Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Leberschaden der Klägerin gesundheitliche Folge einer oder mehrerer Berufskrankheiten
(BK) nach der Gruppe 13 (1302, 1307, 1310, 1316 oder 1317) der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung ist.
Die 1950 geborene Klägerin war nach ihrem Studium (1969 bis 1973) zunächst bis 1991 im A. Zentrum K. als Spezial-Agronom für
Pflanzenschutz und hieran anschließend bis 1999 bei verschiedenen Unternehmen als Verkaufsberaterin für Pflanzenschutzmittel
(PSM) beschäftigt.
Nach einer bei der Klägerin am 2. Juli 2008 durchgeführten Leberbiopsie äußerte das H.-Klinik W. in einem Arztbrief vom 28.
Juli 2008 den Verdacht auf das Vorliegen einer primär biliären Zirrhose (PBC). Daraufhin leitete die Beklagte ein weiteres
Berufskrankheitenverfahren zur Gruppe 13 der Liste der Berufskrankheiten ein. Bereits zuvor hatte die Beklagte die Anerkennung
einer neurologischen Erkrankung der Klägerin als BK nach der BK-Gruppe 13 abgelehnt (Bescheid vom 25. Juni 2002, Widerspruchsbescheid
vom 5. Juni 2003). Klage, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos (Urteil des SG Schwerin vom 14. Juni 2005
– ; Urteil des LSG M-V vom 26. November 2012 – L 5 U 48/05; Beschluss des BSG vom 31. Juli 2013 – B 2 U 123/13 B).
Die Beklagte zog medizinische Unterlagen über die Klägerin bei und holte den Befundbericht des Chefarztes Dr. K. vom H.-Klinikum
W. vom 22. April 2009 ein. Hierin hieß es, die Klägerin sei wegen einer Lebererkrankung erstmals dort am 15. April 2008 behandelt
worden. Sie habe über seit 2007 bekannte Leberwerterhöhungen berichtet. Aufgrund der am 2. Juli 2008 durchgeführten Leberbiopsie
habe sich eine geringgradige chronische und portal betonte Entzündung gefunden. Anhaltspunkte für eine PBC hätten sich am
vorliegenden Material nicht ergeben. Die Veränderungen seien nach Ansicht der Pathologen am ehesten chemisch-toxischer Natur.
Somit bestehe durchaus die Möglichkeit, dass es sich um einen medikamententoxischen Leberschaden durch früheren Pflanzenschutzmittelkontakt
handeln könnte (die Klägerin habe angegeben, dass sie von 1973 bis 1979 in einem Argochemischen Zentrum regelmäßig mit Pflanzenschutzmitteln
(PSM) in Berührung gekommen sei). Die Klägerin sei auf Ursodeoxycholsäure (UDC) eingestellt worden, unter dieser medikamentösen
Therapie hätten sich die Leberwerte normalisiert. Nach Ansicht des Klinikums handele es sich um ein Mischbild der Frühform
einer PBC und einer chemisch-toxischen Leberschädigung.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin/Betriebsmedizin Dr. G. gelangte in ihrer Stellungnahme vom 22. Juli 2009 zu der Beurteilung,
dass sich die Lebertoxizität von Halogenkohlenwasserstoffen mit hepatoxischer Wirkung in einer Vergrößerung des Organs, durch
Anstieg der Transaminasen im Serum und in unterschiedlichen histologischen Bildern äußere. Bei der Klägerin bestehe der Verdacht
auf eine PBC. Deren Ursache gelte als unbekannt. Ursächlich seien wahrscheinlich Autoimmun-Mechanismen, weniger toxische Reaktionen.
Sie empfahl eine weitere Begutachtung.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Prof. Dr. Dr. R. mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens. In seinem auf einer
ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 29. Oktober 2009 beruhenden Gutachten vom 14. April 2010 diagnostizierte dieser Gutachter
bei der Klägerin u. a. eine PBC. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Leberschädigung als BK seien nicht erfüllt.
