Voraussetzungen der Erstattungspflicht des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Krankenhaus als sog. Nothelfer
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung der Kosten für die stationäre Krankenhausbehandlung eines Patienten in der
Zeit vom 7. bis zum 14. April 2016 in Höhe von 3.456,70 Euro.
Die Klägerin betreibt die A. Klinik A1 in H.. Die Beklagte ist örtlicher Sozialhilfeträger.
Am 7. April 2016, einem Donnerstag, stellte sich um 23:41 Uhr ein Patient in der Notaufnahme der A. Klinik A1 vor, der angab,
der am xxxxx 1985 geborene p. Staatsangehörige L.R. zu sein. Der Patient trug vor, er habe am Abend aus einer herumstehenden
Sektflasche getrunken, beim ersten Schluck habe er aber die unmittelbare Erkenntnis gehabt, dass es sich beim Inhalt nicht
um Sekt gehandelt habe. Anschließend habe er einmalig - wohl blutig tingiert - erbrochen. Seitdem habe er Schmerzen im Hals.
Es wurden bei dem Patienten u.a. ein Magengeschwür und eine Speiseröhrenentzündung durch Verätzung bei Ingestion von Reinigungsmittel
diagnostiziert. Der Patient wurde stationär in der A. Klinik A1 aufgenommen und dort behandelt. Die Klägerin informierte die
Beklagte noch am 7. April 2016 um 23:47 Uhr per Fax über die Behandlung. Am 14. April 2016 wurde der Patient entlassen.
Mit Schreiben vom 27. April 2016 stellte die Klägerin einen Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten. Dem Antrag war beigefügt
eine vom Patienten unterschriebene sog. Mittellosigkeitserklärung vom 8. April 2016, der zufolge er nicht in der Lage sei,
die entstehenden Krankenbehandlungskosten zu zahlen, keinerlei Krankenversicherungsansprüche habe und deshalb einen Antrag
auf Übernahme der Kosten durch den Sozialhilfeträger stelle. Ferner war beigefügt ein Lichtbild des Patienten ohne Datum.
Außerdem lag ein Aufnahmebogen vom 8. April 2016 bei. Auf dem Bogen war auf Blatt 1 vermerkt „ofW“ (ohne festen Wohnsitz);
eine Ausweis- oder Passkopie habe nicht vorgelegen; eine Krankenversicherung besteht nicht, der Patient sei zuletzt vor ca.
3 bis 4 Jahren versichert gewesen; der Patient lebe von „Flaschen“, er halte sich seit ca. 5 – 6 Monaten in H. auf; er komme
aus P., wo er seine letzte Anschrift vor 2 bis 3 Jahren gehabt habe. Eine Krankenversicherung im Heimatland habe er nicht,
eine Europäische Versicherungskarte/ein Berechtigungsschein liege nicht vor. Vermögen in der Heimat gebe es nicht. Unterhaltspflichtige
Angehörige gebe es nicht.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 (im Antrag der Klägerin und im Tenor irrtümlich bezeichnet als „Bescheid vom 26. Mai 2016“)
teilte die Beklagte mit, dass der Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt werde. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich
nicht um einen Eilfall handele. Der Patient sei bereits mehrfach bei der Klägerin in Behandlung gewesen, sodass bekannt gewesen
sei, dass eine Kostenübernahme aufgrund der ungeklärten Versicherungsverhältnisse ebenfalls unklar sei. Wenn der Patient arbeitsfähig
sei, bestünden vorrangige Ansprüche beim Jobcenter. Ggf. bestünden vorrangige Leistungsansprüche und eine Krankenversicherung
im Heimatland. Diese Fakten könnten mangels Angaben der Klägerin bzw. Auskünften des Patienten nicht ausreichend geprüft werden.
Der Patient könne nicht vorgeladen werden, da er ohne festen Wohnsitz und seit dem 19. Februar 2011 in H. amtlich abgemeldet
sei, Ohne derartige Angaben könnten die finanziellen Verhältnisse und ggf. vorrangige Ansprüche nicht abgeklärt werden.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 26. Mai 2016 Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zur Begründung führte sie aus, dass
dem Bescheid entnommen werden könne, dass der Patient bei der Beklagten bekannt sei. Der Anspruch der Klägerin als Nothelferin
sei nicht davon abhängig, dass ein Patient erreichbar sei. Die Klägerin habe der Beklagten mit der Mittellosigkeitserklärung
und dem Aufnahmebogen die zur Prüfung notwendigen Informationen weitergeleitet. Ein Nachrang der Sozialhilfe sei hier nicht
ersichtlich, da der Patient bei Aufnahme in der Klinik keine Leistungen vom Jobcenter oder einer Versicherung erhalten habe.
