Aufschiebende Wirkung einer Klage gegen Beitragsnachforderung bei Scheinselbständigkeit
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid.
Die Antragstellerin betreibt in A-Stadt, S. Str, das Hotel G. mit dem angeschlossenen H. Restaurant. Für sie erbrachte die
1963 geborene polnische Staatsangehörige B. W. (B.W.) seit 04.12.2007 Reinigungsarbeiten als selbständige Putzkraft. In Auswertung
der Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes N. nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung führte die Antragsgegnerin eine Betriebsprüfung durch und forderte mit Bescheid vom 31.08.2009/Widerspruchsbescheid
vom 25.11.2009 Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschl. Säumniszuschlage iHv EUR 4.738,12 nach. Die B.W. habe für die Antragstellerin
nur dem Scheine nach im Rahmen einer Selbständigen Tätigkeit gearbeitet, tatsächlich sei B.W. abhängig beschäftigt gewesen.
Dagegen hat die Antragstellerin unter dem 12.12.2009 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.
Noch während des Widerspruchsverfahrens hat die Antragstellerin die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels
beantragt. Mit Beschluss vom 27.10.2009 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde
eingelegt und ihr Begehren auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage umgestellt.
Die Antragstellerin hat ihren Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass der Nachforderungsbescheid erkennbar rechtswidrig
sei und die Nachforderung für die Antragstellerin eine unzumutbare Härte darstelle. B.W. sei nämlich selbständig tätig gewesen,
wie sich aus der Gewerbeanmeldung der B.W., aus Tätigwerden für mehrere Auftraggeber, aus der Verwendung eigener Arbeitsmittel,
der Bezahlung nach Rechnungsstellung, dem Aushandeln der Vergütung, sowie der Freiheit, Art und Zeit der Reinigungsarbeiten
zu bestimmen, zweifelsfrei ergebe. Die Antragstellerin sei finanziell nicht in der Lage, die Nachforderung ohne Gefährdung
der betrieblichen Existenz zu leisten.
Die Antragsgegnerin beruft sich im Wesentlichen darauf, dass B.W. als Reinigungskraft in den Betriebsablauf der Antragstellerin
eingegliedert tätig werde, nur geringerwertige Arbeiten ohne Möglichkeit, Selbständigkeit zu entfalten erbringe, die Arbeiten
höchstpersönlich leiste, arbeitnehmertypisch nach Stunden entlohnt werde, nur 7 EUR/Stunde erhalte, fast ausschließlich ihre
Arbeitskraft der Antragstellerin zur Verfügung stelle, keine nennenswerten Betriebsmittel besitze und kein Unternehmerrisiko
trage.
Das Sozialgericht hat keine erkennbare Rechtswidrigkeit der Nachforderung und keine unbillige Härte sehen können und deshalb
den Antrag nach summarischer Prüfung abgewiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.10.2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid
vom 31.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.10.2009 zurückzuweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber unbegründet. Es besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 31.08.2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009 herzustellen. Dieser Beschluss ergeht wegen längerfristiger urlaubsbedingter
Verhinderung des Vorsitzenden und längerfristiger krankheitsbedingter Verhinderung der weiteren Berichterstatterin auf Grund
der Eilbedürftigkeit §
155 Abs
1, Abs
2 S 2, Abs
4 SGG durch den Berichterstatter.
Wie das Sozialgericht im angefochtenen Beschluss zu den Rechtsgrundlagen des vorliegenden Antragsverfahrens zutreffend ausgeführt
hat, wäre gem §
86 b Abs
1 Nr
2, Abs
3 SGG in Beitragssachen wie hier die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ebenso wie der Klage nach pflichtgemäßem Ermessen des
Gerichts im Rahmen einer summarischen Prüfung anzuordnen, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung
bestünden oder die Bescheidvollziehung eine unbillige Härte darstellte. Beides ist weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich.
Hierzu ist im Einzelnen festzuhalten:
1. §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV, wonach Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung haben, ist in
dem hier zu entscheidenden Verfahren nicht anzuwenden (vgl Bayer. LSG Beschluss vom 07.01.2009 - L 5 R 881/09 B ER).
Zwar sollte §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV nach der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit nicht nur für Statusentscheidungen
der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) gelten, sondern ausdrücklich auch
für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens (vgl. BT-Drs 14/1855, S. 8;
LSG Hamburg, Beschluss vom 25. Oktober 2000, L 3 B 80/00 ER, Rz. 14 - zitiert nach juris; Kassler Kommentar-Seewald, Stand: April 2009, §
7a SGB IV Rn 25; Knospe in: Hauck/Noftz, Stand: Oktober 2009, §
7a SGB IV Rn 51; Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand: Mai 2009, §
7a SGB IV Rn 21; aA: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. November 2008, L 16 B 7/08 R ER, Rz. 18 - zitiert nach juris; jurisPK/Pietrek, §
7a SGB IV Rn 131). Dieser nur aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu entnehmenden Zielsetzung hat der Gesetzgeber aber die Begründung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 28. September 2007 (BT-Drs
16/6540) entgegengesetzt. Danach beginnt mit der Aufhebung des §
7b SGB IV aF "... in allen Fällen einer nachträglichen Feststellung der Versicherungspflicht, mit Ausnahme der Fälle nach § 7a Abs
6, die Beitragspflicht mit der Aufnahme der Beschäftigung" (BT-Drs 16/6540, S. 23).
Weiter ist §
7a Abs.
