Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nach Fallpauschalen
Anforderungen an die Kodierung einer Phlegmone an den oberen Extremitäten als Hauptdiagnose nach einer Non-Hodgkin-Lymphom-Erkrankung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt in H. ein Krankenhaus, die Beklagte ist die Krankenkasse einer gesetzlich bei ihr versicherten Patientin,
die sich in der Zeit vom 15. November 2014 bis 10. März 2015 in stationärer Behandlung im Hause der Klägerin befand. Die Versicherte
litt vor Aufnahme im Haus der Klägerin an einer Lymphomerkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom, – NHL – = eine sehr seltene Krebserkrankung,
die in bestimmten Zellen im lymphatischen System ihren Ursprung hat). Es wurde im Vorfeld zweimalig eine allogene Stammzelltransplantation
durchgeführt. Auch wurde eine schwere steroidrefraktäre Graft-versus-Host Krankheit (GvHD) bei der Versicherten diagnostiziert.
Die Aufnahme im Haus der Klägerin erfolgte notfallmäßig aufgrund eines aktuell fieberhaften Infekts bei Vorliegen einer Phlegmone
(unscharf begrenzte, bakterielle Entzündung der unteren Hautschichten) /eines Erysipels am Arm. Die Versicherte litt bei Aufnahme
an einer geminderten Anzahl an weißen Blutkörperchen. Sowohl aerobe, als auch anaerobe Blutkulturen wurden entnommen, die
sich beide als steril herausstellten.
Es folgte eine antibiotische und Infusionstherapie, in deren Verlauf es aufgrund von Inflammationsparametern zu einer Eskalation
bei Hepatoxizität kam. Am 23. Dezember 2014 wurde der Befund am Arm operiert. Im weiteren Verlauf des Aufenthaltes kam es
überdies auch noch zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in Bezug auf das NHL.
Die Klägerin berechnete unter Kodierung der Hauptdiagnose A40.9:L „Sepsis durch Streptokokken, nicht näher bezeichnet“ nach
Internationaler statistischer Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (10. Revision German Modification
Version 2014) – ICD-10 – die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2014 – DRG –) T01A „OR-Prozedur bei infektiösen und parasitären
Krankheiten mit komplexer OR-Prozedur, komplizierender Konstellation oder bei Zustand nach Organtransplantation“. Die Rechnung
wurde durch die Beklagte zunächst bezahlt. Gleichzeitig beauftragte die Beklagte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
(MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Der MDK stellte mit Gutachten vom 27. Juli 2015 fest, dass die Hauptdiagnose Sepsis
nicht bestätigt werden könne, da sich die Sepsis erst während des Aufenthalts entwickelt habe. Als Hauptdiagnose sei vielmehr
die Phlegmone mit dem ICD-10-Kode L03.10 anzugeben. Es ergebe sich bei Ansetzung dieser Hauptdiagnose die DRG J08B (Andere
Hauttransplantation oder Debride-ment ohne komplexe Prozedur, mit bestimmtem Eingriff an Haut, Unterhaut und Mamma, mit äußerst
schweren CC). Die Beklagte verrechnete daraufhin am 29. März 2016 einen Differenzbetrag von 28.229,94 € mit unstreitig bestehenden
Forderungen der Klägerin.
Die Klägerin hat den mit der Rechnung geltend gemachten Anspruch in Höhe der aufgerechneten 28.229,94 € mit ihrer am 31. Mai
2017 beim Sozialgericht Hamburg erhobenen Klage weiterverfolgt. Richtige Hauptdiagnose sei tatsächlich das NHL C82.3 gewesen,
da es sich um einen komplexen Gesamtvorgang gehandelt habe, der im Wesentlichen auf die Grunderkrankung des NHL und die steroidrefraktäre
GvHD als Komplikation der allogenen Stammzelltransplantation zurückzuführen sei. Mit Schriftsatz vom 18. April 2019 (Rechnungseingang
bei der Beklagten am 11. April 2019) wurde der geltend gemachte Anspruch um weitere 2.552,73 € erhöht, da sich diese Summe
bei Kodierung der C82.3 und damit der DRG R61A – „Lymphom und nicht akute Leukämie, mit Sepsis oder bestimmter komplizierender
Konstellation oder mit Agranulozytose, intrakranieller Metastase oder Portimplantation, mit äuß. schw. CC, Alter > 15 Jahre,
mit hochkompl. Chemotherapie oder schwersten CC“ ergebe.
Die Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, die korrekte Hauptdiagnose sei die Phlegmone. Sie beauftragte den MDK mit
einer erneuten Begutachtung. Mit Gutachten vom 23. Oktober 2018 stellte der MDK fest, dass die Vorstellung der Versicherten
mit fieberhaftem Infekt und stark schmerzendem, gerötetem und geschwollenem linkem Unterarm erfolgt sei. Ein septischer Verlauf
sei erst nach Aufnahme ins Krankenhaus nachvollziehbar. Bei Aufnahme habe eine Leukopenie vorgelegen. Es seien aerobe und
anaerobe Blutkulturen entnommen worden, die beide steril gewesen seien. Die Atemfrequenz sei stabil, die Temperatur und der
Blutdruck normal gewesen. Damit habe die Sepsis bei Aufnahme nicht vorgelegen. Zur Aufnahme im Rahmen eines Notfalls habe
die Phlegmone geführt. Wäre es nicht zur Entzündung am Arm gekommen, wäre es im vorliegenden Fall nicht zur Aufnahme gekommen.