Bei der Klägerin habe von 1973 bis 1999 eine berufliche Exposition gegenüber PSM bestanden. Im Jahre 1974 sei bei der Klägerin
während der Pflanzenschutzzeit im Sommer eine Erhöhung der Leberwerte festgestellt worden, die jedoch im folgenden Dezember
komplett rückläufig gewesen sei. Bei späteren betriebsärztlichen Untersuchungen seien keine erhöhten Leberwerte dokumentiert
gewesen. Gegen eine rein toxische Genese der Lebererkrankung spreche, dass bei der klinischen Diagnostik im Jahr 2000 und
bei der aktuellen Vorstellung sämtliche bestimmten Leberparameter im Normbereich gelegen hätten und es im Jahr 2007, also
deutlich nach Ende der starken Exposition gegenüber Pflanzenschutzmitteln, zu einem Anstieg der Leberparameter gekommen sei.
Bei der Klägerin liege eine PBC vor. Eine Triggerung dieser Erkrankung durch die Exposition gegenüber verschiedenen PSM in
den Jahren 1974 bis 1999 könne nicht ausgeschlossen werden, sei aber nicht eindeutig nachzuweisen.
Die Beklagte holte daraufhin ein gewerbeärztliches BK-Gutachten vom 2. August 2010 nebst ergänzender Stellungnahme vom 15.
September 2010 von Frau Dr. W. vom M. für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes S. ein. Hierin führte diese Ärztin aus,
die PBC sei durch eine chronische Entzündung und fibrotische Verengung der intrahepatischen Gallengänge charakterisiert. Die
Ursache dieser Erkrankung sei unbekannt. Es gebe Hinweise auf eine Fehlfunktion der Immunantwort als wesentlichen Faktor.
Die PBC sei mit diversen Autoimmunerkrankungen assoziiert, wie beispielsweise dem sog. CREST-Syndrom, dem Sicca-Syndrom, dem
Diabetes Mellitus Typ 1 und dem IgA-Mangel. Bei mehr als 90 % der Patienten mit PBC finde sich ein antimitochonchialer Antikörper
(AMA) vom IgA-Typ im Plasma, der nur sehr selten bei anderen Lebererkrankungen auftrete. Dieser Antikörper sei vor Identifikation
des spezifischen Antigens als AMA-M2 bezeichnet worden. Diese Antikörper seien bei der Klägerin im Juli 2008 nachgewiesen
worden. Sowohl das Auftreten der erhöhten Leberwerte im Jahr 2007 ca. sieben Jahre nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit
mit Exposition gegenüber PSM als auch der Labornachweis der Antikörper, die erfolgreiche Therapie als auch der Hinweis in
der histopathologischen Begutachtung, dass eventuell ein Trefferfehler für PBC- spezifische Veränderungen vorliegen könne,
mache diese Diagnose der Lebererkrankung wahrscheinlich. Die Lebererkrankung, die im Jahr 2007 diagnostiziert worden sei,
sei demnach außerberuflich entstanden. In den Jahren 1974 und 1975 sei isoliert eine leichte Erhöhung der SGPT (Leberwert)
gefunden worden. Die Ursache für diese Leberwerterhöhung bleibe unklar. Sie könnte durch eine akut erhöhte Exposition gegenüber
einem PSM verursacht worden sein; ebenso wäre auch eine außerberufliche chemisch-toxische Ursache in Erwägung zu ziehen. Die
im Jahr 1974/75 gefundene kurzfristige Erhöhung des Leberwertes SGPT könne im Nachhinein nicht mit Wahrscheinlichkeit der
beruflichen Exposition gegenüber PSM zugeschrieben werden. Die Anerkennung einer BK könne nicht empfohlen werden.
In ihrer Stellungnahme vom 15. September 2010 führte Dr. W. zur BK 1316 (Erkrankungen der Leber durch Dimethylformamid) aus,
Dimethylformamid (DMF) sei eines der am meisten verwendeten organischen Lösungsmittel. Es sei ein Lösemittel mit hohem Dampfdruck,
das nach inhalativer oder dermaler Exposition leicht resorbiert und im Körper verteilt werde. DMF besitze keine genotoxischen
und keimzellmutagenen Wirkungen. Eine kanzerogene Wirkung von DMF im Tierexperiment sei ebenfalls nicht zu beobachten gewesen.
