelbar an diesen Träger. Die Kostenzusage für das ABW wurde bis zum 30.04.2011 abgegeben. Nach einem
Alkoholrückfall der Klägerin am 04.03.2011 mit anschließendem Aufenthalt in der Abteilung des Zentrums für Psychiatrie W.
kündigte das St. die ABW-Maßnahme zum 30.04.2011. Seitdem lebt die Klägerin in einer voll stationär betreuten Wohngemeinschaft
der A. gGmbH, einer Einrichtung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, in We..
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. verordnete der Klägerin am 06.04.2010 häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten
ärztlichen Behandlung für den Zeitraum vom 07.04.2010 bis zum 20.04.2010. Zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung
seien einmal täglich an sieben Tagen der Woche Medikamente zu verabreichen. Der Antrag ging bei der Beklagten, eingereicht
durch das St., am 08.04.2010 ein. Mit Schreiben vom 12.04.2010 teilte die Beklagte mit, dass sie die Kosten für die beantragte
Leistung nicht übernehmen könne. In einem weiteren Schreiben vom 12.04.2010 teilte die Beklagte hierzu mit, dass sie davon
ausgehe, dass die beantragte Leistung in den Leistungen, die für die Klägerin vom Landratsamt nach dem SGB XII gewährt würden, enthalten sei.
Dr. M. erstellte am 20.04.2010 eine weitere Verordnung über häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen
Behandlung in Form der Medikamentenverabreichung einmal täglich, sieben Tage die Woche für den Zeitraum vom 21.04.2010 bis
04.05.2010. In einem beigefügten ärztlichen Attest vom 20.04.2010 führte Dr. M. aus, dass die Klägerin zu Medikamentenmissbrauch
neige und vor allem auch Schmerzmedikamente zu häufig eingenommen würden. Die Klägerin habe jetzt zugestimmt, nur Medikamente
zu nehmen, die von einer Betreuungsperson verabreicht würden. Insoweit sei auch die Sicherstellung dieser Regelung der notwendigen
Medikation zu gewährleisten, was nur über die vorliegende Verordnung möglich sei. Mit Schreiben vom 23.04.2010 lehnte die
Beklagte die Übernahme der Kosten für die häusliche Krankenpflege für den Zeitraum vom 21.04. bis 04.05.2010 ab.
Die Klägerin legte gegen das Schreiben der Beklagten vom 12.04.2010, vertreten durch ihren Betreuer, am 27.04.2010 Widerspruch
ein und führte zur Begründung aus, die Verabreichung der Medikamente durch den Pflegedienst organisiert werden müsse, da die
regelmäßige fachkompetente und kontrollierte Einnahme vorerst noch überprüfbar sichergestellt werden müsse.
Dr. M. erstellte mit Datum vom 03.05.2010 eine weitere Verordnung häuslicher Krankenpflege in Form der Medikamentenverabreichung
einmal täglich, sieben Tage die Woche für den Zeitraum vom 05.05.2010 bis 30.09.2010. Mit Schreiben vom 06.05.2010 lehnte
die Beklagte die Übernahme der Kosten für die häusliche Krankenpflege für den Zeitraum vom 05.05.2010 bis 30.09.2010 ab.
Mit Datum vom 10.06.2010 erstellte Dr. M. eine Folgeverordnung über den Zeitraum vom 14.06.2010 bis 30.09.2010. Die Beklagte
lehnte die Übernahme der Kosten mit Bescheid vom 12.07.2010 ab.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 12.04.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2010 zurück
und führte zur Begründung aus, die bei der Klägerin zugrundeliegende Wohnform des ABW entspreche nicht dem Wohnbegriff des
§
37 Abs
2 SGB V. Beim so genannten "Trainingswohnen" in einer ambulant betreuten Wohnung handele es sich um keine anerkannte Wohnform nach
§
37 Abs
2 Satz 1
SGB V. Das Trainingswohnen sei eine Teilleistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Die Einrichtung St. I. als Leistungserbringer erhalte für die Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe und zusätzliche
Leistungen wegen des erhöhten Betreuungsaufwandes im Rahmen des Trainingswohnens. Somit sei die Einrichtung als Empfänger
der Leistungen nach dem SGB XII verpflichtet, die Sicherstellung der Medikation nach § 54 Abs 1 Nr 5 SGB XII zu gewährleisten.
