Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1957 geborene Kläger hat von August 1972 bis Juli 1976 den Beruf des Kfz-Mechanikers erlernt. Er war dann bis November
1976 im erlernten Beruf und von Januar 1977 bis Juli 1983 als Maschinenbediener beschäftigt. Am 8. Februar 1980 erlitt der
Kläger einen Arbeitsunfall mit weitgehendem Verlust des linken Zeige-, Mittel- und Ringfingers im Grundgliedbereich bei Einschränkung
der Streckfähigkeiten des linken Kleinfingers. Von der zuständigen Berufsgenossenschaft erhält der Kläger hierfür eine Unfallrente
mit einer MdE von 30. Im Anschluss an die Tätigkeit als Maschinenbediener war der Kläger von August 1984 bis Dezember 1984
als Reifenmonteur, von Mai 1984 bis September 2001 als Koordinator und Maschinenfahrer bei der Firma P. und G. versicherungspflichtig
beschäftigt. Die ab 1995 nebenberuflich und seit 2001 hauptberuflich ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Markthändler (Verkauf
von Kosmetikartikeln) gab der Kläger im Juli 2004 auf.
Mit Antrag vom 19. März 2002 begehrte der Kläger erstmals Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Der von der Beklagten
mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige stellte beim Kläger eine Angststörung mit psychogenen Schluckbeschwerden,
eine Benzodiazepinabhängigkeit, Abnutzungsveränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne Nervenwurzelreizerscheinungen,
eine erhebliche Funktionsbehinderung der linken Hand, rheumatische Beschwerden in den Kniegelenken und Vorderfüßen sowie eine
wiederkehrende Magenschleimhautentzündung fest. Der Kläger könne noch sechs Stunden und mehr leichte Arbeiten zeitweise im
Stehen, zeitweise im Gehen und zeitweise im Sitzen in Tagesschicht verrichten. Der Antrag wurde daraufhin mit Bescheid vom
29. Juli 2002 abgelehnt, der hiergegen erhobene Widerspruch zurückgewiesen.
Im Rahmen des anschließenden eingeleiteten Klageverfahrens holte das Sozialgericht Landshut (SG) eine Arbeitgeberauskunft der Firma P. und G. ein. Es erhob nach Beweis durch Einholung eines neuropsychiatrischen Gutachtens
von Dr. Dr. M. vom 26. September 2003. Der Sachverständige stellte fest, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten
sechs Stunden täglich und mehr im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichten. Nicht mehr zumutbar seien schweres
Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken und Überkopfarbeiten. Die Durchführung von Maßnahmen der Rehabilitation auf psychosomatischer
Grundlage sei sinnvoll.
Die Beklagte bewilligte daraufhin dem Kläger eine Maßnahme der stationären Rehabilitation in der L. Klinik in Bad S ... Im
Entlassungsbericht ist festgehalten, der Kläger sei in seiner letzten beruflichen Tätigkeit als Markthändler sowie auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund einer fehlenden geistig-psychischen Belastbarkeit seit November 2002 durchgehend nicht arbeitsfähig.
Eine erneute Beurteilung sollte nach Fortführung der Einzelpsychotherapie nach sechs Monaten erfolgen. In einer ergänzenden
Stellungnahme vom 28. Juni 2004 verwies Dr. Dr. M. erneut darauf, dass der Kläger bei zeitgleich laufenden Arbeitsunfähigkeitszeiten
50 bis 60 Marktaufstellungen im Jahr durchgeführt habe. Angesichts dessen seien die Ausführungen der L. Klinik nicht nachvollziehbar.
Mit Urteil vom 29. Oktober 2004 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
vom 1. Oktober 2002 bis 30. September 2005 dem Grunde nach zu gewähren. Der Kläger genieße nach der Auskunft des Arbeitgebers
Berufsschutz als Facharbeiter. Er könne seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben. Verweisungsberufe seien nicht benannt
worden. Von einer Besserungsmöglichkeit sei auszugehen. Daher sei die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
auf 3 Jahre zu befristen.
In dem von der Beklagten eingeleiteten Berufungsverfahren holte das LSG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. Dr. M. zu der
Frage ein, ob der Kläger in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 30. September 2005 in der Lage gewesen sei, die ausschließlich
sitzenden Tätigkeiten des Telefonisten, wie sie sich aus den beigefügten berufskundlichen Stellungnahmen ergäben, zu verrichten.