Es sei von Hilfebedürftigkeit auszugehen. Zudem sei eine Behandlung sowohl im medizinischen wie im sozialhilferechtlichen
Sinn als Eilfall unabdingbar geboten gewesen.
Mit Rechnung vom 26. Mai 2016 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung des Patienten vom 7. bis zum 14. April
2016 Kosten in Höhe von 3.456,70 Euro in Rechnung. Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 übersandte die Klägerin der Beklagten eine
Nachricht der A... R./ H., dass die P. Krankenkasse für Herrn L.R., geb. xxxxx 1985, keine Provisorische Ersatzbescheinigung
ausstelle. Beigefügt war ein Antrag auf Bescheinigung des Anspruchs auf Sachleistungen (Formular E 107), auf dem offenbar
die p. Krankenversicherung die Ausstellung einer „Bescheinigung als provisorischer Ersatz für die Europäische Krankenversicherungskarte“
oder einer Europäischen Krankenversicherungskarte für den Zeitraum 7. bis 14. April 2016 ablehnt. Als Begründung ist angegeben
„nieubezpieczony“ (laut dem Google-Übersetzungsdienst: „nicht versichert“).
Das Widerspruchsverfahren wurde zunächst in Hinblick auf ein Parallelverfahren (S 28 SO 570/16) ruhend gestellt. Nachdem am
13. März 2020 die Klage in diesem Parallelverfahren zurückgenommen wurde, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 11. August 2020 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen des § 25 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) nicht vorlägen. Aus den Unterlagen erschließe sich bereits nicht, dass es sich um einen medizinischen Eilfall gehandelt
habe. Ein Nothelferanspruch komme ohnehin nur für den ersten Tag, den 7. April 2016, in Betracht, da die Beklagte am Freitag,
den 8. April 2016, wieder dienstbereit gewesen sei. Ferner habe der Patient weder einen hypothetischen Anspruch auf Leistungen
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) noch auf Leistungen nach dem SGB XII gehabt. Dem stehe die fehlende Kenntnis des gewöhnlichen Aufenthalts bzw. die fehlende Feststellung der Hilfebedürftigkeit
des Patienten entgegen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Sozialhilfeträger seinen Pflichten zur Aufklärung des Sachverhalts
nicht nachgekommen sei. Außerdem komme der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II in Betracht, da der Patient sich auf kein anderes Aufenthaltsrecht als ein solches zur Arbeitsuche berufen könne.
Die Klägerin hat daraufhin am 24. August 2020 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass
die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs der Klägerin als Nothelferin vorlägen. Ein Eilfall sei gegeben gewesen. Eine
sofortige stationäre Versorgung sei medizinisch unabdingbar gewesen. Auch ein sozialhilferechtlicher Eilfall habe vorgelegen.
Der Patient sei mittellos gewesen, er habe in der Klink angegeben, vom Betteln und Flaschensammeln zu leben. In P. sei kein
Krankenversicherungsschutz gegeben gewesen. Auch ein Wohnungsloser könne seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, dies sei
vorliegend bei einem Aufenthalt von einem Jahr auch anzunehmen. Unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom
18. November 2014, Az. B 8 SO 9/13 R, werde darauf verwiesen, dass entscheidend für den Nachrang der Sozialhilfe nicht das
Bestehen anderer Leistungsansprüche sei, sondern erst der Erhalt dieser anderen Leistungen.
Das Sozialgericht hat die Krankenakte der Klägerin sowie die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Aus den Verwaltungsakten
der Beklagten hat sich ergeben, dass die Klägerin der Beklagten weitere Behandlungen des Herrn L.R., geboren xxxxx 1985, am
31. Dezember 20, 2. Januar 2016 und 6. Mai 2016 gemeldet hat, allerdings ohne weitere Unterlagen einzureichen. Weiter ist
die Anmeldung von Behandlungskosten unter dem Namen L.R., geboren xxxxx 1985, durch das D1 am. September 2016 erfolgt. Im
Zuge der weiteren Ermittlungen hat das Sozialgericht am 5. Februar 2021 eine Einwohnermeldeauskunft für L.R., geboren xxxxx
1985, durchgeführt, deren Ergebnis gewesen ist, dass die Person nicht identifiziert werden könne bzw. eine Auskunftssperre
vorliege.
