Tatbestand
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin war die Ehefrau des am xxxxx 1934 geborenen und am xxxxx 2015 verstorbenen Versicherten U.Z.. Der Versicherte
war vom 19. Januar 1954 bis zum 28. August 1954 bei der Firma C. beschäftigt und dort nach Angaben des TAD von September 1987
den Stoffen Toluol, Trichlorphenol, Trichlorphenoxyessigsäure, Methanol sowie Chloressigsäure und einer Einwirkung von 2,3,7,8-TCDD
(„Dioxin“, im Folgenden: TCDD) ausgesetzt. In der TCDD-Nachuntersuchung von 1985 gab der Kläger an, 30 Zigaretten täglich
zu konsumieren (Konsum anlässlich der Untersuchung bei Dr. U1 im September 2001 noch mit 10 Zigaretten täglich angegeben).
Seit den 1970er Jahren leide er an Bronchitis, 1984 sei er wegen eines Blasenkarzinoms operiert worden. Das Vorhandensein
einer Akne oder Chlorakne wurde verneint. In der dermatologischen Untersuchung und der Lungenfunktion fand sich seinerzeit
kein pathologischer Befund. Festgestellt wurden diskrete Hinweise auf eine Polyneuropathie. Eine Blutprobenuntersuchung von
1989 ergab einen Wert von 3,1 Piktogramm (10 g) pro Gramm Blutfett (im Folgenden: pg/g), verbunden mit der Feststellung, dass
die festgestellten PCDD/PCDF-Konzentrationen (Polychlordibenzodioxine und –furane) im Vergleich zur „unbelasteten Normalgruppe“
nicht auf eine berufliche Exposition zurückzuführen seien. Eine spätere Untersuchung ergab im Mai 1992 einen Wert von 10,4
pg/g, dazu heißt es, der Verlauf der Werte liege im Bereich dessen, was bei der bekannten Halbwertzeit zu erwarten sei, Schwankungen
könnten durch unterschiedliche Zeitpunkte und unterschiedliche Labors zu Stande kommen, die restlichen immunologischen Ergebnisse
seien unauffällig, die Befundkonstellation werde für unspezifisch gehalten. In einer weiteren Erklärung des Instituts für
Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der J. heißt es, gerade bei so niedrigen Werten wie denen des Versicherten komme es oft
zu Schwankungen. Dies gelte umso mehr, als die erste Probe aus Vollblut, die zweite aus dem Serum analysiert worden sei. Es
gebe zwei weitere Untersuchungen von 1998 mit 1,9 pg/g Blutfett und von 1990 mit 3,6 pg/g Blutfett, die sich gut in die Reihe
der übrigen Werte einfügten.
Mit Bescheid vom 28. März 1989 wurde die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber dem Versicherten
abgelehnt. Das sich anschließende Sozialgerichtsverfahren (25 U 495/89 = III UBf 7/92) endete nach Einholung mehrerer Gutachten im November 2004 mit einer Rücknahme der Klage durch den Versicherten
im Berufungsverfahren. Im damaligen Verfahren hatte die Ehefrau des dortigen Klägers, die Klägerin des vorliegenden Verfahrens,
im Jhr 2000 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in welcher es unter anderem wie folgt heißt:
„Ich habe meinen Mann Mitte 1954 kennengelernt. Er sagte mir damals, dass er in einer Chemiefabrik arbeitet…. Er sah abends
im Gesicht wie ein Krebs aus, d. h. die Haut war richtig rot. Ich hatte das Gefühl, dass der Geruch mit dem Schweiß aus den
Poren herauskam…. Hinzu kam, dass mein Mann seiner Mutter mehrfach Ohrfeigen verpasst hat, einmal war ich selbst dabei und
musste ihn kräftig zurückhalten, er war völlig außer sich… Seine Mutter erklärte mir, ihr Sohn sei früher nie so gewesen,
sie kenne ihn so gar nicht…. Zum Ende der Beschäftigung meines Mannes bei C., also im Sommer 1954, fielen mir besonders starke
Hautveränderungen bei meinem heutigen Ehemann auf. An den Oberhemden, besonders auffällig am Wochenende, gab es im Nackenbereich
Spuren von viel Blut und Eiter. Im Nacken hatte mein Mann viele schwarze Pickel, aus denen zum Teil eine milchige Flüssigkeit
herauskam. An den Ohren, hauptsächlich an den Ohrläppchen, waren ebenso schwarze Punkte, aus denen eine gelb-eitrige Flüssigkeit
heraustrat. Ich mochte meinen Mann häufig nicht anfassen deswegen. An den Ohren waren diese Erscheinungen bis etwa 1980…“
In dem damaligen Verfahren wurden mehrere Sachverständigengutachten und sachverständige Stellungnahmen eingeholt bzw. vorgelegt.
So erstellte im Januar 1991 der Urologe Prof. Dr. H3 ein Gutachten gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) für das Sozialgericht. Darin heißt es, erste Zwischenergebnisse und Schlussfolgerungen über die Mortalität an bösartigen
Neubildungen bei ehemals Beschäftigten der Firma C. wiesen auf ein erhöhtes Krebsrisiko hin, allgemein ohne Organspezifität.
Dies werde dahingehend gedeutet, dass es sich bei TCDD um ein tumorpromovierendes Agens handele, bei welchem eine Organspezifität
nicht zu erwarten sei. Die Zahl der untersuchten Personen in der betreffenden Arbeit liege bei 1420 Personen. Insgesamt habe
sich eine um 50 % erhöhte Sterblichkeit an bösartigen Neubildungen gegenüber einer H1 Vergleichsgruppe gezeigt. Bei 45,8 statistisch
zu erwartenden Fällen hätten sich 71 Fälle gefunden. Den Effekt als sogenannten Tumorpromoter zugrunde gelegt, könne die eigentliche
Organmanifestation als nebensächlich betrachtet werden. Man gehe vom Vorliegen einer Berufskrankheit im Falle des Versicherten
aus.
Hierzu nahm für die Beklagte der Arbeitsmediziner und Allergologe Prof. Dr. T. im Mai 1991 dahingehend Stellung, dass sich
für den Versicherten aus den Analyseergebnissen von 1989 ergebe, dass die ermittelte Schadstoffkonzentration unter dem Mittelwert
liege und den Normbereich nicht überschreite. Nachdem bisher nur die Dauer der Betriebszugehörigkeit mit 8 Monaten zweifelsfrei
festgestanden habe, die Intensität der TCDD-Belastung allerdings nicht, könne nun festgestellt werden, dass mit Wahrscheinlichkeit
keine wesentliche Belastung mit Dioxinen im vorliegenden Fall bestehe. Auch fehlten typische Veränderungen beim Versicherten
(z.B. Chlorakne). Eine berufliche Belastung, die als wesentliche Teilursache zu beurteilen sei, könne damit ausgeschlossen
werden. Darüber hinaus seien beim Versicherten berufsunabhängige Risikofaktoren dokumentiert, da dieser offensichtlich einen
langjährigen Zigarettenkonsum von 30 Stück pro Tag pflege.