Dies wurde von Dr. Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 25. November 2005 bejaht.
Hierzu führte der Kläger aus, er habe die Tätigkeit als Markthändler nicht alleine betrieben. Er habe Hilfe durch Freunde
erhalten. Es habe sich nur um Arbeitsversuche gehandelt. Aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigungen sei er nicht in der
Lage, den Belastungen des allgemeinen Arbeitsmarktes standzuhalten. In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 2. Februar
2006 erklärte Dr. Dr. M., bei Unterstellung der Angaben des Klägers als wahr sei ein quantitativ vermindertes Leistungsvermögen
ab Januar 2004 denkbar, aber nicht belegt.
Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 14. Februar 2006 hob das LSG das Urteil des SG Landshut vom 29. Oktober 2004 auf und
wies die Klage gegen den Bescheid vom 29. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21 November 2002 ab. Der
Kläger genieße zwar Berufsschutz als Facharbeiter, er könne aber noch als Telefonist mindestens sechs Stunden täglich tätig
sein.
Bereits am 18. Januar 2006 hatte der Kläger die Weitergewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
beantragt. Dieses Begehren wollte er nach Zustellung des Urteils des LSG als Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gewertet
wissen. Der Antrag wurde mit angefochtenem Bescheid vom 3. Juli 2006 abgelehnt, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
nicht erfüllt seien. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe auch weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung
und ebenso wenig Berufsunfähigkeit.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe von Januar bis Juni 2004 Entgeltersatzleistungen
erhalten. Er leide nach wie vor an einer Panik- und Persönlichkeitsstörung, multiplen Gelenksentzündungen und Funktionseinschränkungen
im Wirbelsäulenbereich sowie Schwerhörigkeit.
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einer Antragstellung am 18.
Januar 2006 gemäß §
241 Abs.
2 SGB VI erfüllt sind, holte sie ein psychiatrisches Gutachten von Dr. S. vom 31. Mai 2007 ein. Diese kam zu dem Ergebnis, der Kläger
könne noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten mit besonderen Anforderungen
an die psychische Belastbarkeit, Nachtschicht, besonderer Zeitdruck und Arbeiten in dichten Menschenansammlungen.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten erklärte hierzu, der Kläger könne damit noch als Hochregallagerarbeiter, Registrator/Poststellenmitarbeiter,
Bürogehilfe/Büroassistent und Auslieferungsfahrer für ein Dentallabor tätig sein. Angesichts der Beeinträchtigung des Hörvermögens
bestünden gewisse Zweifel, ob eine Tätigkeit als Telefonist geeignet sei. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid
vom 18. Juli 2007 zurückgewiesen. Der Kläger wurde auf Tätigkeiten als Registrator, Mitarbeiter in der Poststelle, Bürogehilfe
bzw. Büroassistent und Hochregallagerarbeiter verwiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG unter dem Az. S 14 R 998/07 erhoben. Es bestehe eine gravierende Persönlichkeitsstörung (Borderlinetyp), die zu Anpassungsstörungen führe. Die linke
Hand sei erheblich bewegungseingeschränkt. Der Kläger leide auch an Gelenkentzündungen, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen
und einer beidseitigen Schwerhörigkeit. Auch habe er sich bei einem Sturz eine Verletzung an der linken Hand zugezogen, die
noch schmerzhaft sei. Sehr beeinträchtigend seien die Medikamente und Schmerzmittel, die der Kläger einnehmen müsse. Das SG hat ein betriebsmedizinisches Gutachten für die Agentur für Arbeit Ansbach vom 18. August 2004, diverse Befundberichte sowie
die Schwerbehindertenakten beim Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Niederbayern (GdB 70) beigezogen.