Das Sozialgericht hat mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entschieden und die Klage mit Urteil vom
5. März 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, als Anspruchsgrundlage komme allein § 25 SGB XII in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorlägen. Zwar stehe für die Kammer nicht in Zweifel, dass der Patient vorliegend
umgehend mit den Mitteln eines Krankenhauses habe behandelt werden müssen, also ein medizinischer Eilfall vorgelegen habe.
Für die Zeit ab dem 8. April 2014 fehle es jedoch an einem Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinn, denn an diesem Tag sei
die Beklagte dienstbereit und über den Leistungsfall informiert gewesen, sodass ggf. ein Anspruch des Patienten selbst entstanden
sei, der den Nothelferanspruch wiederum ausschließe. Für den 7. April 2014 scheitere ein Anspruch der Klägerin an der fehlenden
hypothetischen Leistungspflicht der Beklagten. Das Gericht habe nicht zu seiner Überzeugung feststellen können, dass der Patient
hilfebedürftig gewesen sei. Die Angaben, die der Patient gegenüber dem Krankenhauspersonal gemacht habe, seien hierfür nicht
ausreichend. Es könne schon nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass es sich bei der behandelten Person überhaupt
um den am xxxxx 1985 geborenen p. Staatsangehörigen L.R. gehandelt habe. Ein Ausweis oder ein anderes Identitätsdokument liege
nicht vor. Dies stehe im Widerspruch dazu, dass das D1 H. in einem anderen Erstattungsverfahren gegen die Beklagte eine Anzeige
des L.R. vom 17. Juni 2016 beim Polizeikommissariat in H. eingereicht habe, nach der dieser seinen p. Ausweis am 17. Juni
2016 verloren habe. Wenn es sich in beiden Fällen um die gleiche Person gehandelt habe, wäre davon auszugehen, dass der Patient
bei der Behandlung im April 2016 noch im Besitz seines Ausweises gewesen sei und diesen bei der Klinikaufnahme hätte vorzeigen
können. Ferner werfe auch die vom D1 H. vorgelegte Mittellosigkeitserklärung vom 15. September 2016 Fragen auf, da hier als
Nachname „R3“ und als Geburtsdatum der xxxxx 1985 angegeben worden, die Erklärung aber mit „R1“ unterschrieben sei. Es liege
in der Akte der Beklagten ein weiteres Foto aus dem Jahr 2016 vor, bei dem davon auszugehen sei, dass es dieselbe Person zeige
wie das dem Kostenübernahmeantrag vom 27. April 2016 beigefügte Foto. Hieraus lasse sich aber nicht darauf schließen, dass
diese Person der am xxxxx 1985 geborene L.R. sei.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 15. März 2021 zugestellt. Am 31. März 2021 hat die Klägerin Berufung
eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Identität des Patienten sei hinreichend geklärt. Sie habe eine unterzeichnete
Checkliste, ein Foto, eine unterzeichnete Mittellosigkeitserklärung und die Negativauskunft der Nationalen P.n Krankenkasse
vorgelegt. Die Unterschriften des Patienten auf den Belegen stimmten überein. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil dazu,
dass der Patient bei einer späteren Behandlung im September 2016 eine Verlustanzeige seines Ausweises vorgelegt und dort zunächst
mit dem Namen R3 aufgenommen worden sei, sagten nichts über den hier zu beurteilenden Fall aus. Soweit das Sozialgericht moniere,
hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit lägen nur die Angaben des Patienten selbst vor, sei unklar, was denn stattdessen gefordert
werden solle. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf die gesamten Behandlungskosten. Insoweit werde auf die von der Beklagten
selbst verfasste Arbeitshilfe zu § 25 SGB XII und §
6a AsylbLG vom 20. Mai 2020 verwiesen, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankenhilfe die gesamten Kosten
an das Krankenhaus angewiesen werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Hamburg vom 5. März 2021 sowie den Bescheid vom 26. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11. August 2020 aufzuhe-ben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die Krankenhausbe-handlung des
Herrn L.R. im Zeitraum vom 7. April 2016 bis zum 14. April 2016 in Höhe von 3.456,70 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Urteil.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat von der Beklagten die Verwaltungsakten bezüglich der Kostenübernahmeanträge
des D1 angefordert und erhalten sowie die dazugehörigen Prozessakten vom Sozialgericht (S 28 SO 469/20) beigezogen.