Im April 1997 erstellte der Arzt für Tropenmedizin und Epidemiologie Prof. Dr. F. ein Gutachten auf Veranlassung des Versicherten
nach §
109 SGG und nahm im Termin vom 6. Dezember 2000 ergänzend Stellung. Er führte aus, zu beachten sei, dass die Ehefrau des Versicherten
bereits 1956 und 1957 zwei Schwangerschaften mit einem frühen Tod der männlichen Säuglinge wenige Tage nach der Geburt beendet
habe. Auch seien bei dem Versicherten mit 45 Jahren erstmals Potenzprobleme aufgetreten. Wörtlich heißt es: „Hier könnten
sich bereits Hinweise auf eine vermehrte Belastung des Urogenitalbereichs nach Einwirkungen an seinem Arbeitsplatz vor diesem
Zeitpunkt ergeben, die zugleich zu einer höheren Empfänglichkeit für neurotoxische, potenziell neuroendokrinologisch tumorpromovierende
Einwirkungen aus dem gesamten Tätigkeitsbereich in der chemischen Fabrik C. _____ beigetragen haben könnte.“ Die Werte der
Dioxin-Bestimmung in den Blutproben des Versicherten ließen keinen Zweifel daran, dass eine interne Belastung bzw. Exposition
fortbestehe und innerhalb von 3 Jahren keine auffallende Verminderung der Befunde aufgetreten sei. Den Einzelwert von 10,4
pg/g nun als eindeutigen Hinweis auf eine vermehrte Belastung zu interpretieren, sei zwar nur bedingt erlaubt, allerdings
durchaus plausibel, wenn Hintergrundbelastungen zu einer erneuten Aufnahme von TCDD geführt haben könnten. Insoweit seien
Erfahrungen anderer gegenüber TCDD in bestimmbaren Dosen ausgesetzter Personen von besonderer Bedeutung. Hierzu gehörten vor
allem Unfall-Opfer, die gegenüber TCDD einmalig exponiert worden seien und im Anschluss daran systematisch nachverfolgt worden
seien. Das Untersuchungsprogramm im Anschluss an den großen Unfall in der B1 im November 1953 habe Häufungen folgender Symptome
und Krankheiten erkennen lassen: Polypen, Psychosen, Prostataleiden, neurologische Störungen, Bronchitiden, Gallenblasenentzündung,
Libidoverlust und Potenzstörungen. Die Kenntnis dieser Häufungen sei von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des vorliegenden
Falles, weil es sich offensichtlich nicht notwendigerweise nur um ein großes Problem, sondern auch um Unterschiede in der
Empfänglichkeit handele. Das bedeute, dass auch eine geringe Dosis einen adäquaten und spezifischen Effekt auslösen könne
und zwar unabhängig vom Auftreten einer Chlorakne. Unter Einbeziehung dieser Befunde könne nicht davon ausgegangen werden,
dass bei angeblich niedrigen Belastungen eine spezifische Veränderung des Befindens und wichtiger Funktionen des Zentralnervensystems
ausgeschlossen sei. Vermutlich sei das Karzinom der Harnblase insofern auf Dioxineinwirkung zurückzuführen, dass dieser Schadstoff
den Ausbruch der Krankheit vorverlegt habe, denn der frühe Zeitpunkt des Auftretens spreche zumindest für eine Mitursache.
Es müsse eine Empfänglichkeit der Einzelpersonen geben, die allerdings durch chronische Vergiftung der Abwehrregulation heraufgesetzt
bzw. gesteigert werden könne. Diskutiert werde in diesem Zusammenhang auch der chronische Alkoholgenuss, die seit langem bekannten
karzinogenen Stoffe in der chemischen Industrie, aber auch Zigarettenrauch. Es lasse sich daher mit hoher Wahrscheinlichkeit
eine Beteiligung der beruflich 1954 erworbenen TCDD-Intoxikation auf die Entstehung eines bösartigen Tumors zu späterer Zeit
in einem untypischen, vorverlegten Alter erkennen.
Das gesamte Verlaufsbild deute auf eine Depressivität des Versicherten in Folge schwerer toxischer Einwirkungen. Bei dem Versicherten
seien Anzeichen für eine Chlorakne berichtet worden, eine solche lasse sich wegen des üblen Geruchs des Inhalts der Pickel
auch von einem Laien unschwer erkennen. Eine Gläubigkeit an Messwerte halte er nicht für gerechtfertigt, wenn andererseits
eine „vermutlich überdurchschnittliche Belastung des Versicherten beim Verflanschen von Rohrleitungen, die wegen Störfällen
entflantscht und gereinigt werden mussten, eine überdurchschnittliche innere Exposition durch die TCDD-Kontamination wahrscheinlicher
zu machen ist, als jeder rekonstruierte Messwert belegen kann.“ Seine eigene Erfahrung mit B1-Opfern habe ihn befähigt, die
vom Versicherten geklagten Beschwerden und Symptome für glaubhaft zu halten.
Auf Veranlassung des Landessozialgerichts (LSG) erstattete des Weiteren im Termin vom 24. Mai 1995 der Arbeitsmediziner Dr.
P. ein Gutachten und führte aus, aus den 1989 erhobenen Blutuntersuchungsbefunden lasse sich die frühere Belastung mit Dioxinen
nicht bewerten. Auch typische Zeichen der akuten Intoxikation wie Chlorakne seien nach den vorliegenden Akten nicht nachgewiesen.
Die Tatsache jedoch, dass der Kläger im T-Säure-Betrieb tätig geworden sei, lasse nach den allgemeinen Erfahrungen die Vermutung
zu, dass eine TCDD Belastung in der Größenordnung von ca. 100 parts per trillion (ppt; 1ppt = 1 pg/g) vorgelegen habe. Diese
Exposition sei im unteren Bereich einzustufen. Gesicherte epidemiologische Erkenntnisse zum Auftreten von Krebserkrankung
nach Dioxinexposition lägen demgegenüber nur für Personengruppen vor, die langjährig sehr hohen TCDD-Belastungen ausgesetzt
gewesen seien. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit bei C. und dem 1983 aufgetretenen Blasenkrebs könne daher
nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit hergestellt werden. Eine Rückrechnung des 1989 festgestellten Wertes sei nicht
begründbar. Eine solche werde nur durchgeführt, wenn TCDD-Blutfettwerte von mindestens 20 ppt vorgelegen hätten und damit
der Schwankungsbereich für die Normalbevölkerung überschritten gewesen sei. Eine Rückrechnung unter Zugrundelegung einer Halbwertszeit
auf frühere Belastungen sei bei einem einer beruflich nicht exponierten Bevölkerung entsprechenden Wert nicht angezeigt. Dr.