Das SG hat daraufhin gemäß §
106 SGG Beweis erhoben durch ein neurologisch-psy-chiatrisches Gutachten von Dr. Dr. M. vom 17. Juli 2008. Dieser hat eine Panikstörung
mit Schluckstörung, wirbelsäulenabhängige Beschwerden im Bereich der HWS und LWS ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, einen
Spannungskopfschmerz sowie ein Impingement beider Schultern, besonders rechts, festgestellt. Seit dem letzten Gutachten im
Rentenverfahren sei eine Hörminderung hinzugetreten, die sich aber im Untersuchungsgespräch nicht negativ im Sinne einer relevanten
Verständniserschwernis bemerkbar gemacht habe. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und
Sitzen ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne Zeitdruck,
ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen verrichten. Für die Tätigkeit als Telefonist sei das erschwerte Hörvermögen
zu berücksichtigen. Im jetzigen Untersuchungsgespräch hätten sich freilich keine nachteiligen Auswirkungen ergeben. Die übrigen
genannten Tätigkeiten stünden dem Kläger offen. Die Angabe des Klägers, schmerzfrei nur noch 100 m zurücklegen zu können,
decke sich nicht mit dem Untersuchungseindruck. Der Kläger könne pendeln. Er sei Führerscheininhaber.
In der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2008 hat Dr. Dr. M. erklärt, der Kläger könne auch Tätigkeiten als Pförtner oder
Telefonist verrichten. Die orthopädischen Leiden des Klägers führten zu keiner quantitativen Leistungseinschränkung. Die Vorsitzende
hat festgestellt, dass der Kläger während der mündlichen Verhandlung trotz teilweise geöffneter Fenster und trotz Umgebungslärm
keine Verständnisschwierigkeiten zeigte. Ein Hörgerät sei nicht erkennbar gewesen. Nach Einräumung einer Schriftsatzfrist
und Vertagung des Rechtsstreits hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. August 2008 gemäß §
109 SGG die Einholung eines Gutachtens des Nervenarztes Dr. N. beantragt. Er hat einen Entlassungsbericht des Bezirksklinikums M.
vom 16. Januar 2008 übermittelt, in dem der dringende Verdacht auf eine Somatisierungsstörung geäußert wird. Aus einer Bescheinigung
vom 30. Juli 2008 des HNO-Arztes Dr. H. ergibt sich, dass beim Kläger eine beidseitige Hochtonschwerhörigkeit vorliegt. Der
Schmerztherapeut Dr. G. hat dem Kläger eine chronische Schmerzkrankheit, Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen, bescheinigt.
Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 20. April 2009 ausgeführt, im Vergleich zu den Feststellungen von Dr. Dr. M. hätte sich
keine wesentliche Änderung ergeben. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten abwechselnd im Gehen, Stehen
und Sitzen zu ebener Erde ohne Zwangshaltungen und ohne nervlich belastende Tätigkeiten, ohne Nachtschichten und ohne Akkordarbeiten
verrichten. Eine Einschränkung der Wegstrecke liege nicht vor.
Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 9. Juni 2009 ausführlich Stellung genommen. Hierzu hat Dr. N. eine ergänzende Stellungnahme
abgegeben, in der er an seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung festhält.
Mit Urteil vom 13. Juli 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger könne weiterhin als Telefonist mindestens 6 Stunden täglich Arbeiten verrichten. Die zwischenzeitlich
geltend gemachte Hörminderung ändere daran nichts. Bescheinigt worden sei lediglich eine Hochtonschwerhörigkeit, die für die
Tätigkeit als Telefonist unerheblich sei. Auch hätten weder die Sachverständigen noch die Kammer selbst eine Schwerhörigkeit
beim Kläger festgestellt.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Das Urteil sei fehlerhaft. Beim Kläger sei
nicht nur ein GdB von 60 - wie im Urteil ausgeführt - sondern ein GdB von 70 festgestellt. Der Kläger verfüge nicht nur über
ein Hörgerät, sondern über zwei. Auch sei das Gericht nicht auf die Anpassungs-/Persönlichkeitsstörung eingegangen, auf die
Verluste der Finger sowie die Hörminderung. Es sei nicht ermittelt worden, welche Unterschiede bei der Hörfähigkeit des Klägers
in verschiedenen Umgebungen vorliegen.
