Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Am 14.09.2001 kaufte der Beigeladene bei der Klägerin zu 1) zehn Estrichbeton-Säcke zu je 40 kg. Der Beigeladene holte die
Ware unmittelbar nach der Bezahlung vom Lager ab. Die Säcke wurden vereinbarungsgemäß auf der zum Lager der Klägerin zu 1)
gehörenden Verladerampe zur Abholung bereit gestellt. Der Kläger zu 2) hatte die Aufgabe, die Säcke von der Laderampe dem
Beigeladenen herunter zu reichen. Der Beigeladene wurde von seinem Ladegehilfen M. F. begleitet. Beim Herunterreichen rutschte
ein Sack aus der Hand des Klägers zu 2) und verletzte den Beigeladenen an der linken Hand, die dieser auf dem Rand der Verladerampe
liegen hatte.
Der Beigeladene hatte zunächst beim Landgericht C-Stadt Klage gegen die hiesigen Kläger zu 1) und 2) erhoben, mit dem Ziel,
Schadensersatz zu erlangen. Das Landgericht C-Stadt hat den Prozess gemäß §
108 Abs.2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VII mit Beschluss vom 04.10.2005 ausgesetzt und aufgegeben, binnen sechs Monaten ein Verfahren nach §§
108,
109 SGB VII einzuleiten.
Daraufhin erstatteten die hiesigen Kläger Anzeige bei der Beklagten mit dem Ziel, dass es sich um einen Arbeitsunfall handele,
sodass die Haftung des Klägers zu 2) ausgeschlossen sei, weil der Schaden während eines den Interessen des Betriebes des Beigeladenen
dienenden Vorganges entstanden sei. Der Kläger zu 2) sei zum Unfallzeitpunkt für den Betrieb des Beigeladenen tätig gewesen,
da er auf dessen Bitte hin tätig geworden sei.
Die Beklagte erließ am 05.12.2006 einen Bescheid gemäß §
102 SGB VII über die Ablehnung eines versicherten Arbeitsunfalles und die Ablehnung von Ansprüchen nach §
105 Abs.2 Satz 2
SGB VII. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger zu 2) nicht "arbeitnehmerähnlich" für das Unternehmen Privathaushalt des
Beigeladenen tätig geworden sei. Der Kläger zu 2) habe ausschließlich aufgrund seines mit der Klägerin zu 1) bestehenden Ausbildungs-
bzw. Vertragsverhältnisses gehandelt.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos; Widerspruchsbescheid erging am 23.05.2007.
Hiergegen hat der Kläger am 25.06.2007 Klage beim Sozialgericht München (SG) eingelegt. Der Beigeladene habe den Kläger zu 2), seinerzeit Auszubildender der Klägerin zu 1), dazu überredet, beim Aufladen
der Estrich-Betonsäcke auf den PKW-Kombi zu helfen. Die Tätigkeit des Klägers zu 2) habe entweder Bauarbeiten des Beigeladenen
oder jedenfalls dessen Haushalt gedient.
Mit Urteil vom 10.03.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger zu 2) habe nicht dem Privathaushalt des Beigeladenen "arbeitnehmerähnlich" gedient, sondern
vielmehr ausschließlich aufgrund seines mit der Klägerin zu 1) bestehenden Ausbildungs- bzw. Vertragsverhältnisses. Im Rahmen
der Serviceleistungen zähle es bei einer Baustoffhandlung durchaus zu den üblichen Gepflogenheiten, dem Kunden nach dem Kauf
der Ware beim Verladen behilflich zu sein. Es komme hinzu, dass der Beigeladene schon seit vielen Jahren Kunde der Klägerin
zu 1) gewesen ist.
Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Die Unfalltätigkeit zähle nicht zum Stamm-, sondern Unfallbetrieb des Beigeladenen,
so dass die Vertragsbindung auf Klägerseite insoweit keine Rolle spiele. Die Kläger haben auf ein Urteil des BGH vom 03.05.1983
(VI ZR 68/81) verwiesen.
Der Beigeladene habe den Kläger zu der Mithilfe überredet. Ansonsten hätte dieser sich dieser unangenehmen Aufgabe nicht unterzogen.
Dass es sich hierbei um kurzfristige und auch nicht sonderlich wertvolle Hilfeleistungen handelt, sei nicht relevant. Der
Bevollmächtigte hat auf Urteile des Bayer. Landessozialgerichts vom 11.12.2007 (L 3 U 299/06) und 17.01.2006 (L 3 U 57/05) verwiesen.
Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.03.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23.05.2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2) beim Unfall vom 14.09.2001 im Betrieb des Beigeladenen
diente und es sich insoweit um einen Arbeitsunfall handelte, der dem Betrieb des Beigeladenen zuzuordnen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht München
die Klage abgewiesen. Der Kläger zu 2) ist nicht für den Haushalt des Beigeladenen tätig geworden (§
129 Satz 1 Nr.2
SGB VII).
Gemäß dem Klageantrag handelt es sich um eine Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§
54 Abs.
1,
55 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG (vgl. auch BSG vom 27.04.2010, Az.: B 2 U 23/09 R).
Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus: Der Kläger zu 2) war als Auszubildender bei der Klägerin zu 1) beschäftigt.
Der Beigeladene kaufte dort 10 Estrichbeton-Säcke zu je 40 kg für seinen Privathaushalt. Der Kläger zu 2) hatte im Rahmen
seines Ausbildungsvertrages auch die Aufgabe, die Estrichbeton-Säcke von der Laderampe an den Ladegehilfen des Beigeladenen
herunter zu reichen. Da der Kläger zu 2) mit der konkreten, den Unfall verursachenden Verrichtung eine arbeitsvertragliche
Pflicht gegenüber der Klägerin zu 1) erfüllte, stand diese Verrichtung in sachlichem Zusammenhang mit seiner versicherten
Tätigkeit als abhängig Beschäftigter der Klägerin zu 1) (vgl. dazu BSG vom 27.10.2009, B 2 U 29/08, Juris RdNr. 9).
Anhaltspunkte dafür, dass diese Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten hier ausnahmsweise nicht dem Unternehmen der
Klägerin zu 1), sondern einem Unternehmen oder dem Haushalt des Beigeladenen zuzurechnen sein sollte, sind nicht ersichtlich.
Der Senat vermag sich schon nicht davon zu überzeugen, dass der Beigeladene den Kläger zu 2) überredet hat, ihm beim Ladevorgang
behilflich zu sein.
Diese Angaben wurden vom Beigeladenen ausdrücklich bestritten. Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Kunden
Auszubildende eines Betriebes dazu überreden, über ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Ausbildungsbetrieb hinaus
bei Ladevorgängen zu helfen. Vielmehr war die Klägerin zu 1) verpflichtet, dem Beigeladenen die Ware herauszugeben, damit
er diese auf seinem Fahrzeug verladen konnte. Damit war der Kläger zu 2) für die Klägerin zu 1) und nicht für den Beigeladenen
tätig.
Es ist deshalb unerheblich, dass in anderen Fällen eine auch geringfügige Ladetätigkeit als versicherte Tätigkeit anerkannt
worden ist. Es kommt vielmehr darauf an, für wen der Kläger zu 2) tätig geworden ist.
Da der Kläger zu 2) nicht im Privathaushalt des Beigeladenen tätig geworden ist, liegt kein Fall des §
105 Abs.
2 Satz 1
SGB VII vor. Die Vorschrift ist nämlich nicht anwendbar bei Schädigungen eines Unternehmers durch Personen, die nicht dem Unternehmen
zuzurechnen sind und daher nicht nach Absatz 1 haftungsfrei sind. Die Haftung ist deshalb gemäß §
105 Abs.2 Satz 2
SGB VII nicht ausgeschlossen.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus §§
193,
194 SGG. Die Kosten waren den Klägern als Gesamtschuldner aufzuerlegen, da das Streitverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden
worden konnte (§
194 S. 2
SGG). Kostengläubiger ist auch der Beigeladene, der einen eigenen Antrag gestellt hat, indem er sich dem Antrag der Beklagten
angeschlossen hat.
Das Gericht kann darüber hinaus gemäß §
192 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass dieser den Rechtsstreit
fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden, wie geschehen, in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung
dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Nach
§
192 Abs.
1 S. 2
SGG steht dem Beteiligten sein Bevollmächtigter gleich. Trotz Hinweises des Vorsitzenden auf die Rechtslage hat der Klägerbevollmächtigte
in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 eine Äußerung inhaltlicher Art nicht abgegeben. Als verursachter Kostenbetrag
gilt dabei nach §
192 Abs
1 S. 3
SGG mindestens der Betrag nach §
184 Abs.
2 SGG für die jeweilige Instanz - für das Verfahren vor dem Landessozialgericht somit in Höhe von 225,00 Euro. Der Senat setzte
diesen Mindestbetrag an.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.2 Nrn.1 und 2
SGG liegen nicht vor.