P. hat ergänzend im November 2000 und im Termin vom 6. Dezember 2000 weiter dahingehend Stellung genommen, dass die in dem
Gutachten sehr umfangreich und ausführlich vorgenommene Auswertung der vorliegenden Studien nur für Gruppen mit sehr hoher
TCDD-Exposition eine signifikant erhöhte Krebsmortalität ergebe. Die Exposition des Versicherten, der seinen Angaben folgend
im T-Säure-Betrieb eingesetzt gewesen sei, erreiche diese Intensität mit ca. 120 ppt zum Expositionsende nicht. Dies ergebe
sich auch aus den untersuchten Blutfett-Konzentrationen. Diese hätte 1992 bei gut 50 ppt liegen müssen, um mit einer entsprechend
hohen Exposition im Jahre 1954 kompatibel zu sein. Des Weiteren seien in den Akten keine Hinweise auf eine Chlorakne, die
ein wichtiges Brückensymptom für eine hohe Dioxinbelastung darstellen würde, zu finden. Diese Diagnose könne nur von einem
erfahrenen Dermatologen gestellt werden. Die haftungsbegründenden Voraussetzungen zur Anerkennung des Harnblasenkarzinoms
seien daher nicht gegeben. Hinsichtlich der übrigen geklagten Befindlichkeitsstörungen, die erstmals 1985 bei der TCDD Nachuntersuchung
dokumentiert seien, fehle es an einem zeitlichen Bezug zwischen der Exposition und deren Auftreten. Der 1987 erhobene SPECT-Befund
habe Funktionen der Hirndurchblutung erfasst, die in ihrer diagnostischen Einordnung nicht spezifisch seien und aus denen
neuropsychische Störungen im Sinne einer toxischen Enzephalopathie nicht abgeleitet werden könnten.
Der Dermatologe Dr. U1 nahm im September 2001 auf Veranlassung des LSG dahingehend Stellung, es ergebe sich aus dem Aktenmaterial
kein sicherer Schluss für das Vorliegen einer Chlorakne. Es seien Befundberichte der behandelnden Ärzte vorhanden, in welchen
Hauterkrankungen weder anamnestisch noch klinisch erwähnt würden. Auch die Probleme, die der Versicherte in verschiedenen
Selbstauskünften gegenüber der BG geschildert habe, beinhalteten keine Hauterscheinungen. Eine erste Erwähnung von Hautsymptomen
sei seitens des Versicherten im Termin vor dem LSG im Jahr 1995 erfolgt. Zu verweisen sei auch auf einen Befundbericht des
Dr. K. aus dem Jahre 1992, welcher von einer verstärkten Gefäßzeichnung der Haut im Bereich des Gesichts und des Oberkörpers
und von kleinen Comedonen am rechten Ohr berichtet habe und auf eine eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Versicherten,
in welcher diese erhebliche Hautveränderungen Mitte 1954 bei dem Versicherten geschildert habe. Bei der gutachterlichen Untersuchung
hätten vereinzelt Comedonen, Retentionszysten und verhornte Zysten im Bereich hinter den Ohren, an den Ohrläppchen und im
Stirnbereich beobachtet werden können, die sich mit der Diagnose einer Chlorakne durchaus vereinbaren ließen. Das Erscheinungsbild
der Chlorakne sei sehr variabel, bei Durchsicht der Literatur seien aber zwei Gruppen von Erkrankten statistisch erfasst:
Zum einen handele es sich um Personen, die kurzfristig im Rahmen eines Chemieunfalls in hohem Maße Dioxin ausgesetzt gewesen
seien, zum anderen um Personen, die langfristig exponiert gewesen seien, also deutlich länger als der Versicherte. Selbst
wenn man von einer sehr hohen etwa sechsmonatigen Exposition ausgehe, sei nicht zu erwarten, dass Folgeerscheinungen einer
Chlorakne noch annähernd 50 Jahre später beobachtet werden könnten. Eine Chlorakneerkrankung des Versicherten in der Vergangenheit
lasse sich daher weder beweisen noch ausschließen. Allerdings schließe auch das Ausbleiben einer Chlorakne eine individuelle
Exposition gegenüber TCDD keineswegs aus. Der Versicherte leide des Weiteren an einer Rosacea, welche anlagebedingt und ohne
Bezug zu einer möglichen Chlorakne sei.
Im Juni 2002 führte auf Veranlassung des LSG der Neurologe Dr. N. aus, der Versicherte weise eine akzentuierte Persönlichkeit
mit narzisstischen Zügen und depressiver Verstimmung auf. Es gebe Grenzbefunde zur Polyneuropathie ohne klinisch relevante
neurologische Polyneuropathiezeichen. Des Weiteren bestehe eine diskrete Hirnleistungsminderung mit subjektiv verstärkter
Wahrnehmung der Defizite. Die geschilderten Befindlichkeitsstörungen seien auf die akzentuierte Persönlichkeit zurückzuführen
und nicht Anzeichen einer Enzephalopathie. Die zum Zeitpunkt der Untersuchung auffällige leichte Hirnleistungsminderung sei
altersbedingt. Keine der vorliegenden Gesundheitsstörungen lasse sich auf die Dioxinexposition in den 1950er Jahren zurückführen.