Die Klägerin hat, vertreten durch ihren gesetzlichen Betreuer, am 03.08.2010 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Betreuung über den Fachdienst ABW des St.s keine pflegerischen und medizinischen
Maßnahmen beinhalte. Hierzu sei der Fachdienst weder berechtigt noch ausgebildet. Die Klägerin benötige die Leistungen zur
häuslichen Krankenpflege in Form der täglichen Medikamentenverabreichung, da sie zu Medikamentenmissbrauch neige. Die Beklagte
übersehe, dass von Seiten des Sozialhilfeträgers nur psycho-soziale Betreuungsleistung im Rahmen der Eingliederungsleistung
für das ABW gewährt würden. Die Klägerin hat Rechnungen des Pflegedienstes Mobile Dienste Haus So. über die erbrachten Leistungen
im Zeitraum vom 07.04.2010 bis 30.04.2010 vorgelegt. Die in Rechnung gestellten Leistungen sind von der Klägerin noch nicht
beglichen worden. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 51/52 der SG-Akte verwiesen.
Die Beklagte hat im Klageverfahren angeführt, dass es sich bei der Wohnform der Klägerin um eine neue, bisher nicht definierte
Wohnform handle. Die Klägerin beziehe jedoch nach wie vor Leistungen der Eingliederungshilfe und die Tatsache, dass der Wohnraum
nicht mehr durch das St., sondern über einen privatrechtlichen Mietvertrag zur Verfügung gestellt werde, ändere nichts an
der Zuordnung dieser Versorgungsform zur stationären Eingliederungshilfe. Ohne das Trainings- bzw intensiv betreute Wohnen
wäre die Klägerin nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben in einer eigenen Wohnung zu führen.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 27.06.2012 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Klägerin von der Bezahlung
von 99,80 € an den Mobilen Dienst Haus So. I. freizustellen und zur Begründung ausgeführt, als Haushalt im Sinn des §
37 SGB V sei die häusliche wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftführung anzusehen. Diese werde zum eigenen Haushalt, wenn der Betreffende
die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst trage. Es komme entscheidend darauf an, ob dem Versicherten
eine eigenverantwortliche Wirtschaftführung möglich sei, er sich also wirtschaftlich selbst versorgen könne. Ein eigener Haushalt
liege dann nicht vor, wenn der Versicherte derart in einer Einrichtung wohne, dass er nicht die Möglichkeit habe, eigenständig
Lebensmittel einzukaufen und zuzubereiten. Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrem Ehemann eine eigene
Wohnung bezahlt und von den Mietkosten iHv insgesamt 481,10 € einen Betrag von 181,10 € gezahlt. Der Rest der Miete werde
vom Ehemann der Klägerin getragen. Vermieter sei die Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg und nicht
das St. oder das ABW gewesen. An der Tatsache, dass die Klägerin einen eigenen Haushalt führe, ändere sich auch dadurch nichts,
dass die Klägerin vom Dienst der E. Heimstiftung St. I. ABW unterstützt wurde und der Stiftung hierfür vom Landratsamt R.