Der Senat hat Befundberichte des Schmerztherapeuten Dr. G., des Lungenarztes Dr. J., des HNO-Arztes Dr. H., des Orthopäden
Dr. Straub, der Psychiaterin E., des Kreiskrankenhauses L-Stadt über eine stationäre Behandlung vom 30. September bis 4. November
2009 und des Allgemeinarztes Dr. I. sowie eine ergänzende Stellungnahme von Dr. Dr. M. vom 2. Dezember 2010 eingeholt. Dieser
ist unter Würdigung des Vortrags des Klägers und der beigezogenen Befundberichte zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger
seit Stellung seines Erstantrages zeitlich durchgängig fähig gewesen sei, die Tätigkeit eines Telefonisten vollschichtig zu
verrichten.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, bei einem durchgeführten Hörtest habe sich eine Verschlechterung der Hörfähigkeit gezeigt.
Auch leide er an Tinnitus. Schließlich sei er an der Schilddrüse erkrankt. Er werde am 3. Februar 2011 stationär zur Schilddrüsenoperation
aufgenommen. Problematisch sei, dass der Gutachter Dr. Dr. M. bereits mehrfach zu einer gutachterlichen Stellungnahme eingesetzt
worden sei, wodurch die Neutralität des Gutachters nicht mehr gewährleistet sei. Die Fibromyalgie und das Borderlinesyndrom
des Klägers seien nicht in die Stellungnahmen mit einbezogen worden. Gleiches gelte für die nachweislichen physischen Beeinträchtigungen
des Klägers. Es müsse daher einen vollumfängliches weiteres Gutachten eingeholt werden, in dem sämtliche Beschwerden des Klägers
berücksichtigt würden.
Der Senat hat daraufhin noch Befundberichte der HNO-Ärztin C. und des Krankenhauses D-Stadt über eine Schilddrüsenoperation
beigezogen sowie hierzu eine ergänzende Stellungnahme von Dr. Dr. M. vom 30. März 2011 eingeholt. Unter Vorlage von berufskundlichen
Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes Hessen und einem Urteil des BayLSG vom 10. Februar 2010 hat der Sachverständige ausgeführt,
die Tätigkeit als Registrator sei dem Kläger zweifelsfrei zumutbar. Dies gelte auch für Tätigkeiten als Pförtner mit gelegentlichem
Telefonverkehr. Auch die Tätigkeit als Telefonist erscheine letztlich nicht ausgeschlossen.
Der Kläger hat daraufhin weiterhin vorgetragen, sein Schilddrüsenleiden habe zu Problemen mit der Stimme und der Sprachfähigkeit
geführt. Er müsse sich einer umfangreichen logopädischen Behandlung unterziehen. Stimmbandfestigkeit und Sprachfähigkeit seien
nicht mehr gegeben, so dass ein berufliches Tätigwerden, bei welchem die Stimme benötigt werde, ausscheide. Telefondienste
seien ihm nicht mehr möglich. Auch sei er in laufender ärztlicher und stationärer Behandlung. Am 19. Mai 2011 werde er einen
weiteren Klinikaufenthalt antreten. Die wochenlangen Krankenhausaufenthalte würden deutlich machen, dass er einer Tätigkeit
nicht mehr nachgehen könne. Er habe auch zuletzt eine qualifizierte Tätigkeit als Facharbeiter ausgeübt. Registraturarbeiten
könne er nicht mehr verrichten aufgrund der Beeinträchtigungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie an den Kniegelenken.
Eine Heilmittelverordnung der HNO-Ärztin C. (Diagnose: funktionelle Stimmenstörung, Heiserkeit, Dysphonie) sowie diverse Überweisungsscheine,
unter anderem des Chirurgen Dr. S. (Diagnose: Zustand nach Thyreoidetomie, zeitweiliges Versagen der Stimme) sind vorgelegt
worden.
Aus einem vom Senat eingeholten Befundbericht der HNO-Ärztin C. ergibt sich als neue Diagnose ein Zustand nach Struma-Operation.
Es wird darüber hinaus darauf verwiesen, dass der Kläger Stimmprobleme beim Singen angeben würde.
