Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die vollständige Kostenerstattung für einen durchgeführten Behandlungszyklus In-Vitro Fertilisation
(IVF) sowie einen Zyklus Intracytoplasmatische Spermieninjektion(ICIS).
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin wurde zunächst mit intrauteriner Insemination mit drei Zyklen
behandelt (Behandlungsplan 1 vom 11.01.2016), für die die Beklagte die Kosten vollständig übernahm. Weil diese Methode erfolglos
blieb, war nach dem Behandlungsplan 2 vom 12.07.2016, den die Klägerin bei der Beklagten eingereicht hatte, eine IVF-Behandlung
vorgesehen. Für deren ersten Zyklus vom 5.-19.8.2016 erstattete die Beklagte mit Bescheid vom 13.9.2016 als Zusatzleistung
weitere 50 %. Für den zweiten Zyklus vom 1.-22.2.2017 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme sodann mit Schreiben vom 21.3.2017
ab. Diesem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Gegen dieses Schreiben erhob die Klägerin mit Schreiben vom
6.6.2017 vorsorglich Widerspruch. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 13.6.2017 mit, dass es sich bei dem Schreiben
vom 21.3.2017 um einen Bescheid gehandelt habe und gegen diesen mit Schreiben vom 6.6.2017 bereits Widerspruch erhoben worden
sei.
Da auch die IVF-Behandlung erfolglos blieb, wurde in dem Behandlungsplan 3 vom 6.6.2017 die ICSI-Methode für indiziert gehalten
und der Beklagten vorgelegt. Mit Schreiben vom 29.6.2017 erläuterte die Beklagte der Klägerin, dass lediglich die Kosten für
die Sachleistung iHv 50 % der EBM-Sätze entsprechend der ärztlichen Zuordnung des Behandlungsplanes erstattet werden. Gegen
dieses Schreiben, das wiederum keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 28.7.2017 Widerspruch,
soweit keine Satzungsleistungen umfasst waren. Vom 19.10.-24.11.2017 wurde sodann ein ICSI-Zyklus durchgeführt, den die Klägerin
bezahlte.
In dem Widerspruchsbescheid vom 11.12.2017, der sich im Betreff auf den Widerspruch vom 28.7.2017 und im Sachverhalt auf den
Widerspruch vom 6.6.2017 bezieht, lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme unter Verweis auf § 19b Abs. 1 ihrer Satzung
(in der damals geltenden Fassung; zwischenzeitlich wurde § 19b aufgehoben) ab, da nach dieser nur die ersten drei Versuche
der künstlichen Befruchtung von der Zusatzleistung umfasst seien. Diese drei wären durch die Kostenübernahme für die drei
Zyklen der intrauterinen Insemination nach dem ersten Behandlungsplan aufgebraucht worden.
Die Klägerin hat am 11.01.2018 Klage beim Sozialgericht erhoben mit dem Ziel der Erstattung eines Betrages von 3012,73 €.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 25.08.2020 stattgegeben. Es hat zunächst sowohl den Bescheid vom 21.3.2017
als auch den Bescheid vom 29.6.2017 und die darin abgelehnten Ansprüche auf Kostenübernahme für den zweiten IVF-Zyklus und
den ICSI-Zyklus zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Für beide Behandlungsversuche hat es einen Kostenerstattungsanspruch
aus § 19b der Satzung der Beklagten bejaht. Nach Ansicht des Sozialgerichts und dessen Auslegung des § 19b der Satzung gilt
die Beschränkung auf drei Versuche nur für die jeweilige Methode, sodass beim Wechsel zur nächsten Methode ein neuer Anspruch
auf drei Behandlungszyklen entstehe.
Mit der am 16.02.2021 eingegangenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses ihr am 26.01.2021 zugestellte Urteil. Sie
hält die vom SG vorgenommene Auslegung des § 19b der Satzung für nicht überzeugend.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. August 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichtes für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf das Urteil des SG Hamburg sowie
auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat auch in der Sache auch Erfolg. Der Anspruch der Klägerin auf Übernahme weiterer 50 % der Behandlungskosten
als Zusatzleistungen war mit der Kostenerstattung für die drei Inseminationszyklen erschöpft, sodass die Beklagte die Erstattung
der streitgegenständlichen Behandlungskosten zu Recht abgelehnt hat. Das Urteil des Sozialgerichtes war daher aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sowohl der Bescheid vom 21.3.2017 (IVF-Behandlung) als auch
der Bescheid vom 29.6.2017 (ICSI-Behandlung) Streitgegenstand der Klage sind. Zum einen nimmt der Widerspruchsbescheid vom
11.12.2017 im Betreff Bezug auf den Widerspruch vom 28.7.2017 und im Sachverhalt auf den vom 6.6.2017; zum anderen geht aus
der Begründung des Widerspruchs hervor, dass eine weitere Kostenerstattung insgesamt ausgeschlossen ist. Insoweit kann vollumfänglich
auf die rechtlichen Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen werden.
