Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs des sog. Nothelfers nach § 25 SGB 12
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung der Kosten für die stationäre Krankenhausbehandlung eines Patienten in der
Zeit vom 2. bis zum 6. September 2017 in Höhe von 3.035,72 Euro.
Die Klägerin betreibt die A. Klinik S. in H.. Die Beklagte ist örtlicher Sozialhilfeträger.
Am 2. September 2017, einem Samstag, wurde um 18:15 Uhr per Rettungswagen ein Patient, der angab, der am xxxxx 1962 geborene
r. Staatsangehörige C.D. zu sein, im Krankenhaus der Beklagten eingeliefert. Im Rettungsdienstprotokoll war vermerkt, dass
der Patient eine Rolltreppe heruntergefallen sei und Schmerzen im Hüftbereich links habe, er könne nicht stehen. In dem Arztbrief
vom 5. September 2017 wurde als Diagnose genannt: Fraktur Trochanter major links. Der Patient wurde stationär aufgenommen
und behandelt.
Mit Fax vom 2. September 2017 meldete die Klägerin den Behandlungsfall bei der Beklagten „zwecks Fristenwahrung“. Der Patient
wurde am 6. September 2017 entlassen. Mit Schreiben vom 13. September 2017 stellte die Klägerin einen Kostenübernahmeantrag
bei der Beklagten für die Behandlung ab dem 2. September 2017. Dem Schreiben war beigefügt ein sogenanntes Dringlichkeitsattest
ohne Datum, in dem unter Verweis auf die Diagnose Fraktur Trochanter major links ausgeführt wurde, dass nach dem Gesundheitszustand
des Patienten die sofortige Aufnahme dringend geboten und eine Zurückweisung ohne Gefahr für Leben und Gesundheit nicht möglich
gewesen sei. Weiter war beigefügt eine sogenannte Mittellosigkeitserklärung ohne Datum, nach der es dem Patienten aufgrund
seiner Mittellosigkeit nicht möglich sei, die entstehenden Krankenhausbehandlungskosten zu bezahlen, er keinerlei Krankenversicherungsansprüche
habe und bitte, den Antrag auf Kostenübernahme beim zuständigen Sozialamt zu stellen. Die Erklärung trägt eine Unterschrift
des Patienten. Mit Schreiben vom 20. September 2017 bestätigte die Beklagte den Eingang des Antrags und teilte mit, dass der
behandelte Patient der Dienststelle unbekannt sei. Es könne deshalb nicht geprüft werden, ob Anspruch auf Ersatz der angemeldeten
Kosten bestehe. Es wurden weitere Unterlagen angefordert.
Am 24. September 2017, einem Sonntag, um 4:24 Uhr wurde der Patient, der angab, der am xxxxx 1962 geborene r. Staatsangehörige
C.D. zu sein, erneut per Rettungswagen im Krankenhaus der Klägerin vorgestellt. Im Rettungsdienstprotokoll war vermerkt: Zustand
nach Sturz, Alkoholintoxikation, Cut auf Nasenrücken. In dem Arztbrief vom 25. September 2017 wurde als Diagnose genannt:
Fraktur Trochanter major links. Der Patient wurde stationär aufgenommen und am 26. September 2017 wieder entlassen.
Am 29. September 2017 erstellte die Klägerin eine an Herrn C.D. gerichtete Endabrechnung über die Behandlung im Zeitraum 24.
bis 26. September 2017 in Höhe von 2.060,87 Euro.