Der Senat hat ferner einen Entlassungsbericht der über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 19. Mai bis 16. Juni 2011
beigezogen und dann gemäß §
106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. N. vom 3. November 2011. Dr. N. hat beim Kläger
folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Spezifische Phobie (Angst zu ersticken) sowie klaustrophobische Ängste
2. Primärpersönlichkeit mit neurasthenischen und narzisstischen Zügen und einer ausgeprägten Somatisierungstendenz
3. HWS- und LWS-Syndrom ohne funktionell bedeutsame neurologische Ausfälle
4. Traumatische Amputation des II.-IV. Fingers links (Zustand nach Arbeitsunfall 1980)
5. Asthma bronchiale (COPD)
6. Periarthritis humeroscapularis rechts
7. Tinnitus aurium beidseits ohne Behandlung durch Tinnitusmasker.
Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und
Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Nicht mehr
zumutbar seien das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten in Zwangshaltungen und Überkopf sowie mit speziellen Anforderungen
an das Hörvermögen. Die Tätigkeit als Registrator sei möglich, die Tätigkeit eines Telefonisten aufgrund der Hörgeräteversorgung
eher problematisch. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Umstellungsfähigkeit
auf andere Tätigkeiten sei nicht eingeschränkt. Der Kläger könne auch unter Anspannung seines Willens die seelischen Hemmungen
aus eigener Kraft mit ärztlicher Hilfe überwinden. Eine Motivation zur Arbeitswiederaufnahme sei jedoch nicht zu erkennen.
Hierzu hat der Kläger umfangreich Stellung genommen. Insbesondere hat er darauf verwiesen, dass ein Fibromyalgiesyndrom diagnostiziert
worden sei, welches vom Gutachter bislang vollumfänglich unberücksichtigt geblieben sei. Der Kläger sei gutachterlich zu diesem
Syndrom zu keinem Zeitpunkt untersucht worden. Aus dem vorgelegten Bericht der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde F-Stadt
geht hervor, dass beim Kläger nach Musizieren und Singen eine rezidivierende Heiserkeit, Globusgefühl und Schmerzen auftreten.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. N. hierzu eingeholt. Der Sachverständige hält hierin an seiner sozialmedizinischen
Einschätzung fest. Hierzu hat der Kläger erneut Stellung genommen und eine Aufstellung seiner ambulanten und stationären Behandlungstermine
vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 13. Juli 2009 und des Bescheids der Beklagten vom
3. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2007 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung
entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 3. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.
Juli 2007 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger
steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
2 SGB VI, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
1 SGB VI bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§
43 Abs.
1,
240 SGB VI zu.
Berufsunfähig sind nach §
240 Abs.
2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation
mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs
Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die für die Beurteilung des Berufsschutzes maßgebliche Tätigkeit des Klägers ist diejenige als Maschinenfahrer. Diese ist
als Facharbeitertätigkeit einzustufen. Insofern wird auf die Ausführungen im Urteil des LSG vom 14. Februar 2006 vollumfänglich
verwiesen. Facharbeiter sind nach dem Stufenschema des BSG nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der nächst niedrigeren Gruppe
mit dem Leitberuf des Angelernten verweisbar. Die Verweisungstätigkeit muss also zu den sonstigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufen
gehören oder eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern oder wegen ihrer Qualität tariflich
wie ein sonstiger Ausbildungsberuf bewertet werden (BSGE 43, 243).
Nach Auffassung des Senats kann der Kläger mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten als angelernter Registrator verrichten.
Diese Einschätzung teilen sowohl Dr. Dr. M. ausweislich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. März 2011 als auch Dr. N.
in seinem Gutachten vom 3. November 2011 uneingeschränkt.
Dr. N. fand beim Kläger auf neurologischem Fachgebiet keinen verwertbaren pathologischen Befund, der eine überdauernde Erwerbsminderung
begründen könnte. Entsprechende neurologische Symptome oder Ausfälle seien auch bei den Untersuchungen durch die behandelnden
Ärzte nie nachgewiesen worden. Durchgängig sei nur eine spezifische Phobie im Sinne einer Angst vor Ersticken. Im gesamten
Begutachtungsverfahren seit zehn Jahren zeigten sich Hinweise auf verfahrensbezogene Darstellungen, die sich im Laufe der
Jahre deutlich verstärkt hätten. Die vom Kläger gemachten Angaben machten eine bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenz deutlich.