Hinsichtlich der stationären Behandlung im Zeitraum 14. bis 16. September 2016 findet sich in der Verwaltungsakte folgendes:
· Anmeldung von Behandlungskosten unter dem Namen L.R., geboren xxxxx 1985, durch das D1 am 15. September 2016
· Kostenübernahmeantrag des D1 vom 22. September 2016. In diesem wird ausgeführt, dass der Patient wohnungslos und p. Staatsangehöriger
sei. Seinen Bedarf zum Lebensunterhalt würde er sich erbetteln bzw. Flaschen sammeln, er sei seit ca. einem Jahr in H., sein
Ausweis sei gestohlen worden. Er sei an die Tagesaufenthaltsstätte in der B. angebunden, die er regelmäßig aufsuchen würde
und in der er bekannt sei.
· Dem Antrag ist beigefügt eine Anzeige vom 17. Juni 2016 beim Polizeikommissariat, D2, nach der Herr L.R. den Verlust seines
p. Ausweises am 17. Juni 2016 um 1:12 Uhr auf der R2 angezeigt habe.
· Weiter ist beigefügt worden ein Behandlungsvertrag vom 15. September 2016, eine Notfallbescheinigung vom 15. September 2016
des behandelnden Arztes (mit Angabe des Geburtsdatums xxxxx1985) und ein Lichtbild ohne Datum.
· Ebenfalls ist vorgelegt worden eine unterschriebene Mittellosigkeitserklärung vom 15. September 2016 unter Angabe des Nachnamens
R3 und Geburtsdatum xxxxx 1985 mit der Unterschrift R1.
In der zugehörigen Prozessakte (S 28 SO 469/20) befindet sich außerdem:
· Eine Email von Frau K.C. von der Tagesaufenthaltsstätte B. des D3-Hilfswerk H. an Frau H1 vom D1 vom 21. September 2016.
In dieser teilt Frau C. mit, Herr L.R. R1 sei ihnen bekannt. Er sei ohne festen Wohnsitz. Sie besäßen keine Ausweiskopie von
ihm.
· Ein Antrag auf Bescheinigung des Anspruchs auf Sachleistungen (Formular E 107), auf dem offenbar die p. Krankenversicherung
die Ausstellung einer „Bescheinigung als provisorischer Ersatz für die Europäische Krankenversicherungskarte“ oder einer Europäischen
Krankenversicherungskarte für den Zeitraum 7. bis 14. April 2016 ablehnt.
Ferner liegt eine Verwaltungsakte hinsichtlich einer Behandlung des Patienten ab dem 21. Mai 2017 im D1 H. vor. In dieser
befinden sich:
· Ein Kostenübernahmeantrag vom 26. Mai 2017, in dem es heißt, Herr R1 sei p. Staatsbürger und habe angegeben, seit 2013 in
H. zu sein und bis 2014 gearbeitet und bei der A... versichert zu sein. Er sei arbeitslos, habe keinen festen Wohnsitz und
lebe vom Flaschensammeln und Betteln. Sein Ausweis sei gestohlen worden.
· Eine mit „R1“ unterzeichnete Mittellosigkeitserklärung vom 21. Mai 2017
· Ein Behandlungsvertrag sowie eine Einwilligung in die Datenverarbeitung und –übermittlung vom gleichen Tag, beide ebenfalls
mit „R1“ unterzeichnet.
· Die Anzeige über den Verlust des Ausweises vom 17. Juni 2016
· Ein Antrag auf Bescheinigung des Anspruchs auf Sachleistungen (Formular E 107), auf dem offenbar die p. Krankenversicherung
die Ausstellung einer „Bescheinigung als provisorischer Ersatz für die Europäische Krankenversicherungskarte“ oder einer Europäischen
Krankenversicherungskarte für den Zeitraum 15. bis 16. September 2016 ablehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die
Prozessakte, die Verwaltungsakte und die beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene (§
151 SGG) Berufung ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe
von 493,81 Euro, insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und waren entsprechend abzuändern.
