Anspruch auf Insolvenzgeld nach dem SGB III
Anforderungen an eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit bei kriminellen Tätigkeiten des ehemaligen Arbeitgebers
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Februar 2013.
Die im Jahre 1980 geborene Klägerin war aufgrund eines bis zum 1. November 2014 befristeten Arbeitsvertrages ab dem 1. November
2012 bei der Firma A. (im Folgenden: Arbeitgeber) als Call-Agentin beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis
mit Schreiben vom 28. Januar 2013 zum 7. Februar 2013. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg
(22 Ca 36/13), welches mit Versäumnisurteil vom 12. April 2013 feststellte, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 14. Februar 2013 fortbestehe.
Zudem wurde der Arbeitgeber zu Lohnzahlungen für die Zeit vom 1. November 2012 bis 14. Februar 2013 verurteilt. Für die Zeit
vom 24. Januar 2013 bis 25. Januar 2013 erhielt die Klägerin von ihrer Krankenkasse Kinderkrankengeld in Höhe von insgesamt
84,62 € brutto (74,50 € netto).
Am 14. Februar 2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld, ohne Angaben zum Insolvenzereignis
zu machen. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe nur
bei Vorliegen eines der in §
165 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 - 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) genannten Insolvenzereignisse. Im Falle der Klägerin habe ein solches nicht festgestellt werden können.
Mit Antrag vom 7. Dezember 2013, bei der Beklagten eingegangen am 3. Januar 2014, begehrte die Klägerin erneut die Zahlung
von Insolvenzgeld für die vorgenannte Tätigkeit beim Arbeitgeber. Durch ihren Rechtsanwalt habe sie Kenntnis von einem Insolvenzereignis
erlangt. Für die Zeit vom 1. November 2012 bis 14. Februar 2013 habe sie kein Arbeitsentgelt erhalten. Die Klägerin verwies
auf den Inhalt des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. April 2013 (22 Ca 36/13).
Mit Bescheid vom 7. Januar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Ein Insolvenzereignis habe nicht festgestellt
werden können. Wie bereits mit Bescheid vom 23. Dezember 2013 mitgeteilt, könne eine Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers
nicht festgestellt werden.
Am 21. Januar 2014 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2013 ein. Es liege ein Insolvenzereignis
gemäß §
165 Abs.
1 S. 1 Nr.
3 SGB III vor. Der ehemalige Arbeitgeber habe seine Betriebstätigkeit vollständig eingestellt. Unter seinem ursprünglichen Geschäftssitz
in der P. sei er nicht mehr zu erreichen. Sie habe erfahren, dass gegen den Arbeitgeber ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren
anhängig sei. Bisher sei die Zwangsvollstreckung bis auf eine erste Gehaltszahlung von 991,95 € erfolglos geblieben. Auch
die Zwangsvollstreckung am Wohnsitz des Arbeitgebers sei erfolglos verlaufen. Die Klägerin übersandte das Protokoll einer
Zwangsvollstreckung vom 24. September 2013. Dem Gerichtsvollzieher seien weitere Vollstreckungsmaßnahmen Dritter bekannt.
Der Gerichtsvollzieher habe die Unpfändbarkeit festgestellt. Zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über
die Vermögensverhältnisse sei der Arbeitgeber nicht erschienen; das entsprechende Protokoll vom 25. Oktober 2013 legte die
Klägerin der Beklagten vor. Es werde bestritten, dass der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb weiterführe. Die Klägerin teilte
der Beklagten im Januar 2014 telefonisch mit, dass sie Teile des Gehalts durch die Beitreibung des Gerichtsvollziehers erhalte.
Eine Kollegin, die ebenfalls einen Gerichtsvollzieher beauftragt habe, habe ebenso Teile des Gehalts durch die Beitreibung
des Gerichtsvollziehers bekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2013 als
unbegründet zurück. Eine Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei nicht ersichtlich. Der Arbeitgeber habe beim Amtsgericht
bisher keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Die von der Klägerin eingeleiteten Pfändungen seien offensichtlich
erfolgreich gewesen. Die Klägerin habe vorgetragen, sie habe einen Teil ihres Entgelts durch die Zwangsvollstreckung erhalten.