auch Eingliederungshilfe gewährt wurde. Die Mitarbeiter des ABW hätten die Klägerin lediglich ein- bis dreimal pro Woche für
eine halbe bis dreiviertel Stunde aufgesucht. Diese Unterstützung führe nicht dazu, dass ein eigenständiger Haushalt nicht
mehr vorlag. Oft werde lediglich eine Unterstützung bei der Essensplanung und beim Einkauf sowie im Umgang mit Geld gewährt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es nicht darauf an, ob das "Trainingswohnen" eine Teilleistung der Eingliederungshilfe
nach dem SGB XII darstelle. Solange der Versicherte einen eigenen Haushalt im Sinne der Vorschrift des §
37 SGB V führe, habe er dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen die gesetzliche Krankenversicherung. Auch
biete das ABW gerade keine pflegerischen Dienste an, sondern helfe nur dabei, sich diese Dienste selbst zu organisieren. Auch
die Tatsache, dass die Klägerin unter Betreuung stehe, schließe nicht aus, dass sie sich selbst um ihren Haushalt kümmere
und auch selbst für diesen finanziell aufkomme. Auch folge aus § 54 Abs 1 Nr 5 SGB XII nicht, dass die beantragte Leistung vom Träger der Eingliederungshilfe zu tragen sei. Ungeachtet des Inhalts der Vorschrift
sei die Eingliederungshilfe gemäß § 2 Abs 2 SGB XII gegenüber anderen Sozialleistungsträgern grundsätzlich nachrangig. Nach § 2 Abs 2 SGB XII blieben Verpflichtungen Dritter, insbesondere anderer Sozialleistungsträger unberührt. Dies gelte auch für Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung, wie die häusliche Krankheitspflege. Der Freistellungsanspruch ergebe sich aus §
13 Abs
2 SGB V, da die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Im streitgegenständlichen Zeitraum seien 14 Leistungen erbracht
worden, sodass sich ein Anspruch auf Kostenerstattung iHv 122,08 € ergebe. Hiervon seien jedoch noch die Zuzahlung nach §
61 Satz 3
SGB V iHv 10 % der Kosten sowie 10 € pro Verordnung abzuziehen. Dies ergäbe einen Betrag von 99,87 €. Da die Rechnung noch nicht
beglichen worden sei, bestehe ein Anspruch der Klägerin direkt auf Freistellung von der Zahlung von 99,80 € an den Pflegedienst
Mobile Dienste Haus So. I.. Die Berufung sei nach §
144 SGG zuzulassen, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € nicht übersteige, die Sache jedoch grundsätzliche Bedeutung habe.
Es sei grundsätzlich zu klären, ob Versicherten, die nach einer stationären Unterbringung weiterhin auf Kosten der Eingliederungshilfe
betreut würden, ein Anspruch auf Behandlungspflege nach §
37 SGB V zustehe.
Die Beklagte hat gegen das am 09.07.2012 zugestellte Urteil am 06.08.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt,
dass das SG nicht berücksichtigt habe, dass neben dem ambulanten Wohnen in einem angemieteten Wohnraum der Bewohner grundsätzlich auch
körperlich, geistig und seelisch in der Lage sein müsse, dieses Wohnen eigenständig und selbstverantwortlich durchzuführen.
Dies werde von der Beklagten weiterhin stark bezweifelt und deshalb nicht anerkannt. Zum eigenständigen Wohnen gehöre die
persönliche Fähigkeit, eigenständig und eigenverantwortlich wohnen zu können. Der Träger der Eingliederungshilfe habe die
Unterstützung im ABW mit einem Betrag von damals 589,10 € finanziert. Diese Unterstützung würde bis zur Erlangung dieser Eigenständigkeit
und damit der Fähigkeit ohne Unterstützung ambulant wohnen zu können, gewährt. Es handle sich somit um eine ausgegliederte
Wohnform einer voll stationären Einrichtung. Durch den Übergang der Eingliederungshilfe vom damaligen Landeswohlfahrtsverband
Württemberg auf die Landeskreise habe sich seit dem Jahr 2005 zunehmend eine so genannte Enthospitalisierung feststellen lassen.