1.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 25 SGB XII. Danach hat eine Person einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen in gebotenem Umfang, wenn sie in einem Eilfall einem
anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, wenn sie
sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Dies gilt nur, wenn die Erstattung innerhalb
angemessener Frist beim zuständigen Sozialhilfeträger beantragt wird.
a.
Zuständiger Sozialhilfeträger war hier die Beklagte. Nach § 98 Abs. 2 SGB XII ist für stationäre Leistungen der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren
gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt
gehabt hatten. Der Patient hatte hier angegeben, sich in H., mithin im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, aufzuhalten.
b.
Zu Recht hat das Sozialgericht angenommen, dass es hinsichtlich des Zeitraums ab dem 8. April 2016 bereits an einem Eilfall
im Sinne dieser Vorschrift fehlt.
Ein Eilfall muss in zweifacher Hinsicht gegeben sein (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R m.w.N.; entsprechend bereits zur Vorgängervorschrift in § 121 BSHG BVerwG, Urteil vom 31.5.2011 – 5 C 20/00; vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 21.6.2012 – L 4 AY 4/11 m.w.N.). Zum einen muss beim Nothilfeempfänger ein
unabwendbarer Bedarf bestehen, der ein sofortiges Einschreiten des Nothelfers erforderlich macht. Aus den Informationen über
die Aufnahme des Patienten ergibt sich, dass hier eine medizinische Behandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses umgehend
nötig war (Trinken einer nicht identifizierten Flüssigkeit, Erbrechen mit etwas Blut).
Zum anderen muss aber auch ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinn vorliegen, was voraussetzt, dass eine rechtzeitige Hilfe
des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen ist. Verbleibt Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers,
so liegt daher kein Eilfall vor. Ein Eilfall besteht ferner nur für den Zeitraum, in dem der Sozialhilfeträger nicht erreichbar
ist oder der Nothelfer ohne Verletzung eigener Obliegenheiten davon ausgehen durfte, den Sozialhilfeträger nicht einschalten
zu müssen (vgl. BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R und Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Dabei wird die Obliegenheit eines Krankenhauses,
den Sozialhilfeträger zu unterrichten, regelmäßig dann ausgelöst, wenn der Patient einen Krankenversicherungsschutz nicht
durch Vorlage einer Versichertenkarte nachweisen kann und sich auch ansonsten keine Umstände ergeben, aus denen die notwendige
Kostensicherheit für das Krankenhaus hervorgeht (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Der Nothelferanspruch ist dann in seiner Dauer begrenzt auf die Zeit, in der der
Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Hilfefall erlangen kann, weil er nicht dienstbereit ist (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom
30.3.2017 – L 4 SO 38/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17; BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 16). Hat der Sozialhilfeträger Kenntnis von dem Leistungsfall, so kann ein Anspruch
des Nothelfers nicht mehr bestehen (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 24.6.2016 – L 4 SO 12/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO
41/17; BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 18; Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R und Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY
2/12 R, Rn. 19). Der Mangel der Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe wird tatbestandlich von § 25 Satz 1 SGB XII vorausgesetzt, weil mit der Kenntnis im Sinne des § 18 SGB XII bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem SGB XII die Sozialhilfe „einsetzt“ und ein Anspruch der in Not geratenen Person entsteht. Damit scheidet ab diesem Zeitpunkt ein
Anspruch des Nothelfers aus, denn eine Mehrheit von Ansprüchen für denselben Bedarf bzw. denselben Zeitabschnitt ist ausgeschlossen
(LSG Hamburg, Urteil vom 24.6.2016 – L 4 SO 12/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17). Eine über den Zeitpunkt des Einsetzens
der Sozialhilfe hinausgehende Schutzbedürftigkeit des Nothelfers hat der Gesetzgeber nicht gesehen, selbst wenn der Nothelfer
die Kosten nicht erstattet erhält, weil der Leistungsberechtigte die Leistung nicht in Anspruch nimmt. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens
zum Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl I, S. 1088) ist der Vorschlag des Gesundheitsausschusses, der Vorgängerregelung des § 121 BSHG den Satz „Mit Zustimmung des Leistungsberechtigten sind die Aufwendungen auch für den Zeitraum bis zur Entscheidung über
die Gewährung von Sozialhilfe zu erstatten; die Zustimmung wird vermutet, wenn der Leistungsberechtigte die Leistung vor der
Entscheidung nicht selbst bei dem zuständigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch nimmt“ (BT-Drs. 13/3904, S. 22 und 48) nicht
umgesetzt worden.
