Voraussetzungen eines Anspruchs auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gegenüber dem Sozialhilfeträger
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1987 geborene Kläger ist erwerbsunfähig und erhält bzw. erhielt von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung sowie
Eingliederungshilfe in Form der sog. Ambulanten Sozialpsychiatrie.
Mit ärztlicher Bescheinigung seines Hausarztes vom 28. August 2018 beantragte der Kläger in Ergänzung seines Grundsicherungsanspruches
die Gewährung eines Mehrbedarfes für eine kostenaufwändige Ernährung nach dem SGB XII. Der Arzt bescheinigte dem Kläger als Erkrankungen eine Neurodermitis und eine Follikulitis. Aufgrund der Hauterkrankungen
und einer begleitenden Magen-Darm-Störung sei eine zucker- und kuhmilch-(Lactose) reduzierte Kost notwendig.
Nach Beteiligung des Gesundheitsamtes lehnte die Beklagte die Bewilligung eines Mehrbedarfes mit Bescheid vom 13. September
2018 ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2019 zurück. Nach
Einholung einer weiteren Stellungnahme des Gesundheitsamtes unter Bezugnahme auf Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche
und private Fürsorge e.V. kam die Beklagte zu der Überzeugung, dass keine Notwendigkeit für eine kostenaufwändige Ernährung
gegeben sei. Die für die Erkrankung des Klägers angezeigte Ernährung sei nicht mit erhöhten Kosten verbunden. Im Vordergrund
stehe eine nach Verträglichkeit abgewandelte Normalkost durch Weglassen bestimmter Nahrungsmittel.
Der Kläger hat hiergegen am 9. April 2019 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat beim behandelnden Hausarzt Dr. T. einen Befundbericht
eingeholt, nach dem eine erhebliche Follikulitis/Psoriasis/Rosazea/Akne und gastritische Beschwerden vorlägen; das Ganze vor
dem Hintergrund einer schweren psychotischen Störung mit Fixierung auf körperliche Symptome.
Mit Gerichtsbescheid vom 2. Juli 2020 – nach entsprechender Anhörung – hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Voraussetzung
für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 42 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 30 Absatz 5 SGB XII sei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordere, deren Kosten höher („aufwändiger“) seien als dies
für Personen ohne diese Einschränkung der Fall sei. Da eine Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige
Ernährung grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährungsform. Die hier einschlägigen und
auch von der Beklagten herangezogenen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe
dienten hier als wichtige Orientierungshilfe. Das Gericht gehe mit Vorlage des Befundberichtes des behandelnden Hausarztes
davon aus, dass der Kläger unter diversen Hauterkrankungen und auch einer gastritischen Störung leide, bei der – so der Hausarzt
in der Antragsbescheinigung – auch eine zucker- und milchreduzierte Kost geboten sei. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger
eine spezielle, von der Vollkost abweichende Ernährung erforderlich sei, lägen aber nicht vor, weshalb über die Einholung
eines aktuellen Befundberichtes auch keine weiteren medizinischen Ermittlungen geboten seien. Selbst bei einer einfachen,
hier nicht ausdrücklich festgestellten Laktoseintoleranz sähen die als Orientierungshilfe anerkannten Empfehlungen des Deutschen
Vereins keine spezielle Diät vor, sondern es werde eine auf das Beschwerdebild angepasste vollwertige Ernährung empfohlen.
Nach den Erhebungen des Deutschen Vereins sei damit aber in der Regel keine kostenaufwändigere Ernährung verbunden. Das Gericht
schließe sich dieser Schlussfolgerung bei Fehlen konkreter ärztlich empfohlener Behandlungsschritte – wie hier – an.
Der Kläger hat am 4. August 2020 Berufung gegen den ihm am 8. Juli 2020 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt. Er hat einen
Atemtest-Befund der A.-Klinik vom 24. November 2020 vorgelegt, nach dem „V.a. Lactoseintoleranz“ attestiert wird, und seinen
Standpunkt erneut erläutert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hamburg vom 2. Juli 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 13. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2019 zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen besonderer kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 20%
des Regelbedarfs zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 18. Januar 2021 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren
abgelehnt.
Mit Beschluss vom 15. März 2021 hat das Gericht das Verfahren nach §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Das Gericht hat am 10. Juni 2021 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
und Beratung des Senats waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach
§
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) übertragen hatte.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht einen Anspruch des Klägers auf ernährungsbedingten
Mehrbedarf abgelehnt; die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das hat das Sozialgericht zutreffend begründet; der Senat
verweist nach §
153 Abs.
2 SGG auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Auch der Senat vermag nicht zu erkennen, dass der Kläger Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach
§ 42 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 30 Abs. 5 SGB XII hat. Denn dass der Kläger aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf, ist nicht ersichtlich. Voraussetzung
für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich
macht, deren Kosten höher sind, als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (BSG, Urteil vom 14.2.2013 – B 14 AS 48/12 R; Urteil vom 10.5.2011 – B 4 AS 100/10 R). Der Hausarzt des Klägers hat mit Datum vom 28. August 2018 eine Neurodermitis, Follikulitis und Gastritis bescheinigt
und daher eine Lactose- und zuckerreduzierte Kost empfohlen. Im Beschwerdeverfahren hat der Kläger zudem einen Befund beigebracht,
nach dem der Verdacht auf Lactoseintoleranz besteht. Dadurch entsteht dem Kläger aber kein erhöhter Kostenaufwand. Kostenaufwändiger
im Sinne des § 30 Abs. 5 SGB XII ist eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt ist (BSG, Urteil vom 20.2.2014 – B 14 AS 65/12 R). Da eine Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist (vgl. auch BSG, Urteil vom 10.5.2011 – B 4 AS 100/10 R), besteht eine kostenaufwändige Ernährung grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährungsform
(BSG, Urteil vom 20.2.2014 – B 14 AS 65/12 R). Vorliegend ist es zur Überzeugung des erkennenden Senats ausreichend, dass sich der Kläger im Rahmen einer Vollkosternährung
laktose- und zuckerreduziert ernährt. So hat es das Gesundheitsamt der Beklagten mit Schreiben vom 25. September 2018 unter
Heranziehung der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. attestiert – es sei lediglich
eine nach Verträglichkeit abgewandelte Normalkost (Weglassen bestimmter Nahrungsmittel) zu beachten. Die Heranziehung der
Mehrbedarfsempfehlungen ist dabei nicht zu beanstanden, handelt es sich doch bei diesen um eine wichtige Orientierungshilfe
(Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 28.11.2017 – L 4 AS 244/16). Tatsächlich ergibt sich aus den Empfehlungen (Stand 16.9.2020, S. 10 ff), dass eine angepasste Vollkost keinen Mehrbedarf
verursacht; erst bei sogenannter krankheitsassoziierter Mangelernährung könne anderes gelten, dafür gibt der Zustand des Klägers
aber nichts her.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG vorliegt.