Die hier streitbefangene Wohnform des ABW mit Unterstützung in der Lebensführung durch Fachpersonal werde dieser Enthospitalisierung
zugeordnet und könne nicht automatisch als ambulante Wohnform gelten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27.06.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hat zur Berufungserwiderung angeführt, dass die ambulanten Unterstützungsleistungen ein- bis dreimal in der Woche
für eine halbe bis dreiviertel Stunde stattfänden und das ABW die Klägerin nicht in Form der Haushaltsführung, sondern im
Bereich der Planung und Umgang mit Geld etc unterstütze. Auch bei der vorliegenden Unterstützung könne nicht die Unfähigkeit
des eigenständigen Wohnens unterstellt werden. Dies hätte zur Konsequenz, dass jede Person, die ambulante Unterstützungsleistungen
erhalte, beispielsweise auch Familienhilfe nach SGB VIII, unfähig wäre, eigenständig zu wohnen.
Der Senat hat die Auszüge aus den über die Klägerin beim Landratsamt R., Eingliederungs- und Versorgungsamt, vorliegenden
Verwaltungsakten zum Verfahren beigezogen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 38/56 der Berufungsakte verwiesen.
Der Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialpädagoge D. hat in einer schriftlichen Zeugenvernehmung durch den Senat am 13.03.2013
mitgeteilt, dass im April 2010 seien im Rahmen des ABW ein Diplom-Sozialpädagoge, ein Heilerziehungspfleger sowie ein Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialpädagoge
eingesetzt gewesen. Diese Fachkräfte seien pädagogische Fachkräfte und hätten nach der Ausbildung keine Berechtigung, Medikamente
zu verabreichen. Grundsätzlich müssten Klienten, welche in das ABW wechseln wollten, die Grundfähigkeit zur eigenständigen
Lebensführung haben. Habe ein Kunde den Wunsch, in das ABW zu wechseln, werde dieser Wunsch über einen längeren Zeitraum mit
allen Beteiligten thematisiert. Im Rahmen einer regelmäßigen Erstellung und Besprechung von Förderplänen würden die notwendigen
Kompetenzen und der Hilfebedarf überprüft und Förderziele formuliert. Die Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe für
ABW würden vom St. nach den gültigen Richtlinien des Landkreises R. erbracht. Während des ambulant betreuten Wohnens würden
Entwicklungsberichte erstellt. Im Fall der Klägerin sei die Lebenslage und der Hilfebedarf im Vorfeld und während der Maßnahme
zudem in der Hilfeplankonferenz vorgestellt und thematisiert worden. An der Hilfeplankonferenz seien alle psychiatrischen
Dienste und Einrichtungen der Region und das Landratsamt R. beteiligt. Aufgabe der Hilfeplankonferenz sei die Abstimmung der
Leistungserbringung für psychisch kranke Menschen. Sie nehme diese Aufgabe dadurch wahr, dass sie ausgehend von erstellten
individuellen Hilfeplanungen eine Empfehlung zu Art, Inhalt, Ziel und Umfang der Hilfeleistung gebe. Im Fall der Klägerin
sei ein Übergang in das ambulant begleitete Wohnen empfohlen worden. Bezüglich der beigefügten Richtlinien des Landkreises
R. zum ABW wird auf Bl 59/66 der Berufungsakte verwiesen.
Des Weiteren hat das St. die Entwicklungsberichte, welche über die Klägerin erstellt wurden, übersandt. Bezüglich der weiteren
Einzelheiten wird auf Bl 79/93 der Berufungsakte verwiesen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten
beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 des
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft. Zwar übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes
iSv §
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG nicht den Betrag von 750 €, das SG hat jedoch die Berufung in seinem Urteil zugelassen und das LSG ist an diese Zulassung gebunden (§
144 Abs
3 SGG). Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 12.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 aufgehoben
und die Beklagte verurteilt, die Klägerin von der Bezahlung von 99,80 € an den Mobilen Dienst Haus So. I. freizustellen.