Auch habe eine weitere Kollegin der Klägerin über diesen Weg Entgeltzahlungen erhalten. Dies widerspreche der Annahme der
offensichtlichen Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers. Vielmehr sei von einer Zahlungsunwilligkeit auszugehen.
Am 10. Dezember 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung von Insolvenzgeld aus dem zurückliegenden
Arbeitsverhältnis. Der ehemalige Arbeitgeber habe mit dem Obergerichtsvollzieher E. eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen,
die er nun nicht mehr erfülle. Die Klägerin legte ein Schreiben des Obergerichtsvollziehers E. vom 2. Dezember 2015 vor, wonach
der Schuldner seine Ratenzahlungen eingestellt habe. Der Schuldner sei unbekannt wohin verzogen und die Wohnung stehe leer.
Hierzu trug die Klägerin vor, dass der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb schon lange vorher eingestellt gehabt habe. Die
Klägerin legte eine Aufstellung der offenen Forderungen vor, die sie im Rahmen des Insolvenzgeldes geltend machte; wegen des
Inhalts wird auf Blatt 45 bis 49 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Die Beklagte ermittelte wegen eines Insolvenzverfahrens des Arbeitgebers und kam zu dem Ergebnis, dass kein Beschluss des
Insolvenzgerichts bekanntgemacht worden sei. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 lehnte die Beklagte den Antrag vom 10. Dezember
2015, den sie als Überprüfungsantrag wertete, ab. Der Bescheid vom 7. Januar 2014 bleibe unverändert. Die Überprüfung habe
ergeben, dass weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewandt worden sei.
Mit ihrem hiergegen am 4. Januar 2016 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Beklagte die weitere Entwicklung
seit Januar 2014 nicht berücksichtigt habe. Der Arbeitgeber habe nun endgültig seinen Geschäftsbetrieb eingestellt. Die Ratenzahlungsvereinbarung,
die der Arbeitgeber mit dem Gerichtsvollzieher getroffen habe, habe er nicht mehr bedient. Er sei unbekannt verschwunden,
und seinen Geschäftsbetrieb habe er bereits seit längerer Zeit aufgehoben. Ein Insolvenzereignis bestehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 7.
Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2014 sei bindend. Die Voraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) lägen nicht vor. Die Klägerin habe nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung spreche. Es ergäben sich
auch keine neuen Erkenntnisse, nach denen die Entscheidung falsch sei. Der Vortrag der Klägerin, dass nunmehr Zahlungsunfähigkeit
des ehemaligen Arbeitgebers vorliege, was sich aus der nicht mehr bedienten Ratenzahlung ergebe, führe zu keiner anderen Entscheidung.
Voraussetzung für die Zahlung von Insolvenzgeld sei die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit mit gleichzeitig vorliegender
Zahlungsunfähigkeit. Hier fielen diese beiden Ereignisse, sollten sie so eingetreten sein wie vorgetragen, zeitlich auseinander.
Am 25. Januar 2016 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zu deren Begründung hat sie ihr Vorbringen
aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ein Insolvenzereignis liege vor. Der ehemalige Arbeitgeber habe nun
endgültig seinen Geschäftsbetrieb eingestellt. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 12.
April 2013 sei weitestgehend gescheitert. Der Arbeitgeber habe bereits im Laufe des Jahres 2013 den Geschäftsbetrieb seiner
Handelsagentur in der G. in H1 aufgegeben gehabt. Seitdem sei er nur noch unter seiner Privatanschrift H. in H1 zu erreichen
gewesen. Die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 23. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar
2014 sei damals zutreffend gewesen. Zur damaligen Zeit müsse der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb weitergeführt haben.
