Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz
Anforderungen an den Nachweis einer gesundheitlichen Schädigung – hier verneint im Falle einer Impfung gegen Tetanus-, Diphtherie
und Pertussis mit dem Kombinationsimpfstoff "Boostrix"
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach
dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz (IfSG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) umstritten.
Die Klägerin ist 1966 geboren und hat den Beruf der F erlernt. Nachdem sie diesen Beruf wegen eines Asthma bronchiale hat
aufgeben müssen, ist sie seit 25 Jahren bei der Stadt W als R beschäftigt. Ihre 2011 verstorbene Mutter hat sie das letzte
Jahr vor deren Tod gepflegt. Unmittelbar vor der Impfung trat im März 2015 ein plötzlicher Schwindel mit Kopfschmerzen und
Sprachstörung auf, im Juni 2015 erlitt die Klägerin bei einem PKW-Unfall eine HWS-Distorsion sowie im August 2015 eine Beinvenenthrombose.
Seit März 2016 besteht Arbeitsunfähigkeit. Sie ist verheiratet, ihr Mann, zwischenzeitlich trockener Alkoholiker, ist bei
einer Werksfeuerwehr beschäftigt. Sie hat zwei volljährige Töchter, die zuletzt noch im Haushalt der Klägerin lebten. Das
Eigenheim ist noch mit Schulden belastet, die finanziellen Verhältnisse der Familie sind beengt (Anamnese W1). Bei ihr ist
ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt.
Nach dem vorgelegten Impfbuch ist die Klägerin 2008 gegen Tetanus und Diphtherie geimpft worden, dann ist erneut, hier streitgegenständlich,
nach einem Sturz mit Wunde an der rechten Hand am 14. Dezember 2015 der Kombinationsimpfstoff "Boostrix" gegen Tetanus, Diphtherie
und Pertussis verabreicht worden.
Am 6. Juli 2016 beantragte sie bei dem Landratsamt B (LRA) die Entschädigung für einen eingetretenen Impfschaden und legte
den Bericht der R-Kliniken vom 23. Mai 2016 vor. Danach bestünden als Reaktion auf eine Tetanusimpfung vor Monaten heftigste
persistierende Schmerzsensationen im linken Oberarm nach distal ausstrahlend. Vom Lokalbefund her habe sich eine oberflächliche
Verhärtung von 0,5 x 1 cm gezeigt. Die gesamte Oberarmregion sei extrem schmerzempfindlich, diffus druckschmerzhaft mit Ausstrahlung
des Schmerzes bis nach distal, auch in den Ellenbogen hinein. Die Arteria axillaris, die Arteria brachialis und die Arteria
radialis seien gut tastbar und zeigten keinerlei gestörte Durchblutung. Die Beschwerden seien eindeutig auf der Oberarmvorderseite
vom Deltoideus ausstrahlend lokalisiert. Es sei eine Spondylarthrose beschrieben mit foraminaler Einengung in der Höhe C5/C6
und C6/C7, eine fachorthopädische Behandlung finde statt. In Anbetracht der Gesamtsituation sei der Gefäßstatus am linken
Arm eher nicht Ursache der heftigsten persistierenden Beschwerden.
Im Formblattantrag gab sie - divergierend - an, dass am 14./20. Dezember 2015 eine Wiederauffrischungsimpfung Tetanus nach
einer Schürfwunde am Knie erfolgt sei. Sie habe den Hausarzt darauf hingewiesen, dass es vor 10 Jahren zu einer heftigsten
Impfreaktion gekommen sei. Bereits einen Tag nach der Impfung sei eine schmerzhafte Reaktion im Bereich der Impfstelle aufgetreten.
Die Situation habe sich laufend verschlechtert, schließlich seien auch das linke Ellenbogengelenk und der linke Unterarm erfasst
worden. Seit dem Impftag sei der linke Oberarm stark schmerzhaft geschwollen, gerötet, überwärmt und druckempfindlich gewesen.
Diese Schmerzen strahlten in das Schulter- und Ellenbogengelenk aus. Hierdurch begründet seien eine Schonhaltung und diverse
Verspannungen. Am 7. Juni 2016 sei in Höhe des proximalen Humerus eine Läsion im subkutanen Fettgewebe mit Hautanhangstumor
festgestellt worden. Bis heute sei ein schmerzhaftes Impfgranulom vorhanden.
Das LRA zog die Vorerkrankungsverzeichnisse der Krankenkassen (AOK und der D BKK) bei.
Weiter erhob das LRA den Befundschein des M Dieser führte aus, dass die Klägerin am 14. Dezember 2015 mit Boostrix geimpft
worden sei. Im Verlauf habe sich laut dieser ein schmerzhaftes Impfgranulom am linken Oberarm gebildet. Eine umfangreiche
medizinische Diagnostik und vielfältige Facharztvorstellungen hätten sich angeschlossen. Das Granulom sei mittlerweile (über
neun Monate später) rückläufig, aber noch schmerzhaft. Die Behandlung erfolge derzeit mittels Lymphdrainage, manueller Therapie
und Wärmetherapie. Die Klägerin sei augenblicklich arbeitsunfähig. Er habe eine Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut sowie
an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft erstattet. Eine separate Unterrichtung an das Gesundheitsamt sei nicht
erfolgt. Er legte weitere Befundberichte vor:
Die R-Kliniken beschrieben eine ambulante Untersuchung am 16. April 2015 bei plötzlich aufgetretenem Schwindel mit Kopfschmerz,
Übelkeit, Doppelbildern und Erbrechen. Die zerebrale Kernspintomographie (MRT), die Angiographie der hals- und hirnversorgenden
Gefäße sowie der Sinusdarstellung hätten einen Normalbefund gezeigt. Es seien das Führen eines Kopfschmerzkalenders und das
Erlernen von Entspannungsübungen empfohlen worden.
Der E gab nach ambulanter Behandlung am 30. Juli 2015 nach stattgehabtem Verkehrsunfall am 22. Juli 2015 einen muskulären
Hartspann der Halswirbelsäule (HWS) sowie einen Bewegungsschmerz im Bereich der oberen, mittleren und unteren HWS links an.
Die peripheren Muskeleigenreflexe seien seitengleich auslösbar, die Beweglichkeit der HWS in allen Hemisphären mittelgradig
eingeschränkt gewesen. Es seien chirotherapeutische Manipulationen durchgeführt worden.
Am 29. August 2015 wurde die Klägerin wegen einer tiefen Beinvenenthrombose rechts in den R-Kliniken behandelt.
In einem weiteren Befundbericht vom 2. Februar 2016 gab der E an, dass bei Zustand nach zweimaligem Sturz auf das rechte Kniegelenk
seit einigen Tagen akute Schmerzen am linken Ellenbogen radial bestünden. Daneben persistierten Beschwerden an der HWS nach
Verkehrsunfall.
Die R-Kliniken beschrieben im vorläufigen Arztbrief vom 24. März 2016, dass sich die Klägerin aufgrund von seit circa 10 Wochen
zunehmenden Missempfindungen zunächst des linken, später auch des rechten Unterarms in der Notaufnahme vorgestellt habe. Eine
ambulante Vorstellung beim Neurologen und ein MRT der HWS jeweils in zwei Wochen seien geplant. Die Klägerin selbst habe einen
Zusammenhang mit einer Anfang Januar erfolgten Tetanusimpfung am linken Oberarm hergestellt, die immer noch eine leichte Lokalreaktion
in Induration zeige. Klinisch und anamnestisch bestehe am ehesten ein sulcus ulnaris Syndroms beidseits, differentialdiagnostisch
sei auch eine Epicondylistis radialis beidseits denkbar. Eine Indikation zur stationären Aufnahme habe nicht bestanden.
Die MRT der HWS vom 11. April 2016 (Radiologie W3) zeigte den HWK 5/6 mit Protusion und rechtsbetonten Retrospondylophyten
bei foraminaler Einengung von C6 rechts sowie erosiver Osteochondrose, weiter HWK 6/7 mit linksbetonter Protusion und foraminaler
Tangierung von C7 links. Hierzu führte der N, R-Kliniken, aus, dass bei der klinischen Untersuchung deutliche Druck- und Bewegungsschmerzen
im Bereich der unteren HWS imponiert hätten. Am linken Oberarm bestehe im Deltoideusbereich eine circa 5 cm große subcutane
Verhärtung nach Tetanusimpfung im Januar. Auf der linken Seite lägen Druckschmerzen am Ansatz der Finger- und Unterarmstrecker
am Epicondylus radialis vor. Dort zeigten sich sämtliche Zeichen einer Epicondylitis radialis humeri. Die MRT zeige eine Steilstellung
sowie ein Knochenmarksödem der Grund- und Deckplatte HWK 5/6 mit Protusion in das Neuroforamen C6 rechts sowie eine Protusion
C7 links.
Der B1 gab nach ambulanter Untersuchung am 29. April 2016 an, dass ein leichtes sulcus-ulnaris-Syndrom links und Beschwerden
im Sinne einer Epicondylitis am linken Ellenbogen bestünden. Eine signifikante Parese an den Armen habe sich nicht gezeigt.