Die in den Jahren 1974 und 1975 isoliert gefundene leichte Erhöhung des Leberwertes SGPT bei der Klägerin könnte durch eine
akute Reaktion der Leber auf eine Exposition gegenüber einem PSM, z. B. DMF verursacht worden sein. Eine solche Leberveränderung
wäre schnell reversibel. Eine Langzeitfolgenschädigung wäre nicht zu erwarten. Das Auftreten der Beschwerden und der erhöhten
Leberwerte im Jahr 2007 ca. sieben Jahre nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit, als auch der Labornachweis von spezifischen
Antikörpern und auch der histologische Befund wiesen auf eine außerberufliche Entstehung hin. Die Anerkennung einer BK 1316
könne nicht empfohlen werden.
Mit Bescheid vom 23. November 2010 lehnt es die Beklagte ab, eine Leberschädigung als BK nach der Gruppe 13, insbesondere
nach den Ziffern 1302, 1307, 1310, 1316 und 1317, anzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, dass nach dem Ergebnis der
Ermittlungen die bei der Klägerin festgestellte Erkrankung nicht ursächlich auf die berufliche Tätigkeit der Klägerin zurückgeführt
werden könne. Einwirkungen gegenüber halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylarloxide (BK 1310) und organischen Lösungsmittel
oder deren Gebinde (BK 1317) sei die Klägerin nicht oder in einem Umfang ausgesetzt gewesen, die eine derartige Erkrankung
nicht verursachen könnten. Insofern seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Eine Einwirkung gegenüber Halogenwasserstoffen (BK 1302), organischen Phosphorverbindungen (BK 1307) und Dimethylformamid
(BK 1316) sei die Klägerin beruflich ausgesetzt gewesen. Dennoch scheide eine Anerkennung als BK aus, da die medizinischen
Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die klinische Diagnostik im Jahr 2000 und die ärztlichen Untersuchungen am 29. Oktober
2009 hätten ergeben, dass sämtliche Leberwerte im Normbereich gelegen hätten und der im Jahr 2007 festgestellte Anstieg der
Laborparameter und die Diagnose einer Leberschädigung, d. h. deutlich nach dem Ende der beruflichen Exposition gegenüber den
o. g. Stoffen, nicht mehr auf die berufliche Tätigkeit bis Ende 1999 zurückgeführt werden könne. Ferner spreche auch der Verlauf
der Erkrankung als auch der Nachweis von Autoantigenen, insbesondere des Antigens AMA-M2, im Jahr 2008 für eine aus körpereigener
Ursache entstandene Autoimmun- Erkrankung. Die Leberbeschwerden entsprächen auch nach medizinisch- wissenschaftlichen Erkenntnissen
nicht einer Langzeitfolgenschädigung durch die Einwirkung von Löse- und Schädlingsbekämpfungsmitteln (Pestiziden und sonstigen
chemischen Stoffen). Bei der Einwirkung der vorgenannten Stoffe wären vielmehr Veränderungen des blutbildenden Systems oder
der Niere zu erwarten gewesen.
Ihren hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass das gewerbeärztliche Gutachten zumindest hinsichtlich
mehrerer Stoffe das Vorliegen einer haftungsbegründenden Kausalität bejahe. Dennoch würde die Anerkennung einer BK mit der
Begründung abgelehnt, dass die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Entgegen den Angaben im gewerbeärztlichen
Gutachten hätte sie bereits ab 1974 an häufigem Juckreiz und Bauchbeschwerden gelitten. Hier hätte als Ursache zumindest eine
akut erhöhte Exposition gegenüber einem PSM in Betracht gezogen werden müssen. Die von der Gutachterin weiter aufgeführten
Ursachen könnten die erhöhten Leberwerte nicht erklären. Zwar habe sie zu dieser Zeit das Medikament Paracetamol eingenommen,
dies sei aber nur kurzzeitig gewesen. Die Einnahme von Phenhydan sei 1986 erfolgt, die Einnahme von Ketazom 1984. Dies erkläre
keine Erhöhung der Leberwerte in den Jahren 1974 und 1975. Infolgedessen verbleibe als einzig mögliche Ursache die Exposition
mit PSM.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie führte aus, dass im angefochtenen
Bescheid nicht über die Erhöhung der Leberwerte in den Jahren 1974 und 1975 entschieden worden sei. Etwaige Ansprüche seien
ohnehin verjährt. Für die im Jahr 2007 festgestellte Erhöhung der Leberwerte sei ein ursächlicher Zusammenhang mit der schädigen
beruflichen Einwirkung bis längstens 1999 allein aufgrund des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs nicht wahrscheinlich zu machen,
insbesondere da im Jahr 2000 keine auffälligen Leberwerte feststellbar gewesen seien. Zudem sprächen die erhobenen Laborwerte
für eine anlagebedingte Autoimmunerkrankung.