Das Sozialgericht hat den Klägerbevollmächtigten im Erörterungstermin am 6. Dezember 2019 auf die Entscheidung L 11 KR 21/15 des Landessozialgerichts Nordrhein-Westphalen hingewiesen und um Stellungnahme dazu gebeten, ob eine Aufnahme auch dann erfolgt
wäre, wenn keine infektiöse Erkrankung vorgelegen hätte. Der Klägerbevollmächtigte hat auf die Auslegungsregel zur DKR 0201
(DKR 2014/02 Neubildungen, 2014-0201l Auswahl und Reihenfolge der Kodes) im Beschluss des Schlichtungsausschusses vom 4. Juli
2016 (Az. (01/2015) hingewiesen, aus der die Kodierbarkeit des Lymphoms folge.
Nach mündlicher Verhandlung am 25. August 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
die zulässige Klage habe keinen Erfolg. Der ursprünglich unstreitig bestehende Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf
Vergütung von Krankenhausbehandlung anderer Versicherter in Höhe von 28.229,94 € sei durch die wirksame Aufrechnung der Beklagten
mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die hier streitige Krankenhausbehandlung erloschen. Die
Klägerin habe auch keinen Anspruch auf den in der Klageerhöhung geltend gemachten weitergehenden Anspruch in Höhe von 2.552,73
€.
Es sei zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der
Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung weiterer 28.229,94 € gehabt habe. Einer näheren Prüfung des Gerichts
bedürfe es nicht.
Dieser andere Vergütungsanspruch sei jedoch durch die wirksame Aufrechnung gemäß §§
387 ff
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten wegen Überzahlung der Vergütung für die hier streitige
Krankenhausbehandlung erloschen. Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der Erstattungsanspruch seien gleichartig und gegenseitig,
der Erstattungsanspruch sei fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar gewesen.
Die Voraussetzungen für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten seien erfüllt.Voraussetzung für den öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch sei, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund
erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden seien. Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis
liege vor. Die sich aus der Erbringung von Leistungen für nach dem
Fünften Buch Sozialgesetzbuch –
SGB V – Versicherte ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und als Leistungserbringer zugelassenen Krankenhäusern
seien öffentlich-rechtlicher Natur. Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen trete an die Stelle des
zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach §
812 BGB der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl. BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR 8/11 R). In dieser öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung habe die Beklagte einen Betrag von 28.229,94 € ohne rechtlichen Grund
an die Klägerin geleistet, weil die Klägerin für die hier streitige Behandlung nur einen um diesen Betrag geminderten Anspruch
auf Vergütung gegen die Beklagte erworben habe. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung
erworben. Die geltend gemachte Krankenhausvergütung bemesse sich generell nach vertraglichen Fallpauschalen. Die konkrete
Anspruchshöhe ergebe sich aus der niedriger vergüteten DRG J08B und nicht aus der von der Klägerin angesetzten höher vergüteten
DRG T01A.
Rechtsgrundlage eines Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung sei §§ 109 Abs. 4 S. 3, 112 Abs. 2 S. 1 SGB Vin
der Fassung vom 26.3.2007 in Verbindung mit dem Versorgungsvertrag der Klägerin nach §
109 SGB V. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entstehe die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer
Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – Juris).
Die Höhe der Vergütung für Krankenhausbehandlung bemesse sich bei DRG-Krankenhäusern nach vertraglichen Fallpauschalen auf
gesetzlicher Grundlage.Die Fallpauschalenvergütung für die stationäre Behandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen
ergebe sich aus §
109 Abs.
4 S. 3
SGB V i.V.m. § 7 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) und § 17b Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG). Der Anspruch werde auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen
und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbarten nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen
Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen
Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit
von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelten oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbarten sie insoweit Abrechnungsbestimmungen
in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 34/15 R). Die vertraglichen Fallpauschalen ergäben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen
Vertragspartner eine FPV mit einem Fallpauschalenkatalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien
für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien – DKR –) vereinbart hätten. DKR und FPV
bildeten den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folge (BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –).
Welche DRG-Position abzurechnen sei, ergebe sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen
Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiere. Das oben geschilderte Regelungssystem setze die generelle
Kodierfähigkeit und damit Abrechnungsrelevanz der Haupt- und Nebendiagnosen voraus.Hier sei als Hauptdiagnose die L03.10 einzugeben,
weshalb nach der DRG-Entscheidungslogik die DRG J08B abrechnungsbestimmend sei.
Die DKR (hier für das Jahr 2014) bestimmten, welche Diagnose als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Die Definition der Hauptdiagnose
ergebe sich aus Abschnitt D002f. Nach dem Wortlaut werde die Hauptdiagnose definiert als: Die Diagnose, die nach Analyse als
diejenige festgestellt worden sei, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten
verantwortlich sei. Der Begriff 'nach Analyse' bezeichne die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes,
um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes
gewesen sei. Die dabei evaluierten Befunde könnten Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese,
einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests
oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen worden seien.