Das leichte sulcus-ulnaris-Syndrom erkläre die berichtete Gefühlsstörung. Die Schmerzsymptomatik gehe über ein sulcus-ulnaris-Syndrom
hinaus, hier vor allem Beschwerden im Sinne einer Epicondylitis.
Am 3. Mai 2016 führten die R-Kliniken einen Borreliose-Abklärung durch. Die Klägerin habe über rezidivierende Nackenschmerzen
und ausstrahlende Schmerzen in beide Unterarme berichtet, insbesondere mit Wirkung in den Daumen, linksseitig eher in den
Mittelfinger ausstrahlend. Eine erneute Borrelien-Diagnostik sei empfohlen worden.
Der Y befundete am 27. Mai 2016 eine Schonhaltung der HWS mit Kopf- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in beide Schultergürtel.
Die Beweglichkeit der HWS sei schmerzhaft eingeschränkt, am Epicondylus humeri radialis habe ein Druckschmerz mit Krepitation
bestanden. Bei Dorsalextension des Handgelenks gegen Widerstand sei es zu einer Schmerzverstärkung gekommen.
Im Bericht des Universitätsklinikums H aufgrund ambulanter Untersuchung vom 2. Juni 2016 wurde ausgeführt, dass die Klägerin
angegeben habe, dass rasch nach der Impfung im Januar und insbesondere einen Tag später eine ausgeprägte Schwellung, Rötung
und Überwärmung des Oberarmes links bestanden habe. In den letzten Wochen und Monaten sei eine Verhärtung und immer noch leichte
Schwellung und Überwärmung des Oberarms zu beobachten, aktuell stehe der Schmerz im Vordergrund, der in das Schulter- und
Ellenbogengelenk ausstrahle. Die Klägerin sei in der Bewegung eingeschränkt und nehme eine Schonhaltung ein. Es handele sich
um eine ausgeprägte Impfreaktion, welche komplikationslos verlaufe. Die Impfung sei aufgrund der Hautabschürfung indiziert
gewesen. Die aktuell noch persistierenden Schmerzen könnten durch die Immobilisierung des Armes aufgrund der Impfreaktion
bedingt sein. Eine symptomatische Therapie solle erfolgen. Zudem bestehe durch das chronische Schmerzsyndrom auch eine psychische
Belastung, sodass die Therapieindikation zu klären sei. Symptome im Sinne einer Impfkomplikation seien laut neurologischem
Untersuchungsbefund nicht objektivierbar. Vor der nächsten Tetanus-Impfung müsse in jedem Fall eine Antikörperbestimmung erfolgen,
um die Notwendigkeit einer Auffrischung zu prüfen. Bei erneut erforderlicher Tetanus-Impfung solle ein anderer Impfstoff verwendet
werden.
Die MRT des linken Oberarms vom 7. Juni 2016 (H1) zeigte eine circa 9 mm messende Läsion im subcutanen Fettgewebe des proximalen
Humerus lateral, differentialdiagnostisch z. B. Granulom, angiomatöse Läsion, Hautanhangstumor. Eine histologische Abklärung
sei sinnvoll.
Die MRT des linken Ellengelenks vom 10. Juni 2016 (R) ergab geringe Zeichen beiderseitiger Epicondylitiden, lateral am Olecranon
und Epikondylus bestehe ein vermehrtes Flüssigkeitssignal im Sinne von Reiz-/Überlastungszeichen. Bandapparat und Gelenkflächen
seien intakt.
Am 14. Juli 2016 stellte sich die Klägerin bei Z, Universitätsklinikum H, vor. Dieser führte aus, dass die dargebotenen Beschwerden
mit den klinischen und radiologischen Befunden nicht komplett in Einklang zu bringen seien. Die Beschwerden am Ellenbogen
seien eher muskulär bedingt. Es würden weiterhin konservative Therapiemaßnahmen, weiter eine Vorstellung in der Schmerzambulanz
empfohlen.
S, Schmerztherapie Universitätsklinikum H, legte nach ambulanter Untersuchung am 11. August 2016 dar, dass die Klägerin angegeben
habe, dass alle Nervenbahnen im Bereich des linken Armes druckempfindlich seien. Hin und wieder sei auch der rechte Arm betroffen.
Über sechs Monate nach der Impfung sei keine MRT-Diagnostik durchgeführt worden. Ob die dann festgestellte Veränderung lokal
ausgeschnitten werden solle, sei noch nicht geklärt. Die Klägerin habe ihr Arbeitspensum von 2012 bis 2014 von 2,5 Stunden
täglich auf 6 Stunden täglich gesteigert, um die finanziellen Belastungen durch den Eigenheimbau zu lindern. Es sei ihr aber
zu viel geworden, sodass sie die Arbeitszeit wieder reduziert habe. Es bestünden übermäßige Arbeitsanforderungen, von denen
sie künftig entlastet werden wolle. Die Klägerin habe über viele Enttäuschungen und über Ärger berichtet, weil sich bislang
noch keine Änderung eingestellt habe. Aktuell verbringe sie den Tag mit Gymnastik, spazieren gehen, im Haushalt werde sie
durch Familienmitglieder entlastet. Im häuslichen Umfeld habe es in den letzten sieben Jahren erhebliche Konflikte mit den
Geschwistern gegeben. Die beiden Brüder hätten an das Haus der Klägerin angebaut, was letztlich zu unlösbaren Konflikten geführt
habe. Auf jeden Fall sei das Verhältnis zu den beiden Brüdern gestört. Im körperlichen Untersuchungsbefund hätten sich Hinweise
auf eine diffuse Verspannung des linken Armes ergeben. Dabei seien die Arm- (Abspreizung, Rotation) sowie Ellenbogen- und
Handfunktionen frei. Der Lokalbefund zeige eine kleine subkutane Bindegewebsvermehrung im Bereich der ehemaligen Einstichstelle
unterhalb des Schulterdaches links. Ansonsten seien keine Umlaufstörungen, keine Schwellungen oder sonstige Reizzeichen zu
erkennen. Die neurologische Untersuchung habe keine Auffälligkeiten ergeben. Es handele sich um Spannungsschmerzen im Bereich
des linken Armes, die einerseits Folge der langen Schonung, andererseits aber auch nicht bewältigter Enttäuschungsgefühle
seien. Er habe zu einer Rehabilitationsmaßnahme geraten, die durch den Hausarzt beantragt werden solle.
Das LRA holte das versorgungsärztliche Gutachten nach ambulanter Untersuchung am 24. Januar 2017 der S1 ein. Dieser gegenüber
gab die Klägerin an, seit der Impfung vor über einem Jahr starke Schmerzen am linken Arm zu haben. Am Anfang sei der Arm sehr
dick und verhärtet gewesen, sie habe den Arm nicht mehr bewegen können und keine Kraft gehabt. Wegen der Schonhaltung im Arm
hätten sich Kontrakturen entwickelt. Unter Therapie sei zwar die Verhärtung im Oberarm kleiner geworden, es bestünden aber
weiterhin starke Schmerzen am linken Oberarm, die von der Impfstelle aus in den linken Ellenbogen und Unterarm ausstrahlten.
Außerdem leide sie an Taubheitsgefühlen an der ulnaren Handkante links, der Handinnenfläche links sowie an den Fingern D3,
D4 und D5. Die psychosomatische stationäre Maßnahme Ende 2016/Anfang 2017 habe sie wegen eines schweren Unfalls des Ehemanns
abbrechen müssen. Außerdem habe es in der Klinik störende Baumaßnahmen gegeben. Derzeit bekomme sie ein- bis zweimal die Woche
Lymphdrainage. Sie sei in Behandlung beim Schmerztherapeuten, eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme sei beantragt.
Die Gutachterin führte aus, dass lange Zeit nach der durchgeführten Impfung naturgemäß eine Rekonstruktion der Fakten schwierig
sei. Persönliche Erinnerungen und Zuordnungen würden mit der Zeit unscharf, Pseudoerinnerungen könnten entstehen. Somit könnten
auch die widersprüchlichen anamnestischen Angaben bezüglich des Impfdatums und des Krankheitsverlaufs erklärt werden. Bei
der Beurteilung, ob ein Impfschaden vorliege, müsse auf den schriftlich dokumentierten Sachverhalt, insbesondere auf die ärztliche
Dokumentation zurückgegriffen werden. Seit Januar/Februar 2016 seien reichlich wechselnde Schmerzen und Missempfindungen beider
Schultern und Arme dokumentiert. Anfänglich sei die Tetanus-Impfung Anfang Januar berichtet worden und dass ab diesem Zeitpunkt
Beschwerden im Bereich des linken Armes und Ellenbogen bestanden hätten. Diese Angaben könnten nach sorgfältiger Evaluierung
der Aktenlage nicht bestätigt werden. Nach Rücksprache mit dem Impfarzt und unter Berücksichtigung des Impfdokuments sei vielmehr
festzustellen, dass die Impfung am 14. Dezember 2015 stattgefunden habe. Die Klägerin sei an diesem Tag gestürzt, habe sich
dabei eine Wunde an der rechten Hand und eine Prellung am Knie zugezogen, weshalb eine Krankschreibung und die Auffrischung
der Impfung erfolgt sei. Am 18. Dezember 2015 habe sie sich bei M zur Verlaufskontrolle der Wunde vorgestellt, anlässlich
dessen sei nicht dokumentiert worden, dass sie über besondere Beschwerden an der Impfstelle bzw. Allgemeinsymptome wie Temperaturerhöhung
und Gliederschmerzen berichtet habe. Eine überschießende bzw. eine über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende Reaktion
sei somit ärztlicherseits zeitnah nicht dokumentiert, eine Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut wäre erst am 8. Juni 2016
erfolgt. Eine lokale Reaktion, zunächst als Ausdruck der normalen Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff, könne
jedoch angenommen werden, da im weiteren Verlauf zahlreiche Beschreibungen von Lokalbefunden im Bereich der Impfstelle in
den verschiedenen aktenkundigen Arztberichten vorlägen.