Mit Schreiben vom 29. September 2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Kostenübernahmeantrag für die Behandlung
ab dem 24. September 2017. Dem Antrag war beigefügt ein Sendebericht der Meldung des Behandlungsfalls per Fax vom 25. September
2017. Weiter war beigefügt ein sogenanntes Dringlichkeitsattest vom 25. September 2017 des behandelnden Arztes/der behandelnden
Ärztin, in dem unter Verweis auf die Diagnose Fraktur Trochanter major links ausgeführt wurde, dass nach dem Gesundheitszustand
des Patienten die sofortige Aufnahme dringend geboten und eine Zurückweisung ohne Gefahr für Leben und Gesundheit nicht möglich
gewesen sei. Ferner war beigefügt eine sogenannte Mittellosigkeitserklärung vom 25. September 2017, nach der es dem Patienten
aufgrund seiner Mittellosigkeit nicht möglich sei, die entstehenden Krankenhausbehandlungskosten zu bezahlen, er keinerlei
Krankenversicherungsansprüche habe und bitte, den Antrag auf Kostenübernahme beim zuständigen Sozialamt zu stellen. Ebenfalls
beigefügt war ein Sozialbericht des Sozialdienstes der Klägerin vom 26. September 2017, in dem ausgeführt wurde, dass der
Patient sich durch kein Dokument habe ausweisen können. Er sei am xxxxx 1962 in R. geboren worden und habe angegeben, eine
Postadresse in R. zu haben. Zudem habe er mitgeteilt, keine Krankenversicherung in R. oder Deutschland zu haben. Er sei seit
vier Jahren in H. und lebe hier auf der Straße. Er verkaufe zeitweise die Zeitschrift K1, einen entsprechenden Ausweis habe
er allerdings nicht. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 bestätigte die Beklagte den Eingang des Antrags und teilte mit, dass
der behandelte Patient der Dienststelle unbekannt sei. Es könne deshalb nicht geprüft werden, ob Anspruch auf Ersatz der angemeldeten
Kosten bestehe. Es wurden weitere Unterlagen angefordert.
Mit Bescheid vom 20.Oktober 2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten für den Zeitraum vom 2.
bis zum 6. September 2017 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die behandelte Person ihr völlig unbekannt sei. Die Klägerin
habe weder die Identität noch die wirtschaftliche Situation oder die fehlende Krankenversicherung des Patienten nachgewiesen.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 teilte die Klägerin der Beklagten erneut mit, dass ihr keine weiteren Unterlagen vorlägen.
Am 26. Oktober 2017 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 20. Oktober 2017 ein. Mit Schreiben vom
27. Oktober 2017 stellte die Klägerin für die Behandlung des Patienten vom 2. bis zum 6. September 2017 einen Betrag in Höhe
von 3035,72 Euro in Rechnung.
Mit Bescheid vom 1. November 2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten für den Zeitraum vom
24. bis zum 26. September 2017 ab. Zur Begründung führte sie wiederum aus, dass die behandelte Person ihr völlig unbekannt
sei. Die Klägerin habe weder die Identität noch die wirtschaftliche Situation oder die fehlende Krankenversicherung des Patienten
nachgewiesen. Die Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 7. November 2017 Widerspruch.
Die Klägerin wandte sich unter dem 13. November 2017 erneut an die Beklagte und reichte unter Hinweis auf die erhobenen Widersprüche
folgende Dokumente ein:
- Die Kopie einer Anzeige über den Verlust eines Dokuments bei der Bundespolizeiinspektion H. vom 22. August 2016, wonach
am 22. August 2016 um 13:45 Uhr der angebliche C.D. in der Sicherheitswache des H. Hauptbahnhofs erschienen sei und den Verlust
seiner r. ID-Karte in der Nacht zum 22. August 2016 angezeigt habe.
- Eine Bettplatzkarte von F. für die Unterkunft M., auf der ein konkretes Bett, aber kein Name und auch kein Datum vermerkt
war.
- Eine auf den 26. September 2017 datierte „Checkliste“ in der angegeben wurde: Meldeadresse T1 –G.; seit vier Jahren Aufenthalt
in H. auf der Straße; Lebensunterhalt teilweise durch Verkauf der Obdachlosenzeitschrift K1.
- Den Ausdruck einer an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin adressierten E-Mail vom 9. November 2017 von der E-Mail-Adresse
...., nach der Herr C.D.,, in R. zwischen dem 2. September 2017 und dem 6. September 2017 nicht versichert gewesen sei.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit zwei Schreiben vom 12. Januar 2018 mit, die Widersprüche hätten keine Aussicht auf Erfolg.
Der Patient sei gemäß § 23 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch SGB XII von Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII bzw. dem 4. Kapitel des SGB XII ausgeschlossen, da er in Deutschland nicht freizügigkeitsberechtigt sei. Auch die Identität des Patienten sei nicht nachgewiesen.