Die Klägerin hat am 16. Juni 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Schwerin erhoben, mit der sie die Anerkennung ihrer Leberschädigung als BK weiterverfolgt. Sie verweist auf einen von ihr
zu den Gerichtsakten eingereichten Arztbrief der Universitätsklinik R. vom 7. März 2012. Hierin wiesen die behandelnden Ärzte
ausdrücklich darauf hin, dass Hinweise auf eine chemisch-toxische Schädigung der Leber bestünden, sodass differenzialdiagnostisch
eine Schädigung durch langjährigen Kontakt mit PSM beruflicherseits nicht auszuschließen sei und dies als „durchaus wahrscheinlich
erscheine“. Die Klägerin hat darüber hinaus den weiteren Arztbrief des Universitätsklinikums R. vom 28. September 2012 in
Kopie zu den Akten gereicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai
2011 zu verurteilen, die bei ihr vorliegende Lebererkrankung als Folge einer Berufskrankheit der Gruppe 13 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Inhalt Ihrer angefochtenen Bescheide bezogen.
Das SG hat den Befundbericht des Prof. Dr. B./Dr. R. des Universitätsklinikums R. vom 12. August 2014 eingeholt. In diesem Bericht
wird über eine langjährige Behandlung der Klägerin wegen multipler Sklerose berichtet. Es bestehe eine stabile klinisch-neurologische
Situation und eine Leberpathologie, deretwegen sich die Klägerin in fachärztlicher Behandlung befinde. Im Befundbericht heißt
es u. a., dass aufgrund einer Untersuchung der Klägerin zuletzt am 25. Januar 2010 die Leberenzyme im Normbereich gelegen
hätten.
Dr. K. vom S. H.-Klinikum W. hat in seinem Befundbericht vom 20. April 2015 angegeben, die Klägerin erstmalig am 15. April
2008 behandelt zu haben. Seitdem befinde sie sich in regelmäßiger ambulanter Behandlung in seiner Lebersprechstunde, die letzte
Behandlung sei am 3. März 2015 erfolgt. Die Lebererkrankung habe seit 2008 keine Verschlechterung gezeigt. Seitdem sich die
Klägerin in ambulanter Behandlung in seiner Lebersprechstunde befinde, sei eine Normalisierung der Leberwerte zu verzeichnen.
Die Klägerin selbst hat den Arztbrief des Prof. Dr. Z. vom 6. März 2015 zu den Akten gereicht und eine handschriftliche Stellungnahme
der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 24. März 2015. Des Weiteren hat die Klägerin ihre handschriftlichen
Schreiben vom 24. September, 8. sowie 11. und 13. Oktober 2015 eingereicht.
Durch Urteil vom 12. November 2015 hat das SG Schwerin die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt,
der Bescheid der Beklagten vom 23. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011 sei rechtmäßig und
verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Deren Lebererkrankung sei nicht Folge einer BK der Gruppe 13. Unter Hinweis auf
§
136 Abs.
3 SGG hat es von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, weil die Beklagte in den angefochtenen Entscheidungen
in sachlich und rechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt habe, aus welchen Gründen ein Ursachenzusammenhang zwischen
der Lebererkrankung und dem beruflichen Umgang mit Insektiziden/PSM nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Zweifel an der Richtigkeit
dieser Beurteilung habe das Gericht nicht. Denn sie werde gestützt durch die insoweit übereinstimmenden ärztlichen Auffassungen
der Dres. G., R. und W.. Soweit diese Ärzte im Verwaltungsverfahren gehört worden seien, verwerte das Gericht ihre Stellungnahmen
und Gutachten im Wege des Urkundenbeweises. Danach seien die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK der Gruppe 13 nicht
erfüllt.