Zusätzlich zu den allgemeinen Kodierrichtlinien enthielten die DKR noch spezielle Kodierrichtlinien. Nach der Einleitung der
DKR 2009 würden in diesen speziellen Kodierrichtlinien besondere Fallkonstellationen beschrieben, die entweder der konkreten
Festlegung dienten oder bei denen aus Gründen der DRG-Logik von den Allgemeinen Kodierrichtlinien abgewichen werden müsse.
Die spezielle Kodierrichtlinie 0201l, auf die sich die Klägerin berufe, enthalte insoweit spezielle Kodierrichtlinien im Hinblick
auf Neubildungen. Der Abschnitt unter Beispiel 1 enthalte dabei folgende Regel: „Der Malignom-Kode ist als Hauptdiagnose für
jeden Krankenhausaufenthalt zur Behandlung der bösartigen Neubildung und zu notwendigen Folgebehandlungen (z.B. Operationen,
Chemo-/Strahlentherapie, sonstige Therapie) (siehe Beispiel 2) sowie zur Diagnostik (z.B. Staging) (siehe Beispiel 3) anzugeben,
bis die Behandlung endgültig abgeschlossen ist, also auch bei den stationären Aufenthalten, die beispielsweise auf die chirurgische
Entfernung eines Malignoms folgen. Denn obwohl das Malignom operativ entfernt worden ist, wird der Patient nach wie vor wegen
des Malignoms behandelt.War der Aufnahmegrund weder die maligne Erkrankung noch die Chemo-/Strahlentherapie, so ist die Hauptdiagnose
gemäß DKR D002 Hauptdiagnose (Seite 4) zu wählen.“
Aus dem Zusammenspiel dieser Vorschriften folge nach Ansicht der Kammer im hiesigen Fall, dass weder die von der Klägerin
zunächst aufgeführte Sepsis A40.9:L noch das Lymphom C82.3 als Hauptdiagnose kodiert habe werden können. Die fehlende Kodierbarkeit
der Sepsis, an der die Klägerin im Ergebnis auch nicht mehr festhalte, folge bereits aus der allgemeinen Kodieranweisung D002f.
Wie der MDK festgestellt habe, habe zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Sepsis bei der Versicherten vorgelegen, so dass die Sepsis
die Aufnahme nicht habe veranlassen können. Die Anwendung der allgemeinen Kodierrichtlinie führe vielmehr zu der vom MDK vorgenommen
Kodierung der Phlegmone als Hauptdiagnose. Die Patientin sei wegen dieser Erkrankung im Rahmen einer Notfallbehandlung bei
der Klägerin aufgenommen worden, so dass die Veranlassung des Krankenhausaufenthaltes auf die Phlegmone zurückzuführen sei.
Die allgemeinen Kodieranweisungen führten auch nicht zu einer Kodierbarkeit des Lymphoms, da nicht ersichtlich sei, dass die
Patientin auch ohne die Phlegmone an dem Tag der Aufnahme aufgenommen worden wäre. Unerheblich sei dabei, dass die Patientin
sehr wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund des Lymphoms einer Krankenhausbehandlung bedurft hätte, da der konkrete
Krankenhausaufenthalt nicht durch das Lymphom veranlasst worden sei.
Auch die spezielle Kodieranweisung 0201l führe hier nicht zur Notwendigkeit der Kodierung einer anderen Hauptdiagnose. Wie
bereits ausgeführt sei die Aufnahme zur Behandlung der Phlegmone erfolgt. Soweit die Klägerin argumentiere, dass die Phlegmone
letztendlich auf das Lymphom zurückzuführen gewesen sei, da es sich um einen komplexen Gesamtvorgang gehandelt habe, der im
Wesentlichen auf der Grunderkrankung des Lymphoms und der steroidrefraktären GvHD als Komplikation der allogenen Stammzelltransplantation
beruhe, möge eine solche mittelbare Verursachungskette ggf. möglich sein, dies führe indes nicht weiter. Primärursache von
Phlegmone seien grundsätzlich Bakterien, so dass eine Ursächlichkeit des Lymphoms für die Phlegmone lediglich mittelbar in
Betracht komme. Es erscheine hier absolut nachvollziehbar, dass das geschwächte Immunsystem den Bakterienbefall der Versicherten
und die ausgelöste Phlegmonerkrankung erleichtert habe, hierbei handele es sich jedoch höchstens um eine mögliche mittelbare
Ursächlichkeit. Gerade eine solche mittelbare Ursächlichkeit werde durch die Kammer jedoch nicht als ausreichend angesehen,
um die Behandlung der Phlegmone als Folgebehandlung bezüglich des Lymphoms einzuordnen.
