Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung von 2.149,91 Euro für die stationäre Krankenhausbehandlung eines Patienten.
Herr M.D. (geb. xxxxx 1994, im Weiteren: der Patient) wurde zunächst in der A. Klinik S. in der Zeit vom 22. Mai bis zum 24.
Mai 2017 stationär behandelt. Er hatte bei Aufnahme über seit drei Tagen andauerndes Fieber, trockenen Husten und Schmerzen
am ganzen Körper geklagt. Als Aufnahmediagnosen hatten die Ärzte dort einen fieberhaften Infekt, einen Verdacht auf Pneumonie
und eine Nagelbettentzündung an der rechten Hand festgestellt. Die Laborwerte hatten deutlich erhöhte Infektparameter gezeigt,
ohne dass sich eine eindeutige Infektursache hatte eruieren lassen. Die Nagelbettentzündung war behandelt und eine Antibiose
durchgeführt worden, nach der sich der Patient beschwerdefrei gezeigt hatte. Am 24. Mai 2017 hatte der Patient ohne ärztliche
Rücksprache die Station verlassen, so dass eine geplante Laborkontrolle und die Mitgabe von Medikamenten nicht mehr hatte
erfolgen können. Der dortige Entlassungsbericht (vom 24. Mai 2017) nennt als Entlassungsdiagnosen einen fieberhaften Infekt,
am ehesten bei einer Nagelbettentzündung der rechten Hand. Als Therapie war eine Kontrolle der Infektparameter und eine Fortführung
der Infektsanierung bei weiterer Gabe des Antibiotikum-Präparats Cefpodoxim bis zum 29. Mai 2017 empfohlen worden.
Noch am 22. Mai 2017 meldete die A. Klinik S. mit einem an das Grundsicherungsamt der Beklagten gerichteten Fax die Aufnahme
des Patienten, als dessen Adresse sie den B. in H. angab, und kündigte einen Kostenübernahmeantrag an. Beigefügt war ein sog.
Dringlichkeitsattest mit der Diagnose Verdacht auf Pneumonie sowie eine von der A. Klinik S. vorformulierte und vom Patienten
am 22. Mai 2017 unterschriebene „Mittellosigkeitserklärung“, mit der er bestätigte, dass er keinerlei Krankenversicherungsansprüche
habe und es ihm nicht möglich sei, die entstehenden Krankenhausbehandlungskosten zu bezahlen. Er stelle deshalb einen Antrag
auf Übernahme der Kosten durch den Sozialhilfeträger.
Die Klägerin betreibt das K. in H.. Am Samstag, dem 27. Mai 2017, stellte sich der Patient nach Angaben der Klägerin mit einer
Schwellung, einer Schmerzhaftigkeit und einer Überwärmung beider Füße in ihrem Krankenhaus vor. Er habe erklärt, vor drei
Tagen bereits im Krankenhaus in H1 gewesen zu sein und das dort empfohlene Antibiotikum nicht weiter eingenommen zu haben.
Zu seiner Adresse und seinen genauen Wohnumständen habe der Patient keine Angaben gemacht. Die Ärzte der Klägerin führten
eine Therapie mit Penicillin durch, worunter sich die Entzündungszeichen regredient zeigten und sich der Allgemeinzustand
des Patienten besserte. Der Patient wurde am 31. Mai 2017 regulär entlassen und dabei über die Wichtigkeit der weiteren Einnahme
des Penicillins für den Entlassungs- und den Folgetag informiert. Der Entlassungsbericht vom 31. Mai 2017 nannte als Hauptdiagnose
ein Erysipel der Unterschenkel beidseits.
Laut Ausländerakte befand sich der Patienten vom 16. Oktober 2015 bis zum 11. April 2017 in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt
(JVA) H2 in B2. Am 13. April 2017 erteilte das Einwohner-Zentralamt (EZA) der Beklagten eine Meldeauflage, die an den Patienten
(ohne Postanschrift) andressiert war und in der er aufgefordert wurde, am 18. April 2017 in der Dienststelle H3 in H. vorzusprechen.
