Verletzung einer Gemeinderätin bei der Teilnahme an einem Fußballturnier
Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit
Tatbestand
Die 1962 geborene Klägerin verletzte sich am 19.07.2003 bei der Teilnahme an einem Fußball-Ortsteilturnier.
Nach Angabe der Gemeinde nahm sie an diesem Turnier teil als ehrenamtliche Gemeinderätin aufgrund einer mündlichen dienstlichen
Anweisung, die der Bürgermeister ihr während einer Sitzung des Gemeinderates in der Form erteilt habe, dass er die Gemeinderäte
fragte, ob es Interessierte gebe, die eine Mannschaft für das Ortsteilturnier bilden könnten. Der Bürgermeister gab dem Veranstalter,
der Fußballabteilung des TSV H., eine schriftliche Zusage, dass eine Mannschaft mit der Bezeichnung "Der Gemeinderat" teilnehmen
werde. Es spielten bei dem Turnier am 19.07.2003 27 Mannschaften mit je fünf Feldspielern; mindestens eine weibliche Spielerin
musste ständig eingesetzt sein. Startgeld war in Form eines Kuchens je Mannschaft zu zahlen, dies übernahm der Bürgermeister.
Die Gemeinderat-Teilnehmer trugen neutrale Trikots. Drei Familienmitglieder von Gemeinderatsmitgliedern nahmen in dessen Mannschaft
an dem Turnier teil.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.01.2004 eine Entschädigung des Unfalls ab, da es sich um keinen Arbeitsunfall handle,
sondern die Klägerin sich bei einer unversicherten sportlichen Betätigung verletzt habe.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie einwandte, sie habe nicht freiwillig, sondern aufgrund einer dienstlichen Anordnung
des Bürgermeisters teilgenommen und somit eine kommunalpolitische Aufgabe erfüllt, im Vordergrund sollte die Betriebsverbundenheit
stehen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2004 zurück. Ohne die Zuordnungsvoraussetzungen zur öffentlich-rechtlichen
Körperschaft könnten allein die Handlungstendenz einer Person und ihre subjektive Vorstellung, für wen sie ehrenamtlich tätig
sei, keinen Unfallversicherungsschutz begründen.
Zur Begründung der Klage machte die Klägerin geltend, es habe sich um die Wahrnehmung einer repräsentativen Aufgabe im ehrenamtlichen
Bereich als Gemeinderätin gehandelt, zumal ein Mitglied jeder Mannschaft eine Frau sein musste. Sie sei die einzige Gemeinderätin
gewesen, die aufgrund ihres Alters und ihrer Konstitution geeignet gewesen sei. Es sei bei dem Turnier insbesondere darum
gegangen, Kontakt zu den Bürgern zu pflegen, Bürgernähe zu dokumentieren und den Fußballverein ideell zu unterstützen.
Die Beklagte wies darauf hin, dass auch Familienangehörige von Gemeinderatsmitgliedern teilgenommen hätten. Der Mannschaft
des Gemeinderates sei keine offizielle Rolle zugeteilt gewesen, da sie als eine unter vielen anderen Gruppierungen teilgenommen
habe. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der Gemeinderat eine repräsentative Funktion zum Ausdruck hätte bringen sollen.
Es seien weder offizielle Grußworte an den Veranstalter und seine Gäste gerichtet worden, noch sei etwa ein Eröffnungsspiel
für die Gruppierung des Gemeinderats vorgesehen gewesen.
Mit Urteil vom 13.03.2006 hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Dass die Mannschaft keine repräsentative Tätigkeit
ausgeübt habe, ergebe sich schon daraus, dass sie in neutralen Trikots am Turnier teilgenommen habe. Ihre Teilnahme sei auch
nicht im Vorfeld besonders angekündigt worden. Die Mannschaft habe zudem nicht ausschließlich aus Gemeinderatsmitgliedern
bestanden, drei Familienangehörige von Gemeinderäten seien beteiligt gewesen, obwohl es nahe gelegen hätte, durch Teilnahme
eventuell nicht mehr so leistungsfähiger Gemeinderatsmitglieder den repräsentativen Zweck zu verdeutlichen. Die Mannschaft
habe das gesamte Turnier bestritten. Dies bestätige, dass sie nicht im Rahmen einer repräsentativen Tätigkeit, sondern zur
sportlichen Betätigung im Rahmen allgemeiner gesellschaftlicher Verpflichtungen teilgenommen habe. Sie unterscheide sich insofern
nicht von den anderen teilnehmenden Hobby- oder Vereinsmannschaften. Eine dienstliche Weisung könne bei lebensnaher Betrachtung
nicht angenommen werden. Ganz abgesehen davon, dass eine Rechtsgrundlage für eine derartige Weisung nicht ersichtlich sei,
sei dies nicht glaubhaft. Das Thema "Ortsteilturnier" sei kein separater Tagesordnungspunkt einer Gemeinderatssitzung gewesen,
sondern es habe lediglich eine Befragung, ob es Interessierte gebe, stattgefunden. Die Klägerin habe sich auch nicht aus subjektiver
Sicht verpflichtet fühlen können, an dem Turnier teilzunehmen. Es sei ihr mit Sicherheit bewusst gewesen, dass an ihrer Stelle
auch ein Familienmitglied hätte teilnehmen können.