Eine Vergütungsregelung wie die DKR, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen sei,
könne ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln
gehandhabt werde und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belasse (BSG, Urteil vom 21.04.2015, a.a.O.). Das Gericht schließe sich hier der Argumentation des Landes-sozialgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 11 KR 21/15) dahingehend an, als es diesem Zweck zuwiderlaufe, wenn die Vergütung auf der Grundlage der DKR von der teils sehr diffizilen
Beurteilung eines Ursachenzusammenhangs abhängig gemacht werde. Hieran ändere auch der von der Klägerin zitierte Beschluss
des Schlichtungsausschuss Bund (§17c Abs. 3 KHG) vom 04. Juli 2016 nichts. Der Beschluss habe eine andere Frage zu klären gehabt, nämlich ob bei Kodierung notwendiger Folgebehandlungen
einer bösartigen Neubildung zu unterscheiden sei, ob die Behandlung eine Folge der Tumorerkrankung oder eine Folge der Tumorbehandlung
sei. Soweit der Beschluss ausführe, dass auch notwendige Folgebehandlungen der Tumorbehandlungen zu einer Kodiernotwendigkeit
des Primärtumors führen müssten, stimme die Kammer mit dieser Auslegung grundsätzlich überein. Die Kammer könne sich jedoch
gerade nicht davon überzeugen, dass es sich, wie die Klägerin vorträgt, hier um eine Folgebehandlung der Tumorbehandlung handele,
da wie bereits ausgeführt lediglich ein mittelbarer Zusammenhang festzustellen sei, welcher nicht ausreiche, um von einer
notwendigen Folgebehandlung sprechen zu können. Eine Kodierbarkeit des Lymphoms als Hauptdiagnose scheide aus diesen Gründen
aus.
Da der Beklagten im Hinblick auf die Abrechnung der Behandlung recht gegeben werden müsse, sei auch der mit der Klageerweiterung
geltend gemachte Anspruch auf (zusätzliche) Vergütung der streitigen Behandlung nicht gegeben.
Das Urteil ist den Beteiligten am 21. Januar 2021 zugestellt worden. Am 19. Februar 2021 hat die Klägerin die vorliegende
Berufung erhoben. Zur Begründung betont sie unter Verweis auf ihren Vortrag in der ersten Instanz, dass das Sozialgericht
zu Unrecht angenommen habe, dass Anlass für die Aufnahme der Versicherten die Phlegmone gewesen sei, nicht aber das Lymphom.
Hierauf komme es aber nicht an. Nach dem Beschluss des Schlichtungsausschusses Bund gemäß § 17c Absatz 3 KHG (01/2015) (Internet: Schlichtungsausschuss Bund § 1 Absatz 3 KHG Hauptdiagnose Nebendiagnose DKR 0201 Beschluss v. 04.07.2016 (mydrg.de)) werde gerade nicht darauf abgestellt, welche Erkrankung
den Aufnahmeanlass gebildet habe. Entscheidend sei allein, ob während der Behandlung Maßnahmen in direktem Zusammenhang mit
der Tumorerkrankung durchgeführt worden seien. Das sei im hier zu beurteilenden Fall durchaus und unstreitig der Fall. Es
werde im Beschluss ausdrücklich ausgeführt, dass die Fälle nicht auf die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen beschränkt
würden, die sich allein auf die Behandlung des Tumors selbst bezögen, sondern auch die Ferneffekte erfassten, die einer Tumorbehandlung
immanent seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 25. August 2020 zu verurteilen, an die Klägerin 30.782,67
€ nebst 5 % Zinsen auf 28.229,94 € seit dem 30. März 2016 sowie auf weitere 2.552,73 € seit dem 8. Mai 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass bei Auslegung der DKR 0201l streitig gewesen sei, ob bei der Kodierung notwendiger Folgebehandlungen
einer bösartigen Neubildung zu unterscheiden sei, ob die Behandlung eine Folge der Tumorerkrankung oder eine Folge der Tumorbehandlung
darstelle. Hierzu habe der Schlichtungsausschuss Bund am 4. Juli 2016 beschlossen, die Auslegungsregel zur DKR 0201l wie folgt
zu formulieren: „Wird bei einem Patienten – mit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekanntem Malignom und bevor die Malignom-Behandlung
endgültig abgeschlossen ist – während des stationären Aufenthaltes ausschließlich eine einzelne Erkrankung (oder Komplikation)
als Folge einer Tumortherapie oder eines Tumors behandelt, wird in diesem Fall die behandelte Erkrankung als Hauptdiagnose
angegeben und der Tumor als Nebendiagnose. Hiervon ausgenommen sind solche Fälle, bei denen weitere diagnostische oder therapeutische
Maßnahmen in direktem Zusammenhang mit der Tumorerkrankung durchgeführt werden.“ Um diese Auslegungsregel nicht ausufern zu
lassen, habe der Schlichtungsausschuss im Anschluss wie folgt festgestellt: „Allerdings darf das Abstellen auf den Begriff
der Tumorbehandlung nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich des Satzes 2 so weit zu fassen ist, dass er die Anwendung
der Grundregel des Satzes 1 aushebelt. Daher ist die Einschränkung des direkten Zusammenhanges mit der Tumorerkrankung erforderlich,
um insbesondere eine unbegrenzte Anwendung der Ausnahmeregelung des Satzes 2 auf Ferneffekte der Tumorbehandlung, die nicht
in direktem Zusammenhang mit dieser stehen, auszuschließen“. Zu Recht habe auch das Sozialgericht festgestellt, dass noch
spezielle Kodierrichtlinien zu beachten seien, die besondere Fallkonstellationen beschreiben würden, die entweder der konkreten
Festlegung dienten oder bei denen aus Gründen der DRG-Logik von den allgemeinen Kodierrichtlinien abgewichen werden müsse.
