Zulässigkeit der Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht
Fehlen einer Entscheidung über das eigentliche klägerische Begehren
Tatbestand
Der Kläger möchte im Klagewege erreichen, dass die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz gegenüber dem Sozialgericht Hamburg
aufsichtsrechtlich tätig wird und das Sozialgericht Hamburg dazu bringt, seinen Antrag auf Wiedereinsetzung zu bearbeiten.
Der 1973 geborene Kläger führte beim Sozialgericht Hamburg ein Eilverfahren gegen das Jobcenter team.arbeit.hamburg (S 24 AS 4264/19 ER) mit dem Ziel der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das Sozialgericht Hamburg lehnte den Antrag mit Beschluss vom 4. Februar 2020 ab. Daraufhin forderte der Kläger das Sozialgericht
Hamburg mit Schreiben vom 27. Februar 2020 auf, das Verfahren in den vorherigen Stand wiedereinzusetzen. Mit Schreiben vom
4. März 2020 erhob der Kläger Beschwerde zum Landessozialgericht gegen den Beschluss vom 4. Februar 2020, die der Senat mit
Beschluss vom 24. März 2020 (L 4 AS 58/20 B ER) zurückwies. Ein Befangenheitsantrag und eine Anhörungsrüge blieben ohne Erfolg.
Bereits am 6. März 2020 ging beim Sozialgericht Hamburg ein mit „Verpflichtungs-/Feststellungsklage“ überschriebener Schriftsatz
des Klägers ein, in dem der Kläger das Verfahren mit „Dr. F.A./Sozialgericht Hamburg […] vertreten durch die zuständige Aufsichtsbehörde,
Justizbehörde Hamburg […], vertreten durch den zuständigen Senator“ bezeichnete und den Antrag stellte, „den Beklagten per
sofort zu verpflichten, den Antrag vom 27.02.2020 zu bearbeiten“. Zur Begründung führte der Kläger aus, in einem laufenden
Verfahren sei ihm, den Kläger, Grundsicherung („SGB XII“) und das komplette Existenzminimum verweigert worden. Die gestellten
Anträge auf Akteneinsicht habe „der Beklagte, Sozialgericht Hamburg“, missachtet, er habe sich auch geweigert, den Antrag
vom 27. Februar 2020 im Verfahren S 24 AS 4264/19 ER zu bearbeiten. Die Aufsicht über den Beklagten obliege der Justizbehörde Hamburg. Da die bisherigen Bemühungen und Bitten
gegenüber dem Sozialgericht ohne Ergebnis geblieben seien, sei nunmehr Klage geboten.
Beim Sozialgericht wurde dieser Schriftsatz als Verfahren im Sachgebiet „SO“ – Angelegenheiten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) – erfasst und als Klage gegen die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch das Bezirksamt W. eingetragen. Dies wurde
dem Kläger mit Schreiben vom 1. April 2020 mitgeteilt und er wurde gebeten, umgehend mitzuteilen, falls er eine Klage auf
Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII nicht beabsichtigt habe. Es wurde vorsorglich darauf hingewiesen, dass das
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) keine Möglichkeit vorsehe, eine Kammer des Sozialgerichts in einem eigenständigen Verfahren zur Bearbeitung eines Antrags
zu verpflichten. Mit Email vom 7. April 2020 teilte der Kläger mit, es handele sich um eine Angelegenheit der Justizverwaltung.
Das Sozialgericht verweigere, den Antrag vom 27. Februar 2020 zu bearbeiten. Die Aufsicht darüber obliege der zuständigen
Justizbehörde. Das Bezirksamt sei hier nicht zuständig. Der Streitgegenstand sei im Übrigen der Klagschrift zu entnehmen.
Beklagter sei eine Behörde, die Justizbehörde, die vom zuständigen Senator vertreten werde. Das Sozialgericht sei zuständig.
Mit Schreiben vom 4. August 2020 teilte der Kläger ferner mit, er habe zu keinem Zeitpunkt eine Klage gegen das Bezirksamt
W. eingereicht. Beklagter sei die Justizbehörde. Nach seiner, des Klägers, Auffassung sei das Sozialgericht zuständig. Rein
vorsorglich werde ein Verweisungsantrag gestellt.
Das Sozialgericht hat am 14. September 2021 einen Gerichtsbescheid erlassen und die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat
ausgeführt, der Klage sei kein schlüssiges Rechtsschutzbegehren zu entnehmen. Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten
zur Bescheidung seines Antrags auf Leistungen nach dem SGB XII begehre, sei nicht erkennbar, dass er überhaupt einen Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt habe. Soweit der Kläger
sein Begehren als „Angelegenheit der Justizverwaltung“ bezeichnet habe, sei dies ohne weitere Konkretisierung – die nicht
erfolgt sei – keiner Verfahrensart des
SGG zuzuordnen.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 17. September 2021 zugestellt worden. Am 15. Oktober 2021 hat er Berufung erhoben.
Der Bitte des Senats, genau darzulegen, was er von welchem Beklagten genau begehre, ist der Kläger nicht nachgekommen. Er
hat dazu ausgeführt, er habe sich klar ausgedrückt und können nicht nachvollziehen, was das Gericht an seinem Vorbringen nicht
verstehe. Der Senat müsse das Verfahren an die erste Instanz zurückverweisen.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. September 2021 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht
zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie hat ausgeführt, sie sei nicht die richtige Gegnerin der Klage bzw. der Berufung.
Aus den Schreiben des Klägers an das Sozialgericht gehe ausdrücklich hervor, dass dieser zu keinem Zeitpunkt das Bezirksamt
W. verklagt habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der
beigezogenen Akte des Verfahrens S 24 AS 4264/19 ER (= L 4 AS 58/20 B ER) verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen
und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§
110 Abs.
1 SGG).
Die Berufung ist statthaft (§§
143 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht (§
159 SGG) begründet.
Gemäß §
159 Abs.
1 Nr.
1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen,
wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn
das Sozialgericht wegen einer Fehldeutung des Klageziels keine Entscheidung über den Streitgegenstand getroffen hat (vgl.
Bayerisches LSG, Urteil vom 20.10.2016 – L 17 U 118/16). So liegt der Fall hier. Das Sozialgericht hat das eigentliche Begehren des Klägers, nämlich das aufsichtsrechtliche Einschreiten
der Behörde für Justiz- und Verbraucherschutz gegenüber dem Sozialgericht, nicht aufgegriffen und keine Entscheidung hierüber
getroffen. Wenn es – wie in dem angefochtenen Gerichtsbescheid durch die Formulierung, als Angelegenheit der Justizverwaltung
sei die Sache keiner Verfahrensart des
SGG zuzuordnen, angedeutet – der Auffassung ist, hierfür nicht zuständig zu sein, hätte es den Rechtsstreit als öffentlich-rechtliche
Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art (§
40 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung) an das Verwaltungsgericht verweisen müssen.
Im Rahmen seines nach §
159 Abs.
1 Nr.
1 SGG auszuübenden Ermessens hält der Senat eine Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht für sachgerecht. Über das eigentliche
Begehren des Klägers ist noch gar nicht befunden worden; zudem kann die Frage des zulässigen Rechtswegs aufgrund der Regelung
des §
17a Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz nur in der ersten Instanz geklärt werden.
Eine Kostenentscheidung ist durch den Senat nicht zu treffen, sie bleibt vielmehr der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) sind nicht ersichtlich.