Mit der Berufung führte die Klägerin weiterhin aus, die Teilnahme am Fußballturnier betreffe den Kernbereich ihrer versicherten
Tätigkeit als Gemeinderatsmitglied. Hier sei eine repräsentative Aufgabe wahrgenommen worden. Da die Gemeindeangehörigen sich
untereinander kennen würden, sei eine Aufschrift auf dem Trikot zur Kennzeichnung der Gemeinderatsmitglieder überflüssig gewesen.
Familienangehörige hätten teilgenommen, damit die Mannschaft des Gemeinderats sich nicht wegen mangelnder sportlicher Fähigkeit
der Lächerlichkeit preisgebe und damit den repräsentativen Zweck nicht erfülle. Die dienstliche Weisung des Bürgermeisters
habe zu einer starken moralischen Verpflichtung der Klägerin geführt, da sie erst kurz vor dem Unfall als Gemeinderätin vereidigt
worden sei. Sie habe die vermeintlich erste Gemeinderatspflicht nicht versäumen wollen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass
auch Familienmitglieder am Turnier hätten teilnehmen dürfen, da sie in den Vorjahren weder als Zuschauerin noch als Spielerin
teilgenommen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.03.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2004
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2004 zu verurteilen, den Unfall vom 19.07.2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird ab gesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen
Entscheidung als unbegründet zurückweist (§
153 Abs.
2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente zu keiner
anderen Entscheidung führen können.
Der Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit setzt neben der Unentgeltlichkeit einen bestimmten qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen
Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtliche Tätigkeit für die
Körperschaft ausgeübt werden muss. Wenn dieser in Bezug auf die fragliche Veranstaltung nicht bereits gesetz- oder satzungsmäßig
von vornherein festgelegt ist, bedarf es für die betreffende einzelne Veranstaltung eines gesamtbezogenen eigenständigen Aktes
der Körperschaft als Zuordnungsgrund. Ehrenamtlich wird in diesem Rahmen derjenige tätig, der entweder einen ausdrücklichen
oder einen stillschweigenden Auftrag zum Tätigwerden erhalten hat. Der stillschweigende Auftrag setzt einen klaren Zuordnungsgrund
zum Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der Körperschaft sowie eine erkennbare Bereitschaft der öffentlich-rechtlichen
Körperschaft voraus, den Einzelnen demgemäß zu beauftragen. Von einem qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich
der öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist jedoch nur dann auszugehen, wenn diese in irgendeiner Art und Weise wenigstens
organisatorisch tätig wird. Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Die Gemeinde L. hat sich in keiner Form aktiv
an der Vorbereitung und Durchführung des Turniers beteiligt, sondern lediglich, wie 26 weitere Mannschaften an dem Ortsteilturnier,
das vom Sportverein ausgerichtet wurde, teilgenommen.
Der Versicherungsschutz als Gemeinderätin bezieht sich nur auf diese ehrenamtliche Tätigkeit. Eine repräsentative Aufgabe
ist hier nicht ersichtlich, da die Mitglieder des Gemeinderats als Mannschaft nicht in irgendeiner Art und Weise besonders
gekennzeichnet oder angekündigt waren. Aus den Mitteilungen der Gemeinde L. ergibt sich, dass das Turnier im Mitteilungsblatt
vom 04.07.2003 nur kurz unter der Bezeichnung "Ortsteilturnier" angekündigt war. In der Ausgabe vom 01.08.2003 sind die Sieger
und Platzierten veröffentlicht, "Der Gemeinderat" als Nr. 27. Im Übrigen vertritt nicht der Gemeinderat, sondern der erste
Bürgermeister die Gemeinde nach außen (gemäß Art. 38 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern).
Das gemeinsame Fußballspiel könnte zwar die Verbundenheit zwischen den teilnehmenden Gemeinderatsmitgliedern stärken; abgesehen
davon, dass tatsächlich nur zwei Gemeindesratsmitglieder teilnahmen, kann die Stärkung eines solchen Gemeinschaftsbewusstseins
nicht als Sinn oder Aufgabe im Rahmen der Tätigkeit angesehen werden. Denn Aufgabe des Gemeinderats ist nicht zuvörderst die
Zusammenarbeit, sondern die gegenseitige Kontrolle im Sinne der Gewaltenteilung (vgl. LSG Rheinland-Pfalz vom 30.06.1982,
L 3 U 162/81).
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.