Gegen das am 29. Februar 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. März 2016 Berufung eingelegt, mit der sie die Anerkennung
ihrer Leberschädigung als BK weiterverfolgt. Sie nimmt Bezug auf einen Arztbrief des Prof. B. vom 7. Mai 2013, in dem es auszugsweise
heiße: „Differenzialdiagnostisch am wahrscheinlichsten sei die bereits vielfach diskutierte Möglichkeit einer toxischen Genese
bei Zustand nach Schadstoffexposition mit PSM …“. In der ärztlichen Stellungnahme der Dr. L. vom 24. März 2015 heiße es auszugsweise:
„Die Verdachtsdiagnose einer chronischen Vergiftung durch PSM sei eher wahrscheinlich als die MS.“
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 12. November 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2010 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine Leberschädigung als gesundheitliche
Folge einer Berufskrankheit der Ziffer 1302, 1307, 1310, 1316, 1317 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die in diesem Rechtsstreit angefochtenen Bescheide bezögen sich auf eine
Lebererkrankung und nicht auch eventuelle andere, zum Beispiel neurologische Erkrankungen (Hinweis auf das frühere Berufungsverfahren
der Klägerin zum Aktenzeichen L 5 U 48/05). Der Bericht des Prof. B. vom 17. Mai 2013 finde sich in der Anlage zum Schreiben des SG in der Vorinstanz vom 25. September 2014. Der diskutierte mögliche Zusammenhang beziehe sich auf neurologische Störungen
und keine Lebererkrankung. Die Stellungnahme der Dr. L. vom 24. März 2015 finde sich in der Anlage zum Vortrag des Prozessbevollmächtigten
der Klägerin vom 10. Juni 2015. Auch diese beziehe sich nicht auf eine Lebererkrankung, sondern auf den neurologischen Fachbereich,
ebenfalls nur mit einer Verdachtsdiagnose und einer Ursachenvermutung.
Auf Antrag der Klägerin nach §
109 SGG hat Prof. Dr. H. sein arbeitsmedizinisches Gutachten vom 15. Februar 2018 erstellt. Hierin ist dieser Sachverständige zusammengefasst
zu der Beurteilung gelangt, dass bei der Klägerin keine Berufskrankheit der Ziffern 1302, 1307, 1310, 1316 oder 1317 bestehe.
Grundsätzlich könne ein Leberleiden sowie Schädigungen des zentralen sowie des peripheren Nervensystems durch Halogenkohlenwasserstoffe
(entsprechend BK 1302) ausgelöst werden, vor allem wenn diese als Lösungsmittel eingesetzt würden. Die Lebertoxizität der
einzelnen Halogenkohlenwasserstoffe sei allerdings sehr unterschiedlich, besondere Gefährdungen bestünden bei beruflichem
Umgang mit zum Beispiel Tetrachlorkohlenstoff, dem die Klägerin nicht ausgesetzt gewesen sei. Nach erhöhten Expositionen gegenüber
den in der Landwirtschaft eingesetzten halogenierten aliphatischen und alicyclischen Insektiziden seien akute Nervenfunktionsstörungen
beobachtet worden. Die chronische Form der Intoxikation sei dagegen selten, wenngleich im Einzelfall langzeitige neurologische
Störungen oder Leberveränderungen (zum Beispiel durch Chlorphenole oder Chlornaphthaline) nicht auszuschließen seien. In entsprechenden
Fällen seien aber regelhaft Hautveränderungen im Sinne einer langen persistierenden Chlorakne zu beobachten gewesen. Bleibende
Störungen der Leberfunktion oder des Nervensystems seien bei beruflicher Exposition gegenüber Lindan in der Landwirtschaft
bisher nicht in hinreichendem Umfang bekannt geworden.
Organische Phosphorverbindungen (vgl. BK 1307), vor allem Phosphorsäureester, würden in der Landwirtschaft häufig eingesetzt.