Am 18. April 2017 bestätigte der Patient, persönlich von der Beklagten ein Schreiben über seine Mitwirkungspflichten bei der
Beschaffung eines Identitätspapieres erhalten zu haben. Auf dem Empfangsbekenntnis ist als Adresse des Patienten die Straße
B. genannt. Ebenfalls am 18. April 2017 wurde dem Patienten vom EZA eine Duldung erteilt, die am 9. Mai 2017 verlängert wurde.
Mit Faxschreiben vom 28. Mai 2017 benachrichtigte die Klägerin die Beklagte über die Aufnahme des Patienten und stellte einen
Antrag auf Kostenübernahme, da der Patient nicht krankenversichert sei. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit Bescheid
vom 19. Juni 2017 ab, da sie nur für Leistungen an solche Personen zuständig sei, die in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung
(ZEA) nach § 44 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) untergebracht seien. Für den Patienten habe jedoch keine solche Unterbringung festgestellt werden können.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 wiederholte die Klägerin unter Nennung der Aufnahmediagnose ihren Kostenübernahmeantrag und
führte zum Patienten aus, dieser sei ohne festen Wohnsitz, halte sich seit Mai 2017 in H. auf, sei seit 2015 nicht mehr krankenversichert
und bestreite seinen Lebensunterhalt nach eigenen Angaben durch Betteln und Flaschensammeln. Zugleich übersandte die Klägerin
eine Erklärung ihrer Ärzte, wonach die Behandlung des Patienten medizinisch notwendig gewesen sei. Am 13. Juli 2017 legte
die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Juni 2017 ein. Sie gab an, der Patient sei laut Melderegisterauskunft
vom 13. Juli 2017 unter der Adresse S. in H. gemeldet. Dabei handele es sich um eine Flüchtlingsunterkunft. Die Beklagte sei
daher gem. § 44 Abs. 1 AsylG zuständig.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2017 zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf
die Ausführungen im Bescheid und trug ergänzend vor, der Patient sei zum Zeitpunkt der Behandlung in der Klinik der Klägerin
nicht in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht gewesen. Er habe sich vom 16. Oktober 2015 bis zum 11. April 2017 in
der JVA H2 in B2 befunden und sei anschließend ohne festen Wohnsitz gewesen, das habe er selbst gegenüber der Klägerin angegeben.
Die Klägerin hat am 25. Oktober 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Ihr Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung
der Krankenbehandlungskosten ergebe sich aus §
6a des
Asylbewerberleistungsgesetzes (
AsylbLG). Es habe ein Eilfall vorgelegen, und die stationäre Behandlung des Patienten sei medizinisch unabdingbar gewesen. Die Beklagte
sei auch zuständig gewesen. Der Patient sei in der Erstaufnahmeeinrichtung „S.“ gemeldet gewesen, wie sich aus einer – der
Klage beigefügten und auf den 13. Juli 2017 datierten – Melderegisterauskunft ergebe. Die Erklärung der Beklagten, der Patient
sei vom 16. Oktober 2015 bis zum 11. April 2017 in B2 inhaftiert gewesen und lediglich irrtümlich nicht abgemeldet worden,
stehe im Widerspruch zur Duldung, die die Beklagte nach der angeblichen Inhaftierung ausgestellt habe, sowie zu der noch am
13. Juli 2017 mitgeteilten Meldeanschrift. Zudem habe der Patient schon am 13. April 2017 eine Meldeauflage erhalten. Er habe
sich daraufhin offenbar auch bei der Beklagten gemeldet, worauf der Erhalt der Duldung vom 9. Mai 2017 hinweise. Der Patient
sei auch bedürftig gewesen. Er habe sich in der Klinik der Klägerin für mittellos erklärt. Zudem sei davon auszugehen, dass
die Beklagte seine Mittellosigkeit spätestens anlässlich der Ausstellung der Duldung verifiziert habe.