Er habe mit dem Gerichtsvollzieher eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, die er vorübergehend auch bedient habe. Der Gerichtsvollzieher
habe an sie von November 2013 bis Juli 2015 Zahlungen vorgenommen; wegen der Höhe der monatlichen Zahlungen wird auf Blatt
15 der Gerichtsakte Bezug genommen. Weitere Zahlungen habe der Arbeitgeber jedoch nicht geleistet. Es bestehe noch eine Restforderung
in Höhe von 3562,34 €. Durch das Untertauchen des Arbeitgebers sei nun das Insolvenzereignis eingetreten. Der Arbeitgeber
habe endgültig seinen Geschäftsbetrieb eingestellt. Mit ihrem Antrag vom 10. Dezember 2015 sei es ihr nicht um eine Überprüfung
des Bescheides vom 23. Dezember 2013 gegangen. Zur damaligen Zeit habe das Insolvenzereignis tatsächlich wohl noch nicht vorgelegen
gehabt. Sie habe nun aufgrund des neuen Insolvenzereignisses den Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Die Beklagte sei für ihre
Behauptung, der Arbeitgeber sei zahlungsunwillig, nicht aber zahlungsunfähig, beweispflichtig. Das Arbeitsverhältnis habe
auf einem betrügerischen Geschäftszweck basiert. Der Arbeitgeber habe nur vorgetäuscht, einen Behindertenbetrieb zu führen.
Diese betrügerische Masche sei bereits im Sommer 2013 aufgedeckt worden. Es habe bis in das Jahr 2015 gedauert, bis die Staatsanwaltschaft
Hamburg diesem Treiben ein Ende gesetzt habe. Gegen den damaligen Arbeitgeber sei zusammen mit anderen ein Strafverfahren
eingeleitet worden. Im November Dezember 2016 habe dann das Strafverfahren vor dem Landgericht Hamburg stattgefunden. Sie
sei als Zeugin zu ihrem Arbeitsverhältnis geladen worden. Sie gehe davon aus, dass der damalige Arbeitgeber verurteilt worden
sei und sicherlich alle Lust verloren habe, weiterhin betrügerisch tätig zu sein. Von Glück könne gesprochen werden, dass
der Arbeitgeber den damaligen Anschein noch bis Mitte 2015 habe aufrechterhalten können und bis dahin die Ratenzahlung mit
dem Gerichtsvollzieher eingehalten habe. Die Zahlungseinstellung sei das Insolvenzereignis gewesen.
Die Beklagte hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides bezogen. Weder die
vollständige Betriebseinstellung noch die Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers hätten festgestellt werden können.
Den Angaben in der Klageschrift zufolge sei der Geschäftsbetrieb im Laufe des Jahres 2013 eingestellt worden. Der ehemalige
Arbeitgeber habe den Angaben der Klägerin zufolge bis Juli 2015 noch Ratenzahlungen auf die ausstehenden Gehaltsforderungen
geleistet. Bis dahin könne nicht von einer Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ausgegangen werden. Aus der Einstellung der
Ratenzahlung sei nicht zwingend zu schließen, dass der Arbeitgeber tatsächlich zahlungsunfähig gewesen sei. Vielmehr sei auch
unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Arbeitgeber nach unbekannt verzogen sei, davon auszugehen, dass er lediglich
zahlungsunwillig sei. Daraus ergebe sich kein Insolvenzereignis. Die Beweislastverteilung bestimme sich nach dem Regelungsgefüge
der für den Rechtsstreit maßgebenden Norm. Dies sei hier § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Die Klägerin berufe sich auf das Tatbestandsmerkmal des sich als unrichtig erweisenden Sachverhalts. Es gehe dann zu ihren
Lasten, wenn das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals nicht festgestellt werden könne. Beweisbelastet für das Vorliegen des
Insolvenzereignisses sei die Klägerin.
Mit Urteil vom 8. Juli 2020 hat das Sozialgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe mangels Insolvenzereignisses
keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Der Widerspruchsbescheid sei schlüssig und nachvollziehbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte
dafür, an seiner Richtigkeit zu zweifeln. Die Frage, ob zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung des Arbeitgebers die Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei, könne nicht positiv beantwortet werden.