Die spezielle Kodierrichtlinie 0201l der Version 2014 bestimme: „Erfolgt die Aufnahme zur Diagnostik/Behandlung des primären
Malignoms, ist das primäre Malignom als Hauptdiagnose-Code zuzuweisen.“ Weiter werde dann geregelt, dass der Malignom-Kode
als Hauptdiagnose für jeden Krankenhausaufenthalt zur Behandlung der bösartigen Neubildung und zu notwendigen Folgebehandlungen
sowie zur Diagnostik anzugeben sei, bis die Behandlung endgültig abgeschlossen sei. Ausdrücklich werde festgestellt „War der
Aufnahmegrund weder die maligne Erkrankung noch die Chemo-/Strahlentherapie, so ist die Hauptdiagnose gemäß DKR D002 Hauptdiagnose
(Seite 4) zu wählen.“
Aufnahmegrund sei im streitigen Fall die Phlegmone gewesen. Auf die Frage des Sozialgerichts, ob die Versicherte auch aufgenommen
worden wäre, wenn keine infektiöse Erkrankung vorgelegen hätte, habe die Klägerin bezeichnenderweise nicht geantwortet.
Überdies sei der Beschluss des Schlichtungsausschusses erst im Zeitpunkt seiner Veröffentlichung, also nach dem 25. Juli 2016
wirksam geworden und damit nach Beendigung der hier streitigen Behandlung. Nach der DKR 0201l müsse der Krankenhausaufenthalt
gezielt zur Behandlung der bösartigen Neubildung und zu notwendigen Folgebehandlungen erfolgt sein. Bezogen hierauf sei zwischen
dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft streitig gewesen, ob bei der Folgebehandlung einer bösartigen
Neubildung, die den Krankenhausaufenthalt veranlasst hatte, zu unterscheiden sei, ob die Behandlung eine Folge der Tumorerkrankung
oder eine Folge der Tumorbehandlung gewesen sei. Der Beschluss des Schlichtungsausschusses habe klargestellt, dass, wenn ausschließlich
eine einzelne Erkrankung (oder Komplikation) als Folge der Tumortherapie oder eines Tumors behandelt werde, die behandelte
Erkrankung als Hauptdiagnose anzugeben sei, das heiße also, dass nicht danach unterschieden werde, ob die Behandlung eine
Folge der Tumorerkrankung oder eine Folge der Tumorbehandlung sei. Das gelte nicht für Fälle, in denen bei Patienten, bei
denen die Malignom-Behandlung noch nicht abgeschlossen sei, neben der Behandlung der Erkrankung infolge des Tumors oder der
Tumortherapie weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen der Tumorerkrankung in direktem Zusammenhang mit der Tumorerkrankung
durchgeführt würden. Auch bei dieser Konstellation gelte, dass es sich um einen Krankenhausaufenthalt zur notwendigen Folgebehandlung
handeln müsse. Hier sei der Krankenhausaufenthalt aber hauptsächlich durch die Phlegmone veranlasst gewesen. Ohne das Auftreten
dieser wäre es nicht zur Aufnahme der Patientin gekommen. Bei der Phlegmone handele es sich bezogen auf das Lymphom um keine
notwendige Folgebehandlung. Primäre Ursache von Phlegmonen seien grundsätzlich Bakterien. Es erscheine zwar, wie das Sozialgericht
ausgeführt habe, nachvollziehbar, dass das geschwächte Immunsystem der Versicherten den Bakterienbefall und das Entstehen
der Phlegmone erleichtert habe. Dies reiche aber nicht aus, um die Behandlung der Phlegmone als Folgebehandlung bezüglich
des Lymphoms einzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozess- und die Verwaltungsakte der Beklagten
sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 26. August 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die von der Klägerin
geltend gemachte Forderung ist durch Aufrechnung (§
69 Abs.
1 S. 3
SGB V Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung <SGB V> i.V.m. §§
387 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch) erloschen. Der Beklagten stand insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, denn sie hatte der Klägerin für
den hier streitigen Behandlungsfall zunächst 28.229,94 € ohne Rechtsgrund bezahlt. In dieser Höhe stand der Klägerin eine
Vergütung nämlich nicht zu, da die von ihr verwandte Kodierung und darauf beruhende Abrechnung unzutreffend war.
Im Ergebnis Gleiches gilt für die im Laufe des Verfahrens von der Klägerin weiter geltend gemachte Forderung von 2.552,73
€, für die eine Anspruchsgrundlage nicht besteht.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs ist §
109 Abs.
4 S. 3
SGB V, § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008
sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002
zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und unter anderem der Beklagten (Vertrag nach §
112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig
von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem
zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne des §
39 Abs.
1 S. 2
SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – Juris). Im Übrigen kann gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden.
Nur ergänzend und insbesondere mit Blick auf die Berufungsbegründung gilt das Folgende:
Vorliegend war die stationäre Behandlung nicht mit dem von der Klägerin verwandten Kode sondern mit dem von der Beklagten
angeführten abzurechnen, denn als Hauptdiagnose war die für die Einlieferung der Versicherten in das Klinikum der Klägerin
ursächliche Phlegmone an den oberen Extremitäten mit dem ICD-10 Kode L03.10:L zu verschlüsseln, woraus die DRG J08B folgert.