Erhöhte Aufnahmen könnten zur endogenen Acetylcholinvergiftung führen, die vielfältige Symptome im Bereich der sekretorischen
Drüsen (Magen-Darm-Trakt, Atemwege) sowie der Muskulatur und des Nervensystems zeigten. Länger persistierende neurologische
Störungen (im Sinne einer peripheren Neuropathie) ließen sich allerdings nur im Zusammenhang mit vorausgegangenen akuten Intoxikationen
sichern.
Unter der BK 1310 seien Erkrankungen durch halogenierte Acryl-, Aryl- oder Alkylaryloxide zusammengefasst. Im Vordergrund
dieser BK stünden die Wirkungen der hochtoxischen Dioxine sowie von Pentachlorphenol, welches die oxidative Phosphorylierung
in den Mitochondrien entkoppele und thermische Energie (Fieber) freisetze. Pentachlorphenol werde in der Landwirtschaft zur
Schädlingsbekämpfung eingesetzt, allerdings nicht in unseren Breitengraden.
Unter der BK 1316 seien Lebererkrankungen subsumiert, die durch Dimethylformamid verursacht worden seien. Vom Erkrankungsbild
her sei eine eindeutige Unterscheidung zu Leberleiden anderer Ursache nicht sicher zu treffen. Leberzellschäden würden allerdings
nur nach erhöhten Belastungen mit Dimethylformamid beobachtet, wie er beim Kontakt mit Pestiziden in der Landwirtschaft nicht
gegeben sei. Auch seien irreversible Leberschädigungen unter Berücksichtigung der Literatur wenig wahrscheinlich.
Unter der BK 1317 seien Polyneuropathien oder Enzephalopathien infolge des Kontaktes durch organische Lösungsmittel oder deren
Gemische zusammengefasst. Bei der Klägerin ergäben sich nach den Unterlagen sowie dem Ergebnis der durchgeführten Untersuchung
keine beweisenden Befunde für eine Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie im Sinne einer BK 1317. Auch habe eine entsprechende
Belastung mit den schädlichen Stoffen bei der Klägerin nicht vorgelegen.
Bezüglich der bei der Klägerin festgestellten Erkrankungen sei nicht auszuschließen, dass diese im ursächlichen Zusammenhang
mit ihrer beruflichen Tätigkeit stünden. Von Seiten der Erkrankungen lasse sich ein kausaler Zusammenhang weder hinreichend
begründen noch widerlegen. Entscheidend sei vielmehr, dass ein entsprechender Nachweis einer erhöhten Schadstoffbelastung,
welche die Erkrankungen verursacht haben könnte, nicht gelinge. Auch ergäben sich aus der wissenschaftlichen Literatur keine
ausreichenden Hinweise dafür, dass die bei der Klägerin diagnostizierbaren Leiden gehäuft bei beruflicher Tätigkeit in der
Landwirtschaft aufträten.
Die in der Landwirtschaft Beschäftigten stellten weltweit die größte Gruppe der beruflich Pestizid-exponierten dar. Es mehrten
sich die Erkenntnisse, nach denen in der Landwirtschaft beschäftigte Personen gehäuft an einem Morbus Parkinson erkrankten.
Lebererkrankungen könnten im Rahmen von akut erhöhten Pestizideinwirkungen auftreten. Dies führe gewöhnlich zu einem erheblichen
Ansteigen der lebersensiblen Enzyme. Nach einigen Wochen trete dann eine Besserung ein. Bei entsprechenden Intoxikationen
würden aber auch ausgeprägtere Beteiligungen der Lunge oder der Nieren beobachtet.
Mehrfach sei der Frage nach Lebererkrankungen bei beruflicher chronischer Pestizid-Exposition nachgegangen worden. Hernandez
et al. (2006) hätten über labortechnische Veränderungen bei 106 in der Intensiv-Landwirtschaft eingesetzten Personen berichtet.
Es hätten sich u. a. Abnahmen der Cholinesterase im Serum sowie eine erhöhte Aktivität des lebersensiblen Enzyms AST, allerdings
keine Hinweise für eine klinisch relevante Lebererkrankung ergeben.