Die Beklagte hat auf Frage des Sozialgerichts, in welchen Zeiträumen der Patient bei ihr im Bezug von Leistungen nach dem
AsylbLG gestanden habe, mitgeteilt, dass er im Zeitraum vom 24. Februar 2015 bis zum 30. April 2015 Leistungen nach §
3 AsylbLG bezogen habe. Krankenhilfe nach §
4 AsylbLG sei ab 24. Februar 2015 bewilligt worden. Der Patient sei bis zum 10. Juli 2015 bei der AOK B1 angemeldet gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 23. November 2020 abgewiesen. Die Klägerin habe
keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der ihr durch die Behandlung des Patienten vom 27. Mai bis zum 30. Mai 2017
entstandenen Kosten. Ein Anspruch aus §
6a AsylbLG scheide aus. Nach dieser Vorschrift habe eine Person Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen in gebotenem Umfang, wenn
sie in einem Eilfall einem anderen Leistungen erbracht habe, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Leistungen nach den §§
3,
4 und
6 AsylbLG nicht zu erbringen gewesen wären, wenn sie sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen habe.
Dies gelte nur, wenn die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Träger des
AsylbLG beantragt werde. Bei der am 22. Mai 2017 begonnenen Behandlung handele es sich nicht um einen Eilfall. Vorliegend sei zwar
das bedarfsbezogene Moment aufgrund der Erkrankung des Patienten gegeben gewesen. Es fehle jedoch am sozialhilferechtlichen
Moment. Ihm liege zugrunde, dass ein Anspruch des Nothelfers nur solange bestehen könne, wie der Sozialhilfeträger bzw. der
Leistungsträger nach dem
AsylbLG keine Kenntnis vom Leistungsfall habe. Diese Grundsätze zur Abgrenzung des Anspruchs des Nothelfers von dem des Hilfebedürftigen
würden auch im Rahmen des §
6a AsylbLG gelten. Dies verdeutliche §
6b AsylbLG, der zur Bestimmung des Zeitpunkts des Einsetzens der Leistungen nach den §§
3,
4 und
6 AsylbLG die entsprechende Geltung von § 18 SGB XII anordne. Das Asylbewerberleistungsrechtsverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten nach §
1 Abs.
1 AsylbLG und dem zuständigen
AsylbLG-Träger werde erst mit dessen Kenntnisnahme vom Bedarfsfall begründet. §
6b AsylbLG diene u.a. dieser genannten Abgrenzung der Ansprüche. Durch das Zusammenspiel von §
6a und §
6b AsylbLG solle sichergestellt werden, dass vor Kenntnis des Trägers von seiner Verpflichtung zur Leistung ein Anspruch des Leistungsberechtigten
zwar nicht bestehe, aber insbesondere Krankenhausträger und Ärzte die Erstattung ihre Behandlungskosten unmittelbar vom Leistungsträger
verlangen könnten, wenn sie in Nothilfe zugunsten von Leistungsberechtigten nach dem
AsylbLG leisteten (BT-Drs. 18/2592, 2 und 25).
Dabei sei zunächst bei der Übertragung der Regelungen für den Nothelfer in das
AsylbLG zu berücksichtigen, dass für die Kenntnis im Sinne des § 18 SGB XII nicht bereits die Kenntnis von der Leistungsberechtigung im Sinne des §
1 AsylbLG genügen könne. Denn die Anspruchsvoraussetzungen des §
1 AsylbLG seien dem Leistungsträger regelmäßig zeitnah nach der Einreise des Ausländers bekannt, so dass immer dann, wenn bereits Grundleistungen
nach §
3 AsylbLG erbracht würden, kein Raum mehr für §
6a AsylbLG verbleibe. Dies hätte aber ein weitgehendes Leerlaufen der Regelung in jenen Fällen zur Folge, in denen der Leistungsberechtigte
Grundleistungen nach §
3 AsylbLG beziehe und ein Nothelfer unabweisbare Leistungen erbringe. Der Gesetzgeber habe indes mit der Formulierung des §
6b AsylbLG den Schutz des Nothelfers ausgeweitet, indem die Vorschrift bestimme, dass die Kenntnis bezogen jeweils auf die einzelne
Leistung nach §§
3,
4 oder 6 bestehen müsse. Die Kenntnis des
AsylbLG-Trägers müsse sich also auf den konkreten Bedarfsfall beziehen. Der Umstand, dass der Beklagten spätestens durch Erteilung