Bei der Untersuchung habe sich am linken Oberarm im Bereich des Musculus Deltoideus eine druckdolente 7 x 6 cm große, leicht
verhärtete Fläche tasten lassen. Die Haut sei in diesem Bereich nicht erwärmt, innerhalb dieser Fläche sei eine etwa 1,5 cm
große Verhärtung tastbar. Die Haut oberhalb dieser Verhärtung sei rot-bläulich verfärbt. Diese Befunde am Oberarm seien objektiviert
und im Gesamt-Verlauf schlüssig, sodass diese Gesundheitsstörung als Impfschaden anerkannt werden können. Es gäbe aber keine
Anhaltspunkte, dass die beklagten Schmerzen und Missempfindungen mit der genannten Gesundheitsstörung in kausalem Zusammenhang
stünden.
Seit Januar/Februar 2016 seien zahlreiche Arztkonsultationen wegen Schmerzen und Missempfindungen beider Schultern und Arme
dokumentiert, die nicht mit einer Tetanus-Impfung korreliert werden könnten. Sie seien konstitutioneller, degenerativer und
seelischer Natur. Nachvollziehbar sei lediglich der zeitliche Zusammenhang zwischen der Impfung und der nachgewiesenen Verhärtung
an der Impfstelle. Eine Evidenz für die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der durchgeführten Impfung
und den geltend gemachten chronischen Schmerzen am linken Ellenbogen, Unterarm sowie der beklagten Missempfindungen/Schmerzen
und Kraftlosigkeit im Bereich der linken Hand liege nicht vor. Der Grad der Schädigung (GdS) sei auf 10 einzuschätzen.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 28. Juni 2017 erkannte das LRA als Folge einer Impfschädigung eine etwa 7 x 6 cm große, leicht
verhärtete druckdolente Fläche im Bereich des Musculus Deltoideus links und innerhalb dieser eine etwa 1,5 cm Verhärtung,
rot-bläulich verfärbt an. Die Gewährung einer Beschädigtengrundrente wurde abgelehnt, da der GdS nur 10 betrage. Heilbehandlung
werde aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen gewährt.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und legte den Bericht der S2 vom 19. Juni 2017 vor. Danach bestehe weiter
ein tastbares Impfgranulom am linken Oberarm. Die MRT des linken Armes vor zwei Wochen habe das Impfgranulom immer noch gezeigt.
In der Folge komme es zu attackenartigem Stechen und Brennen im linken Arm bis zum Unterarm. Die Klägerin könne sich nicht
länger auf den linken Arm stützen oder den Arm hängen lassen. Sie werde demnächst ausgesteuert, die frühere Tätigkeit als
Reinigungskraft könne sie so nicht mehr ausüben. Die Berufsunfähigkeits-Rentenversicherung sei bislang nicht eingesprungen.
H2 hielt versorgungsärztlich an der bisherigen Einschätzung fest. Für die Einstufung nach dem IfSG sei nicht entscheidend, ob neben den anerkannten Schädigungsfolgen noch weitere Gesundheitsstörungen bestünden. Die Frage
sei vielmehr, welche Gesundheitsstörungen mit der vom Gesetzgeber geforderten Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die angeschuldigte
Impfung zurückzuführen sei. Dies sei im Vorgutachten umfangreich und schlüssig dargelegt worden.
Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S3 - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2017 zurück.
S1 habe unter Berücksichtigung der medizinischen Vorbefunde nachvollziehbar herausgearbeitet, dass als Folge des erlittenen
Impfschadens lediglich eine Verhärtung im Bereich des Musculus Deltoides links zur Anerkennung als Schädigungsfolge gelangen
könne. Die zusätzlich geltend gemachte schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Arm stehe weder in einem ursächlichen
Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen, noch könne sie dem schädigenden Ereignis angelastet werden. Als Ursachen
für die Erkrankung seien eine Radikulopathie der HWS mit Tangierung der Wurzel C7 links, ein sulcus-ulnaris-Syndrom sowie
eine Epicondylitis humeri links zu diskutieren, welche jedoch allesamt schädigungsunabhängiger Natur seien.
Am 18. Dezember 2017 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und unter Vorlage von weiteren Befundberichten erneut eine nahezu vollständige Gebrauchsunfähigkeit des linken Arms
geltend gemacht.
Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG die sachverständige Zeugenauskunft der K eingeholt. Diese hat eine psychiatrische Behandlung seit April 2018 beschrieben.
Am 17. Januar 2018 habe die Klägerin angegeben, viele Probleme zu haben und sich bei allem überfordert zu fühlen. Die Symptomatik
bestehe seit 2015. Nach einer Impfung gegen Tetanus habe sie starke Probleme mit dem Oberarm bekommen, Schmerzen durch eine
Nervenverletzung, sie könne den linken Arm nicht richtig benutzen. Sie sei eineinhalb Jahr krankgeschrieben gewesen, sechs
Monate nach der Impfung habe sich die psychische Symptomatik zugespitzt. Die Stimmung sei gedrückt mit reduzierter affektiver
Schwingungsfähigkeit. Am 17. Januar 2018 habe sie die Diagnose eines depressiven Erschöpfungssyndroms und am 5. April 2018
zusätzlich die Diagnose des Verdachts auf eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren gestellt.
Die medikamentöse Therapie mit einem Antidepressivum sei in die Wege geleitet worden. Seit Behandlungsbeginn habe sich der
Gesundheitszustand bezüglich der depressiven Erschöpfungssymptomatik gebessert, der Affekt sei stabiler und die Klägerin fühle
sich mit der Medikation entlastet. Bezüglich des chronischen Schmerzsyndroms sei es bisher zu keiner Besserung der Symptomatik
gekommen.
Weiter hat das SG die Akte des parallel geführten Verfahrens S 25 SB 6869/17 betreffend die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beigezogen und weitere sachverständige Zeugenauskünfte zur Akte
genommen:
Der A hat einen Bandscheibenvorfall C5/C6 mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen und anhaltender Bewegungseinschränkung
beschrieben. Eine Erkrankung der Schulter sei nicht erfasst und behandelt worden.
Die S2 hat bekundet, dass sich nach der Impfung am linken Oberarm lokal ein chronifiziertes Schmerzsyndrom entwickelt habe,
das teilweise therapierefraktär sei, die körperliche Belastbarkeit gegenüber dem Vorzustand signifikant verschlechtert habe,
psychisch eine dauerhafte Kränkung darstelle sowie eine depressive Verarbeitungsstörung nach sich gezogen habe. Ergänzend
hat sie neben ihren Befundberichten den Bericht über die MRT des linken Ellenbogengelenks vom 10. Juni 2016 (Radiologie Waiblingen)
vorgelegt, wonach geringe Zeichen beiderseitiger Epikondylitiden bestanden. Lateral am Olecranon und Epikondylus habe ein
vermehrtes Flüssigkeitssignal im Sinne von Reiz- und Überlastungszeichen imponiert, der Bandapparat und die Gelenkflächen
seien intakt.
Weiter hat der Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik H3 über die stationäre Rehabilitation vom 29. Dezember 2016 bis
14. Januar 2017 vorgelegen, der als Entlassungsdiagnosen eine chronisch-rezidivierende, linksbetonte nicht radikuläre Cervicobrachialgie
bei Fehlhaltung mit ausgeprägten muskulären Dysbalancen und lokalen Insertionstendopathien im Schultergürtel sowie einen Hinweis
auf eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Anteilen nach pathologischer Impfreaktion mit begleitenden
Defiziten von rumpf- und schultergürtelstabilisierender Muskulatur sowie ein medikamentös kompensiertes Asthma bronchiale
beschrieben hat. In der Untersuchung habe sich im Bereich des linken Oberarms eine knotige Induration, leicht druckdolent
und ohne Entzündungszeichen ergeben, die Hand- und Fingergelenke seien frei beweglich, der Faustschluss und die Fingerstreckung
komplett vorführbar. Psychisch hätten sich in der Aufnahmesituation deutliche Hinweise auf eine Schmerzchronifizierung erheben.
