Beschwerde gegen die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung
Fehlender Anordnungsanspruch
Voraussetzungen einer Pflichtversicherung
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm als Versichertem Krankenversicherungsschutz
zu gewähren. Er ist 1950 geboren, Rentner und besitzt die israelische und polnische Staatsangehörigkeit. Seit Februar 2019
ist er in B angemeldet. Im Oktober 2020 beantragte der Antragsteller die Aufnahme in die Pflichtversicherung. Die Antragsgegnerin
lehnte dies mit Bescheid vom 4. November 2020 ab.
Der Antragsteller erhob Widerspruch und hat am 16. März 2021 beim Sozialgericht Berlin (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und sich dabei auf Art. 3 Abs. 1 des Abkommen zwischen dem Staat Israel und der Bundesrepublik Deutschland über soziale Sicherheit (DISVA) berufen.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2021 hat das SG den Antrag in der Sache sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 2. Juni 2021.
Zu deren Begründung führt er aus, sich (mittlerweile wieder) in B aufzuhalten. Er benötige medizinische Behandlung, da er
an Prostatakrebs erkrankt sei.
Er beantragt schriftsätzlich,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2021 abzuändern und Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter
Beiordnung seines Bevollmächtigten zu gewähren,
2. den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2021 abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn antragsgemäß
zu versichern,
3. dem Antragsteller für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu gewähren.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 3. Mai 2021 ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung lagen und liegen nicht vor.
Nach §
86b Abs.
2 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass ein Recht des Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Gemäß §
86b Abs.
2 S. 2
SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung
sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich
dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit
betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen
und glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 S. 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung). Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt
werden.
Drohen dem Versicherten aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare
Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, verlangt Art.
19 Abs.
4 Satz 1
Grundgesetz (
GG) von den Sozialgerichten grundsätzlich eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, die sich von der im Hauptsacheverfahren
nicht unterscheidet (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; 94, 166 <216>; NJW 2003, 1236f.). Sind die Sozialgerichte durch eine Vielzahl von anhängigen entscheidungsreifen Rechtsstreitigkeiten
belastet oder besteht die Gefahr, dass die dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu Grunde liegende Beeinträchtigung des Lebens,
der Gesundheit oder der körperlichen Unversehrtheit des Versicherten sich jederzeit verwirklichen kann, verbieten sich zeitraubende
Ermittlungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. In diesem Fall, der in der Regel vorliegen wird, hat sich die Entscheidung
an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu orientieren (BVerfG NJW 2003, 1236f.; ständige Rechtsprechung des Senats,
vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 29. März 2018 - L 1 KR 26/18 B ER -, juris-Rdnr. 2 mit weiteren Nachweisen).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen danach nicht vor.
Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung des Senats, dass im Wege der einstweiligen Anordnung auch die vorläufige Feststellung
des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses oder die Verpflichtung der Krankenkasse zur Erbringung der gesetzlichen Leistungen
dem Grunde nach erfolgen kann. Ob die Voraussetzungen einer solch weitgehenden Regelungsanordnung vorliegen, ist eine Frage
der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. Beschluss vom 13.
Februar 2015 - L 1 KR 2/15 B ER -, juris-Rdnr. 2, mit Bezugnahme auf die Beschlüsse vom 7. Januar 2008 - L 1 B 336/07 KR ER - und vom 10. April 2013 - L 1 KR 1/13 B ER -).
Es fehlt jedoch in der Sache an einem Anordnungsanspruch.
Der Antragsteller erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Tatbestandes einer Pflichtversicherung nach §
5 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V), insbesondere liegen die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V nicht vor.
Bereits das SG hat in dem angegriffenen Beschluss ausführlich dargelegt, dass sich der Antragsteller nicht auf das DISVA berufen kann. Zwar
geht Art. 3 Abs. 1 DISVA davon aus, dass israelische Staatsangehörige den deutschen gleichstehen. Allerdings wird in Nr. 5
des Schlussprotokolls des DISVA ausdrücklich geregelt, dass als Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung nur diejenigen
in Bezug auf den Versicherungsfall der Mutterschaft gelten.
Das SG hat ferner ausgeführt, dass eine Pflichtversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
13 SGB V als israelischer Staatsangehöriger nach §
5 Abs.
11 S. 1
SGB V ausscheidet, weil der Antragsteller keine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf
mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzt.
Als polnischer Staatsangehöriger besteht aufgrund der Regelung des §
5 Abs.
11 S. 2
SGB V ebenfalls keine Pflichtversicherung.
Nach § 4 FreizügG/EU müssen nichterwerbstätige Angehörige eines Mitgliedstaates der EU, die eine Wohnortnahme in Deutschland beabsichtigen, über
einen Krankenversicherungsschutz verfügen. Damit wird eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorausgesetzt, die eine
Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 von vornherein ausschließt (§ 5 Abs. 11 Satz 2; vgl. bereits Urteil des Senats
vom 20. April 2018 - L 1 KR 385/16 -, juris- Rdnr. 16 u. 25; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 02/21, §
5 SGB V, Rdnr. 477a; BT-Drucksache 16/3100 S. 95: „Satz 2 regelt für nichterwerbstätige Angehörige der Europäischen Union […..],
dass die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 entfällt, solange sie nach dem Recht der Europäischen Union [….] über einen
Krankenversicherungsschutz verfügen müssen.“). Er hält sich hier in Deutschland also nur dauerhaft legal auf, wenn er bereits
über einen Krankenversicherungsschutz verfügt. Dies ist aber nicht der Fall.
Andere Gründe für einen Aufenthalt nach § 2 FreizügG/EU wie etwa Arbeitssuche oder Zusammenleben mit der Familie nach Maßgabe des § 3 FreizügG/EU scheiden aus und sind von ihm auch nicht geltend gemacht worden.
Zu Recht hat das SG auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Voraussetzungen hierfür nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §§
114 Satz 1,
115,
119 Abs.
1 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) nicht erfüllt sind.
Nach den genannten Vorschriften ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten
soll zwar nicht dazu führen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe
zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Prozesskostenhilfe darf deswegen nur verweigert
werden, wenn die Klage völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die
Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 175/05 - NJW 2005, 3849 mit Bezug u. a. auf BVerfGE 81, 347, 357f).
So liegt es indessen hier, die Erfolgsaussichten sind nur ganz entfernte.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend §
193 SGG.
Mangels der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht konnte Prozesskostenhilfe auch für das Beschwerdeverfahren nicht
gewährt werden.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.