7 Satz 1
SGB IV vorliegend deshalb nicht anzuwenden, weil die Regelungen der Antragsgegnerin über eine Statusentscheidung hinausgehen. Anders
als §
7a SGB IV ermächtigt § 28p Abs.
1 Satz 5
SGB IV bei Betriebsprüfungen zum Erlass von Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe, während aus §
7a SGB IV keinerlei beitragsrechtliche Zuständigkeiten folgen (vgl. auch BSG, Urteil vom 4. Juni 2009, B 12 KR 31/07 R, Rz. 29 - zitiert nach juris). Die Begründung von Zahlungspflichten ist es jedoch, die nach dem Willen des Gesetzgebers zur
sofortigen Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung nach §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG führen sollte. Die Regelung dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger der Sozialversicherung (vgl. Gesetzentwurf
der Bundesregierung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes - 6. SGGÄndG - BT-Drs 14/5943,
S. 25).
Schließlich geht in dem hier zu entscheidenden Fall die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zurück auf ein Tätigwerden
der Zollbehörden nach dem Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung
vom 23. Juli 2004 (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, BGBl I S. 1842, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen
vom 22. April 2009 - BGBl I S. 818). Das Hauptzollamt N. konnte sich auf konkrete Anhaltspunkte stützen, dass Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz
im Raume steht. Danach leistet Schwarzarbeit, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als
Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen
ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt. In diesen Fällen, die
nicht selten mit sich daran anschließenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren einhergehen, ist durch die Möglichkeit der
sofortigen Vollziehung zu gewährleisten, dass der Zahlungsanspruch der Sozialversicherungsträger auch realisiert und nicht
begünstigt durch den weiteren Zeitablauf nach Widerspruch und Klage, gegebenenfalls auch mit Hilfe von Vermögensumschichtungen
vereitelt werden kann. Anders als in den von §
7a SGB IV geregelten Sachverhalten (vgl. BT-Drs 14/1855, S. 6) besteht hier kein Bedürfnis, die Position eines gutgläubigen Arbeitgebers
zu stärken. Eine Bevorzugung der zumeist bösgläubigen Arbeitgeber ist nicht gewollt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss
vom 5. November 2008, L 16 B 7/08 R ER, Rz. 18 - zitiert nach juris).
2. Die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes N. nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung, die Betriebsprüfungsakten der Antragsgegnerin und das Vorbringen der Antragstellerin selbst
ergeben, dass die B.W.
- im Hotel- mit angegliedertem Gaststättenbetrieb der Antragstellerin
- Reinigungs- und Putzarbeiten
- nach einem Leistungsverzeichnis
- für 7 EUR/Stunde
- an 5 bis 6 Tagen/Woche von 7:30 Uhr bis 14:00 Uhr bzw max. 16:00 Uhr
- unter regelmäßiger Gestellung der Putz- und Reinigungsmittel
erbracht hat. Damit sind unzweifelhaft die wesentlichen Merkmale einer Arbeitnehmertätigkeit und abhängigen Beschäftigung
gem §
7 Abs
1 S 1
SGB IV erfüllt. Es handelt sich hinsichtlich Zeit, Ort und Art um vorgegebene Dienste einfacher Kategorie mit Bezahlung nach Arbeitszeit,
nicht nach Ergebnis, in im Wesentlichen vollständiger Ausnutzung der Arbeitskraft bei höchstpersönlicher Leistungserbringung,
ohne Einsatz eigener Betriebsmittel, ohne Existenz eigener Betriebsstätten, ohne Beschäftigung eigener Arbeitnehmer sowie
ohne erkennbares Betriebsrisiko, das über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft hinausginge. Gegenteilige Anhaltspunkte sind
zwar vorhanden, wie zB die Gewerbeanmeldung und wohl auch ein Orientieren auf dem Markt nach anderen Auftraggebern. Diese
treten aber bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung (BSG NZS 2007, 648) deutlich in den Hintergrund.
Die Antragstellerin hat deshalb die aus den ausgewerteten arbeitszeitbezogenen Abrechnungen die von der Antragsgegnerin auch
der Höhe nach zutreffend berechneten Gesamtsozialversicherungsbeiträge gem §
28d SGB IV als Arbeitgeber allein gem §
28e SGB IV zu zahlen. Zur entsprechenden Festsetzung war die Antragsgegnerin gem § 28p Abs 1 S 2
SGB IV befugt und verpflichtet.
Auch bestehen gegen die geltend gemachten Säumniszuschläge gem §
24 Abs
1 SGB IV dem Grunde und der Höhe nach keine Bedenken; insbesondere ist für die Anwendung von §
24 Abs
2 SGB IV kein Raum.
3. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die sofortige Vollziehung der geltend gemachten Forderung für die Antragsgegnerin
eine unbillige Härte bedeuten würde. Der bloße Vortrag die Antragsgegnerin, sie sei in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet
und könne die von der Antragsgegnerin geforderte Nachzahlung nicht aufbringen, genügt nicht. Konkretere Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen
hat die Antragsgegnerin nicht gemacht. Dies hatte bereits das Sozialgericht ausgeführt und dennoch hat die Antragsgegnerin
insoweit weder konkrete Anhaltspunkte vorgetragen, noch diese glaubhaft gemacht. Es ist nichts Konkretes dargelegt, warum
die Vollstreckung entstandener Sozialversicherungsbeiträge, mit deren Fälligkeit die Antragstellerin zu rechnen hatte, diese
unbillig hart treffen würde.
Die Beschwerde bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.
4.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz i.V.m. §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.