Streitgegenstand ist ein Anspruch der Klägerin auf Freistellung von Kosten für häusliche Krankenpflege im Zeitraum vom 07.04.
bis 20.04.2010 in Höhe von 99,80 €. Zwar hat die Klägerin häusliche Krankenpflege auch nach dem 20.04.2010 erhalten und auch
diese später entstandenen Kosten sind von der Beklagten nicht übernommen worden. Doch hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid
nur über den Zeitraum vom 07.04. bis 20.04.2010 entschieden und die Klägerin hat ihr Begehren auf diesen Zeitraum beschränkt
(vgl §
123 SGG). Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG) zulässig. Der Anspruch der Klägerin ist in zulässiger Weise auf die Freistellung von Kosten für eine selbst beschaffte Leistung
gerichtet, weil sie die Leistung erhalten, aber den in Rechnung gestellten Betrag noch nicht bezahlt hat. Ein solcher Anspruch
ist mit der Leistungsklage geltend zu machen. Auch dieser Anspruch ist allerdings zu beziffern, weil die Leistung bereits
abgerechnet wurde (vgl BSG 17.06.2010, B 3 KR 7/09, R, BSGE 106, 173).
Anspruchsgrundlage ist §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I, 378). Diese auf die Erstattung vom Versicherten bereits gezahlter Kosten zugeschnittenen Bestimmungen
sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen entsprechend anzuwenden, wenn die Verpflichtung bereits entstanden ist, der
Versicherte aber noch nicht gezahlt hat (LSG Baden-Württemberg 01.03.2013, L 4 KR 3797/11). Statt einer Erstattung kann er dann die Bezahlung seiner Schuld durch den Versicherungsträger verlangen (ständige Rechtsprechung
zB BSG 10.02. 2000, B 3 KR 26/99 R, 17.06. 2010, B 3 KR 7/09 R, beide in [...]). Danach sind die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die
Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt
hat (Alt 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Die Beklagte hat die Gewährung häuslicher Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt. Die hierfür erforderliche Kausalität zwischen
Leistungsablehnung und Kostenverursachung ("dadurch") ist gegeben. Zwar bedarf die beantragte Leistung nach §
6 Abs
1 der auf der Grundlage des §
37 Abs
6 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) erlassenen Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflegerichtlinie
- HKR) der Genehmigung, doch übernimmt die Krankenkasse nach § 6 Abs 6 HKR die Kosten für die verordneten Leistungen, wenn
die Verordnung - was hier der Fall war - spätestens an dem dritten der Ausstellung der Verordnung folgenden Arbeitstag der
Krankenkasse vorgelegt wird. Damit hatte die Klägerin den vorgeschriebenen Beschaffungsweg eingehalten. Ein Kostenerstattungsanspruch
nach dieser Vorschrift reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse.
Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein
in Natur als Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs
2 Satz 1
SGB V) zu erbringen haben (zB BSG, 26.09.2006, B 1 KR 3/06 R, mwN, alle in [...]). Ob daneben auch die Voraussetzungen des §
37 Abs
4 SGB V erfüllt sind, braucht nicht entschieden zu werden. Nach dieser Bestimmung sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte
Kraft in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen kann oder
Grund besteht, davon abzusehen. Diese Regelung betrifft den - hier nicht gegebenen - Fall, in dem häusliche Krankenpflege
von nicht zugelassenen Leistungserbringern erbracht wurde.
Nach §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort,
insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte
Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich
ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Pflegebedarf
bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§
14 und
15 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI) zu berücksichtigen ist. Nach §
37 Abs
2 Satz 7
SGB V erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach §
71 Abs
2 oder 4
SGB XI aufgenommen sind, Leistungen nach §
37 Abs
1 und Abs 2 Sätze 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege
vorübergehende Aufenthalte in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Nach
§
37 Abs
3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken nicht in dem erforderlichen
Umfang pflegen und versorgen kann. Gemäß §
37 Abs
6 SGB V legt der GBA in Richtlinien nach §
92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie
des Versicherten erbracht werden können. Er bestimmt darüber hinaus das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen
krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach Abs 2 Satz 1. Nach § 1 Abs 2 HKR wird häusliche Krankenpflege im Haushalt der
oder des Versicherten oder ihrer oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen
geeigneten Orten, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme
zuverlässig durchgeführt werden kann und für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen
(zB im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch
pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Ort im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Schulen
und Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein.