Voraussetzung für die Annahme eines Insolvenzereignisses sei, dass die Masselosigkeit vor oder gleichzeitig mit der vollständigen
Beendigung der Betriebstätigkeit eingetreten sei. Eine spätere Masselosigkeit reiche nicht aus. Die möglicherweise bestehende
Zahlungsunfähigkeit und die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit fielen hier zeitlich auseinander. Selbst wenn man
zugunsten der Klägerin nicht von einer Zahlungsunwilligkeit, sondern von einer Zahlungsunfähigkeit ausgehen sollte, was das
Gericht angesichts der unstreitig bis Juli 2015 laufenden Zahlung ausdrücklich nicht tue, liege jedenfalls im Juli 2015, dem
Zeitpunkt der letzten Zahlung, offensichtlich noch keine Zahlungsunfähigkeit vor. Die Betriebseinstellung habe hingegen deutlich
vor diesem Ereignis, nämlich nach Angaben der Klägerin im Jahre 2013, gelegen. Eine Anhörung des Obergerichtsvollziehers sei
entbehrlich gewesen, da diesbezüglich Protokolle vorlägen. Es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Arbeitgeber
untergetaucht sei. Gebe man den Namen in der Google-Suchzeile ein, erscheine ein Eintrag vom 17. Mai 2020, wonach Z1 mittlerweile
einen Warenvertrieb führe und hierfür die bereits bekannte Adresse G. in H1 angebe.
Gegen das ihr am 21. Juli 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. August 2020 Berufung eingelegt. Die Vorinstanz habe
ihren Sachvortrag nur teilweise richtig zur Kenntnis genommen. Sie habe mit ihrem Antrag auf Insolvenzgeld vom 10. Dezember
2015 nicht die Überprüfung der ablehnenden Bescheide vom 23. Dezember 2013 und 7. Januar 2014 beantragt, sodass es hier nicht
um die Überprüfung nach § 44 SGB X gehe. Vielmehr habe sie mit dem erneuten Antrag auf Insolvenzgeld einen neuen Antrag aufgrund veränderter Umstände gestellt.
In der Klagebegründung habe sie ausgeführt, dass die damaligen ablehnenden Bescheide richtig gewesen seien, was sich aus der
mit dem Gerichtsvollzieher getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung habe ablesen lassen. So habe sie in der Klage weiter ausgeführt,
dass der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb über das Jahr 2013 hinaus weitergeführt haben müsse. Er habe die Ratenzahlungsvereinbarung,
wenn auch mit Unterbrechungen, immerhin bis Juli 2015 bedient. Die Vorinstanz gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus
und komme zu einer falschen Entscheidung. Sie überspanne die Anforderungen an ihren – der Klägerin - Sachvortrag, wenn sie
in Zweifel ziehe, dass der Arbeitgeber entgegen den Angaben des Gerichtsvollziehers in der Mitteilung vom 2. Dezember 2015
nicht untergetaucht sei. Die Vorinstanz habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn zwar auf die Protokolle des
Gerichtsvollziehers verwiesen, aber unterstellt werde, sie seien falsch. Der Eintrag im Internet, auf den sich das Sozialgericht
beziehe, stamme nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von einer Auskunftsplattform. Die angegebene Telefonnummer sei nicht
vergeben und auf eine E-Mail-Anfrage habe sie keine Antwort erhalten. Nach der Zahlungseinstellung im Juli 2015 und dem anschließenden
Untertauchen habe der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt. Wenn er keinen Insolvenzantrag gestellt
habe, was ihr nicht bekannt sei, habe der Arbeitgeber den Insolvenzantrag nicht gestellt, weil er mangels Masse offensichtlich
nicht in Betracht gekommen sei. Der Gerichtsvollzieher könne aufgrund seiner Ermittlungen bekunden, dass der Arbeitgeber nicht
zahlungsunwillig, sondern zahlungsunfähig gewesen sei. Sie habe keine Möglichkeiten, die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Arbeitgebers zu ermitteln. Sie könne sich nur auf Indizien stützen. Die Beklagte hingegen sei verpflichtet, Auskunft über
die wirtschaftlichen Verhältnisse bei dem Arbeitgeber einzuholen, und hätte ermitteln müssen, ob ein Insolvenzereignis vorliege.