Ein weiteres neurologisches Gutachten erstattete im März 2003 Prof. Dr. Z1 für das LSG. Für eine Polyneuropathie habe sich
allenfalls ein Grenzbefund ergeben, wobei unter Berücksichtigung der vorherigen, ebenfalls grenzwertigen Befunde von einer
geringgradigen Polyneuropathie bei minimalem klinischen Befund gesprochen werden könne. Im Rahmen des Gesamtkontextes einer
langen Zeit seit der Exposition, nämlich von 33 Jahren bis mindestens 1987, sei dies jedoch nicht näher mit der notwendigen
Wahrscheinlichkeit zu klären. Die neuropsychologische Untersuchung habe zwar im Vergleich zur Voruntersuchung deutlicher ausgeprägte
kognitive Defizite gezeigt, jedoch würden diese durch die deutlich vorhandene depressive Verstimmung moduliert und es habe
sich auch im Simulationstest eine deutlich reduzierte Leistung gefunden, die nicht mit der Verhaltensbeobachtung in der testfreien
Phase übereingestimmt habe, so dass vor dem Hintergrund der nachgewiesenen Verdeutlichungstendenzen die Angabe von gleich
starken Beschwerden bei dem damals ca. 20jährigen Versicherten nicht überzeugend sei. Den Ausführungen des Dr. N. sei insoweit
zuzustimmen. Die 1958 in den Krankenkassenunterlagen geschilderten Schwindelanfälle ließen sich am ehesten mit einer Kreislaufdysregulation
und mit der seit 1952 bestehenden Neigung des Versicherten zu Mittelohrentzündungen, welche zu frühzeitiger Schwerhörigkeit
geführt hätten, erklären.
Im Übrigen wird auf die im damaligen Verfahren eingeholten und abgegebenen Gutachten und Stellungnahmen Bezug genommen.
Im August 2010 erkrankte der Versicherte an einer Krebserkrankung der Speiseröhre und an einem Bronchialkarzinom. Im August
2014 zeigte der Arbeitsmediziner Prof. M. die Krebserkrankung der Speiseröhre gegenüber der Beklagten als in Betracht kommende
Berufskrankheit nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe – BK 1302) und/oder Nr. 1310 (Erkrankungen durch
halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide – BK 1310) der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) an. Dr. P. nahm für die Beklagte diesbezüglich dahingehend Stellung, er habe bereits im Rahmen des Gerichtsverfahrens im
Jahre 2000 ein Gutachten erstellt, seitdem gebe es keinen neuen Sachstand in Bezug auf die BK 1310. Hinsichtlich der BK 1302
fehle es bisher an einem Nachweis, dass eine HCH-Exposition geeignet sei, beim Menschen Krebs zu erzeugen.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2014 lehnte die Beklagte beim Versicherten die Anerkennung der Krebserkrankung der Speiseröhre
als Berufskrankheit nach Nr. 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe – BK 1302) und/oder Nr. 1310 (Erkrankungen
durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide – BK 1310) der Anlage 1 zur
BKV ab. Zur Begründung führte sie aus, dass im Rahmen der früheren Verwaltungsverfahren, bestätigt durch das Sozial- und Landessozialgericht
Hamburg, festgestellt worden sei, dass die beim Versicherten aufgetretene Blasenkrebserkrankung keine Berufskrankheit nach
der BK 1310 darstelle. Grund hierfür sei die Tatsache, dass nach den Ergebnissen der damaligen Blutfettuntersuchungen auf
Dioxin keine ausreichend hohen Einwirkungen gegenüber Dioxinen zur Verursachung einer Krebserkrankung festgestellt werden
konnten. Von daher könne auch die beim Versicherten zwischenzeitlich aufgetretene Krebserkrankung der Speiseröhre nicht auf
die Dioxineinwirkung im Rahmen der früheren beruflichen Tätigkeit zurückgeführt werden.
Auch eine Verursachung durch HCH und dessen Isomere komme nicht in Betracht, da für HCH und dessen Isomere keine gesicherten
medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zur generellen Eignung einer krebsverursachenden Wirkung existieren würden. Daher
sei auch die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 nicht möglich. Der staatliche Gewerbearzt für H2 habe sich dieser
Stellungnahme angeschlossen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2015 als verfristet
und damit unzulässig zurück.
Mit Schriftsatz vom 10. November 2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, der Versicherte sei am xxxxx 2015 an einem Krebsleiden
verstorben und sie beantrage eine Witwenrente und die Kostenübernahme für die Beerdigung.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2015 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Hinterbliebenen-leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
aus Anlass des Todes des Versicherten ab und führte zur Begründung aus, im Rahmen der früheren Verwaltungsverfahren sei festgestellt
worden, dass beim Versicherten keine Berufskrankheiten nach Ziffern 1302 und 1310 vorgelegen hätten. Da beim Versicherten
eine Berufskrankheit zu Lebzeiten nicht vorgelegen hätte, sei die Grundvoraussetzung für die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen
nicht erfüllt.
Die Ermittlung im sich anschließenden Widerspruchsverfahren ergaben unter anderem, dass der Versicherte seit August 2010 neben
einem Adenokarzinom der Speiseröhre an einem Plattenepithelkarzinom der Lunge gelitten hatte. Unter dem 14. März 2016 nahm
Dr. D. für die Beklagte beratungsärztlich Stellung zum Vorliegen einer BK 4104 (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung
mit Asbeststaublungenerkrankung <Asbestose>, in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der Pleura oder
bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren). Zusammengefasst
führte der Beratungsarzt aus, aus dem histopathologischen Befundbericht ergäben sich keine konkreten Hinweise auf eine mögliche
Existenz von Asbestinhalationsfolgen. Er empfahl eine weitere Begutachtung im Sinne einer histopathologischen Aufarbeitung
des Operationsmateriales zum Vorliegen einer Minimalasbestose.
In der fachpathologischen Stellungnahme vom 21. April 2016 führte Frau Professor Dr. T. zusammengefasst aus, dass die durchgeführte
Lungenstaubanalyse zwar mit 30 Astbestkörpern und 10 freien Asbestfasern eine gegenüber der Normalbevölkerung geringfügig
vermehrte Asbestbelastung ergeben habe, fibrosierende Lungenveränderungen vom Typ einer Asbestose oder Minimalasbestose aber
nicht vorgelegen hätten. Damit fehle es an dem notwendigen Brückenbefund, so dass eine BK 4104 nicht mit der versicherungsmedizinisch
relevanten Wahrscheinlichkeit vorliege.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2016 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei die Frage, ob der Klägerin Hinterbliebenenleistungen
aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werden könnten. Voraussetzung hierfür sei, dass der Versicherte zu Lebzeiten
an einer Berufskrankheit gelitten habe und an einer solchen auch verstorben sei. Bereits aus dem angefochtenen Bescheid gehe
hervor, dass weder die Blasenkrebserkrankung noch die Speiseröhrenkrebserkrankung als Berufskrankheit anerkannt worden seien.
Darüber hinaus sei geprüft worden, ob die Lungenkrebserkrankung eine Berufskrankheit darstelle und eine BK 4104 anerkannt
werden könne. Asbestbedingte Brückenbefunde im Sinne einer Pleura-Asbestose seien indes nicht feststellbar gewesen. Weder
eine Minimalasbestose noch andere durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura hätten festgestellt werden können.