Die teilweise neurasthenischen und teilweise narzisstischen Züge der Persönlichkeit des Klägers könnten ebenfalls eine Erwerbsminderung
nicht begründen. Der Kläger sei mit dieser Persönlichkeit in das Arbeitsleben eingetreten und habe bis zu einer Abfindungskündigung
damit erfolgreich gearbeitet. Der Sachverständige Dr. N. hat auch nicht den Vortrag zum Fibromyalgie-Syndrom des Klägers unberücksichtigt
gelassen. Dieses wurde von der Klinik L-Stadt ebenfalls nicht bestätigt. Dort fanden sich im Untersuchungsbefund keine Hinweise
auf positive Tender-Points oder auffällige neurologische Untersuchungsergebnisse. Dr. N. hat nachvollziehbar ausgeführt, er
habe vom Kläger unbemerkt im Rahmen der Begutachtung entsprechende Tender-Points gedrückt, ohne dass sich eine erhöhte Berührungsempfindlichkeit
gezeigt habe. Darüber hinaus habe der erstpublizierende Rheumatologe W. eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen sei, die Tender-Points
als das essenzielle Kriterium zu verwenden.
Die auf nervenärztlichem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen wurden unter Einschluss der sonstigen Beschwerden und
Einschränkungen des Klägers sowohl von Dr. Dr. M. als auch von dem vom Kläger selbst benannten Sachverständigen Dr. N. und
schließlich von Dr. N. ausführlich gewürdigt. Von allen Sachverständigen wurde klargestellt, dass beim Kläger kein organischer
oder psychischer Befund vorliegt, der sozialmedizinisch eine quantitative Leistungsbeeinträchtigung nach sich ziehen würde.
Beim Kläger imponiert vielmehr vor allem eine regressiv getönte Anspruchshaltung bei deutlich erkennbarem Versorgungsanspruch.
Dem von ihm beschriebenen Maximalausmaß der Gesamtstörung steht keine entsprechend intensive therapeutische Anstrengung gegenüber.
Nach den Ausführungen von Dr. Dr. M. liegt ein wenig eindrucksvoller physikalischer und psychischer Befund vor. Auch Dr. N.
hat angemerkt, es sei auffällig, dass der mitgeteilten ubiquitären Schmerzsymptomatik das Fehlen einer adäquaten Schmerzmedikation
und physikalischen Therapie gegenüberstehe. Allein aus der Vielzahl der vom Kläger mitgeteilten Arztbesuche folgt nicht, dass
auch tatsächlich rentenrelevante Funktionsstörungen bei ihm vorliegen. Aus den vom Senat noch beigezogenen Befundbericht des
Krankenhauses D-Stadt über die stattgehabte Schilddrüsenoperation ergibt sich ebenfalls kein anderes Ergebnis. Hier wird davon
berichtet, dass sich bei der am 4. Februar 2011 durchgeführten Thyreidektomie kein Anhalt für eine Malignität ergeben hat.
Der operative Verlauf war komplikationslos. Es trat keine operative Hypocalcämie auf, die Stimmbänder waren frei beweglich.
Zuletzt lag nur noch eine Schwellung im Bereich der Operationsnarbe vor, Beschwerden bestanden nicht.
Mit dem von Dr. N. und Dr. Dr. M. festgestellten Leistungsvermögen des Klägers ist dieser noch in der Lage, als Registrator
mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten. Die Tätigkeit eines Registrators umfasst das Sortieren der von den zuständigen Bürofachkräften
zu bearbeitenden Schriftstücke nach den Vorgaben von Aktenplänen oder anderen Merkmalen, das Erledigen von anfallenden Schreibarbeiten,
wie das Führen von Statistiken, Terminüberwachungslisten und Karteien, das Ziehen und Abstellen von Ordnern/Akten, das Weiterleiten
der zu bearbeitenden Vorgänge zu den sachbearbeitenden Stellen innerhalb des Betriebs bzw. der Behörde mit Registraturwagen,
das Abhängen von Akten oder das Abstellen von Ordnern nach der jeweiligen Bearbeitung. Die schwierigere Tätigkeit im Sinne
der Vergütungsgruppe BAT VIII (nunmehr Entgeltgruppe 3 TVÖD) umfasst die Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach
Anleitung, das Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben, die Erledigung ständig wiederkehrender
Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung, die Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art, die Führung
von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Kenntnis die
Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt, buchhalterische Übertragungsarbeiten, Zinsstaffelberechnungen und die Kontenführung.