Gemessen an diesen Maßstäben ist ein Eilfall nur für den 7. April 2016 anzunehmen. An diesem Tag wurde der Patient um 23:41
Uhr und damit außerhalb der Dienstbereitschaft des Sozialhilfeträger aufgenommen. Es steht für den Senat außer Frage, dass
der Patient der sofortigen Behandlung bedurfte. Der Eilfall endete jedoch mit Beginn der Dienstbereitschaft am 8. April 2016,
da ab diesem Zeitpunkt eine Unterrichtung des Sozialhilfeträgers möglich war bzw. dieser ab diesem Zeitpunkt das bereits am
7. April 2016 um 23:47 abgesandte Fax der Klägerin zur Kenntnis nehmen konnte.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Arbeitshilfe der Beklagten zu § 25 SGB XII und §
6a AsylbLG (Gz.: SI 224/112.30-16-1, Stand 20.05.2020). In dieser heißt es (Ziffer 3.1): „Wenn ein Anspruch nach § 25 SGB XII dem Grunde nach bejaht wird, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankenhilfe
gemäß § 48 SGB XII für die weitergehenden Kosten (nach dem Nothelferfall) ebenfalls gegeben sind. Ist dies der Fall, können die gesamten geltend
gemachten Kosten an das Krankenhaus angewiesen werden“. Diese Formulierung ist erkennbar auf die Fälle bezogen, in denen die
Behörde selbst die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 25 SGB XII bejaht. Sie bezieht sich zudem eindeutig auf die Auszahlungspraxis, erkennt aber weder einen eigenen (Nothelfer-)Anspruch
des Krankenhauses über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus an, noch berechtigt sie das Krankenhaus prozessrechtlich dazu,
den Anspruch des Patienten für diesen geltend zu machen (hierzu auch unten 2.).
c.
Der Anspruch nach § 25 SGB XII setzt zudem das Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs des Betroffenen, insbesondere die Hilfebedürftigkeit
im Sinne des SGB XII, voraus. Wegen des Nachrangs der Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII liegt Hilfebedürftigkeit nicht vor, wenn der Betroffene eine Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann. Dabei ist zu beachten,
dass im Grundsatz nur bereite Mittel die Bedürftigkeit beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009 – B 8 SO 23/08 R, Rn. 20).
Die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Nothelfer (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 17) und zwar selbst dann, wenn der Sozialhilfeträger den Sachverhalt nicht in
hinreichender Weise aufklärt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.12.1996 – 5 B 202/95). Im Übrigen bestehen sowohl für den Nothelfer wie auch für den Sozialhilfeträger Ermittlungspflichten, für deren Abgrenzung
wie für die Abgrenzung der Ansprüche von Nothelfer und Hilfebedürftigem die Kenntnis des Sozialhilfeträgers der entscheidende
Aspekt ist. Schon nach den Vorschriften des
SGB V obliegt es dem Krankenhaus bei Aufnahme eines Patienten, nicht nur die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung selbst festzustellen,
sondern sich auch über den Krankenversicherungsstatus des Patienten, kurz über die Finanzierung der Behandlung, Sicherheit
zu verschaffen. Kommt es zu dem Schluss, dass die Kostentragung durch eine Krankenversicherung zweifelhaft ist, obliegt es
ihm, den Sozialhilfeträger entsprechend zu informieren (BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 20 ff.). Verschafft aber das Krankenhaus dem Sozialhilfeträger die Kenntnis vom
Eilfall, obliegt dem Sozialhilfeträger – nicht anders als im Falle der Vermittlung der Kenntnis durch den Hilfebedürftigen
selbst – die weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 17; Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 24). Kommt der Sozialhilfeträger
seiner Ermittlungspflicht nur unzureichend nach, muss er dies im Rahmen der Beweiswürdigung unter Umständen gegen sich gelten
lassen. Es bleibt dem Tatsachengericht im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung überlassen, je nach den Besonderheiten
des maßgebenden Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen, im Extremfall ein Indiz ausreichen zu lassen für die Feststellung
einer Tatsache oder der daraus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. dazu BSG Urteil vom 27.05.1997, 2 RU 38/96, juris Rn. 23, 24).