Aus der Arbeitsanamnese des Versicherten habe sich nach der Art der aufgeführten beruflichen Tätigkeit ergeben, dass keine
direkten Hinweise auf eine stattgehabte Asbeststaubeinwirkung und in keinem Fall eine Asbeststaubeinwirkung von wenigstens
25 Faserjahren vorgelegen hätten. Die Voraussetzungen einer BK 4104 seien daher nicht gegeben. Zusammengefasst bleibe es dabei,
dass der Versicherte zu Lebzeiten an keiner Berufskrankheit gelitten habe, sodass er auch an einer solchen nicht verstorben
sei.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin, Innere Medizin, Lungen-
und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. N1 eingeholt, welcher am 16. Januar 2019 ausgeführt hat,
vor allem in Fleisch, Fisch und Milchprodukten reicherten sich Dioxine an und würden über die Nahrung aufgenommen, sodass
bei der Normalbevölkerung eine mittlere 2,3,7,8,-TCDD-Konzentration im Blut von 2,4 pg/g Fett als Hintergrundbelastung festzustellen
sei. Akute Expositionen seien hauptsächlich nach Unfällen bei der Produktion chlorierter Phenole beschrieben worden. In Nachuntersuchungen
an 2,3,7,8-TCDD exponierten Arbeitern (Exposition zum Teil 40 Jahre zurückliegend) seien neben Chlorakne vor allem Störungen
im peripheren Nervensystem (Verminderung der Muskeleigenreflexe, Empfindungsstörungen in den Extremitäten, Muskelschwäche
etc.) sowie auffallende Persönlichkeitsprofile mit vermehrter psychosomatischer Störbarkeit und emotionaler Labilität gesehen
worden. Bei Nachuntersuchung des Seveso-Unfalls hätten sich bei der Personengruppe mit höchster Belastung Hinweise auf eine
erhöhte Mortalität für kardiovaskuläre Erkrankungen und chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen gezeigt. Bei dem Kläger
sei gemäß den Blutprobenergebnissen vom 7. Dezember 1989 im Vergleich zur sogenannten unbelasteten Personengruppe keine erhöhte
Exposition gegenüber 2,3,7,8-TCDD bei einem Wert von 3,1 ppt festgestellt. Die Hintergrundbelastung der Bevölkerung sei gemäß
den Mitteilungen des Bundesgesundheitsamtes mit einem Mittelwert von 4,8 ppt ermittelt worden. Bezüglich der Rückrechnung
der 1989 im Blutfett des Versicherten ermittelten TCDD-Belastung sei bereits im Gutachten vom November 2000 errechnet worden,
dass der Wert unterhalb des Median der für diesen Zeitraum relevanten Hintergrundbelastung gelegen habe.
Für das Harnblasenkarzinom spiele das Rauchen als wesentliche Ursache eine erhebliche Rolle, das Risiko steige mit der Dauer
des Konsums und der Anzahl der gerauchten Zigaretten. Für eine BK 1301 fehle die berufliche Exposition gegenüber aromatischen
Aminen. Für die BK 1310 sei festzustellen, dass das Bild einer Chlorakne bei dem Versicherten nicht als gesichert angesehen,
bzw. sogar ausgeschlossen werden könne und daher als Hinweis auf eine mögliche höhere Exposition gegenüber TCDD entfalle.
Befunde, die spezifisch im Sinne einer Polyneuropathie gewertet werden könnten wie bei dioxinbelasteten Bevölkerungsgruppen,
hätten sich nicht finden lassen. Hinsichtlich der bei der SPECT-Untersuchung 1987 gefundenen Durchblutungsstörung des Gehirns
sei aufgrund der Veränderungen nicht zweifelsfrei von einer Folge der TCDD-Exposition auszugehen; zudem bestehe insoweit mit
dem Rauchen eine konkurrierende Ursache.
Für das Karzinom der Speiseröhre gelte gleichfalls, dass Rauchen, welches der Versicherte langjährig und exzessiv betrieben
habe, das Risiko für ein solches Karzinom erheblich erhöhe. Gleiches gelte beim Vorliegen einer Adipositas, bei Refluxbeschwerden
und beim Vorliegen einer Hiatushernie, alles Risikofaktoren, welche bei dem Versicherten vorgelegen hätten. Demgegenüber sei
nun in den Studien zu den Folgen einer TCDD-Exposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms der Speiseröhre
nicht konsistent dokumentiert. Es zeige sich daher, dass das Risiko durch die außerberuflichen Faktoren als höher einzustufen
sei.
Hinsichtlich des Bronchialkarzinoms sei in keiner histologischen Untersuchung ein Hinweis auf eine Asbestose oder Minimalasbestose
oder Silikose gefunden worden. In der ergänzend durchgeführten Lungenstaubanalyse hätten sich auf 1 g Lungengewebe 30 Asbestkörperchen,
10 freie Asbestfasern sowie 40 Strukturen nicht identifizierbare Zentralfasern gefunden, in der zweiten Probe 30 Asbestkörperchen
und 10 freie Asbestfasern pro Gramm Lungengewebe. Diese Befunde seien vereinbar mit einer gering vermehrten Asbestbelastung.
In der Zusammenschau der Befunde hätten keine Brückenbefunde im Sinne einer BK 4104 mit der versicherungsrelevanten Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen werden können. Vordergründig für das Bronchialkarzinom sei das inhalative Zigarettenrauchen angeführt worden.
Betrachte man die epidemiologischen Studien zu TCDD und Krebs, so sei zusammenfassend festzuhalten, dass bei niedrigexponierten
Personen insbesondere in der Pestizidherstellung kein erhöhtes Krebsrisiko habe festgestellt werden können. Lediglich für
hohe Expositionsverhältnisse habe ein erhöhtes Krebsrisiko festgestellt werden können, wobei in den einzelnen Studienkollektiven
keine durchgehend konsistenten Ergebnisse hätten gezeigt werden können. Dabei habe ein signifikant positiver Zusammenhang
zwischen einem höheren TCDD-Blutspiegel und sowohl der Krebsinzidenz als auch der Mortalität bestanden. Die Evidenz für spezifische
Krebserkrankungen sei am stärksten ausgeprägt für Lungenkrebs, Weichteilsarkom und Non-Hodgkin-Lymphom.