Die Klägerin äußerte sich hierzu nicht.
Am 21. Februar 2018 erließ die Beklagte zwei Widerspruchsbescheide, mit denen sie die Widersprüche gegen die Bescheide vom
20. Oktober 2017 bzw. 1. November 2017 unter Hinweis auf die Gründe der Schreiben vom 12. Januar 2018 zurückwies.
Die Klägerin hat am 9. März 2018 Klage beim Sozialgericht erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Voraussetzungen
eines Erstattungsanspruchs der Klägerin als Nothelferin vorlägen. Ein Eilfall habe vorgelegen, eine sofortige stationäre Versorgung
sei medizinisch unabdingbar geboten gewesen. Der Patient sei auch mittellos gewesen, die entsprechenden Unterlagen und Auskünfte
lägen der Beklagten vor. Der Patient sei auch nicht von Leistungen nach § 23 SGB XII ausgeschlossen.
Mit Beschluss vom 28. Juli 2020 hat das Sozialgericht die Verfahren getrennt. Das Verfahren betreffend den Bescheid vom 20.
Oktober 2017 wurde danach weiter unter dem Aktenzeichen S 28 SO 98/18 geführt, das Verfahren betreffend den Bescheid vom 1.
November 2017 unter dem Aktenzeichen S 28 SO 428/20 (die Berufung in diesem Verfahren hat das Aktenzeichen L 4 SO 41/21).
Im Zuge der weiteren Ermittlungen hat das Sozialgericht eine Einwohnermeldeauskunft für C.D., geboren xxxxx 1962, durchgeführt,
deren Ergebnis gewesen ist, dass die Person nicht identifiziert werden konnte bzw. eine Auskunftssperre vorliege.
Nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt hatten, hat das Sozialgericht
im Verfahren S 28 SO 98/18 die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 22. April 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat
es ausgeführt, die Klage sei zulässig aber nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung
der Kosten für die stationäre Behandlung des Patienten. Als Anspruchsgrundlage komme allein § 25 SGB XII in Betracht. Dessen Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Für die Zeit ab dem 4. September 2017 fehle es schon am sozialhilferechtlichen
Eilfall, da ab diesem Tag der Sozialhilfeträger dienstbereit gewesen sei und Kenntnis vom Behandlungsfall gehabt habe, sodass
für diesen Zeitraum ein Anspruch des Patienten selbst in Betracht komme und damit ein Anspruch des Nothelfers ausgeschlossen
sei. Für die Zeit davor scheitere der Anspruch jeweils an der fehlenden hypothetischen Leistungspflicht der Beklagten. Ein
Nothelferanspruch bestehe nur, wenn der Sozialhilfeträger bei rechtzeitiger Kenntnis mit Leistungen hätte einspringen müssen.
Hier könne aber nicht zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden, dass der Patient einen Leistungsanspruch habe, insbesondere
hilfebedürftig gewesen sei. Zur Frage der Hilfebedürftigkeit lägen allein die Angaben des Patienten gegenüber der Klinik vor.
Diese seien nicht ausreichend überzeugend, da nicht einmal mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne,
dass es sich bei dem Patienten tatsächlich um den am xxxxx 1962 geborenen r. Staatsangehörigen C.D. gehandelt habe. Ein Identitätsdokument
sei nicht vorgelegt worden, auch kein Foto. Die Bettplatzkarte sei nicht personalisiert und gebe schon deshalb keine weiteren
Hinweise zur Identität. Die Checkliste vom 26. September 2017 gebe ebenfalls kaum Anhaltspunkte. Die angegebene r. Adresse
sei unvollständig und böte keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten. Die Angabe, der Patient habe vom Verkauf des Magazins
K1 gelebt, könne mangels Verkäuferausweises nicht überprüft werden. Auch die Email vom 9. November 2017 trage zur Identitätsklärung
nicht bei. Weitere Möglichkeiten zur Aufklärung der Identität sehe das Gericht nicht. Dies gehe zu Lasten der Klägerin.