der Duldung an den Patienten am 9. Mai 2017 seine Leistungsberechtigung nach §
1 Abs.
1 Nr.
4 AsylbLG bekannt gewesen sei, stünde also demnach einem Nothelferanspruch der Klägerin nach §
6a AsylbLG nicht entgegen. Auch sei vorliegend die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus der Klägerin an einem Samstag erfolgt,
mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte als Trägerin der Leistungen nach dem
AsylbLG ohne Zweifel nicht dienstbereit gewesen sei.
Gleichwohl scheide ein Anspruch der Klägerin hier aus. Denn die Beklagte habe bereits vor Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus
der Klägerin Kenntnis vom konkreten Bedarfsfall gehabt. Der Anspruch des Leistungsberechtigten auf Leistungen bei Krankheit
nach §
4 AsylbLG setze jeweils die Kenntnis von der einzelnen Erkrankung voraus. Die Beklagte habe hier bereits durch den ersten stationären
Krankenhausaufenthalt des Patienten vom 22. Mai bis zum 24. Mai 2017, der ihr bereits am Aufnahmetag von der A. Klinik S.
am 22. Mai 2017 mitgeteilt worden sei, Kenntnis von jener Erkrankung erlangt, die auch dem nachfolgenden Aufenthalt in der
Klinik der Klägerin ab dem 27. Mai 2017 zugrunde gelegen habe. Bei der Beurteilung, ob der Beklagten bereits Kenntnis vom
konkreten Bedarfsfall vermittelt worden sei, bevor die Klägerin die Krankenbehandlung beim Patienten durchgeführt habe, komme
es nach Auffassung der Kammer nicht auf die von den Ärzten gestellten Aufnahme- oder Entlassungsdiagnosen an, die sich hier
bei den beiden Behandlungsfällen unterschieden. Maßgeblich sei vielmehr, dass der zweite stationäre Aufenthalt im Krankenhaus
der Klägerin offenkundig auf jene nicht austherapierte bakterielle Infektion zurückzuführen gewesen sei, derentwegen der Patient
bereits in der A. Klinik S. medikamentös mit Antibiotika behandelt worden sei. Selbst wenn sich das Krankheitsbild durch das
sich nun zeigende Erysipel von der Symptomatik während des vorhergehenden Klinikaufenthaltes unterschieden habe, so handele
es sich nicht um eine gänzlich neue Erkrankung, durch die sich die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis zu einer neuen Entscheidung
über die Gewährung von Leistungen bei Krankheit nach §
4 Abs.
1 AsylbLG hätte veranlasst sehen müssen. Vielmehr habe es sich im Kontext des Merkmals der Kenntniserlangung nach den §§ 6a und 6b
AsylbLG um ein einheitliches Krankheitsgeschehen gehandelt. Habe die Beklagte aber bereits bei Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus
der Klägerin am 27. Mai 2017 Kenntnis vom Bedarfsfall gehabt, scheide ein Nothelferanspruch der Klägerin nach §
6a AsylbLG aus.
Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf §
4 AsylbLG stützen. §
4 Abs.
1 AsylbLG betreffe allein das Leistungsverhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Leistungsträger. Ärzte, Zahnärzte oder Krankenhausträger
hätten grundsätzlich keinen eigenen Vergütungsanspruch gegen den zuständigen Leistungsträger nach dem