Die Klägerin sei durch die Schmerzsituation auch erschöpft und müde, möglicherweise leicht subdepressiv verstimmt. Bei anhaltender
Beschwerdesymptomatik habe sich bei den ärztlichen Verlaufskontrollen eine deutliche Haltungsdysbalance und eine lokale Überlastungsreaktion
im gesamten Schultergürtelbereich sowie auch im Bereich der myofascialen Kette des mitbetroffenen linken Armes gezeigt.
Danach hat das SG das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des W aufgrund ambulanter Untersuchung vom 14. November 2018 erhoben.
Diesem gegenüber hat die Klägerin angegeben, mit 14 Jahren eine Hirnhautentzündung erlitten zu haben und 12 Wochen lang im
Krankenhaus gewesen zu sein. Sie habe nicht mehr schreiben und nicht mehr sprechen können, man habe dabei wohl einen Nerv
verletzt, jedenfalls sei die rechte Hand seitdem ungeschickter. Seit damals leide sie an Migräneanfällen, die teilweise auch
mit Taubheitsgefühlen im Gesicht einhergingen. Nach einem Autounfall 2015 bestünden Probleme mit der HWS.
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich bei der klinischen Untersuchung im Bereich des linken Musculus deltoideus eine
kleine bräunliche Verhärtung zeige, unter der man im Umfeld eine leichte teigige, auf der Unterlage gut verschiebbare Schwellung
taste. Belangvolle Atrophien am linken Arm seien nicht zu erkennen und bei eingehender Prüfung hätten sich auch keine Sensibilitätsstörungen
nachweisen lassen. Die bei der Handkraftprüfung demonstrierte Parese der Hand erscheine angesichts der gut ausgeprägten Hand-
und Unterarmmuskulatur sowie der Beobachtung während der Exploration nicht plausibel. Elektrophysiologisch ergäben sich mit
Ausnahme eines rechtsbetonten Karpaltunnelsyndroms, welches die andere Körperseite betreffe, keine Hinweise auf eine Schädigung
großer Nerven. In psychischer Hinsicht zeige sich das Bild einer agitierten ängstlich-depressiven Symptomatik mit einer z.
T. durchaus überwertig erlebten Schmerzsymptomatik im Sinne einer Konversionsstörung. Eine suffiziente psychiatrische Therapie
sei nicht zu eruieren, die Versorgung erfolge offensichtlich lediglich schmerztherapeutisch. Die Neigung zur Somatisierung
drücke sich auch in ausgeprägter Form in den Selbstbeurteilungsskalen aus. In gewissem Umfang hätten sich dabei auch Hinweise
auf Aggravation ergeben, die jedoch eher als bewusstseinsfern im Rahmen der Konversionsstörung zu interpretieren seien.
Aufgrund des tastbaren Befundes habe er wenig Zweifel daran, dass die Impfung als letztlich typische Nebenwirkung das verursacht
habe, was in der Fachinformation als sterile Abszessbildung an der Injektionsstelle beschrieben werde, wovon als Restsymptomatik
eine Veränderung des subkutanen Bindegewebes im Sinne einer etwa 5 cm im Durchmesser umfassenden flächigen Schwellung verblieben
sei. Nun werde von der Klägerin jedoch vor allem eine Schmerzsymptomatik an der Radialseite des Unterarms geltend gemacht.
Diese entspreche lokalisatorisch recht exakt Hautästen des Nervus radialis, die im unteren Bereich der Schulterkappe von der
Rückseite des Oberarms an die Außenseite des Oberarms gelangten. Nachvollziehbar erscheine hierdurch eine Reizung dieser Hautnervenäste.
Eine Schädigung im engeren Sinne lasse sich nicht nachweisen, da die Sensibilität in diesem Bereich ungestört sei und auch
weitere Äste des Nervus radialis sowie auch die weiteren Armnerven nicht beeinträchtigt schienen. Hieraus resultiere eine
Symptomatik, die durchaus vergleichbar dem sei, was man als "Tennisellenbogen" kenne. In keiner Weise nachvollziehbar sei
demgegenüber die demonstrierte Handkraftschwäche, da diese Muskeln betreffe, die einerseits einen völlig anderen Verlauf am
Oberarm besäßen, andererseits auch in keiner Weise atroph seien, was bei einer derartigen Schädigung aber zwingend zu erwarten
sei.
Betrachte man den Lebensweg der Klägerin, stelle der körperlich begründbare Impfschaden mit "Tennisellenbogen" lediglich einen
Baustein für die Entwicklung der ängstlich-depressiven Symptomatik mit Ausbildung von Konversionssymptomen dar, wie sie im
Übrigen auch bereits vor der Impfung bestanden habe. Angesichts der zahlreichen psychosozialen Belastungen bei geringer Resilienz
stelle der Impfschaden lediglich den letzten Tropfen dar, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Insoweit erscheine zwar
verständlich, dass die Klägerin sich gedanklich auf den Impfschaden fokussiere, nachdem die familiären und sozialen Probleme
sichtlich ein nicht lösbares Konvolut beinhalteten. Angesichts der Forderung, wonach der schädigende Vorgang im Bereich des
sozialen Entschädigungsrechts zumindest annähernd gleichwertig zur Ausbildung einer erkennbaren Gesundheitsstörung beigetragen
haben müsse, lasse sich aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begründen, dass die bestehende psychische Gesundheitsstörung
für dieses Bild verantwortlich sei. Nach der Nomenklatur der DSM-V bestehe eine somatische Belastungsstörung mit subjektiv
erlebten Schmerzen, Krankheitsängsten und weiteren Konversionssymptomen, in der ICD-10 Klassifikation mit gewissen Überschneidungen
einer Somatisierungsstörung entsprechend. Die Impfung stelle im Vergleich zu den langjährig bestehenden psychosozialen Belastungen
lediglich einen untergeordneten Aspekt dar, während den Lebensbelastungen mit chronischer Überforderung die überragende Bedeutung
zukomme. Maßgeblich für die Bewertung des GdS könne nur die zeitnahe Dokumentation sein, denn die sich im weiteren Verlauf
zunehmend entwickelnde Symptomatik mit auch verstärkter Zuwendung zu Schmerzen sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
dem Impfschaden zuzurechnen. Nehme man die Situation ein halbes Jahr nach der Impfung, habe seinerzeit keine dauerhafte Schmerzmedikation
bestanden, sondern es sei lediglich bei Bedarf Ibuprofen eingenommen worden. Ein orthopädischer Befund aus dieser Zeit verweise
neben dem "Tennisellenbogen" links auf Kopf- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlung zu beiden Schultergürteln hin. Ein GdS von
20 sei aufgrund des Betroffenseins von Hautnerven am Arm gerechtfertigt. Übereinstimmung mit dem Vorgutachten bestehe insofern,
als die psychische Symptomatik, die sich erst ab Sommer 2016 in zunehmenden Maß entwickelt habe, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
dem lokalen Impfschaden zuzurechnen sei.
Der Beklagte hat vergleichsweise angeboten, als (weitere) Folge einer Impfschädigung eine etwa 7 x 6 cm große leicht verhärtete
druckdolente Fläche im Bereich des Musculus deltoideus links und innerhalb dieser, eine etwa 1,5 cm Verhärtung, rotbläulich
verfärbt, Reizsymptomatik von Hautästen des Nervus radialis links anzuerkennen und die versorgungsärztliche Stellungnahme
des G vorgelegt. Danach könne eine Reizsymptomatik von Hautästen der Nervus radialis links als Schädigungsfolge anerkannt
werden. Die vom Sachverständigen angenommene Einschätzung des GdS auf 20 sei vertretbar, für eine höhere Bewertung fehle es
an objektiven Befunden.
Das Vergleichsangebot hat die Klägerin abgelehnt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Facharzt für Pharmakologie
und Toxikologie I nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beantragt.
Dieser hat nach ambulanter Untersuchung am 12. September 2019 ausgeführt, dass am 14. Dezember 2015 eine Impfung mit Boostrix
in den linken Deltamuskel erfolgt sei. Am 18. Dezember 2015 sei es zu einer erneuten Vorstellung beim Hausarzt ohne explizite
Dokumentation von Beschwerden an der Impfstelle gekommen. Im Anschluss sei es dokumentiert ab Januar 2016 zu einer Impfreaktion
mit Schwellung, Rötung und Überwärmung des linken Oberarms gekommen, die über Monate angehalten und zu einer durch Schmerzen
bedingten Schonhaltung geführt habe. Mittels MRT habe im Juni 2016 eine Läsion in der Ausdehnung von 9 mm im subcutanen Fettgewebe
mit der Beurteilung als Impfgranulom an der Injektionsstelle identifiziert werden können.