Das Urteil wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 27. April 2021 zugestellt. Am 11. Mai 2021 hat die Klägerin Berufung
eingelegt. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren bisherigen Vortrag und führt ferner aus, ihrer Auffassung nach reichten
die vorgelegten Unterlagen, um von einer Hilfebedürftigkeit des Patienten ausgehen zu können. Die vom Patienten geleisteten
Unterschriften auf allen Dokumenten stimmten überein. Es erschließe sich nicht, aus welchem Grund das Sozialgericht angenommen
habe, dass der Patient hinsichtlich seiner Identität und finanziellen Hilfebedürftigkeit gelogen habe. Sofern das Sozialgericht
die Angaben des Patienten gegenüber der Klägerin als unzureichend ansehe, bleibe offen, was denn stattdessen gefordert werde.
Der Klägerin stehe jeweils auch ein Anspruch auf die gesamten Behandlungskosten zu. Es werde auf die von der Beklagten selbst
verfasste Arbeitshilfe zu § 25 SGB XII und §
6a AsylbLG verwiesen, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankenhilfe die gesamten Kosten an das Krankenhaus
angewiesen werden könnten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. April 2021 sowie den Bescheid vom 20. Oktober 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 21. Februar 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten der Behandlung des Herren C.D. im Zeitraum vom
2. September 2017 bis zum 6. September 2017 in der A. Klinik S. in Höhe von 3.035,72 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die
Prozessakte, die Verwaltungsakte und die beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene (§
151 SGG) Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Denn die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung ihrer Aufwendungen für die Behandlung des Patienten.
1.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt allein § 25 SGB XII in Betracht. Danach hat eine Person einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen in gebotenem Umfang, wenn sie in einem
Eilfall einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen
wären, wenn sie sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Dies gilt nur, wenn die Erstattung
innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Sozialhilfeträger beantragt wird.
a.
Zuständiger Sozialhilfeträger war hier die Beklagte. Nach § 98 Abs. 2 SGB XII ist für stationäre Leistungen der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren
gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt
gehabt hatten. Der Patient hatte hier angegeben, sich in H., mithin im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, aufzuhalten.
b.
Zu Recht hat das Sozialgericht angenommen, dass es hinsichtlich des Zeitraums ab dem 4. September 2017 bereits an einem Eilfall
im Sinne des § 25 SGB XII fehlt.
Ein Eilfall muss in zweifacher Hinsicht gegeben sein (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R m.w.N.; entsprechend bereits zur Vorgängervorschrift in § 121 BSHG BVerwG, Urteil vom 31.5.2011 – 5 C 20/00; vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 21.6.2012 – L 4 AY 4/11 m.w.N.). Zum einen muss beim Nothilfeempfänger ein
unabwendbarer Bedarf bestehen, der ein sofortiges Einschreiten des Nothelfers erforderlich macht. Aus den Informationen über
die Aufnahme des Patienten ergibt sich, dass hier eine medizinische Behandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses umgehend
nötig war (Fraktur, Schmerzen, Unfähigkeit zu stehen).
Zum anderen muss aber auch ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinn vorliegen, was voraussetzt, dass eine rechtzeitige Hilfe
des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen ist. Verbleibt Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers,
so liegt daher kein Eilfall vor. Ein Eilfall besteht ferner nur für den Zeitraum, in dem der Sozialhilfeträger nicht erreichbar
ist oder der Nothelfer ohne Verletzung eigener Obliegenheiten davon ausgehen durfte, den Sozialhilfeträger nicht einschalten
zu müssen (vgl. BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R und Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Dabei wird die Obliegenheit eines Krankenhauses,
den Sozialhilfeträger zu unterrichten, regelmäßig dann ausgelöst, wenn der Patient einen Krankenversicherungsschutz nicht
durch Vorlage einer Versichertenkarte nachweisen kann und sich auch ansonsten keine Umstände ergeben, aus denen die notwendige