Im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung gelangt der Senat unter Berücksichtigung der soeben dargelegten Maßstäbe hier zu der
Überzeugung, dass der Patient hilfebedürftig war. Auch wenn er kein Ausweisdokument vorgelegt hat, so besteht doch angesichts
der übereinstimmenden Unterschriften auf diversen Unterlagen und dem Vorhandensein zweier Fotos, die zu unterschiedlichen
Zeiten von unterschiedlichen Personen aufgenommen wurden und die erkennbar die gleiche Person zeigen, für den Senat kein Zweifel,
dass es im hier streitigen Behandlungsfall um dieselbe Person geht wie bei den übrigen unter dem Namen L.R. gemeldeten Krankenhausaufenthalten,
insbesondere auch denjenigen im D1. Der Umstand, dass anlässlich des Aufenthalts im D1 ein Dokument den Namen als „R3“ und
das Geburtsdatum mit „xxxxx1985“ (statt sonst einheitlich 10.10.1985) angibt, steht dem nicht entgegen. Hier mag es sich um
Übertragungsfehler handeln, die im gleichen Behandlungsfall noch korrigiert wurden. Der Patient hat wiederholt angegeben,
obdachlos zu sein und vom Flaschensammeln gelebt zu haben. Diese Angaben werden gestützt durch die Email der Mitarbeiterin
der Tagesaufenthaltsstätte B. Frau C. vom 21. September 2016, in der diese mitteilt, Herr R1 sei ihnen bekannt und ohne festen
Wohnsitz. Insbesondere die Anbindung an die Tagesaufenthaltsstätte, eine Einrichtung der Hilfe für Obdachlose, ist ein gewichtiges
Indiz für das Fehlen ausreichender eigener finanzieller Mittel.
Anhaltspunkte dafür, dass der Patient krankenversichert war, bestehen nicht. Die Anfrage bei der p. Krankenkasse hat ergeben,
dass dort keine Versicherung für den Patienten – der mit Name, Geburtsdatum und Anschrift in P. beschrieben war – bestand.
Hinweise für eine Versicherung bei einer deutschen Krankenkasse sind nicht vorhanden. Eine Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13b SGB V ist ebenfalls nicht ersichtlich. Nach §
5 Abs.
11 Satz 2
SGB V (auch in der 2016 gültigen Fassung) werden von der Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
13b SGB V Angehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union nicht erfasst, wenn die Voraussetzung der Wohnortnahme in Deutschland
die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) ist. § 4 FreizügG/EU knüpft das Recht auf Einreise und Aufenthalt für nicht erwerbstätige Unionsbürger nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU an das Bestehen eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, der als eine andere Absicherung im Krankheitsfall im Sinne
des §
5 Abs.
1 Nr.
13b SGB V gewertet wird (vgl. Gerlach in: Hauck/Noftz,
SGB V, Stand Mai 2016, § 5 Rn. 477a; BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 21). Das bedeutet, dass die Krankenversicherungspflicht letztlich davon abhängig
ist, ob der Betroffene als nicht erwerbstätiger Unionsbürger nach § 4 FreizügG/EU eingereist ist oder ob er sich auf ein anderes Freizügigkeitsrecht berufen kann (Arbeitnehmer, Berufsausbildung, Arbeitssuche
etc.). Im ersten Fall müsste dann eine Krankenversicherung in P. bestanden haben, die hier gerade nicht vorlag. Im zweiten
Fall könnte eine Pflichtversicherung bestehen. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich der Patient auf ein Freizügigkeitsrecht
berufen könnte. Er hat seinen eigenen Angaben nach in den letzten sechs Monaten vom Pfandflaschensammeln gelebt, war danach
weder erwerbstätig noch arbeitssuchend.
d.
Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 SGB XII in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung vom 2. Dezember 2006 (a.F.) steht einer Leistungspflicht der Beklagten nicht
entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Patient nach Deutschland eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen (was nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB XII a.F. zum Ausschluss eines Anspruchs auf Leistungen führen würde) liegen nicht vor. Dem steht schon entgegen, dass er bei
den Sozialhilfeträgern unbekannt ist, also offenbar keine Leistungen beantragt hat.