Boostrix sei zur Auffrischung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis bei Personen ab dem vollendeten vierten Lebensjahr indiziert,
die Anwendung sollte gemäß den offiziellen Empfehlungen erfolgen, die hier vorgelegen hätten. Die anamnestisch angegebenen
Lymphknotenschwellungen nach der vorherigen Impfung seien nicht dokumentiert, sodass diese Gegenanzeigen nicht vorgelegen
hätten. Sonstige Kontraindikationen seien ebenfalls nicht ersichtlich. Die am häufigsten nach der Impfung mit Boostrix beobachteten
Ereignisse seien Lokalreaktionen an der Injektionsstelle (Schmerzen, Rötung und Schwellung), die meist innerhalb von 48 Stunden
nach der Injektion aufträten. Sehr selten sei über Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems einschließlich
aufsteigender Lähmungen bis hin zur Atemlähmung berichtet worden, derartige Symptome seien nicht dokumentiert. Eine manifeste
Parese bestehe nicht, in den im Impfstoff enthaltenen Adjuvanzien könne ein Potential für die lokale Granulombildung gesehen
werden und auch eine periphere neurogene Schädigung, die möglicherweise Teil des Symptomkomplexes aus Schmerzen und Taubheitsgefühl
sei. Das Impfgranulom sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Impfung zurückzuführen. Die chronifizierte lokale Schmerzstörung
im linken Arm mit neuropathischen Schmerzen lasse sich ebenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Impfung am 14.
Dezember 2015 zurückführen, jedoch sei hier die chronisch depressive Störung mit psychovegetativer Erschöpfungssymptomatik
bei Lebensbelastung zu beachten, die den Grad der Ausprägung mitbedinge. Zudem werde die Schmerzsymptomatik von Seiten der
Fachgebiete Neurologie und Psychiatrie als Störung bezeichnet, sodass insoweit eine psychische Komponente zu berücksichtigen
sei. Der GdS sei auf 20 einzuschätzen und damit höher zu bewerten als durch die Versorgungsärztin. Abweichungen zum Sachverständigengutachten
des W bestünden nicht. Soweit P in einem anderen Verfahren über den Grad der Behinderung (GdB) für die Schmerzstörung einen
GdB von 30 angenommen habe, könne dem aufgrund der durchgeführten Arzneimitteltherapie nicht gefolgt werden. Diese entspreche
dem WHO-Schema Grad 1, woraus ein Rückschluss auf die Intensität der Schmerzen zu ziehen sei.
Weiter hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des G im parallelen SB-Verfahren zu dem dort erhobenen Sachverständigengutachten
des B1 vorgelegt. Danach habe B1 nach ausführlicher Anamnese und Befunderhebung lediglich eine leichte psychische Störung
im Sinne einer Somatisierungsstörung mit konversionsneurotischer Färbung bestätigen können, der Ausprägungsgrad einer stärker
behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit werde nicht erreicht. Auf die ausgeprägten
Hinweise für negative Antwortverzerrungen im Beschwerdevalidierungstest werde hingewiesen. Bei den von B gesehen erheblichen
Überschneidungen zwischen den Auswirkungen der seelischen Störung und Beschwerden in Verbindung mit den Schädigungsfolgen
nach dem IfSG sei das Vergleichsangebot auf einen Gesamt-GdB von 30 bereits als äußerst großzügig und maximal vertretbar anzusehen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 30. Dezember 2020 den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 28. Juni 2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017 verpflichtet, als weitere Folge des bereits festgestellten Impfschadens eine
Reizsymptomatik von Hautästen des Nervus radialis links anzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Eine Impfung
im Sinne des § 60 IfSG am 14. Dezember 2015 (Impfung mit Boostrix) sei nachgewiesen. Für die Impfkomplikation existierten keine objektiven Beweismittel,
da zeitnah keine entsprechenden Befunde dokumentiert seien. Allerdings sei aufgrund des Berichts der R-Kliniken vom 12. April
2016 am linken Oberarm im Deltoideusbereich eine 5 cm große subkutane Verhärtung nach Tetanusimpfung im Januar dokumentiert
und die Klägerin habe angegeben, dass sie vom Impftag an einer schmerzhaften Schwellung mit Rötung, Überwärmung und Druckempfindlichkeit
ausgesetzt gewesen sei. Entsprechend habe der Beklagte bereits einen Impfschaden anerkannt. Aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren
Sachverständigengutachtens des W könne als weiterer (sekundärer) Impfschaden eine Reizsymptomatik von Hautästen des Nervus
radialis links anerkannt werden. Eine darüber hinausgehende, nahezu aufgehobene Funktionsfähigkeit des linken Armes, die ebenfalls
von W festgestellte Angst und Depression gemischt sowie somatischen Belastungsstörungen mit subjektiv erlebten Schmerzen/Krankheitsängsten
und weiteren Konversionssymptomen/die Somatisierungsstörung seien nicht auf die Impfung/pathologische Impfreaktion zurückzuführen.
Hinsichtlich des körperlichen Befundes habe der Sachverständige eine subkutane Veränderung des Bindegewebes im Sinne einer
5 cm im Durchmesser umfassenden flächigen Schwellung festgestellt. Er habe schlüssig ausgeführt, dass die von der Klägerin
angegebene Schmerzsymptomatik an der radialen Seite des Unterarms den Hautästen des Nervus radialis entspreche und eine Reizung
dieser Hautnervenäste als Folge des aufgrund der Impfung ödematös veränderten Bindegewebes nachvollziehbar sei. Es liege jedoch
keine Schädigung der Nerven im engeren Sinne vor, da die Sensibilität in diesem Bereich bei der Untersuchung gestört gewesen
sei und die weiteren Äste des Nervus radialis und die weiteren Armnerven nicht beeinträchtigt seien. Die von der Klägerin
berichtete nahezu aufgehobene Funktionsfähigkeit des Armes sei nicht glaubhaft. Die bei der Handkraftprüfung bei der Untersuchung
durch W demonstrierte Parese der Hand sei bereits aufgrund der gut ausgeprägten Hand- und Unterarmmuskulatur nicht plausibel.
Diese spreche gegen eine entsprechende Schonung des linken Armes. Zudem habe W schlüssig ausgeführt, dass die von der Klägerin
demonstrierte Handkraftschwäche Muskeln betreffe, die einen völlig anderen Verlauf am Oberarm besäßen und zudem in keiner
Weise atroph seien, was bei einer Schädigung aber zwingend zu erwarten stünde. Die ängstlich-depressive Symptomatik sowie
die somatische Belastungsstörung seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Impfung/den anerkannten Impfschaden
zurückzuführen. Es lägen erhebliche familiäre Konflikte mit dem Bruder sowie eine langjährige Belastungssituation aufgrund
der Alkoholkrankheit des Ehemanns vor. Weiterhin hätten bereits vor der Impfung und unabhängig von dieser erhebliche Erkrankungen
bestanden. Relativ zeitnah vor der Impfung sei eine Beinvenenthrombose rechts festgestellt worden, die Klägerin habe sich
notfallmäßig in den R-Kliniken aufgrund einer erheblichen Migräne vorgestellt und sie habe bei einem Verkehrsunfall im Juli
2015 eine HWS-Distorsion erlitten. Schließlich bestehe nach Auskunft des A ein Bandscheibenvorfall C4/C6 mit neurologischer
Symptomatik, der ebenfalls für Schmerzen im Schulter-/Armbereich verantwortlich sein könne. Entsprechend beschreibe auch die
S2 Cervicobrachialgien bei Osteochondrose der HWS und einer Stenose der Foramina intervertebralia im Zervikalbereich. Deswegen
bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine kausale Verursachung der Angst und Depression gemischt sowie der Somatisierungsstörung
durch den Impfschaden. Ein GdS in rentenberechtigendem Ausmaß liege nicht vor, anzunehmen sei nur ein solcher von maximal
20, dabei könnten nur die kausal dem Impfschaden zuzuordnenden Beschwerden berücksichtigt werden. Nach den einschlägigen Bewertungsvorgaben
sei nur ein Komplettausfall des Nervus radialis mit einem GdS von 30 zu bewerten, sodass die Einschätzung des W auf einen
GdS von 20 bereits großzügig sei.
Am 20. Januar 2021 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie macht geltend,
dass sie ihren linken Arm nur noch mit extremen Einschränkungen gebrauchen könne, wie aus dem Arztbrief der S2 vom 26. Februar
2021 folge, der ausdrücklich der Vorlage bei Gericht diene. Danach bestehe weiterhin ein hochchronifiziertes, komplexes Schmerzsyndrom
mit zunehmender Generalisierung der Schmerzen sowie neuropathischer und vegetativer Begleitsymptomatik. Weiterhin lägen eine
depressive Verarbeitungsstörung mit Grübelneigung, massiven Schlafstörungen und Einengung der Erlebnisfähigkeit sowie Kopfschmerzen
an acht bis zehn Tagen pro Monat, davon etwa die Hälfte Migräne, eine hochgradige Fixierung auf die vorhandenen Beschwerden
und die ärztlich aufgeführten diagnostischen Bewertungen vor. Die zuletzt durchgeführte psychosomatische Therapie in der L-Klinik
S habe keine Besserung erbracht, die empfohlene begleitende ambulante Psychotherapie habe wegen fehlender Behandlungskapazitäten
nicht umgesetzt werden können. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zwischenbericht der S2 gehen entsprechende
Diagnosen hervor. Weiter legt sie das ärztliche Attest der K vom 8. Februar 2021 vor, wonach die körperlichen Symptome, vor
allem die Schmerzen und die Einschränkungen des Armes seit der Impfung wahrscheinlich, wie es häufig bei chronischen Schmerzen
sei, mit zu der depressiven Symptomatik beigetragen hätten. Trotz verschiedener antidepressiver Behandlungsversuche sei sowohl
die depressive als auch die Schmerzsymptomatik anhaltend. Die Rehabilitationsmaßnahme habe zu keiner Besserung der Symptomatik
geführt.