Tätigkeiten als Registraturkraft in größeren Unternehmen und im öffentlichen Dienst sind als körperlich leichte Tätigkeit
zu qualifizieren, welche bereits aus arbeitsorganisatorischen Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet
wird. Schweres Heben und Tragen wird nicht gefordert, da in den Registraturen die erforderlichen Hilfsmittel (Registraturwagen,
Ablagemöglichkeiten etc.) in der Regel vorhanden sind. Unerheblich ist, dass in Einzelfällen das Heben und Tragen von Lasten
bis zu 5 kg anfallen, Arbeiten auf Stehleitern und Zwangshaltungen wie Überkopfarbeiten anfallen könnten. Die körperlichen
Belastungen hängen weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsplatzorganisation ab; folglich sind
das Handhaben schwerer Aktenvorgänge, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell mit der Tätigkeit einer
Registraturkraft verbunden (vgl. Urteil des Bay. LSG vom 6. Oktober 2010, Az. L 13 R 596/09, in juris; Urteil des Senats vom 28. April 2010, Az. L 1 R 807/09, in juris).
Der Tätigkeit als Registraturkraft stehen nach Einschätzung des Senats auch nicht die Funktionseinschränkungen des Klägers
an der linken Hand entgegen. Hierfür spricht auch hier, dass der Kläger ausweislich seiner eigenen Schilderung der von ihm
verrichteten Tätigkeiten als Koordinator trotz dieser Einschränkungen an der linken Hand Verwaltungstätigkeiten erledigt hat,
die den Tätigkeiten eines Registrators nahe kommen. Relevante Funktionsverschlechterungen an der linken Hand des Klägers sind
seitdem nicht eingetreten. Das Auftreten von Heiserkeit nach Musizieren und Singen steht einer Tätigkeit als Registrator schließlich
ebenfalls nicht entgegen, da von einem Registrator weder Singen und Musizieren noch dauerndes Reden abverlangt werden.
Der Senat hat auch keinen Zweifel, dass sich der Kläger auf Tätigkeiten als Registrator innerhalb von drei Monaten einarbeiten
kann. Dies entspricht der Einarbeitungszeit für eine Registraturkraft, wobei Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung sind.
An die geistigen Anforderungen einer Tätigkeit als Registraturkraft werden keine über das normal übliche Maß hinausgehenden
Ansprüche gestellt. Soweit der Arbeitsplatz mit einem vernetzten PC ausgestattet ist (wie zum Beispiel bei der Bundesagentur
für Arbeit), können die für alle Beschäftigten und somit auch für die Registraturkräfte erforderlichen grundlegenden Kenntnisse
innerhalb der Einarbeitungszeit auch von Beschäftigten ohne Vorkenntnisse bzw. von bisher nicht in der Bedienung einer Tastatur
geübten Beschäftigten angeeignet werden (vgl. LSG, aaO.). Darüber hinaus hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben während
seiner Tätigkeit als Koordinator den Umgang mit dem Computer erlernt. Er war auch bereits mit Führung und Verwaltung von Personalunterlagen
beschäftigt. Beim Kläger sind daher insoweit schon gewisse Vorkenntnisse vorhanden.
Dr. N. hat auch erklärt, dass der Kläger in der Fähigkeit, sich auf andere Tätigkeiten umzustellen, nicht eingeschränkt sei.
Bei Arbeitsplätzen in der Registratur handelt es sich nicht um typische Schonarbeitsplätze, für die der Arbeitsmarkt als verschlossen
anzusehen wäre; solche Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden und auch zu besetzen. Als Facharbeiter ist der
Kläger auf Tätigkeiten als Registrator mit schwierigeren Tätigkeiten verweisbar (vgl. BayLSG, aaO.).
Der Kläger hat nach alledem damit keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß
§§
240 Abs.
1,
2 i.V.m. §
43 Abs.
1 SGB VI. Da der Kläger den oben genannten Verweisungsberuf mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, scheidet damit ein Anspruch
auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. voller Erwerbsminderung gemäß §
43 Abs.
1,
2 SGB VI erst recht aus.
Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden
allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen
noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch
die für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Insbesondere besteht keine Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers.
Die Berufung war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§§
183,193
SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.