AsylbLG. Der Sachleistungsanspruch des Ausländers aus §
4 Abs.
1 AsylbLG könne auch nicht übertragen oder abgetreten werden.
Gegen das ihr am 1. Dezember 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Dezember 2020 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht
sei davon ausgegangen, dass ein einheitliches Krankheitsgeschehen vorgelegen habe. Das Sozialgericht hätte den Sachverhalt
nicht sozialmedizinisch beurteilen dürfen Das sozialhilferechtliche Moment eines Eilfalles erfordere, dass eine rechtzeitige
Leistung vom zuständigen Träger des
AsylbLG objektiv nicht zu erlangen sei. In Abgrenzung zum Leistungsanspruch der hilfebedürftigen Person bestehe der Aufwendungserstattungsanspruch
des Nothelfers nur dann, wenn der Träger des
AsylbLG keine Kenntnis vom Eilfall habe. Gemeint sei dabei aber nur die Kenntnis vom konkreten Eilfall, nicht etwa die Kenntnis über
einen anderen Notfall. Würde man die Auffassung des Gerichts weiterdenken, wäre beispielsweise bei einer chronischen Erkrankung
mit mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Notfallbehandlungen ab der zweiten Behandlung niemals ein Nothelferanspruch nötig.
Der Notfall sei daher auch erst mit Aufnahme in der Klinik der Klägerin und nicht bereits mit der Aufnahme im AK S. eingetreten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 23. November 2020 sowie den Bescheid vom 19. Juni 2017 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 25. September 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Behandlung des Herrn M.D.
vom 27. Mai 2017 bis zum 31. Mai 2017 an die Klägerin 2.149,91 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich vorliegend um ein einheitliches Krankheitsgeschehen gehandelt habe. Der Patient
habe sich vom 22. bis 24. Mai 2017 in der A. Klinik S. wegen eines Infekts, Fieber, Husten sowie einer Nagelbettentzündung
befunden. Es sei eine Antibiose durchgeführt worden, nach der sich der Patient beschwerdefrei gezeigt habe. Am 24. Mai 2017
habe der Patient ohne Rücksprache die Station verlassen, so dass die erforderliche Laborkontrolle und Mitgabe von Medikamenten
nicht habe erfolgen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte der Beklagten, die
Krankenakte der Klägerin und die Sitzungsniederschrift vom 28. April 2022 verwiesen.
Die Regelungen der §§ 6a, 6b
AsylbLG sind mit Gesetz zur Änderung des
Asylbewerberleistungsgesetzes und des
Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014 eingeführt worden, nachdem das Bundessozialgericht mit Urteil vom 30. Oktober 2013 (Az: B 7 AY 2/12
R) die analoge Anwendbarkeit des § 25 SGB XII im Asylbewerberleistungsrecht verneint hatte. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/2592, S. 25 ff.) wird zu §§ 6a und
6b
AsylbLG ausgeführt, dass der Tatbestand des §
6a AsylbLG dem des § 25 SGB XII nachgebildet sei und die in der Rechtsprechung zum sozialhilferechtlichen Nothelferanspruch herausgearbeiteten Anspruchsvoraussetzungen
und Grundsätze für den Anspruch nach §
6a AsylbLG entsprechend gelten würden. §
6a AsylbLG gehe dabei wie § 25 SGB XII davon aus, dass sich der Nothelferanspruch und der originäre Hilfeanspruch nach den §§
3 ff.
AsylbLG gegenseitig ausschlössen. Um eine Anspruchshäufung und damit eine Besserstellung gegenüber der Rechtslage im SGB XII zu vermeiden, werde daher zugleich auch die Anwendung des Kenntnisnahmegrundsatzes im
Asylbewerberleistungsgesetz festgeschrieben. Die Kenntniserlangung des Leistungsträgers vom Hilfefall begrenze damit den Nothelferanspruch nach §
6a AsylbLG und markiere zugleich das Einsetzen der Leistungspflicht des Leistungsträgers nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz. Ein Asylbewerberleistungsrechtsverhältnis setze demnach ebenso wie ein Sozialhilferechtsverhältnis die Kenntnis des zuständigen
Leistungsträgers vom Bedarfsfall voraus. Hieraus folge, dass Grundleistungen nach den §§
3 ff.
AsylbLG erbracht würden, sobald dem Leistungsträger nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz oder einer von ihm beauftragten Stelle bekannt werde, dass die Voraussetzungen für die Leistungen vorlägen. Nach dem Vorbild
des § 25 SGB XII solle ausnahmsweise ein Ersatzanspruch für den an sich nicht anspruchsberechtigten Nothelfer für den Zeitraum geschaffen
werden, in dem der Sozialhilfeträger noch keine Kenntnis von der Bedarfslage des Hilfebedürftigen habe. Hierfür sei es notwendig
den Kenntnisnahmegrundsatz in das
Asylbewerberleistungsgesetz einzuführen, anderenfalls bestünde die Gefahr einer von §
6a AsylbLG nicht erwünschten Anspruchshäufung.