Die medizinischen Voraussetzungen für einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege sind unstreitig erfüllt. Aufgrund ihrer Erkrankung
- Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch, Panikstörung - müssen der Klägerin zur Sicherung der ambulanten Behandlung täglich
Medikamente verabreicht werden. Dies folgt aus der Verordnung des behandelnden Arztes Dr. M. vom 06.04.2010 und wird im Übrigen
von der Beklagten auch nicht bestritten. Die Medikamentenabgabe ist nach Nr 26 des Leistungsverzeichnisses (Anlage zur HKR)
verordnungsfähig, wenn die Leistung notwendig ist, weil bei der Versicherten ein krankheitsbedingter Realitätsverlust vorliegt,
sodass die Compliance bei der medikamentösen Therapie nicht sichergestellt ist. Fraglich ist hier lediglich, ob sich die Klägerin
in der Zeit vom 07.04. bis zum 20.04.2010 in einem Haushalt oder sonst an einem geeigneten Ort aufgehalten hat. Dies ist nach
Auffassung des Senats zu bejahen.
Für die Feststellung eines eigenen Haushalts kommt es nicht nur auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Wohnung und Hausrat
an, sondern auch darauf, wer die Kosten der Haushaltsführung trägt. Haushalt ist die häusliche wohnungsmäßige familienhafte
Wirtschaftsführung. Dieser wird zum "eigenen Haushalt", wenn der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung
im Wesentlichen selbst trägt. Diesem Punkt kommt in Wohnheimen, Wohnstiften und Altenheimen besondere Bedeutung zu, weil davon
die Abgrenzung zur stationären Unterbringung in diesen Einrichtungen abhängt. Entscheidend ist danach, ob dem Betroffenen
noch eine eigenverantwortliche Wirtschaftsführung möglich ist, er sich also wirtschaftlich selbst versorgen kann (zum Ganzen
BSG 01.09.2005, B 3 KR 19/04 R, SozR 4-2500 § 37 Nr 5 mwN). Zur Wirtschaftsführung gehören insbesondere auch die Nahrungszubereitung, dh das Kochen und die Aufbewahrung der
dafür erforderlichen Lebensmittel (LSG Niedersachsen Bremen 28.06.2006, Az: L 4 KR 92/03, [...]). Merkmal für die Eigenständigkeit der Haushaltsführung ist der eigenverantwortliche Einkauf von Lebensmitteln, das
Mitspracherecht bei der Entscheidung über weitere Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft oder die Möglichkeit, selbst Nahrung
zuzubereiten (Padé in [...] - Kommentar, §
37 SGB V RdNr 30). Ein eigener Haushalt liegt nicht vor, wenn der Versicherte vor allem zur Pflege untergebracht werden soll, weil
er nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt selbständig zu führen und seinen Grundbedürfnissen Genüge zu tun (BSG 12.05.1998, B 5/4 RA 6/97 R, SozR 3-2600 § 249 B Nr 2).
Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 07.04.2010 zusammen mit ihrem Ehemann in einem eigenen Haushalt
gelebt. Sie und ihr Ehemann hatten die Wohnung privat angemietet. Der Klägerin war eine eigenständige Wirtschaftsführung nicht
nur möglich, sie diese auch tatsächlich praktiziert. Sie war zu einer eigenständigen Haushaltsführung in der Lage. Der Senat
schließt dies aus den vom St. übersandten Entwicklungsberichten im Vorfeld, während und im Zeitraum der Beendigung des ABW.