Zudem könne sich die Beklagte wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht auf die kriminellen Tätigkeiten des ehemaligen
Arbeitgebers berufen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Juli 2020 und des Bescheides vom 22. Dezember 2015
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2016 zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld aus dem Arbeitsverhältnis mit Z1
vom 1. Dezember 2012 bis 14. Februar 2013 nach den gesetzlichen Vorschriften zu zahlen
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie im erstinstanzlichen Urteil.
Der Obergerichtsvollzieher E. hat auch Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass die angeforderten Gerichtsvollzieherakten bei
dem Amtsgericht Hamburg-Harburg nur für fünf Jahre aufbewahrt und dann vernichtet würden. Die Akte aus 2013 sei daher nicht
mehr existent, auch kein Vollstreckungsprotokoll. Der Senat hat Akten der Staatsanwaltschaft Hamburg zum Aktenzeichen 3490 Js 22/16 bezüglich des Zeugen Z1 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Beklagten sowie der beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§
151 SGG) Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember
2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld gemäß §
165 Abs.
1 S. 1, S. 2 Nr.
3 SGB III.
Prüfungsmaßstab ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten nicht § 44 SGB X. Zwar hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 23. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar
2014 sowie mit Bescheid vom 7. Januar 2014 über Anträge der Klägerin auf Insolvenzgeld entschieden. Mit Schriftsatz vom 10.
Dezember 2015 stellte die Klägerin jedoch einen erneuten Antrag auf Insolvenzgeld und nicht auf Überprüfung der bisher ergangenen
Bescheide. So lautete der Wortlaut des Schriftsatzes, dass Insolvenzgeld „erneut beantragt“ werde. Zudem verwies die Klägerin
auf einen geänderten Sachverhalt. Sie teilte der Beklagten mit, dass der ehemalige Arbeitgeber mit dem Obergerichtsvollzieher
eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen gehabt habe, die er nun nicht mehr erfülle. Der Arbeitgeber sei nun unbekannt
verschwunden. Im Rahmen des Klageverfahrens hat die Klägerin vorgetragen, dass die Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsbescheid
vom 23. Januar 2014 zutreffend gewesen sei. Zur damaligen Zeit müsse der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb weitergeführt
haben. Denn er habe die Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher vorübergehend bedient. Durch das Untertauchen
des Arbeitgebers sei nun das Insolvenzereignis eingetreten. Der Arbeitgeber habe endgültig seinen Geschäftsbetrieb eingestellt.
Aufgrund des neuen Insolvenzereignisses habe sie den erneuten Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Hieraus ergibt sich, dass
es der Klägerin nicht um die Überprüfung der bisherigen Entscheidungen der Beklagten, sondern vielmehr um die Geltendmachung
einer neuen Sachlage ging.
Dass die Beklagte den erneuten Antrag auf Insolvenzgeld als Überprüfungsantrag ausgelegt und als solchen beschieden hat, führt
nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. In der Ablehnung des Überprüfungsantrages ist zugleich
die Ablehnung des erneuten Antrages auf Insolvenzgeld zu sehen. Die nach § 35 SGB X erforderliche Begründung des Verwaltungsaktes fehlt nicht, sondern sie ist fehlerhaft, was nicht zur formellen Rechtswidrigkeit
führt.
Bei gebundenen Verwaltungsakten, wozu auch die Entscheidung über einen Antrag auf Insolvenzgeld nach §
165 SGB III zählt, wirken sich bloße Begründungsmängel oder Begründungsfehler auf die Rechtmäßigkeit der Regelung selbst nicht aus und
rechtfertigen grundsätzlich nicht die Aufhebung des Verwaltungsaktes (Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 35, Rn. 22 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 85/99 R, juris). Bei der gerichtlichen Überprüfung ist die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt
zu prüfen. Dabei sind auch solche Rechtsgründe zu berücksichtigen, die die Behörde in ihrer Begründung nicht angeführt hat.