Letztlich ist der Zwischenbericht der S2 vom 10. Januar 2022 vorgelegt worden. Danach habe eine Cannabistherapie nicht begonnen
werden können, weil "wegen der Covid-Pandemie für jede Busfahrt ein Test benötigt werde", die Masken führten zu Asthma. Es
bestünden wieder vermehrt linksbetonte Schmerzen sowie ein Druckschmerz am ganzen Körper und Knieschmerzen links. Mirtazapin
werde weiter genommen, sie sei sehr beschäftigt mit den Diskussionen um die Impfung, ertrage die ubiquitäre Medienpräsenz
des Themas nicht und leide unter innerfamiliären Spannungen. Nach dem Schulungsvertrag mit der Deutschen Angestellten Akademie
gewährt die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Modulares Weiterbildungssystem).
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 2020 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des
Bescheides vom 28. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017 zu verpflichten, ihr Beschädigtengrundrente
nach einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 50 zu gewähren,
sowie die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart
vom 30. Dezember 2020 teilweise aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Er verweist auf die angefochtene Entscheidung und darauf, dass hinsichtlich der Auffassung der S2, die sie im Befundbericht
wiederhole, bereits vom SG ausgeführt worden sei, dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine kausale Verursachung der Angst und Depression
gemischt sowie der Somatisierungsstörung mit Konversionssymptomen/Somatisierungsstörung durch den Impfschaden bestehe. Vielmehr
seien zahlreiche weitere schädigungsunabhängige Belastungsfaktoren gegeben.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Die Anschlussberufung des Beklagten ist ebenfalls statthaft (§
202 SGG i. V. m. §
524 Zivilprozessordnung [ZPO]), nicht fristgebunden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum
SGG, 13. Aufl. 2020, §
143 Rz. 5b) und begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 30. Dezember 2020 mit dem das SG auf die Anfechtungs- und Feststellungklage (§§
54 Abs.
1,
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG) eine weitere Schädigungsfolge festgestellt und die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
SGG) auf Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem GdS von mindestens 50 unter Abänderung des Bescheides vom 28. Juli
2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§
95 SGG) vom 8. Dezember 2017 abgewiesen hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart
grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht [BSG],
Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 -, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O.,
§ 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.
Die Unbegründetheit der Berufung der Klägerin und die Begründetheit der Anschlussberufung des Beklagten folgen aus der Unbegründetheit
der Klage. Der Bescheid vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2017 ist nicht zu Lasten
der Klägerin rechtswidrig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
1 Satz 2
SGG). Der Beklagte hat nach Überzeugung des Senats mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht einen Impfschaden feststellt, sodass
die Klägerin die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen nicht beanspruchen kann. Den Anspruch auf Beschädigtengrundrente
hat der Beklagte daher schon deshalb zu Recht abgelehnt. Das SG hätte der Klage somit nicht teilweise entsprechen dürfen, sondern sie vollumfänglich abweisen müssen.
Den Ansprüchen der Klägerin steht in Auswertung des Gutachtens des W nämlich maßgeblich entgegen, dass es an einem tatsächlichen
Impfschaden bei der Klägerin fehlt. Vielmehr ist aufgrund der Impfung nur eine typische Nebenwirkung eingetreten, der erforderliche
Nachweis einer gesundheitlichen Schädigung somit nicht erbracht (dazu im Einzelnen unten). Deswegen besteht schon aus diesem
Grund trotz der fehlerhaften und bindenden Anerkennung durch den Beklagten kein Anspruch auf Leistungen, denn die Bindungswirkung
besteht nur im Umfang der fehlerhaften Verwaltungsentscheidung, nicht aber bei der Prüfung weiterer Schädigungsfolgen (so
auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. September 2020 - L 13 VG 64/15 -, juris, Rz 43, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 3/13 R -, juris, Rz. 18) oder gar einer darauf basierenden Leistung. Das ist ein Rechtsgedanke, der schon in der Regelung der "speziell
sozialrechtlichen Bescheidkorrektur" des § 48 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zum Ausdruck kommt, wonach der Begünstigte zwar den rechtswidrigen Vermögensvorteil behalten darf, dieser aber zukünftig
abgeschmolzen werden wird, damit das "Unrecht nicht weiter wächst" (so BSG, Urteil vom 15. September 1988 - 9/4b RV 15/87 - SozR 1300 § 48 Nr. 51 S. 145, gerade zur fehlerhaften Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge; bestätigt BSG, Urteil vom 20. März 2007 - B 2 U 38/05 R -, SozR 4-1300 § 48 Nr. 10), dieser also in Zukunft aufgrund der bestandkräftigen Rechtsposition keinesfalls mehr erhält.
Die fehlerhafte Feststellung einer "etwa 7 x 6 cm große, leicht verhärtete druckdolente Fläche im Bereich des Musculus Deltoideus
links und innerhalb dieser eine etwa 1,5 cm Verhärtung, rot-bläulich verfärbt" als Folge einer Impfschädigung hat somit Bindungswirkung
nur im Hinblick auf die Beurteilung ebendieser Schädigungsfolge. Die vom SG austenorierte Feststellung einer Reizsymptomatik von Hautästen des Nervus radialis links kommt daher nicht in Betracht, sodass
der Gerichtsbescheid auf die Anschlussberufung des Beklagten teilweise aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen gewesen
ist.
Die Klägerin kann dessen ungeachtet aber auch deswegen die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nicht beanspruchen, da durch
die behauptete Schädigung ein GdS von wenigstens 25 nicht erreicht wird, sodass das SG die Klage insoweit zu Recht abgewiesen hat. Selbst der auf Antrag der Klägerin nach §
109 SGG gehörte I hat keinen höheren GdS als 20 gesehen und sich dem umfassenden und ausführlich begründeten Sachverständigengutachten
des W ausdrücklich angeschlossen. Die gegenteilige Auffassung der S2, die sie in ihrem im Berufungsverfahren vorgelegten Attest
inhaltlich nur wiederholt, ohne den Kausalzusammenhang ausdrücklich zu bejahen, war dem Sachverständigen W bereits aus ihren
vorangegangenen Berichten bekannt und ist von diesem somit bereits berücksichtigt worden. Aus dem im Termin zur mündlichen
Verhandlung übergegebenen Befundbericht der S2 ergibt sich nichts anderes. Die K hat keinen gegenüber ihrer sachverständigen
Zeugenauskunft neuen medizinischen Sachverhalt mitgeteilt.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin ist § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Danach erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen
der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, auf Grund des IfSG angeordnet wurde, gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften
durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge
einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 61 Satz 1 IfSG). Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen
Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde
der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden (§ 61 Satz 2 IfSG). Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden (§ 61 Satz 3 IfSG).
Für die Impfopferversorgung müssen die schädigende Einwirkung (Schutzimpfung), der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion
hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, und eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung (Impfschaden)
nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein (hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, juris, Rz. 36).
Die Schutzimpfung muss nach der im Sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltenden Kausalitätstheorie von der wesentlichen
Bedingung wesentliche Ursache für den Eintritt der gesundheitlichen Schädigung und diese wesentliche Ursache für die Schädigungsfolge,
den Impfschaden, sein. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu
dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist.
Die Impfung und sowohl die als unübliche Impfreaktion in Betracht kommende wie auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - im sogenannten Vollbeweis - feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen
erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus. Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen,
wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. BSGE 60, 58). Die Feststellung einer unübliche Impfreaktion im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in
zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden.
Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen
sind.