Kostensicherheit für das Krankenhaus hervorgeht (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Der Nothelferanspruch ist dann in seiner Dauer begrenzt auf die Zeit, in der der
Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Hilfefall erlangen kann, weil er nicht dienstbereit ist (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom
30.3.2017 – L 4 SO 38/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17; BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 16). Hat der Sozialhilfeträger Kenntnis von dem Leistungsfall, so kann ein Anspruch
des Nothelfers nicht mehr bestehen (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 24.6.2016 – L 4 SO 12/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO
41/17; BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 18; Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R und Urteil vom 30.10.2013 – B 7 AY
2/12 R, Rn. 19). Der Mangel der Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe wird tatbestandlich von § 25 Satz 1 SGB XII vorausgesetzt, weil mit der Kenntnis im Sinne des § 18 SGB XII bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem SGB XII die Sozialhilfe „einsetzt“ und ein Anspruch der in Not geratenen Person entsteht. Damit scheidet ab diesem Zeitpunkt ein
Anspruch des Nothelfers aus, denn eine Mehrheit von Ansprüchen für denselben Bedarf bzw. denselben Zeitabschnitt ist ausgeschlossen
(LSG Hamburg, Urteil vom 24.6.2016 – L 4 SO 12/15 und Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17). Eine über den Zeitpunkt des Einsetzens
der Sozialhilfe hinausgehende Schutzbedürftigkeit des Nothelfers hat der Gesetzgeber nicht gesehen, selbst wenn der Nothelfer
die Kosten nicht erstattet erhält, weil der Leistungsberechtigte die Leistung nicht in Anspruch nimmt. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens
zum Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl I, S. 1088) ist der Vorschlag des Gesundheitsausschusses, der Vorgängerregelung des § 121 BSHG den Satz „Mit Zustimmung des Leistungsberechtigten sind die Aufwendungen auch für den Zeitraum bis zur Entscheidung über
die Gewährung von Sozialhilfe zu erstatten; die Zustimmung wird vermutet, wenn der Leistungsberechtigte die Leistung vor der
Entscheidung nicht selbst bei dem zuständigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch nimmt“ (BT-Drs. 13/3904, S. 22 und 48) nicht
umgesetzt worden.
Gemessen an diesen Maßstäben ist ein Eilfall nur für den 2. und 3. September 2017 anzunehmen. Der Patient wurde am 2. September
2017, einem Samstag, und damit außerhalb der Dienstbereitschaft des Sozialhilfeträger aufgenommen. Der Eilfall endete jedoch
mit Beginn der Dienstbereitschaft am Montag (4. September 2017), da ab diesem Zeitpunkt eine Unterrichtung des Sozialhilfeträgers
möglich war bzw. dieser ab diesem Zeitpunkt das bereits am 2. September 2017 abgesandte Fax der Klägerin zur Kenntnis nehmen
konnte.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Arbeitshilfe der Beklagten zu § 25 SGB XII und §
6a AsylbLG (Gz.: SI 224/112.30-16-1, Stand 20.05.2020). In dieser heißt es (Ziffer 3.1): „Wenn ein Anspruch nach § 25 SGB XII dem Grunde nach bejaht wird, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankenhilfe
gemäß § 48 SGB XII für die weitergehenden Kosten (nach dem Nothelferfall) ebenfalls gegeben sind. Ist dies der Fall, können die gesamten geltend
gemachten Kosten an das Krankenhaus angewiesen werden“. Diese Formulierung ist erkennbar auf die Fälle bezogen, in denen die
Behörde selbst die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 25 SGB XII bejaht. Sie bezieht sich zudem eindeutig auf die Auszahlungspraxis, erkennt aber weder einen eigenen (Nothelfer-)Anspruch
des Krankenhauses über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus an, noch berechtigt sie das Krankenhaus prozessrechtlich dazu,
den Anspruch des Patienten für diesen geltend zu machen.
c.
Aber auch für den Zeitraum 2. bis 3. September 2017 besteht kein Anspruch der Klägerin. Der Anspruch nach § 25 SGB XII setzt nämlich neben dem Eilfall das Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs des Betroffenen, insbesondere
die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB XII, voraus. Wegen des Nachrangs der Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII liegt Hilfebedürftigkeit nicht vor, wenn der Betroffene eine Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann. Dabei ist zu beachten,
dass im Grundsatz nur bereite Mittel die Bedürftigkeit beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009 – B 8 SO 23/08 R, Rn. 20).