Der Auslegung des Sozialgerichts, nach der für jede medizinisch indizierte Methode nach den Richtlinien über künstliche Befruchtung
ein neuer Anspruch auf Kostenerstattung für die ersten drei Versuche entsteht, kann jedoch nicht gefolgt werden.
§ 19b Abs. 1 der Satzung lautete: „Die DAK-Gesundheit übernimmt für ihre Versicherten, die nach §
27a SGB V Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung haben, zusätzlich zu den gesetzlich geregelten Ansprüchen in Höhe von
50 % der Behandlungskosten für die ersten drei Versuche weitere 50 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme,
jedoch nicht mehr als die tatsächlich entstandenen Kosten.“
Dem Sozialgericht ist zwar insoweit zuzustimmen, dass sich der Passus „die ersten drei Versuche“ unmittelbar auf den Satzteil
„weitere 50 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme“ bezieht. Insofern muss hinter dem Wort „Behandlungskosten“
ein Komma gelesen werden. § 19b Abs. 1 der Satzung ist indes so zu verstehen, dass nur die ersten drei Versuche insgesamt
kostenerstattungsfähig sein sollen. „Die ersten drei Versuche“ beziehen sich nämlich nicht auf den Behandlungsplan. Der Behandlungsplan
wird in § 19b Abs. 1 der Satzung nur insofern relevant, als dass in ihm die Kosten der Maßnahmen genehmigt werden müssen,
die zu 50 % übernommen werden. Deutlich wird dies, wenn man den versteckten Relativsatz in dem Passus „der mit dem Behandlungsplan
genehmigten Kosten“ auflöst in „die Kosten, die mit dem Behandlungsplan genehmigt wurden“. In Kurzfassung könnte der Satz
also lauten: „Die DAK-Gesundheit übernimmt für die ersten drei Versuche weitere 50 % der Kosten der Maßnahme, die in dem Behandlungsplan
genehmigt wurden.“
Zudem war entgegen dem Vortrag der Klägerin von Seiten der Beklagten – wie in dem vom BSG am 17.12.2019 entschiedenen Fall (B 1 KR 7/19, Rn. 3) – im Schreiben vom 26.1.2016 (139 VA, Rückseite) klargestellt worden,
dass die „Übernahme des Eigenanteils für maximal drei Kinderwunschbehandlungen erteilt“ wird.
Auch wenn das Urteil des BSG aufgrund eines abweichenden Sachverhalts auf den hiesigen Fall nicht übertragbar ist, enthält es eine grundsätzliche Aussage
zu § 19b Abs. 1 der Satzung der Beklagten: „Jedenfalls will § 19b Abs. 1 Satzung die Anzahl der aufzustockenden Behandlungsversuche unabhängig von den konkreten Umständen auf drei begrenzen. Dies schließt Kostenzuschüsse für den vierten und weitere Versuche selbst dann aus, wenn für diese ein
Sachleistungsanspruch (§
27a SGB V) besteht, etwa weil einer der ersten drei Zyklen nicht vollständig durchgeführt wurde, eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft
eingetreten ist, die nicht zur Geburt eines Kindes geführt hat, oder nach der Geburt eines Kindes ein weiterer Kinderwunsch
besteht.“ (BSG, Urt. v. 17.12.2019 – B 1 KR 7/19, Rn. 15). Daraus lässt sich nach Ansicht des Senates ableiten: Wenn § 19b Abs. 1 der Satzung nach dem BSG nicht einmal dann drei neue Versuche gewähren möchte, wenn nach der Geburt eines Kindes ein weiterer Kinderwunsch besteht,
soll erst recht kein neuer Anspruch aufgrund eines bloßen Methodenwechsels entstehen.
Auch kann der Senat dem Sozialgericht nicht folgen, wenn es meint, die Aussagen des BSG seien für diesen Fall nicht von Bedeutung, weil hier die Methoden in einem Stufen-, im vom BSG entschiedenen Fall aber in einem Alternativverhältnis gestanden hätten. Auch im Fall des BSG kamen 2 Methoden zum Einsatz. Wenn das BSG seine Beurteilung gerade nur für das Alternativverhältnis angewandt wissen wollte, wäre zu erwarten gewesen, dass das BSG dies klar zum Ausdruck bringt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das BSG so eine so differenzierte Auslegung vornimmt, wie es das Sozialgericht unterstellt, ohne dies deutlich zu formulieren.
Lediglich klarstellend wird ergänzt, dass aus der anspruchsüberschreitenden Erstattung der Kosten für die erste IVF-Behandlung
im Zeitraum vom 5.-19.8.2016, die als insgesamt vierter Versuch zu werten ist, kein Anspruch auf die Erstattung weiterer Kosten
resultiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.