Nach dem Bericht vom 29.12.2009 war die Klägerin bereits in der vollstationären Einrichtung in der Lage, die Körperpflege
sowie die Pflege ihres Mannes allein zu verrichten, selbst einzukaufen, zu kochen und zu putzen. Auch die Verwaltung des Taschengeldes
erfolgte eigenständig. Der Abschlussbericht zum Übergang ins ABW vom 10.03.2010 spricht davon, dass die Klägerin nach und
nach an Selbstständigkeit gewonnen habe und diese Fähigkeiten während des eigenständigen Wohnens gefestigt werden sollen.
Dass hierbei von einem "Training" der Einzelziele zum dauerhaften Leben in einer selbstständigen Wohnform gesprochen wird,
ist nach Auffassung des Senats im sozialpädagogischen Kontext im Zusammenhang mit der Konkretisierung des noch bestehenden
Unterstützungsbedarfs zu sehen. Die Klägerin verfügte trotz ihrer psychischen Erkrankung über die wesentlichen Fähigkeiten
zur eigenständigen Haushaltsführung wie Einkaufen, Kochen, Putzen und Körperpflege. Dies zeigt bereits der Bericht vom 29.12.2009.
Im Übrigen würde es genügen, dass sie im Haushalt ihres Ehemannes lebte.
Der von der Beklagten verwendete Begriff des Trainingswohnens als Einwendung gegen einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege
findet für im Gesetz keine Stütze. Allein maßgebend ist die Fähigkeit zur eigenständigen Haushaltsführung. Liegt diese vor,
so ist ein Haushalt gemäß §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V, unabhängig von der Frage, ob das Wohnen aus anderen Gründen scheitert, gegeben. Das Gesetz knüpft nicht daran an, ob die
partnerschaftlichen oder gesundheitlichen Verhältnisse prognostisch ein Zusammenwohnen von gewisser Dauer erlauben. Solange
beispielsweise eine Suchterkrankung nicht dazu führt, dass die Eigenständigkeit der Haushaltsführung nicht mehr gegeben ist,
steht dies der Annahme eines Haushalts iSd §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V nicht entgegen. Vorliegend vermag daher die Tatsache, dass die psychische Erkrankung der Klägerin und die hierdurch hervorgerufenen
Suchtrückfälle zur Beendigung des ABW geführt haben, nichts an der Eigenständigkeit der Haushaltsführung zu ändern. Selbst
im letzten Entwicklungsbericht vom 10.03.2011, in welchem die Beendigung des ABW angekündigt wurde, wird von einer selbstständigen
Alltagsbewältigung mit selbstständigen Einkaufen, Kochen sowie Übernahme des kompletten Haushalts und der Pflege des Ehemannes
durch die Klägerin berichtet. Dass dies während eines akuten Suchtrückfalls sich höchstwahrscheinlich anders darstellt, liegt
in der Natur der Sache. Allerdings ist dies bei sämtlichen Suchterkrankungen der Fall und kann daher - wenn der Erkrankte
nicht grundsätzlich und dauerhaft, nicht mehr zur eigenständigen Haushaltsführung in der Lage ist - keinen Ausschlussgrund
darstellen.
Unabhängig davon hat sich die Klägerin im fraglichen Zeitraum an einem geeigneten Ort iSd §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V aufgehalten. Durch die Neufassung des §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V mit Wirkung zum 01.04.2007 kann häusliche Krankenpflege neben dem Haushalt oder der Familie auch an einem anderen geeigneten
Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für
behinderte Menschen in Anspruch genommen werden. Nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 16/3100 Seite 104) hat
sich die Beschränkung der Leistung zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten im Hinblick auf
das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung solle, so die weitere
Gesetzesbegründung, durch vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffes bewirken, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung
neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber
konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen
Pflegeversicherung erhalten, sollen verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen; dem werde durch die Änderung
Rechnung getragen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch die Erweiterung des
Haushaltsbegriffs eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtung verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung
der häuslichen Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte
in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege
durch die Einrichtung habe.