Weder war die fragliche Behandlung mit dem von der Klägerin zunächst verschlüsselten und für eine „Sepsis durch Streptokokken,
nicht näher bezeichnet“ zu verwendenden Kode A40.9:L, welcher hier zur DRG T01A „OR-Prozedur bei infektiösen und parasitären
Krankheiten mit komplexer OR-Prozedur, komplizierender Konstellation oder bei Zustand nach Organtransplantation“ führte, noch
mit dem im Laufe des Verfahrens von der Klägerin geänderten Kode C82.3 für „Follikuläres Lymphom Grad IIIa“ und der daraus
erwachsenden DRG R61A „Lymphom und nicht akute Leukämie, mit Sepsis oder komplizierender Konstellation oder mit Agranulozytose,
intrakranieller Metastase oder Portimplantation, mit äuß. schw. CC, Alter > 15 Jahre, mit hochkompl. Chemotherapie oder schwersten
CC“ abzurechnen.
Zu Recht hat das Sozialgericht zunächst auf die DKR (2014) Abschnitt D002f abgehoben, welche definiert, welche Diagnose als
Hauptdiagnose zu kodieren ist. Danach wird die Hauptdiagnose definiert, als „die Diagnose, die nach Analyse als diejenige
festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts des Patienten verantwortlich
ist“. Genauso folgt der Senat auch der Einschätzung des Sozialgerichts, dass die speziellen Kodierrichtlinien – hier 0201l
– im Zusammenspiel mit den allgemeinen die Klärung besonderer Fallkonstellationen bezwecken sollen. Nach der Deutschen Kodierrichtlinie
2014, 02 Neubildungen 0201l hängt die Reihenfolge der Kodes von der Behandlung während des betreffenden Krankenhausaufenthaltes
ab. Erfolgt die Aufnahme zur Diagnostik/Behandlung des primären Malignoms, ist das primäre Malignom als Hauptdiagnose-Kode
zuzuweisen. Weiter heißt es dort:
„Der Malignom-Kode ist als Hauptdiagnose für jeden Krankenhausaufenthalt zur Behandlung der bösartigen Neubildung und zu
notwendigen Folgebehandlungen (z.B. Operationen, Chemo-/Strahlentherapie, sonstige Therapie) (siehe Beispiel 2) sowie zur
Diagnostik (z.B.Staging) (siehe Beispiel 3) anzugeben, bis die Behandlung endgültig abgeschlossen ist, also auch bei den stationären
Aufenthalten, die beispielsweise auf die chirurgische Entfernung eines Malignoms folgen. Denn obwohl das Malignom operativ
entfernt worden ist, wird der Patient nach wie vor wegen des Malignoms behandelt. War der Aufnahmegrund weder die maligne
Erkrankung noch die Chemo-/Strahlentherapie, so ist die Hauptdiagnose gemäß DKR D002 Hauptdiagnose (Seite 4) zu wählen.“
Vorliegend beruhte die Aufnahme in die stationäre Behandlung jedoch nicht auf der NHL-Erkrankung, sondern auf der Phlegmone,
die zwar, wie bereits das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, als Folge des durch die Erkrankung und darauf beruhender
Therapie mit der Folge der GvHD in einem geschwächten Immunsystem der Patientin möglicherweise leichter Platz finden konnte.
Es bleibt aber allenfalls bei einer nur mittelbaren Verursachung durch die Krankheit bzw. der darauf erfolgenden therapeutischen
Behandlung (allogene Stammzelltherapie) mit der Folge der GvHD bei der Versicherten. Der Verursachungszusammenhang erfordert
jedoch eine engere Verknüpfung als hier festzustellen ist.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zieht offenkundig mit der Berufung die in Satz 2 des Beschlusses des Schlichtungsausschusses
1/2015 vom 4. Juli 2016 gemäß § 17c Abs. 3 KHG gefundene Auslegungsregel zur DKR 0201l zur Begründung seines Anspruches heran, indem er vorträgt, dass „Maßnahmen im direkten
Zusammenhang mit der Tumorerkrankung durchgeführt wurden“. Das überzeugt jedoch nicht. Der Beschluss stünde dem hier vertretenen
Ergebnis nur entgegen, wenn die dort gefundene Regelung auf den vorliegenden Fall Anwendung fände. Dafür wäre u.a. Voraussetzung,
dass es sich um einen Fall handelt, der unter Satz 1 der Auslegungsregel subsumierbar ist und bei dem folglich die in Satz
2 geregelte Ausnahme von Satz 1 eingreifen kann. Wie bereits das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat,
sind bereits die Voraussetzungen von Satz 1 des Beschlusses nicht erfüllt, so dass die Ausnahmeregel von Satz 2 nicht zur
Anwendung kommt.