Allerdings kann ein Verwaltungsakt dann nicht auf eine andere Begründung gestützt werden, wenn er dadurch nach Voraussetzungen,
Inhalt und Wirkungen wesentlich verändert und dadurch die Rechtsverteidigung des Betroffenen wesentlich beeinträchtigt würde
(Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 35, Rn. 22). Letzteres ist hier nicht der Fall. Zwar weicht der Prüfungsmaßstab und die Beweislastverteilung bei einem Überprüfungsantrag
nach § 44 SGB X von der Prüfung eines erneuten Antrages auf Insolvenzgeld ab. Die hier von der Beklagten ausgesprochene Ablehnung wird jedoch,
sofern sie als Ablehnung des erneuten Antrages auf Insolvenzgeld ausgelegt wird, nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen
nicht „wesentlich“ verändert. Auch wird die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht wesentlich beeinträchtigt.
Gemäß §
165 Abs.
1 S. 1
SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis
für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. War das Arbeitsverhältnis
- wie vorliegend - vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses,
wobei dieser mitzählt; dabei ist ohne Bedeutung, wie lange das Ende des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis liegt
(Kühl, in: Brand,
SGB III, 7. Aufl. 2015, §
165, Rn. 34; Landessozialgericht (LSG) Hamburg, Urteil vom 30. Januar 2019 – L 2 AL 39/18, juris).
Als Insolvenzereignis gilt nach § 165 Abs. 1 S. 2 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit
im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich
mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Über das Vermögen der A. ist weder ein Insolvenzverfahren eröffnet noch ein entsprechender Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
mangels Masse abgewiesen worden.
Bei der allein als Insolvenzereignis in Betracht kommenden vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit handelt es sich
um einen Auffangtatbestand für diejenigen Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden
Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. Urteile vom 23. November 1981 – 10/8b RAr 6/80, BSGE 53,1, und vom 4. März 1999 - B 11/10 AL 3/98 R, USK 9908; Voelzke, in: Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 06/18, §
165, Rn. 72). „Offensichtlich“ meint dabei nicht zweifelsfrei und erlaubt daher nicht, bei Betriebsbeendigung und Zahlungseinstellung
diesen Insolvenztatbestand zu verneinen, weil keine Tatsachen vorliegen, die den zwingenden Schluss zulassen, dass ein Insolvenzverfahren
mangels Masse nicht in Betracht kommt; es genügt vielmehr der sich aus äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen
Betrachters, d. h. wenn alle äußeren Tatsachen (insofern der Anschein) für Masseunzulänglichkeit sprechen (LSG Hamburg, Urteil
vom 30. Januar 2019 – L 2 AL 39/18, juris, unter Hinweis auf die o.g. Urteile des BSG). Allerdings ist die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit als Insolvenzereignis nur beachtlich, wenn die Lohnzahlung
mit dem Hinweis auf die von der bloßen Zahlungsunwilligkeit zu unterscheidende Zahlungsunfähigkeit unterblieben ist und die
offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorgelegen hat, also vorher oder zumindest gleichzeitig
eingetreten ist (BSG, Urteil vom 4. März 1999 - B 11/10 AL 3/98 R, a.a.O., Voelzke, a.a.O., Rn. 72, 80a, 82, 83; Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - L 10 AL 25/09, juris). Kann trotz der Erleichterungen durch den Begriff „offensichtlich“ eine Feststellung der Masselosigkeit zum maßgeblichen
Zeitpunkt nicht erfolgen, so geht dies zulasten des Arbeitnehmers (LSG Hamburg, Urteil vom 30. Januar 2019 – L 2 AL 39/18, juris; BSG, Urteil vom 20. September 1993 - 10 RAr 9/91, SozR 3 – 4100 § 141b Nr. 7).