Der Versicherte sei an den Folgen des Ösophagus-und Bronchialkarzinoms verstorben. Zum Tode beigetragen habe sicherlich das
fortgeschrittene Lungenemphysem und die bekannte COPD. Führend jedoch und für das Ableben entscheidend seien die Tumorerkrankungen
gewesen. Es habe unbestritten eine TCDD-Exposition bei dem Versicherten vorgelegen, diese sei jedoch unter Berücksichtigung
der Blutspiegel- und Blutfettkontrollen als gering einzustufen. Unbestritten sei die Auffälligkeit von drei Krebsarten unterschiedlicher
Lokalisation und unterschiedlicher Histologie, jedoch habe als Risikofaktor für alle diese Krebsarten ein deutlich erhöhter
Nikotinkonsum vorgelegen. Für das Vorliegen einer Chlorakne als Ausdruck einer höheren Exposition seien die Befunde nicht
eindeutig, auch neurologische Ausfallserscheinungen oder kognitive Leistungseinbußen, die durch berufliche Einflüsse hätten
hervorgerufen werden können, hätten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können. Ein Zusammenhang mit einer Asbest-Exposition
habe nicht festgestellt werden können. Eine Exposition gegenüber Benzol spiele bei der Bewertung der vorliegenden Tumorerkrankungen
keine Rolle.
Die Klägerin ist dem Gutachten entgegengetreten und hat eine Stellungnahme des Prof. F. übersandt, welcher bemängelt hat,
die vom gerichtlichen Sachverständigen herangezogenen Studien berücksichtigten jeweils nur eine Krebsart, der Versicherte
habe aber dreimal nacheinander Krebserkrankungen erlitten, was eine so seltene Wahrscheinlichkeit sei, dass dem Gutachten
insgesamt entgegenzutreten sei. Des Weiteren werde in dem Gutachten fälschlich von einer niedrigen Exposition ausgegangen,
es werde auch suggeriert, eine Chlorakne als primäres Symptom für eine sehr hohe Expositionsintensität sei nicht gesichert
oder habe gefehlt. Dabei werde die eidesstattliche Versicherung der Klägerin übersehen, aus welcher sich auffällige Hautrötungen
mit akneformen Hauterscheinungen ergäben. Die Aktenlage lasse als erste ärztliche Quelle einer berufsbedingten anhaltenden
Hautschädigung im September 1992 eine von Professor Dr. K. erhobene Eigenanamnese erkennen.
Das Gutachten des Prof. Dr. N1 unterlasse es, darauf hinzuweisen, dass die Promotorwirkung von TCDD nicht dosisabhängig sei.
Zudem müssten die beiden Organtumoren, die vor der Todesursache, dem Ösophaguskrebs, aufgetreten seien, selbstverständlich
in alle Wahrscheinlichkeitserwägungen einbezogen werden. Diesen allein adäquaten Ansatz vernachlässige das Gutachten völlig.
Das vom Gutachter geforderte konsistent erhöhte Risiko setzte voraus, dass alle untersuchten Kollektive in gleicher Art und
Intensität gegenüber Karzinogenen für Speiseröhrenkrebs exponiert gewesen sein müssten, damit die Promotorrolle des Dioxins
sich auf die Sterblichkeit auswirken könne; dies sei eine komplette illusionäre Vorstellung. So hätten die meisten Kollektive
keine gleichwertig hohe und zeitlich parallele Benzoleinwirkung und Hexachlorcyclohexanbelastung vor Ort gehabt. Den Verfassern
des Gutachtens gelinge es nicht, dem TCDD eine promovieren Rolle im Sinne einer Mitursache abzusprechen.
Es gebe bei vielen Studien einen industriefreundlichen Interessenkonflikt, der zu Kontroversen in der Fachwelt führe. Insofern
gingen die mehrfachen Metaanalysen immer in die gleiche Richtung, jedoch müsse das Hauptgewicht auf der gemischten Exposition
des Klägers gegenüber zusätzlich als karzinogenen wirkenden Substanzen liegen, ohne die eine Promotorwirkung durch TCDD weniger
wahrscheinlich sei. Spätere neue Bewertungen seien wenig hilfreich, weil die Promoterrolle eine vorverlegte Sterblichkeit
bewirke und in den Jahrzehnten danach Krebsfälle fehlten, weil diese schon vorweg gestorben seien. In keiner der einbezogenen
Studien sei eine dreifache Krebserkrankung im gleichen Individuum berücksichtigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und hat im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid
der Beklagten Bezug genommen und ist den Ausführungen des Prof. N1 gefolgt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen den ihm am 10. Juni 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. Juli 2020 Berufung
eingelegt. Das Sozialgericht habe sich mit dem Vortrag der Klägerin und hier insbesondere mit der Stellungnahme, welche Prof.
F. gefertigt habe und welche mit Schriftsatz von April 2020 überssandt worden sei, nicht auseinandergesetzt und damit den
Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.
Die Klägerin schließt sich den Ausführungen des Prof. F. an. Sie moniert die Tatsache, dass alle ihre Aussagen nicht berücksichtigt
worden seien, obwohl sie tagtäglich mit ihrem verstorbenen Mann Umgang gehabt habe und daher auch seinen Gesundheitszustand
am besten habe beschreiben können.
Die Klägerin beantragt ausweislich des Schriftsatzes vom 8. Juli 2020
1. Den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juni 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2015 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2016 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin antragsgemäße unfallversicherungsrechtliche Leistungen nach der
BKV Ziffern 1302, 1303 und 1310 zu gewähren.
Des Weiteren stellt die Klägerin erneut die in diesem Schriftsatz enthaltenen Beweisanträge (insgesamt sechs) auf den Seiten
6,7,8 und 9 und die Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 1. Juli 2021 (insgesamt vier) auf den Seiten 2 und 5.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und macht geltend, seit dem Verfahren des Versicherten gebe es hinsichtlich
der geltend gemachten Ziffern der
BKV keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 7. Juli 2021 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.
Entscheidungsgründe
ie Berufung der Klägerin ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben. Sie ist indes unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrten
Hinterbliebenenleistungen.
Nach §
63 Abs.
1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf
1. Sterbegeld,
2. Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3. Hinterbliebenenrenten,
4. Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten
ist, §
63 Abs.
1 Satz 2
SGB VII.
Nach §
7 Abs.
1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Eine vorliegend allein in Betracht kommende Berufskrankheit
(BK) als Ursache für den Tod des Versicherten ist hier nicht gegeben.
Hinterbliebene machen ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend (vgl. BSG, Urteil vom 15.01.2010 - B 2 U 5/08 R, juris). Nach §
63 Abs.
1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts (§§
64 bis
71 SGB VII), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage,
ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens,
über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen
Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall,
z.B. eine bestimmte BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene
kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK,
Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen
verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen
Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall
erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung
des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis,
weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten,
ausgeschlossen ist. Die Beklagte hat unter Beachtung dieser Grundsätze zu Recht festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch
auf die begehrten Hinterbliebenenleistungen hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten
Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat
(Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen
die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 11/12 R, juris m.w.N.; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R, juris m.w.N.).
Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen,
zu dem der Versicherte verstorben ist. Nach Würdigung der sich in den Akten befindlichen medizinischen Gutachten und Stellungnahmen
ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Tod des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit infolge
eines Versicherungsfalls nach §
9 Abs.
1 SGB VII i.V.m. Nr.
1302, 1310 oder 4104 der Anlage 1 zur
BKV eingetreten ist. Der Kläger ist ausweislich des letzten Entlassungsberichts des Krankenhauses B2 vom 16. Dezember 2014 an
den Folgen einer beiderseitigen Pneumonie bei Bronchial- und Oesophagus-Karzinom verstorben. Dass diese Erkrankungen durch
die Belastungen des Versicherten am Arbeitsplatz bei der Firma C. verursacht wurden, ist zur Überzeugung des Senats nicht
mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Die Anforderungen an die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit sind dabei grundsätzlich höher als diejenigen an die
Glaubhaftmachung (BSG, Urteil vom 8. August 2001 – B 9 U 23/01 R, juris), wobei unter Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes nach allgemeiner Auffassung der Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
verstanden wird. Glaubhaftmachung bedeutet also überwiegende Wahrscheinlichkeit, d.h. die gute Möglichkeit, dass der Vorgang
sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität
gekennzeichnet. Bei der hier erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges muss dagegen
absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache sprechen. Um hinreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen, muss sich also
unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer
anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen
einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG a.a.O.).
Ein derartiger Grad der Wahrscheinlichkeit ist hinsichtlich der hier vorrangig in Betracht kommenden BK 1310 (Krebserkrankungen
durch halogenierte Alky-, Aryl- oder Alkaryloxide) nicht gegeben. Voraussetzungen sind eine entsprechende Latenzzeit, eine
Expositionszeit und –höhe sowie das Nichtvorliegen konkurrierender wesentlicher Faktoren (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 1195). Die Latenzzeiten treffen für den Versicherten zu.
Es sind aber keine ausreichend hohen Expositionswerte nachgewiesen. Die 1989, 1990 und 1996 erhobenen Blutfettwerte des Versicherten
liegen vielmehr im Bereich dessen, was in der „unbelasteten Normalgruppe“ zu erwarten wäre. Ob der Wert von 1992, welcher
mit 10,4 pg/g ermittelt wurde, daher rührt, dass es bei derart niedrigen Werten, die im Bereich der ubiquitären Hintergrundbelastung
liegen, des Öfteren zu Schwankungen kommt oder daher, dass die Probe aus dem Serum analysiert wurde, kann dahinstehen. Der
Senat teilt insoweit die im Verfahren III UBf 7/92 geäußerte Auffassung des Arbeitsmediziners Dr. P., dass sich bei einem
derartigen unauffälligen Blutfettwert eine Rückrechnung verbietet. Dies entspricht den Grundsätzen der Logik, denn da auch
eine beliebige andere Person entsprechende Blutfettwerte hätte, und dies nachweislich ohne dass in der Vergangenheit bei dieser
eine erhöhte Dioxinbelastung vorgelegen hätte, lässt sich mit einem unauffälligen Normalwert eine erhöhte Dioxinbelastung
jedenfalls nicht schlüssig darlegen und rückrechnen.
Eine Chlorakne, die als Brückensymptom eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine deutlich erhöhte Exposition während der
Zeit der Beschäftigung begründen könnte, ist nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen. Zeitnahe hautärztliche Befunde
fehlen, der Internist Dr. H., der den Kläger seit 1959 behandelte, erwähnt derartige Befunde in seinem Befundbericht gegenüber
der Beklagten vom 7. September 1980 nicht. Die 1985 durchgeführte dermatologische Untersuchung war unauffällig, die im September
2001 von Dr. U1 durchgeführte Untersuchung ergab zu diesem Zeitpunkt einen Hautbefund, welcher eine Chlorakne in der Vergangenheit
weder bestätigen noch ausschließen konnte. Aus alledem ergibt sich keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen
einer Chlorakne, selbst wenn man eine solche als Brückensymptom als ausreichend erachten wollte.
Etwas Anderes folgt auch nicht aus der im Verfahren III UBf 7/92 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung der Klägerin. Die
Klägerin selbst hat vorgetragen, sie habe den damals 20jährigen Versicherten Mitte 1954, also nach Beginn der Tätigkeit bei
C., kennen gelernt, sodass ihr sein Hautzustand vor dieser Tätigkeit ebenso wie sein Wesen bzw. seine Charakterzüge nicht
bekannt gewesen sein können. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin als medizinische
Laiin nicht in der Lage ist, eine Akne vulgaris zuverlässig von einer Chlorakne zu unterscheiden, hat der Senat auch von einer
Vernehmung der Klägerin als Partei abgesehen.
Bei alledem kann auch dahinstehen, ob die von Schönberger a.a.O. angegebenen Expositionswerte noch zielführend sind oder ob
sie als nicht gesichert angesehen werden müssen, weil aktuelle Studien zum Teil nahelegen, dass auch Belastungen unterhalb
von 200 ppt TCDD mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen (Manuwald et al. 2012, vgl. ders. „Dioxinexposition und Mortalität:
Neue Erkenntnisse aus der Hamburger Dioxin Kohorte“, Zbl. Arbeitsmed 63(2013), S. 156 ff.)
Zum einen lässt sich nämlich, wie oben ausgeführt, aus einem Blutfettwert im Bereich der „unbelasteten Normalgruppe“ überhaupt
keine Exposition in der Vergangenheit ableiten; dies muss dann auch bei anerkannter Exposition ebenso hinsichtlich der Frage
gelten, ob diese Exposition für ein erhöhtes Krebsrisiko ausreichend gewesen ist. Denn ein „erhöhtes Krebsrisiko“ kann nur
im Vergleich zur Normalbevölkerung festgestellt werden, welche latent gleichfalls einer wenn auch geringen TCDD-Belastung
ausgesetzt ist. Es müsste also ein anderer Grenzwert unterhalb von 200 ppt TCDD, aber oberhalb der ubiquitären Belastung gefunden
werden. Dies ist allerdings nicht der Fall, Manuwald et al. stellen den bisherigen Wert lediglich in Frage, führen aus, dass
auch eine Mitbeteiligung anderer Stoffe nicht ausgeschlossen sei und weisen auf die hohen Unsicherheiten der Schätzung der
Expositionshöhen hin. Daraus ergibt sich gerade, dass gesicherte Erkenntnisse aus dieser Untersuchung nicht zu gewinnen sind.