Nach § 23 Abs. 3 S. 1 Alternative 2 SGB XII a.F. haben daneben auch Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keinen Anspruch
auf Leistungen. Ob der Patient hier ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche hat oder ob er über gar kein Aufenthaltsrecht verfügt,
kann hier ebenso dahin gestellt bleiben wie die Frage, ob dieser Leistungsausschluss erst recht für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht
gilt. Denn bei Notwendigkeit einer – wie hier – unaufschiebbaren Krankenbehandlung war Hilfe bei Krankheit nach § 48 S. 1 SGB XII auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII a.F. zu gewähren (vgl. hierzu, insbesondere zur Ermessensreduzierung auf Null in dieser Konstellation, BSG Urteil vom 18.11.2014, B 8 SO 9/13 R, Rn. 28).
e.
Die Klägerin hat die Erstattung ihrer Aufwendungen rechtzeitig im Sinne von § 25 Satz 2 SGB XII beantragt. Der Kostenübernahmeantrag wurde am 27. April 2016 gestellt und somit innerhalb der Frist von einem Monat, die
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Regelfall als angemessen gilt (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 17 und Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 28).
f.
Besteht ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 25 SGB XII demnach (nur) für den Aufnahmetag, so kann die Klägerin ein Siebtel ihrer Kosten erstattet verlangen. Bei einer Abrechnung
nach Fallpauschalen ist die Vergütung tagesbezogen aufzuteilen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Der Kläger ist am 7. April 2016 aufgenommen und am 14. April 2016 wieder entlassen
worden. Nach § 1 Abs. 7 der Fallpauschalenvereinbarung (sowohl der aktuellen als auch der für 2016) zählt bei der Berechnung
der Verweildauer zwar der Aufnahmetag, nicht aber der Entlassungstag. Diese Berechnung der Behandlungsdauer legt der Senat
auch im Rahmen des Anspruchs nach § 25 SGB XII zugrunde, sodass hier insgesamt von sieben Tagen Behandlung auszugehen ist, von denen einer dem Nothelfer zuzuordnen ist,
die übrigen nicht. Eine kleinteiligere Differenzierung als tagesbezogen kommt nicht Betracht.
Zweifel an der Richtigkeit bzw. Berechtigung der geltend gemachten Kosten sind weder von der Beklagten vorgetragen worden
noch sonst erkennbar.
2.
Eine andere gesetzliche Grundlage für das Begehren der Klägerin kommt nicht in Betracht. § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII steht einer Übertragung, Abtretung oder Verpfändung des Rechts des Patienten auf oder an die Klägerin entgegen. Eine Befugnis
der Krankenhäuser als Leistungserbringer, das fremde Recht des Patienten geltend zu machen (etwa im Sinne einer mit § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II vergleichbaren Regelung), ist nicht geregelt. Eine Abtretung des Anspruches des Patienten gegen die Beklagte ist im Übrigen
weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Die Klägerin kann den Anspruch des Patienten auch nicht im Wege der Prozessstandschaft
für diesen geltend machen. Denn eine gewillkürte Prozessstandschaft setzt grundsätzlich voraus, dass das geltend gemachte
Recht übertragbar ist – was hier entsprechend den obigen Ausführungen gerade nicht der Fall ist (ausführlich zur Frage der
Prozessstandschaft bei Nothelferfällen LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.4.2021 – L 12 SO 61/21, juris, Rn. 45).
Andere Aufwendungsersatzansprüche, insbesondere aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag, scheiden als Anspruchsgrundlage ebenfalls
aus. § 25 SGB XII stellt insoweit eine abschließende Regelung dar, die den Rückgriff auf die Grundsätze der Regelungen der §§
677 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch ausschließt (LSG Hamburg, Urteil vom 30.3.2017 – L 4 SO 38/15 und LSG Hamburg, Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17; BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R, Rn. 22). Da § 25 SGB XII die Ansprüche des Nothelfers abschließend regeln soll, kommt auch ein Rückgriff auf das staatshaftungsrechtliche Institut
des enteignenden Eingriffes nicht in Betracht (LSG Hamburg, Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Der Nothelfer gehört zum kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 13/12 R).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.