Nach diesen Grundsätzen ist ein Insolvenzereignis im Sinne des §
165 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB III hier nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellte der Arbeitgeber seine Betriebstätigkeit in zeitlichem Zusammenhang
mit dem Antrag auf Insolvenzgeld im Dezember 2015 nicht vollständig ein. Aus den beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft
Hamburg zum Aktenzeichen 3490 Js 22/16, Akte SB „Urteil 3490 Js 3/15“, welche das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. März 2017 zum Aktenzeichen 628 KLs 2/16 / 3490 Js 3/15 enthält, ergibt sich, dass der ehemalige Arbeitgeber ab Mitte September 2015 seine betrügerischen Tätigkeiten nach dem im
Urteil näher dargelegten Geschäftsmodell fortgesetzt hat. Herr Z. hatte zu diesem Zweck sein Handelsgewerbe am 12. Januar
2016 von der Betriebsstätte G. auf die P. in H1 umgemeldet (Seite 56 und 57 des Urteils). Um eine mögliche Recherche der Kunden
nach dem betrügerischen Vorgehen ihrer Firma zu erschweren, firmierten Herr Z. und weitere Verurteilte immer wieder um. Auch
die am 10. März 2016 erhobene Anklage ließ Herrn Z. und die weiteren Verurteilten unbeeindruckt. Sie agierten unter der Firma
D. weiterhin in der P. in H1, wo sie am 2. Juni 2016 erneut von einem Kriminalbeamten angetroffen wurden. Seit der Festnahme
einiger Verurteilter am 30. Juni 2016 und des Herrn Z. am 13. Juli 2016 ist kein weiterer Geschäftsbetrieb der Verurteilten
mehr feststellbar gewesen. Herr Z. meldete am 30. Juni 2016 sein Gewerbe ab und hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht
die in den Fällen II., 15. und 75. im Rahmen des Adhäsionsverfahrens geltend gemachten Forderungen anerkannt und bereits während
der laufenden Hauptverhandlung beglichen (Seite 57 des Urteils). An weiteren Stellen des Urteils ist z.B. von offenbar unverändertem
Geschäftsbetrieb am 2. Juni 2016 in den Betriebsräumen in der P. die Rede (Seite 93 des Urteils), von der Gewerbeabmeldung
durch Herrn Z. am 30. Juni 2016 (Seite 93 des Urteils) und von der Einstellung der Tätigkeit durch Herrn Z. nach seiner Festnahme
und Abmeldung seines Gewerbes (Seite 108, 109 des Urteils). Aus diesem strafrechtlichen Urteil ergibt sich sonach, dass die
Betriebstätigkeit des Arbeitgebers erst im Juni 2016 vollständig beendet wurde. Eine von der Klägerin in zeitlichem Zusammenhang
mit ihrer Antragstellung im Dezember 2015 geltend gemachte vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit ist nicht gegeben.
Zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung im Juni 2016 lässt sich eine offensichtliche Masselosigkeit nicht feststellen. Eine
offensichtliche Masselosigkeit muss im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorgelegen haben, also vorher oder zumindest
gleichzeitig eingetreten sein (BSG, Urteil vom 4. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 22. November 2019 – L 3 AL 5/18, juris). Es ist zwischen Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden, wobei aus der Zahlungsunwilligkeit
nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden kann (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 22. November
2019 – L 3 AL 5/18, juris).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im Juli 2015 durch die Einstellung der Ratenzahlung, die mit dem Gerichtsvollzieher
vereinbart war, keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Vielmehr war seinerzeit von Zahlungsunwilligkeit auszugehen. Den von
der Staatsanwaltschaft Hamburg zum Aktenzeichen 3490 Js 22/16 übersandten Akten SB I „Kontounterlagen der H2“ lässt sich entnehmen, dass von einem Konto des Herrn Z. bei der H2 bis zum
von der Staatsanwaltschaft Hamburg abgefragten Zeitraum am 8. Juni 2016 diverse Zahlungen getätigt worden sind, unter anderem
auch Lohnzahlungen. Ferner ergibt sich aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg, dass Herr Z. die im Rahmen des Adhäsionsverfahrens
geltend gemachten Forderungen während der laufenden Hauptverhandlung beglichen hat. Dies spricht für eine Zahlungsunwilligkeit
des Arbeitgebers und keine Zahlungsunfähigkeit. Ob der Umstand, dass Herr Z. laut strafrechtlichem Urteil Schulden aus seiner
Tätigkeit, die Gegenstand des Strafverfahrens gewesen ist, in Höhe von über 200.000 € hat und Privatinsolvenz anmeldete, dagegen
für die Annahme einer offensichtlichen Masselosigkeit spreche könnte – wobei Schulden in großer Höhe allein hierfür nicht
ausreichen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 22. November 2019 – L 3 AL 5/18, juris) – kann dahinstehen.
