Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen das Verlangen der Beklagten, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben.
Die Beklagte gewährte dem 1936 geborenen Vater des Klägers seit 1. Januar 2016 Leistungen der Hilfe zur stationären Pflege
i.H.v. 1.285,31 Euro monatlich.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2016 teilte die Beklagte dies dem Kläger mit und forderte ihn auf, unter Verwendung eines beigefügten
Fragebogens Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben und entsprechende Belege beizufügen, da er
nach den Bestimmungen des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) seinem Vater gegenüber zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet sei. Diese Unterhaltsansprüche seien gem. § 94 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf sie, die Beklagte, übergegangen. Die Auskunftspflicht des Klägers ergebe sich aus § 117 Abs. 1 SGB XII.
Der Kläger legte am 25. Januar 2016 Widerspruch ein und wandte ein, ihm sei nicht bekannt, wie sich der von der Beklagten
genannte Betrag von 1.285,31 Euro monatlich berechne. Sein Vater beziehe eine Rente und eine betriebliche Altersversorgung
und erhalte darüber hinaus Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung, sodass davon auszugehen sei, dass sein Vater seinen
Bedarf decken könne. Ein Unterhaltsanspruch komme daher nicht in Betracht.
Die Beklagte erläuterte dem Kläger daraufhin, dass es sich bei dem Betrag von 1.285,31 Euro um die ungedeckten Heimkosten
handele, die nach Berücksichtigung der vom Kläger genannten Altersbezüge sowie der Leistungen der Pflegekasse verblieben.
Der Kläger erwiderte, die bisherigen Angaben der Beklagten seien nicht ausreichend, um den Bedarf seines Vaters nachzuweisen.
Erst wenn die Beklagte Leistungsnachweise und den Heimvertrag zur Kostenprüfung vorlege, werde er Auskunft erteilen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es, ein Unterhaltsanspruch
des Vaters gegen den Kläger nach den §§
1601 ff.
BGB sei nicht offensichtlich ausgeschlossen. Bei der „Vorstufe“ des Auskunftsverlangens werde nicht geprüft, ob und in welchem
Umfang tatsächlich ein Unterhaltsanspruch bestehe, da dies den Zivilgerichten vorbehalten sei. Vielmehr werde nur eine sog.
Negativevidenz-Kontrolle durchgeführt. Es seien nur erkennbar sinnlose Auskunftsverlangen, die den Adressaten unvertretbar
behelligten, rechtswidrig. Dies sei hier nicht der Fall. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, die vom Kläger geforderten
weiteren Auskünfte zu erteilen. Einer Übersendung des Heimvertrages sowie von Leistungsbescheiden würde das Grundrecht des
Vaters des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung als Teil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art.
2 Abs.
1 Grundgesetz berühren. Soweit auch Grundrechte des Klägers betroffen seien, erfolge deren Einschränkung durch § 117 Abs. 1 SGB XII in zulässiger Weise, da dem Interesse der Allgemeinheit, den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe herzustellen, höheres Gewicht
zukomme.
Der Kläger hat am 1. Juni 2017 Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe seine datenschutzrechtlichen Interessen
nicht hinreichend berücksichtigt. Sie verlange von ihm Auskünfte zu seinen Einkünften und seinem Vermögen, sei aber ihrerseits
nicht bereit, die Grunddaten, die einen Hilfebedarf seines Vaters erkennen lassen könnten, offenzulegen. Die Beklagte verstoße
damit gegen den Grundsatz der Waffengleichheit.
Der Vater des Klägers ist am … 2018 verstorben.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. März 2020 – nach Anhörung – hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII hätte die Unterhaltspflichtigen, ihre nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die Kostenersatzpflichtigen
dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung dieses
Buches es erfordere. Dabei hätten sie die Verpflichtung, auf Verlangen des Trägers der Sozialhilfe Beweisurkunden vorzulegen
oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Kläger gehöre als im ersten Grad Verwandter zum Personenkreis
der Auskunftspflichtigen (vgl. §
1601 BGB). Die Auskunftspflicht Unterhaltspflichtiger entsteht bereits dann, wenn die Relevanz der begehrten Auskünfte für die Prüfung
des Leistungsbegehrens einerseits und möglicher Unterhaltsansprüche des Hilfebedürftigen andererseits nicht offensichtlich
ausgeschlossen sei. Das Auskunftsersuchen sei also nur dann rechtswidrig, wenn offensichtlich kein überleitbarer Anspruch
besteht (sog. Negativevidenz; vgl. dazu BSG, Beschluss vom 20.12.2012 – B 8 SO 75/12 B). Denn die Auskunftspflicht des § 117 SGB XII solle die eigentliche Prüfung der unterhaltsrechtlichen Fragen ja erst ermöglichen und bei Ungewissheit einer Unterhaltsverpflichtung
zur Sachverhaltsklärung gerade beitragen. Die abschließende Prüfung dieser unterhaltsrechtlichen Fragen obliege den Zivilgerichten.
Nur wenn ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch nach objektivem, materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen sei, sei ein
gleichwohl erlassenes, erkennbar sinnloses Auskunftsersuchen aufzuheben (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.6.2018 – L 7
SO 1715/16; LSG Bayern, Urteil vom 28.1.2014 – L 8 SO 21/12). Für eine solchermaßen geforderte Offensichtlichkeit lägen hier
aber keine Anhaltspunkte vor.
Der Kläger gehe auch fehl in der Annahme, dass die Beklagte ihm gegenüber zu weitergehenden Auskünften über den Bedarf und
die Bedürftigkeit seines Vaters sowie über den Umfang der Hilfegewährung verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte habe im Verwaltungsverfahren
erklärt, dem Vater des Klägers Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung im Umfang von monatlich 1.285,31 Euro zu gewähren und
dabei die Altersrente, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sowie Leistungen der Pflegeversicherung berücksichtigt
zu haben. Der Kläger habe nicht dargetan, woraus ein Anspruch auf weitergehende Angaben oder gar Führung entsprechender Nachweise
folgen sollte. Letztlich nehme die begehrte Auskunftserteilung den Kläger auch nicht in unangemessener Weise in Anspruch.
Sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde durch § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in zulässiger Weise eingeschränkt (vgl. LSG NW, Urteil vom 7.5.2012 – L 20 SO 32/12).
Der Kläger hat am 16. April 2020 Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt und seinen Standpunkt erneut erläutert. Zudem
macht er geltend, dass die Unterhaltsansprüche teilweise verjährt seien.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hamburg vom 26. März 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2016 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 14. Januar 2021 hat das Gericht das Verfahren nach §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Das Gericht hat am 10. Juni 2021 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
und Beratung des Senats waren, Bezug genommen.
Mit Blick auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist noch einmal hervorzuheben, dass der Evidenz-Maßstab
der Überprüfung kein allein zivilrechtlicher Maßstab ist, sondern durchaus in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
Verwendung findet (Nachweise im angefochtenen Urteil). Der Verjährungseinwand erfasst mögliche Unterhaltsansprüche allenfalls
teilweise und greift daher letztlich nicht durch. Auch durfte der Kläger die Auskunftserteilung nicht von der Vorlage weiterer
Unterlagen zum Beleg tatsächlicher und rechtmäßiger Leistungen seinen Vater abhängig machen; vielmehr war sogar geklärt, dass
die Einkünfte des Vaters ihrer Art nach vollständig erfasst worden waren. Eine Akteneinsicht in die vorliegenden Verwaltungsakten
ist im Übrigen nicht genommen worden.