Vorliegend fehlt es jedoch an dem sozialhilferechtlichen Moment. Dieser setzt voraus, dass eine rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers
objektiv nicht zu erlangen ist. Verbleibt Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers, so liegt daher kein Eilfall
vor. Ein Eilfall besteht ferner nur für den Zeitraum, in dem der Sozialhilfeträger nicht erreichbar ist oder der Nothelfer
ohne Verletzung eigener Obliegenheiten davon ausgehen durfte, den Sozialhilfeträger nicht einschalten zu müssen (vgl. BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R und Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Der Nothelferanspruch ist dann in seiner
Dauer begrenzt auf die Zeit, in der der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Hilfefall erlangen kann, weil er nicht dienstbereit
ist (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 30.3.2017 – L 4 SO 38/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17; BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 16). Hat der Sozialhilfeträger Kenntnis von dem Leistungsfall, so kann ein Anspruch
des Nothelfers nicht mehr bestehen (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 24.6.2016 – L 4 SO 12/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO
41/17; BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 18; Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R und Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY
2/12 R, Rn. 19). Der Mangel der Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe wird tatbestandlich von §
6a AsylbLG vorausgesetzt, weil mit der Kenntnis im Sinne der §§ 6b
AsylbLG i.V.m. 18 SGB XII bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ein Anspruch der in Not geratenen Person selbst nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz einsetzt. Damit scheidet ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch des Nothelfers aus, denn eine Mehrheit von Ansprüchen für denselben
Bedarf bzw. denselben Zeitabschnitt ist ausgeschlossen (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 24.6.2016 – L 4 SO 12/15 und Urteil vom
30.8.2018 – L 4 SO 41/17). Eine über den Zeitpunkt des Einsetzens der Asylbewerberleistungen hinausgehende Schutzbedürftigkeit
des Nothelfers hat der Gesetzgeber nicht gesehen, selbst wenn der Nothelfer die Kosten nicht erstattet erhält, weil der Leistungsberechtigte
die Leistung nicht in Anspruch nimmt.
Vorliegend hatte die Beklagte bereits mit dem Kostenübernahmeantrag der A. Klinik S. am 22. Mai 2017 Kenntnis vom spezifischen
Bedarfsfall (vgl. BSG, Urteil vom 20.4.2016 – B 8 SO 5/15 R). Ab diesem Zeitpunkt war der Beklagten bekannt, dass der Patient aufgrund einer bakteriellen
Infektion der ärztlichen Behandlung bedurfte und angegeben hatte, nicht über die erforderlichen Mittel zu verfügen, um sich
diese selbst zu beschaffen. Der Senat geht auch nicht davon aus, dass nach dem ersten Behandlungsfall in der A. Klinik S.
eine solche Zäsur eingetreten ist, dass von einem neuen Bedarfsfall am 27. Mai 2017 auszugehen ist. Es stellt sich vielmehr
als einheitliches Krankheitsgeschehen dar. Der Patient hatte das ihm in der A. Klinik S. verordnete Antibiotikum nicht wie
verordnet weitergenommen, sondern die Behandlung frühzeitig abgebrochen, so dass er sich erneut mit Symptomen der bakteriellen
Infektion wenige Tage später im Krankenhaus der Klägerin vorstellte. Es bestand durchgehend Behandlungsbedürftigkeit. Dies
ergibt sich bereits aus den Krankenunterlagen und bedurfte keiner weiteren sachverständigen Begutachtung. Wie eine Abgrenzung
bei einer chronischen Erkrankung zu erfolgen hat, war hier nicht zu beurteilen. Auch im Hinblick auf die vom Patienten auch
bei der zweiten Behandlung angegebene Mittellosigkeit ist keine Zäsur zwischen den beiden stationären Krankenhausaufenthalten
erkennbar.