Bei der Beurteilung des jeweiligen Kausalzusammenhanges sind im Sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen
Fassungen geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht
(AHP) anzuwenden und zu berücksichtigen. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich bei den schon
seit Jahrzehnten von einem Sachverständigenbeirat beim zuständigen Bundesministerium, aktuell dem Bundesministerium für Arbeit
und Soziales (BMAS), erarbeiteten und ständig weiterentwickelten AHP insbesondere um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens
und damit um so genannte "antizipierte Sachverständigengutachten" (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25). Die AHP sind in im Bereich des Sozialen
Entschädigungsrechts generell anzuwenden und wirken dadurch wie eine Rechtsnorm. Für den Fall, dass sie nicht mehr den aktuellen
Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben, sind sie allerdings nicht anwendbar, dann haben Verwaltung und Gerichte
auf andere Weise den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 39). Die AHP enthalten in allen Fassungen seit 1983 unter den Nrn. 53 bis 142/143 Hinweise
zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr. 56 Impfschäden im Allgemeinen und die Nr. 57 Schutzimpfungen
im Einzelnen zum Inhalt haben. Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen, damals noch als "Impfschaden" bezeichnet,
bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 1983 bis 2005 sind Ende 2006 aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats
"Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden (vgl. Rundschreiben des BMAS vom 12. Dezember
2006 - IV.c.6-48064-3 und Nr. 57 AHP 2008): "Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete STIKO (Ständige Impfkommission des
Robert-Koch-Instituts) entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der
Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen
Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar." Die Versorgungsmedizinische Begutachtung
von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 IfSG und Nr. 56 Abs. 1 AHP) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kann-Versorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von §§ 60 f. IfSG durchzuführen. Die seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der AHP getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und
3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) ist eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung, welche, sofern sie Verstöße gegen höherrangiges Recht aufweist, durch
die Gerichte nicht angewendet werden darf (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 SB 3/08 R -, juris, Rz. 30). Anders als die AHP 1983 bis 2008 enthält die VersMedV keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, so dass insoweit entweder auf die AHP
2008 als deren letzte Fassung zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand
der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen wie etwa Sachverständigengutachten genutzt
werden müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 41).
Bei allen medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand
maßgebend, welcher die Grundlage bildet, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen der konkret geschädigten Personen
zu bewerten sind. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung im sozialen Entschädigungsrecht und damit auch im
Impfschadensrecht, dem Schwerbehindertenrecht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVi 1/95 -, SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3 und vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR
4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25) und im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 <200 f.> und vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 20; Senatsurteil vom 21. April 2015 - L 6 VJ 1460/13 -, juris, Rz. 66). Dieser Erkenntnistand ergibt sich indes noch nicht durch wissenschaftliche Einzelmeinungen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 21). Ein bestimmter Vorgang, der unter Umständen vor Jahrzehnten stattgefunden
hat, muss, wenn über ihn erst jetzt abschließend zu entscheiden ist, nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft
beurteilt werden. So kann auch die vor Jahrzehnten bejahte Kausalität aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und
Methoden als fehlend erkannt werden, sogar mit der Folge, dass eingeräumte Rechtspositionen zurückzunehmen oder nur aus Gründen
des Vertrauensschutzes (§ 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) zu belassen sind (vgl. BSG Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 1/10 R -, SozR 4-3100 § 62 Nr. 2). Bei der Anwendung der neuesten medizinischen Erkenntnisse ist ebenso zu prüfen, ob diese sich
überhaupt auf den zu beurteilenden, mitunter lange zurückliegenden Vorgang beziehen. Da andere Ursachen jeweils andere Folgen
nach sich ziehen können, gilt dies insbesondere für die Beurteilung von Kausalzusammenhängen. Dementsprechend muss im Impfschadensrecht
sichergestellt werden, dass die nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse in Betracht zu ziehenden Impfkomplikationen
gerade auch die Impfstoffe betreffen, die im konkreten Fall Verwendung gefunden haben (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VJ 1/10 R -, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 43).
Der Klägerin wurde, nachdem sie an diesem Tag gestürzt war, sich dabei eine Wunde an der rechten Hand und eine Prellung am
Knie zuzog, am 14. Dezember 2015 der Kombinationsimpfstoff "Boostrix" gegen Tetanus-, Diphtherie und Pertussis in den linken
Deltamuskel verabreicht, was der Senat dem vorgelegten Impfbuch entnimmt. Bei dieser Impfung handelte es sich um eine zum
Zeitpunkt der Impfung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG empfohlene Impfung (vgl. Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 34/2015, zum Impfstoff "Boostrix" Tabelle Seite
359), wie der I ebenfalls bestätigt hat.
In dessen Folge hat sich eine sterile Abszessbildung an der Injektionsstelle, ein Granolom gebildet, die von dem Beklagte
dem S1 folgend, welches der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (§§
118 Abs.
1 SGG i. V. m. §§
415 ff.
ZPO), für den Senat bindend (§§
77,
141 Abs.
1 SGG) als Impfschädigung, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 60 IfSG festgestellt worden ist.
W hat indessen überzeugend dargelegt, dass das bei der Klägerin aufgetretene Impfgranulom als einzig fassbarer organischer
Befund an der Impfstelle als eine übliche Nebenwirkung des Präparates, also somit nicht als gesundheitliche Schädigung - wie
für einen Impfschaden erforderlich - beschrieben wird, was dafür spricht, dass es sich eben um keine über die übliche Impfreaktion
hinausgehende Impfkomplikation gehandelt hat. In diesem Sinne hat bereits das Universitätsklinikum H im urkundsbeweislich
zu verwertenden Befundbericht vom 2. Juni 2016 dargelegt, dass nur eine ausgeprägte Impfreaktion vorliegt, die komplikationslos
verläuft, aber keine Symptome im Sinne einer Impfkomplikation bestehen, solche nach dem neurologischen Untersuchungsbefund
nicht objektivierbar waren. Damit einhergehend hat S noch am 11. August 2016 dargelegt, dass der Lokalbefund nur eine kleine
subkutane Bindegewebsvermehrung im Bereich der ehemaligen Einstichstelle unterhalb des Schulterdaches links ohne Umlaufstörungen,
Schwellungen, sonstige Reizzeichen oder neurologische Auffälligkeiten zeigte. Damit fehlt es an jeglichem anerkennungsfähigen
Befund von Krankheitswert, die damals beklagten Spannungsschmerzen führte er allein auf die nicht erforderliche Schonungshaltung
zurück. Unter einer Krankheit ist hingegen ein regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand zu verstehen. Regelwidrig ist jeder
Zustand, der von der Norm abweicht (normativer Krankheitsbegriff), die ihrerseits durch das Leitbild des gesunden Menschen
geprägt ist (vgl. BSG, Urteile vom 8. März 2016 - B 1 KR 35/15 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 28 Rz. 9 und vom 30. September 2015 - B 3 KR 14/14 R -, SozR 4-2500 § 33 Nr. 48 Rz. 29). "Gesundheit" wiederum ist derjenige Zustand, der dem Einzelnen die Ausübung der (aller)
körperlichen Funktionen ermöglicht (vgl. BSG, a. a. O.). Folglich kommt nicht jeder körperlichen Regelwidrigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu (vgl. BSG Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 35/15 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 28 Rz. 10). Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt
wird (funktioneller Krankheitsbegriff). Ausgehend von diesem normativ-funktionellen Krankheitsbegriff reicht die bloße Aufnahme
schädigender Substanzen in den Körper allein im Regelfall nicht aus, vielmehr ist es grundsätzlich notwendig, dass diese Einwirkung
über zunächst rein innerkörperliche Reaktionen (i. S. normabweichender physiologischer oder biologischer Prozesse) oder Strukturveränderungen
hinaus zu (irgend)einer Funktionsstörung führt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 17/15 R -, juris, Rz. 22), woran es im Falle der Klägerin fehlt und was versorgungsärztlich nicht hinreichend beachtet worden ist.
Im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung ermangelt es weiter an jeglicher ärztlichen Feststellung von aufgetretenen Impfkomplikationen,
wie S1 versorgungsärztlich schlüssig dargelegt hat, ohne dies bei ihrer abschließenden Bewertung hinreichend zu berücksichtigen.
Nach am 14. Dezember 2015 verabreichter Impfung hat der M bei der nächsten Konsultation bereits am 18. Dezember 2015 keinerlei
Allgemeinsymptome wie Temperaturerhöhung und Gliederschmerzen dokumentiert, insbesondere sind besondere Beschwerden an der
Impfstelle gerade nicht beklagt worden. Das wird bestätigt durch das Gutachten des I, der noch einmal deutlich darauf verwiesen
hat, dass in der Regel Lokalreaktionen an der Impfstelle binnen 48 Stunden beschrieben werden, während solche von der Klägerin
gut 4 Tage nach der Impfung gegenüber den Hausarzt schon gar nicht geklagt worden sind, dieser demgemäß keinen entsprechenden
Befund erhoben hat. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige I bei von der Klägerin berichteten
Nebenwirkungen früherer Impfungen in Ermangelung einer entsprechenden Dokumentation eine Kontraindikation ausdrücklich verneint
hat.