Die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Nothelfer (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 17) und zwar selbst dann, wenn der Sozialhilfeträger den Sachverhalt nicht in
hinreichender Weise aufklärt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.12.1996 – 5 B 202/95). Im Übrigen bestehen sowohl für den Nothelfer wie auch für den Sozialhilfeträger Ermittlungspflichten, für deren Abgrenzung
wie für die Abgrenzung der Ansprüche von Nothelfer und Hilfebedürftigem die Kenntnis des Sozialhilfeträgers der entscheidende
Aspekt ist. Schon nach den Vorschriften des
SGB V obliegt es dem Krankenhaus bei Aufnahme eines Patienten, nicht nur die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung selbst festzustellen,
sondern sich auch über den Krankenversicherungsstatus des Patienten, kurz über die Finanzierung der Behandlung, Sicherheit
zu verschaffen. Kommt es zu dem Schluss, dass die Kostentragung durch eine Krankenversicherung zweifelhaft ist, obliegt es
ihm, den Sozialhilfeträger entsprechend zu informieren (BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 20 ff.). Verschafft aber das Krankenhaus dem Sozialhilfeträger die Kenntnis vom
Eilfall, obliegt dem Sozialhilfeträger – nicht anders als im Falle der Vermittlung der Kenntnis durch den Hilfebedürftigen
selbst – die weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R, Rn. 17; Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 19/12 R, Rn. 24). Kommt der Sozialhilfeträger
seiner Ermittlungspflicht nur unzureichend nach, muss er dies im Rahmen der Beweiswürdigung unter Umständen gegen sich gelten
lassen. Es bleibt dem Tatsachengericht im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung überlassen, je nach den Besonderheiten
des maßgebenden Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen, im Extremfall ein Indiz ausreichen zu lassen für die Feststellung
einer Tatsache oder der daraus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (vgl. dazu BSG Urteil vom 27.05.1997, 2 RU 38/96, juris Rn. 23, 24).
Unter Berücksichtigung der soeben dargelegten Maßstäbe vermag der Senat im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung nicht die
Überzeugung zu gewinnen, dass der Patient hilfebedürftig war. Einziger Anhaltspunkt für das Fehlen eigener finanzieller Mittel
sind die Auskünfte des Patienten selbst. Diese stützende Angaben oder Unterlagen dritter Stellen, insbesondere öffentlicher
oder karitativer Einrichtungen, liegen nicht vor. Anders als z.T. in ähnlich gelagerten Fällen hat die Klägerin die Krankenhausaufenthalte
nicht zum Anlass genommen, Fotos des Patienten anzufertigen. Ein nachgewiesener Bezug des Patienten zu Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe
ist nicht gegeben. Die von der Klägerin – erst im November 2017 – vorgelegte Bettplatzkarte für die Unterkunft M. weist weder
einen Namen noch ein Datum aus und kann schon deshalb nicht dem Patienten zugeordnet werden. Die Angabe des Patienten, er
finanziere seinen Lebensunterhalt teilweise durch den Verkauf der Obdachlosenzeitschrift K1, bleibt mangels Vorlage eines
Verkäuferausweises ebenfalls unbelegt und nicht überprüfbar. Die Email aus R. ist zum einen sehr informell gehalten (so fehlt
zum Beispiel die Angabe eines Geburtsdatums), zum anderen belegt sie lediglich das Fehlen einer dortigen Krankenversicherung,
enthält aber sonst keine Angaben zu den finanziellen Verhältnissen.
2.
Andere Aufwendungsersatzansprüche, insbesondere aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag, scheiden als Anspruchsgrundlage aus.
§ 25 SGB XII stellt insoweit eine abschließende Regelung dar, die den Rückgriff auf die Grundsätze der Regelungen der §§
677 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch ausschließt (LSG Hamburg, Urteil vom 30.3.2017 – L 4 SO 38/15 und LSG Hamburg, Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17; BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R, Rn. 22). Da § 25 SGB XII die Ansprüche des Nothelfers abschließend regeln soll, kommt auch ein Rückgriff auf das staatshaftungsrechtliche Institut
des enteignenden Eingriffes nicht in Betracht (LSG Hamburg, Urteil vom 30.8.2018 – L 4 SO 41/17).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Der Nothelfer gehört zum kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 8 SO 13/12 R).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.