Auf diese Unsicherheiten in der Bewertung und die vagen Studienergebnisse hat auch der Gutachter Prof. Dr. N1 bereits hingewiesen.
Fehlt es aber an einem Nachweis für eine erforderliche hohe Exposition, kann eine Berufskrankheit nicht anerkannt werden.
All dies genügt mithin nicht, um dem Senat eine ausreichende Überzeugung im Sinne eines Grades von Wahrscheinlichkeit, welche
ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausschließt, zu verschaffen, dass die Erkrankung, an welcher der Versicherte
letztlich verstorben ist, „durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide" verursacht worden ist.
Gleiches gilt für das Gutachten des Prof. F., welcher wegen der Promotorwirkung des TCDD gar keinen Grenzwert gelten lassen
will und den entsprechenden Studien Industrienähe unterstellt. In Anbetracht der ubiquitär vorhandenen TCDD-Belastung kann
jedoch das völlige Fallenlassen eines Grenzwertes der Formulierung der BK „Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder
Alkylaryloxide" jedenfalls ohne den Nachweis von Brückensymptomen oder erhöhter TCDD-Werte im Blutfett nicht gerecht werden.
Die Auffassung des Gutachters, schon aus dem sehr seltenen Auftreten dreier unterschiedlicher Krebsarten müsse sich ergeben,
dass hier die TCDD-Belastung führend gewesen sei, ist ein im Recht der Unfallversicherung unzulässiger Rückschluss von der
Erkrankung selbst auf die Kausalität.
Hier kommt hinzu, dass der Versicherte starker Raucher war. Prof. Dr. N1 führt in seinem Gutachten umfassend und nachvollziehbar
aus, dass für alle drei Krebsarten, unter welchen der Versicherte gelitten hat, das Rauchen eine wesentliche Ursache für die
Entstehung eines Karzinoms an Harnblase, Speiseröhre und Lunge ist. Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden,
der Versicherte habe wesentlich weniger geraucht. 1985 hatte der Kläger selbst angegeben, 30 Zigaretten täglich zu konsumieren,
auch 1988 hatte er sich gegenüber dem Urologen Dr. B3 als „starker Raucher“ bezeichnet. Auch gegenüber Dr. U1 hat der Kläger
im Jahr 2001 noch 10 Zigaretten täglich angegeben, wobei er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Tumoroperation der Blase hinter
sich hatte und unter einer chronisch obstruktiven Bronchitis litt. Im Entlassungsbericht des Krankenhauses R1 vom 23. September
2010 ist von 30 packyears die Rede, in der Krankengeschichte des A. – wie von Dr. N. im Gutachten vom 4. Juli 2002 notiert
– von 25 Zigaretten täglich. Vor diesem Hintergrund ist die Angabe der Klägerin, der Versicherte sei bloß Gelegenheitsraucher
gewesen, nicht glaubhaft.
Den Beweisanträgen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin war nicht nachzugehen. Der Schriftsatz vom 8. Juli 2020 enthält
keine Beweisanträge. Sofern der Schriftsatz vom 12. November 2020 gemeint ist, ist der Senat dem Beweisantrag auf S. 6 (Beiziehung
der Akten zum Az. 25 U 495/89 = III UBf 7/92) bereits von Amts wegen nachgekommen. Für das mit Seite 7 beantragte Sachverständigengutachten fehlt ein konkreter
Beweisantrag. Im Übrigen hat der Senat, wie ausgeführt, eine Promoterwirkung des TCDD zugunsten der Klägerin unterstellt,
was aber aus rechtlichen Gründen, wie gleichfalls ausgeführt, nicht bereits bei jedem denkbaren Kontakt zur Anerkennung einer
BK führen kann. Auch Seite 8 des Schriftsatzes enthält keinen konkreten Beweisantrag; zudem hat der Senat ausgeführt, warum
eine Rückrechnung der Blutfettwerte vorliegend nicht in Betracht kommt.
Der Schriftsatz vom 1. Juli 2021 enthält ebenfalls keine konkreten Beweisanträge. Wozu der benannte Zeuge aus eigener Wahrnehmung
Angaben machen können soll, wird nicht dargelegt. Die Notwendigkeit eines toxikologischen Sachverständigengutachtens neben
einem arbeits-, umwelt- und sozialmedizinischen wie dem des Prof. Dr. N1 erschließt sich für den Senat nicht. Dass die Klägerin
mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden ist, kann ein weiteres Gutachten nach §
106 SGG jedenfalls nicht rechtfertigen.
Eine BK 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) kommt bei dem Versicherten nicht in Betracht, da das Krankheitsbild
nicht der Toxizität der Halogenkohlenwasserstoffe entspricht, welche in erster Linie das zentrale Nervensystem betrifft und
bisher ohne Nachweis krebserzeugender Eigenschaften mit Bezug auf die Krebsarten des Versicherten ist. Insoweit nimmt der
Senat Bezug auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. P. vom 1. Februar 2018. Ob der Versicherte, wie Prof. F. ausführt,
auch Symptome einer Beteiligung des Zentralnervensystems gehabt hat, kann insoweit dahinstehen. Diese wären jedenfalls allen
Gutachten zur Folge lediglich blande gewesen, hätten ein rentenrechtlich relevantes Ausmaß nicht erreicht und haben nicht
zum Tode des Versicherten geführt. Gleiches gilt für die BK 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol),
welche zu Blutbildveränderungen führt. Für eine solche gibt es weder Anhaltspunkte in den Akten, noch ist der Kläger an einer
entsprechenden Erkrankung verstorben.
Auch für das Vorliegen einer BK 4104 gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die BK betrifft Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachten Erkrankungen der
Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren
(25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]). Nachdem der Kläger die Expositionsdauer insoweit unzweifelhaft nicht erfüllt, fehlt es auch
an einer entsprechenden Asbestose. Pathologisch-anatomisch ist die Asbestose durch eine diffuse, interstitielle, zunächst
peribronchial betonte Fibrose (Vermehrung des Bindegewebes) charakterisiert, bevorzugt im Mittel- und Untergeschoss der Lunge.
Als richtungweisend für die Diagnose einer Asbeststaublungenerkrankung oder einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung
der Pleura gelten Pleuraverschwielungen und kalkhaltige Pleuraplaques (Schönberger a.a.O., S. 1076 f.). Derartige fibrosierende
Lungenveränderungen konnten ausweislich des pathologischen Befundes der Prof. T. vom 21. April 2016 bei dem Versicherten nicht
festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, vgl. §
160 SGG.