Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II; Rechtsschutzbedürfnis im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Folgen eines
Auskunftsanspruchs des Leistungsträgers
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich gegen ein Auskunftsverlangen des Antragsgegners und daraus mögliche Folgemaßnahmen
(Zwangsgeld, Bußgeldverfahren).
Der 1974 geborene Antragsteller lebt seit Ende 2014 getrennt von seiner Ehefrau und der im Jahr 2004 geborenen gemeinsamen
Tochter D ... Der Antragsgegner gewährt der Ehefrau seit Februar 2015 und der Tochter seit März 2015 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach SGB II.
Mit Schreiben vom 30.03.2015 wurde der Antragsteller zum einen über den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen zu
Gunsten seiner Ehefrau und Tochter nach § 33 SGB II informiert sowie zum andern aufgefordert, anhand eines Auskunftsbogens Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse
zu geben. Die Pflicht zur Auskunft beruhe auf § 33 Abs. 1 Satz 4 SGB II in Verbindung mit §
1361 bzw. §
1605 BGB. Daneben bestehe die öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht nach § 60 SGB II. Sofern dieser zweiten Pflicht nicht nachgekommen werde, könne ein Zwangsgeld festgesetzt oder ein Bußgeldverfahren eingeleitet
werden. Gegen die öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht sei Widerspruch möglich. Den vom Antragsteller eingelegten Widerspruch
wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2015 zurück.
Der Antragsteller erhob dagegen die Klage S 14 AS 439/15, die mit Urteil vom 09.09.2015 abgewiesen wurde. Dagegen wurde die Berufung L 7 AS 665/15 eingelegt.
Bereits am 20.05.2015 stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen das Auskunftsverlangen vom
30.03.2015. Der Antragsgegner solle Auskunftsklagen beim Familiengericht, ein Zwangsgeld sowie ein Bußgeldverfahren gegen
den Antragsteller unterlassen. Der Antragsgegner habe keinen Auskunftsanspruch und keinen Überleitungsanspruch für Unterhaltsleistungen.
Mit Beschluss vom 09.09.2015 lehnte das Sozialgericht Augsburg den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ab,
verpflichtete den Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen und setzte den Streitwert auf 5000,- Euro fest. Der Antrag
sei als Sicherungsanordnung gemäß §
86b Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft, aber mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Der Auskunftsbescheid nach § 60 Abs. 2 SGB II sei noch nicht bestandskräftig. Widerspruch und Klage hätten aufschiebende Wirkung nach §
86a Abs. ein Satz 1
SGG. Deshalb könne der Antragsgegner weitere Maßnahmen zur Durchsetzung des Auskunftsverlangens (Zwangsgeld, Bußgeldverfahren)
erst nach Eintritt der Bestandskraft ergreifen. Ergänzend wurde angemerkt, dass kein materiell-rechtlicher Anspruch bestehe.
Sämtliche Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 60 Abs. 2 SGB II seien erfüllt. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Der Streitwert ergebe sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 4, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG); für die drei geltend gemachten Unterlassungsansprüche seien jeweils 5000,- Euro anzusetzen, mithin 15.000,- Euro, hiervon
jedoch lediglich ein Drittel, weil es sich nur um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handle.
Der Antragsteller hat am 25.09.2015 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe
beantragt. Die Beschwerde richte sich auch gegen den Streitwert. Der Antragsteller habe gegen den Richter am Sozialgericht
Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt. Der Streitwert sei ihm nicht ausreichend erklärt worden. Zu der Zahlung von Leistungen
nach SGB II sei eine namentlich benannte Zeugin zu vernehmen. Hilfsweise sei das Verfahren an das Sozialgerichts zurückzuverweisen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 09.09.2015 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, Auskunftsklagen
beim Familiengericht, ein Zwangsgeld und ein Bußgeldverfahren gegen den Antragsteller zu unterlassen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt
hat.
Das Sozialgericht hat völlig zutreffend ausgeführt, dass es sich um einen Fall der Sicherungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG handelt. Ebenso hat es überzeugend dargelegt, dass es bereits an dem Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil der öffentlich-rechtliche
Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II durch Widerspruch und Klage - jetzt auch durch Berufung - in seiner Vollziehbarkeit gehemmt ist (zur Verwaltungsaktqualität
der Auskunftsforderung nach § 60 SGB II siehe BSG, Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 87/09 R). Dieses Auskunftsverlangen ist von der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 39 SGB II nicht erfasst. Es besteht gemäß §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner hat auch nicht erklärt, die aufschiebende Wirkung nicht beachten zu wollen.
Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass der Antragsteller, soweit er das Unterlassen künftiger Maßnahmen verlangt, vorbeugenden
Rechtsschutz begehrt. Auch im einstweiligen Rechtsschutz gilt, dass für vorbeugende Unterlassungsbegehren ein qualifiziertes
Rechtsschutzinteresse notwendig ist, das nicht gegeben ist, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen
werden kann (BayLSG, Beschluss vom 29.05.2015, L 7 AS 365/15 B ER; zum Hauptsacheverfahren vgl. Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Auflage 2014, §
54 Rn. 42a). Ein derartiges qualifiziertes Rechtsschutzinteresse ist für das Zwangsgeld und Bußgeldverfahren auf Grundlage des
Auskunftsanspruchs nach § 60 Abs. 2 SGB II nicht erkennbar.
Der Antragsteller begehrt auch, dass der Antragsgegner Auskunftsklagen beim Familiengericht unterlässt. Dies bezieht sich
auf den Teil des Schreibens vom 30.03.2015, das gemäß § 33 SGB II den unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch nach den Bürgerlichen Gesetzbuch zum Antragsgegner transportiert. Für den Auskunftsanspruch
nach § 60 Abs. 2 SGB II ist das Familiengericht dagegen nicht zuständig (zu dessen Umsetzung vgl. Blüggel in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 60 Rn. 56, 57).
Der Unterhaltsanspruch geht nach § 33 SGB II kraft Gesetzes über und mit ihm gemäß § 33 Abs.1 S. 4 SGB II der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch. Der Antragsgegner kann also, wenn der Antragsteller die Auskunft nicht fristgemäß
erteilt, unmittelbar Klage auf Auskunft an das Zivilgericht (Familiengericht) richten (Link in Eicher, a.a.O., § 33 Rn. 58,
59). Einstweiliger Rechtsschutz ist hier ebenfalls in Form einer Sicherungsanordnung nach §
86b Abs.
2 S. 1
SGG statthaft. Der Antragsteller will nicht eine neue Rechtsposition erringen (dann Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 S. 2
SGG), sondern den gegenwärtigen Zustand erhalten (Sicherungsanordnung). Ein Verwaltungsakt, der aufschiebender Wirkung nach §
86b Abs.
1 SGG zugänglich wäre, liegt nicht vor.
Für den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch ist das Zivilgericht zuständig, das auch die Voraussetzungen des § 33 SGB II zu prüfen hat (Link, a.a.O., § 33 Rn. 72). Der Antragsteller möchte aber nicht diese Prüfung, sondern er will, dass dem Antragsgegner dieser Weg vom Sozialgericht
von vornherein verboten wird. Das Gesetz eröffnet dem Antragsgegner mit § 33 SGB II den Weg zum Zivilgericht und mit § 33 Abs. 1 S. 4 SGB II gerade die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs beim Zivilgericht. Der Antragsteller kann kein Recht geltend machen, das
dem Antragsgegner dies verbieten würde. Deshalb ist dieser Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung unbegründet und die
Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§
154 Abs.
1 VwGO. Weder Antragsteller noch Antragsgegner sind eine Person nach §
183 SGG, insbesondere kein Leistungsempfänger. Der Antragsteller ist unterlegen. Damit fallen auch Kosten nach GKG an. Hierfür ist der Streitwert auf 5000,- Euro festzusetzen; zur Begründung wird gemäß §
142 Abs.
2 S. 3
SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die gemäß §
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht vorliegt. Der Rechtsstandpunkt des Antragstellers ist nicht vertretbar.
Angemerkt wird, dass eine Bedürftigkeit für PKH nicht erkennbar ist; der Antragsteller verfügt ausweislich der im erstinstanzlichen
Eilverfahren übermittelten Kontoauszüge über einen Monatslohn von netto etwa 2.500,- Euro.
Über die Beschwerde gegen den Streitwert wird gesondert entschieden.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.