Anlass für die Anrufung des Schlichtungsausschusses war Streit über die Frage, ob bei der Kodierung von Folgebehandlungen
einer bösartigen Neubildung zwischen einer Behandlung als Folge der Tumorerkrankung – dann Kodierung des Tumors als Hauptdiagnose
– oder als Folge der Tumorbehandlung – dann Kodierung der Folge als Hauptdiagnose – (so der GKV-Spitzenverband) oder in beiden
Fällen der Tumor als Hauptdiagnose (so die Deutsche Krankenhausgesellschaft) zu kodieren ist. Die dort formulierte Auslegungsregel
zur DKR 0201l lautet:
„Wird bei einem Patienten – mit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekanntem Malignom und bevor die Malignom-Behandlung endgültig
abgeschlossen ist – während des stationären Aufenthaltes ausschließlich eine einzelne Erkrankung (oder Komplikation) als Folge
einer Tumortherapie oder eines Tumors behandelt, wird in diesem Fall die behandelte Erkrankung als Hauptdiagnose angegeben
und der Tumor als Nebendiagnose.
Hiervon ausgenommen sind solche Fälle, bei denen weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen in direktem Zusammenhang
mit der Tumorerkrankung durchgeführt werden.“
Nach Satz 1 muss es sich somit bei der Phlegmone um eine Erkrankung – eine Komplikation kommt hier nicht in Betracht – handeln,
die als Folge einer Tumortherapie oder eines Tumors behandelt wird. Zu der Frage, welcher Art und Intensität die Kausalität
zwischen der malignen Grunderkrankung und der (Folge-) Erkrankung zu sein hat, gibt der Schlichtungsausschuss in den Gründen
zu seinem Beschluss weitere Hinweise. Danach begründet er seine Entscheidung zu S. 1 wie folgt:
„…Weiterhin ist Voraussetzung, dass ausschließlich eine einzelne Erkrankung oder Komplikation als Folge des Tumors oder der
Tumortherapie – und nicht weitere Folgeerkrankungen oder andere Erkrankungen – während des stationären Aufenthaltes behandelt
werden. Diese mengenmäßige Begrenzung wurde im Sinne eines Kompromisses in Analogie zur Symptomregelung in der DKR 0201 vorgesehen,
um den Sinn der Kodierrichtlinien nicht inhaltlich zu unterlaufen. Die Begrenzung der Anwendbarkeit des S. 1 der Auslegungsregel
auf Fälle, in denen lediglich eine einzelne Erkrankung oder Komplikation als Folge der Tumortherapie oder des Tumors behandelt
wird, dient somit dem Zweck, die fortgesetzte Behandlung des Tumors unter der Hauptdiagnose des Malignoms nicht zu verändern.
Vielmehr sollte eine Lösung für solche Fälle gefunden werden, bei denen der Patient nicht wegen des Tumors, sondern ausschließlich
wegen einer einzelnen Erkrankung oder Komplikation stationär behandelt wird…“ und weiter zu S. 2:
„Satz 2 beinhaltet eine Ausnahme, wonach die Grundregel des Satzes 1 nicht in den Fällen gilt, in denen weitere diagnostische
oder therapeutische Maßnahmen in direktem Zusammenhang mit der Tumorerkrankung durchgeführt werden.
Bei einer Tumorbehandlung handelt es sich um eine hochkomplexe Form der Behandlung, bis zu deren endgültigem Abschluss i.d.R.
eine Reihe von Folgebehandlungen erforderlich sind. Bis zum Abschluss der Tumorbehandlung steht daher ausweislich der Kodierrichtlinie
DKR 0201 die Tumorbehandlung hinsichtlich der Kodierung der Hauptdiagnose im Vordergrund.
Voraussetzung für das Eingreifen von Satz 2 ist demnach, dass bei Patienten, bei denen die Malignom-Behandlung noch nicht
abgeschlossen ist, neben der Behandlung der Erkrankung infolge des Tumors oder der Tumortherapie weitere diagnostische oder
therapeutische Maßnahmen der Tumorerkrankung durchgeführt werden. Diese Formulierung stellt sicher, dass sowohl bei Fällen
mit weiterer Diagnostik als auch weiterer Therapie der Tumorerkrankung der Tumor als Hauptdiagnose zu kodieren ist. Erforderlich
ist jedoch, dass die diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen in direktem Zusammenhang mit der Tumorerkrankung durchgeführt
werden. Um die Komplexität der Tumorbehandlung zur Gänze zu erfassen, wurde explizit der Begriff der Tumorerkrankung, der
in seiner Reichweite über den Begriff des Tumors hinausgeht, gewählt. Somit sind diese Fälle nicht auf die diagnostischen
und therapeutischen Maßnahmen beschränkt, die sich alleine auf die Behandlung des Tumors selbst beziehen, sondern erfasst
auch die Ferneffekte, die einer Tumorbehandlung immanent sind. So ist beispielsweise die Implantation eines Port zur besseren
Verabreichung der Medikation bei Tumoranämie gleichfalls als eine direkte Behandlung der Tumorerkrankung zu verstehen, wenngleich
es sich hier in Bezug auf den Tumor eher um indirekte Maßnahmen handelt. Auch schließt der Begriff der Tumorerkrankung beispielsweise
die Behandlung von Metastasen des Tumors ein. Allerdings darf das Abstellen auf den Begriff der Tumorbehandlung nicht dazu
führen, dass der Anwendungsbereich des Satzes 2 so weit zu fassen ist, dass er die Anwendung der Grundregel des Satzes 1 aushebelt.