Der Umstand, dass die Klägerin vom Landkreis R. als Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. §
55 Abs
2 Nr
6 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (
SGB IX) Hilfen zu selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten erhalten hat, steht einem Anspruch auf häusliche Krankenpflege
nach §
37 SGB V nicht entgegen. Entscheidend ist auch in diesem Fall, auf welche Hilfeleistungen der Versicherte einen Rechtsanspruch hat
oder welche Hilfen ihm tatsächlich gewährt werden. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten wird im Gesetz nicht näher
definiert, hat sich allerdings über den Verweis in § 54 Abs 1 SGB XII an §
55 Abs
2 Nr
6 SGB IX zu orientieren Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen hat deshalb in erster Linie anhand des Zwecks
der Hilfen zu erfolgen (vgl zur Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe und (Behandlungs-)Sicherungspflege Hessisches LSG,
29.06.2011, L 6 SO 57/11 B ER, [...] sowie Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 54 Rn. 48.2). Sinn der Betreuungsleistungen beim betreuten Wohnen ist aber nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der
Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten
im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Der Art nach darf es sich bei der Betreuung aber
nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen muss die
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein (BSG 25.08.2011. B 8 SO 7/10 R, BSGE 109, 56 mwN). Die Gewährung von Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. §
55 Abs
2 Nr
6 SGB IX in Form von Hilfen zu selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten begründet somit für sich allein noch keinen (gesetzlichen)
Anspruch auf medizinische Behandlungspflege.
Nach den ABW-Richtlinien des Landkreises R. ist ABW eine selbständige Wohnform mit Begleitung durch einen Fachdienst für Menschen
mit einer wesentlichen Behinderung (Präambel, Satz 1). Die ABW-Richtlinien treffen ergänzende Regelungen zu den gesetzlichen
Vorschriften und Verordnungen sowie den Sozialhilferichtlinien des Landes Baden-Württemberg (1.2 der Richtlinien). Leistungen
iR des ABW werden nur erbracht, wenn ein Fachdienst den Menschen mit Behinderung fachlich begleitet. der Fachdienst muss über
eine gültige Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung verfügen (2.2 der Richtlinien). Die Aufgabe des begleitenden
Fachdienstes ist es, den Menschen mit Behinderung durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen, zu betreuen und zu befähigen,
insbesondere gesundheitsbezogene Leistungen in Anspruch zu nehmen und ihn ggf. bei der Medikamenteneinnahme sowie bei der
Absprache und Durchführung von Arztterminen zu unterstützen (6.1 der Richtlinien). Zwischen dem begleitenden Fachdienst und
dem Leistungsberechtigten wird ein Vertrag abgeschlossen, in dem die jeweiligen Recht und Pflichten festgelegt sind (8.3 der
Richtlinien). Ob sich aus dieser Richtline ein Anspruch auf Hilfe bei der Verabreichung von Medikamenten ableiten lässt, kann
offen bleiben. Diese Richtlinie galt erst ab dem 01.02.2011. In tatsächlicher Hinsicht beinhalteten die im Rahmen des ABW
erbrachten Hilfeleistungen keine häusliche Krankenpflegemaßnahmen. Der Senat nimmt hierzu auf die Auskunft des Diplom Sozialpädagogen
D. vom St. vom 13.03.2013 Bezug, wonach zur Betreuung nur pädagogische Fachkräfte ohne die Berechtigung zur Verabreichung
von Medikamenten eingesetzt werden. Die Betreuung umfasste des weiteren Hilfestellungen bei den Zielsetzungen des ABW (vgl
hierzu Bericht vom 10.03.2010 Blatt 85/86 der Berufungsakte), jedoch nicht die Übernahme der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs
2 (Nr
1 und
2)
SGG liegen nicht vor.