Denn letztlich scheitert ein etwaiger Anspruch auf Insolvenzgeld auch daran, dass die Klägerin die von Amts wegen zu beachtende
materielle Ausschlussfrist für den Antrag von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis nach §
324 Abs.
3 SGB III nicht eingehalten hat.
Gemäß §
324 Abs.
3 SGB III ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Wurde die Frist
aus nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt, wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten
nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden ist. Ein selbst zu vertretender Grund liegt vor, wenn sich Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht haben.
Die Frist beginnt mit dem Tag nach dem Eintritt des Insolvenzereignisses ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitnehmers.
Auf die tatsächliche Kenntnis des Insolvenzereignisses kommt es mithin nicht an (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom
22. November 2019 – L 3 AL 5/18, juris). Denn diese ist nicht weiteres Tatbestandsmerkmal des §
324 Abs.
3 SGB III (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1983 – 10 RAr 1/82, juris).
Einen Antrag auf Insolvenzgeld nach der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Juni 2016 hat die Klägerin nicht
gestellt. Der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Antrag auf Insolvenzgeld vom 10. Dezember 2015 ist für ein erst
im Juni 2016 geltend gemachtes Insolvenzereignis nicht ausreichend. Zwar ist ein Insolvenzgeldantrag bereits vor Beginn der
Frist aus §
324 Abs.
1 S. 1
SGB III grundsätzlich möglich. Eine vorherige Antragstellung ist jedoch nur dann nicht ausgeschlossen, wenn die notwendigen Angaben
bereits zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten gemacht werden können (LSG Hamburg, Urteil vom 20. April 2016 – L 2 AL 18/15, juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 22. November 2019 – L 3 AL 5/18, juris). Nicht ausreichend sind sonach hinreichende Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Insolvenzereignisses. Vielmehr
müssen die zur Stellung dieses Antrags erforderlichen Angaben bereits bekannt sein bzw. vom Antragsteller angegeben werden.
Daran fehlt es hier. Im ursprünglichen Antrag aus Dezember 2015 wurde keine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit
im Juni 2016 angegeben. Vielmehr machte die Klägerin geltend, dass mit Untertauchen des Arbeitgebers im Dezember 2015 eine
vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit einhergegangen sei. Dies ist nach den obigen Ausführungen jedoch nicht der Fall,
denn die Betriebstätigkeit wurde bis Juni 2016 fortgeführt.
Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte hätte wegen des möglichen Eintritts eines Insolvenzereignisses ermitteln und sie –
die Klägerin – darüber informieren müssen, damit sie sodann einen Antrag auf Insolvenz hätte stellen können, überspannt die
gesetzlich vorgesehenen Verpflichtungen der Beklagten und geht fehl.
Auch der Einwand der Klägerin, die Beklagte könne sich wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht auf die kriminellen
Tätigkeiten des ehemaligen Arbeitgebers berufen, greift nicht durch. Folgte man der Argumentation der Klägerin, so könnte
sie ihrerseits auf ein Arbeitsverhältnis, welches im Rahmen der kriminellen Tätigkeiten des Arbeitgebers, die wegen Verstößen
gegen gesetzliche Vorschriften nach §
134 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) nichtig waren, bestand, keine Ansprüche auf Insolvenzgeld stützen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG sind nicht gegeben.