Demgegenüber ist in 2016 in verschiedenen Arztberichten dokumentiert, dass die Klägerin eine Fülle an anderen Gesundheitsstörungen
beklagte, die nichts mit der Impfung zu tun haben, aber deren Beschwerdebild sie nunmehr auf selbige zurückführen möchte,
worauf H2 versorgungsärztlich zu Recht verweist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der E bereits
im Juli 2015 einen muskulären Hartspann im Bereich der HWS (wohl nach einem Verkehrsunfall) befundet und diesen im Februar
2016 als anhaltend beschrieben hat. Aus dem Befundbericht des Y vom 27. Mai 2016 ergibt sich eine Schonhaltung der HWS mit
Kopf- und Nackenschmerzen und Ausstrahlung in beide Schultergürtel (vgl. auch die sachverständige Zeugenauskunft des A). Eine
Behandlung in den R-Kliniken wegen Kopfschmerzen und Schwindel ist bereits am 16. April 2015 und damit weit vor der streitigen
Impfung, erfolgt. Die Klägerin hat gegenüber W selbst beschrieben, seit einer Hirnhautentzündung mit 14 Jahren unter Migräne
zu leiden. Auf diese verweist S2 im zuletzt vorgelegten Zwischenbericht vom 10. Januar 2022 erneut. Weiterhin hat der B1 dargelegt,
dass ein leichtes Sulcus-ulnaris-Syndrom links und Beschwerden im Sinne einer Epicondylitis am linken Ellenbogen bestehen,
wobei sich keine signifikante Parese an den Armen zeigte. Gegenüber den R-Kliniken hat die Klägerin am 3. Mai 2016 über ausstrahlende
Schmerzen in beide Unterarme berichtet, sodass sich ein Zusammenhang zwischen der Impfung und den beklagten Schmerzen und
Missempfindungen nicht herstellen lässt, wie S1 versorgungsärztlich überzeugend herausgestellt hat. In diesem Sinne haben
die R-Kliniken bereits am 23. Mai 2016 dargelegt, dass in Anbetracht der Gesamtsituation der Gefäßstatus am linken Arm eher
nicht als Ursache der persistierenden Beschwerden angesehen werden kann.
Wenn die Klägerin ihren behandelnden Ärzten gegenüber wiederholt behauptet hat, dass die Impfung im Januar stattgefunden habe
(vgl. z. B. der Bericht des Universitätsklinikums H), entspricht der Impfzeitpunkt schlicht nicht den Tatsachen, die Klägerin
kann dadurch aber einen zeitlichen Zusammenhang mit ihren Beschwerden konstruieren.
Die von ihr darüber hinaus beschriebenen Veränderungen sind in keiner Weise ärztlich dokumentiert, sondern nur anamnestisch
von der Klägerin übernommen worden.
Ein Anspruch auf Beschädigtengrundrente folgt aus den - fälschlicherweise - anerkannten Folgen der Impfung indessen auch deswegen
nicht, da diese keinen GdS von wenigstens 25 begründen.
Die verbliebene Veränderung des subkutanen Bindegewebes kann für eine Reizung der Hautnervenäste des Nervus radialis verantwortlich
gemacht werden, eine Schädigung im engeren Sinne besteht indessen nicht, wie der Senat dem Sachverständigengutachten des W1
entnimmt. Dieser hat überzeugend weiter dargelegt, dass die Sensibilität in diesem Bereich unbeeinträchtigt ist, was auch
für die weiteren Armnerven gilt. Dementsprechend verneint er schlüssig eine organische Ursache für die bei der Handkraftprüfung
demonstrierte Parese der rechten Hand, da eine solche Muskeln betrifft, die einen anderen Verlauf am Oberarm haben und deshalb
von der Veränderung am Nervus radialis gar nicht betroffen sind. Dagegen, dass eine solche tatsächlich besteht, spricht weiter,
dass der Sachverständige eine gut ausgeprägte Hand- und Unterarmmuskulatur ohne Atrophie befundet hat, also keine Zeichen
des beklagten Mindergebrauchs feststellen konnte, und sich die Parese bei der Beobachtung während der Exploration als nicht
plausibel erwiesen hat. Letztlich zeigten sich elektrophysiologische Auffälligkeiten nur in Form eines rechtsbetonten Karpaltunnelsyndroms
und somit auf anderen Körperseite. Korrespondierend hierzu hat bereits S am 11. August 2016 beschrieben, dass seine Untersuchung
nur diffuse Verspannungen im linken Arm zeigten und die Armfunktionen (Abspreizung, Rotation) frei gewesen sind (so auch der
Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Hausbaden) sowie keine Umlaufstörungen, Schwellungen oder sonstige Reizzeichen
bestanden. Weiter hat Z (ambulante Untersuchung am 14. Juli 2016) darauf hingewiesen, dass sich die dargebotenen Beschwerden
mit den radiologischen und klinischen Befunden nicht komplett in Einklang bringen ließen.
Die Thesen der S2, die glauben machen will, dass bei der Klägerin aufgrund entsprechender Ausfallerscheinungen eine faktische
Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes besteht, sind daher durch die umfassenden Untersuchungen insbesondere des W1 schlüssig
widerlegt. Dieser hat nämlich belangvolle Atrophien am linken Arm ebenso verneint wie Sensibilitätsstörungen, die bei einem
schmerzbedingten Mindergebrauch aber zur Objektivierung der Einschränkungen zu erwarten sind. Aus ihrem Zwischenbericht vom
10. Januar 2022 ergibt sich keine andere Beurteilung, da darin schon kein neuer medizinischer Befund mitgeteilt wird, sondern
die bekannten Diagnosen wiederholt und auf Schmerzen im linken Knie und eine psychische Belastung durch die Diskussion um
die Impfung, wobei sich dies auf die Corona-Schutzimpfung beziehen dürfte, beschrieben werden.
Hinsichtlich der psychischen Problematik der Klägerin hat W1 in Auswertung der Krankengeschichte überzeugend herausgearbeitet,
dass bereits vor der streitigen Impfung eine ängstlich-depressive Symptomatik mit Ausbildung von Konversionssymptomen bestanden
hat. Wesentliche Ursache dafür sind die erheblichen familiären und sozialen Probleme der Klägerin, die sie deswegen auch in
den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt hat. Die Impfung stellt nur einen untergeordneten Aspekt dar, während den langjährig
bestehenden psychosozialen Belastung mit chronischer Überforderung die überragende Bedeutung zukommt. Bezüglich der familiären
Belastung hat bereits S erhoben, dass es in den letzten sieben Jahren erhebliche Konflikte mit den Geschwistern gegeben hat,
die im Zusammenhang mit einem Anbau am Haus stehen und zu Spannungen mit den zwischenzeitlich verstorbenen Eltern führten,
wie sie W1 ausführlich berichtet hat. Daneben ist eine Alkoholkrankheit des Ehemannes beschrieben. Die finanziellen Verhältnisse
werden bei einem noch nicht schuldenfreien Eigenheim als beengt beschrieben, weshalb die Klägerin zwischenzeitlich ihre Arbeitszeit
trotz gesundheitlicher Probleme erhöhen musste. Dass von Seiten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg offensichtlich
nunmehr Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Deutschen Angestellten-Akademie erbracht werden sollen, wie aus dem
vorgelegten Schulungsvertrag folgt, führt zu keiner anderen Beurteilung der medizinischen Situation, wie sie von S1 und W1
schlüssig aufgearbeitet worden ist.
Darauf, dass B2 im parallelen SB-Verfahren die psychische Störung nur als leicht im Sinne einer Somatisierungsstörung mit
konversionsneurotischer Färbung beurteilt zu haben scheint, wie aus der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme
des G folgt, kommt es nach Vorstehendem nicht an, da sich ein Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und der psychischen
Störung gerade nicht herstellen lässt.
Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik führt W1 ebenfalls schlüssig aus, dass die zunehmende Symptomatik mit verstärkter Zuwendung
zu Schmerzen ebenfalls nicht der Impfung zugerechnet werden kann, nachdem einerseits ein halbes Jahr nach der Impfung noch
keine dauerhafte Schmerzmedikation erforderlich gewesen ist und andererseits orthopädisch Kopf- und Nackenschmerzen mit Ausstrahlungen
in beide Schultergürtel beschrieben worden sind. Mit dieser differentialdiagnostischen Abgrenzung setzt sich die K schon gar
nicht auseinander, abgesehen davon, dass diese die Behandlung erst Anfang 2018 überhaupt begonnen und den Verdacht auf eine
chronische Schmerzstörung erstmals im April 2018, und damit über zwei Jahre nach der Impfung, beschrieben hat. Nichts anderes
folgt aus den - fachfremden - Darlegungen des I, da dieser zwar eine entsprechende Schmerzsymptomatik der durch die Impfung
bedingten Gewebeveränderungen zuschreiben will, jedoch explizit darauf verweist, dass der Grad der Ausprägung durch die chronisch
depressive Störung mit depressiver Erschöpfungssymptomatik bei Lebensbelastung mitbestimmt wird, sich vor diesem Hintergrund
dem Sachverständigengutachten des W1 ausdrücklich anschließt und auch dessen GdS-Bewertung teilt. Ob ein GdS von 20 überhaupt
erreicht wird, wie ihn die Sachverständigen gesehen und wie er von G versorgungsärztlich als vertretbar angesehen worden ist,
kann dahinstehen, da dieser jedenfalls nicht rentenberechtigend ist. Ein höherer GdS ergibt sich anhand des Funktionsbefundes
jedenfalls nicht, worauf G zu Recht hinweist.
Auf die Anschlussberufung des Beklagten war daher der Gerichtsbescheid des SG teilweise aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin in beiden Instanzen.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.