Daher ist die Einschränkung des direkten Zusammenhanges mit der Tumorerkrankung erforderlich, um insbesondere eine unbegrenzte
Anwendung der Ausnahmeregelung des Satzes 2 auf Ferneffekte der Tumorbehandlung, die nicht in direktem Zusammenhang mit dieser
stehen, auszuschließen…“
Unstreitig fest steht, dass die Phlegmone eine bakterielle Erkrankung der Weichteile (des interstitiellen Bindegewebes) ist.
Damit ist es eine Erkrankung, die grundsätzlich unabhängig von der Krebserkrankung (dem NHL) auftreten kann und damit gerade
keine derjenigen Ferneffekte darstellt, die einer Tumorbehandlung immanent sind. Denn dann müsste es einen Erfahrungssatz
geben, nachdem die Phlegmone eine typische Folge der NHL-Erkrankung oder -Therapie ist. Einen solchen behauptet aber auch
die Klägerin nicht. Allenfalls stellt diese (wie in der mündlichen Verhandlung des Senats durch einen im Klinikum der Klägerin
beschäftigten Arzt dargelegt) die Phlegmone in einen kausalen Zusammenhang mit der durch die allogene Stammzelltherapie hervorgerufenen
GvHD. Denn die Therapie der GvHD schaffe durch die damit zusammenhängende Unterdrückung des körpereigenen Abwehrsystems günstige
Voraussetzungen für die Etablierung der durch Bakterien hervorgerufenen Infektion des interstitiellen Bindegewebes (=Phlegmone).
Diese Kausalitätskaskade führte aber gerade zu demjenigen Effekt, der durch den Beschluss des Schlichtungsausschusses vermieden
werden sollte, nämlich eine unbegrenzte Anwendung der Ausnahmeregel des Satzes 2 auf Ferneffekte der Tumorbehandlung, die
nicht in direktem Zusammenhang mit dieser stehen.
Nur hilfsweise und, ohne dass die Entscheidung hierauf beruht, sei darauf hingewiesen, dass der Beschluss aus der Zeit nach
der streitbefangenen Behandlung, die von November 2014 bis März 2015 stattfand, stammt. Eine Rückwirkung der Beschlüsse des
Schlichtungsausschusses dürfte rechtlich schwer vertretbar sein (in diesem Sinne auch bereits Urteil des Senats vom 24. Juni
2021, Az. , S. 13f UA). Zwar enthält die in der zum Zeitpunkt dieses Falles gültige Fassung der Vorschrift von § 17c Abs. 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG – vom 21.7.2014 noch keine Wirksamkeitsregel, anders als in § 19 Abs. 4 S. 3 KHG, der die Nachfolgeregel zu § 17c KHG enthält und wo eindeutig formuliert ist: „Die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses gelten für die zugelassenen Krankenhäuser, die Krankenkassen und die Medizinischen
Dienste für die Erstellung oder Prüfung von Krankenhausabrechnungen für Patientinnen und Patienten, die ab dem ersten Tag
des übernächsten auf die Veröffentlichung der Entscheidung folgenden Monats in das Krankenhaus aufgenommen werden, und für
die Krankenhausabrechnungen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung bereits Gegenstand einer Prüfung durch
den Medizinischen Dienst nach §
275 Absatz
1 Nummer
1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch sind“. Das Prinzip der Rechtssicherheit und die Vermeidung rückwirkender Streitigkeiten um Abrechnungen zwischen Krankenkassen und
Leistungserbringern verlangt aber eine solche Auslegung der Norm auch bereits bei der in § 17c Abs. 3 KHG formulierten Fassung. Hinzukommt, dass es sich bei dem fraglichen Beschluss des Schlichtungs-ausschusses letztlich nicht
um reine Auslegungsfragen handelt. Solche würden regelmäßig auch in die Vergangenheit wirken können. Vielmehr regelt der Schlichtungsausschuss
abweichend von den Grundregeln der DKR zur Auswahl und Reihenfolge der Kodes sowie der Bestimmung von Haupt- und Nebendiagnosen
Ausnahmeregeln in Fällen, die unter Satz 1 und 2 des Beschlusses fallen. Insoweit ist er rechtsetzend tätig geworden. Bei
Rechtssetzung gilt jedoch, solange nichts Anderes geregelt ist, dass die Norm erst nach ihrer Veröffentlichung in Kraft tritt.
Dafür spricht auch, dass in der alten Fassung von § 17c KHG in Abs. 3 S. 5 bereits normiert ist, dass die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses zu veröffentlichen und für die Krankenkassen,
den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und die zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich sind. Das ist
zugleich auch ein Hinweis darauf, dass die Entscheidungen von deren Veröffentlichung und wie bei Gesetzen im Allgemeinen auch
erst von diesem Zeitpunkt an für in der Zukunft liegende Fälle wirksam werden sollen. Bezeichnenderweise hat der Schlichtungsausschuss
am Ende des Beschlusses formuliert: „Diese Entscheidung wird gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung für den Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 3 KHG im Internet abrufbar unter….veröffentlicht und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wirksam.“
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.