Eine akute oder chronische Pflanzenschutzmittelintoxikation sei bei der Klägerin während ihrer beruflichen Tätigkeit als Agraringenieurin
nicht bekannt geworden. Um 1974 seien die Werte lebersensibler Enzyme bei der Klägerin leicht erhöht gewesen. Anhaltspunkte
für eine damals klinisch relevante Lebererkrankung hätten sich aber weder aus den Aktenunterlagen noch aus der aktuell erhobenen
Anamnese ergeben. Es sei durchaus möglich, dass diese leichten Erhöhungen lebersensibler Enzyme in Zusammenhang mit einer
damals zeitweilig erhöhten Pestizidbelastung im Zusammenhang gestanden haben könnten, hinreichend belegen lasse sich ein solcher
Zusammenhang aber nicht. Auch sei davon auszugehen, dass sich eine damals aufgetretene beruflich bedingte Leberaffektion im
Laufe der Jahre nicht verschlimmert und das Ende der beruflichen Tätigkeit überdauert hätte.
Die Klägerin hingegen nehme eine solche berufsbedingte Persistenz an. Sie führe den im Jahr 2008 erhobenen histologischen
Leberbefund mit einer geringgradigen chronischen und portalbetonten Entzündung ursächlich auf ihre zu jenem Zeitpunkt bereits
Jahre zurückliegende berufliche Pestizidbelastung zurück. Unabhängig davon, dass nach dem histologischen Befund ein klinisch
schwerwiegendes Leberleiden nicht vorliege, werde es aus gutachterlicher Sicht für nicht wahrscheinlich gehalten, dass die
jetzigen Hinweise auf eine Leberfunktionsstörung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die frühere berufliche
Pestizidbelastung zurückzuführen seien. Auch ergäben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine weitere durch die frühere
berufliche Pestizidbelastung verursachte Erkrankung. Unter Berücksichtigung der aus der wissenschaftlichen Literatur vorliegenden
Erkenntnisse könnte am ehestens ein Parkinsonsyndrom bzw. eine Parkinson-Erkrankung mit der früheren Berufsausübung im Zusammenhang
stehen. Ein solches Leiden liege bei der Klägerin aber nicht vor.
Der Auffassung der Vorgutachter werde zugestimmt. Nach der Einschätzung des Prof. R. in seinem Gutachten vom 14. April 2010
spreche gegen einen beruflichen Zusammenhang der Lebererkrankung mit der Berufsausübung der erst mehrere Jahre nach Expositionsende
belegte (Wieder-)Anstieg der Leberparameter. Den von Frau Dr. W. gezogenen Schlussfolgerungen werde ebenfalls zugestimmt.
Während sich die Beklagte durch das Gutachten des Prof. Dr. H. bestätigt sieht, hat sich die Klägerin gegen dieses Gutachten
gewandt und mit ihrem Schriftsatz vom 20. August 2018 vorgetragen, das Gutachten enthalte falsche Fakten, was sie im Einzelnen
dargelegt hat. Zudem hat sie bemängelt, dass sich der Sachverständige nicht hinreichend mit ihrem Schriftsatz vom 11. August
2017 und den beigefügten Anlagen auseinandergesetzt habe. Der Sachverständige stelle in seinem Gutachten mehrfach fest, dass
langzeitliche neurologische Störungen oder Leberveränderungen, toxische Schädigungen und krankheitsbildende Belastungen nach
den beschriebenen Arbeitssituationen nicht ausgeschlossen werden könnten. Damit sei zumindest zu 50 % die Wahrscheinlichkeit
der Krankheitsbilder einer BK 1302, 1307, 1310, 1316 und 1317 gegeben.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, eine BK könne nicht anerkannt werden, wenn es nur möglich sei, dass die beruflichen Einwirkungen
die Gesundheitsstörungen verursacht hätten. Der ursächliche Zusammenhang müsse vielmehr nach dem medizinischen Erkenntnisstand
hinreichend wahrscheinlich sein. Eine derartige hinreichende Wahrscheinlichkeit in Bezug auf die Lebererkrankung sei jedoch
nach dem im Ergebnis übereinstimmenden eingeholten Gutachten nicht nachgewiesen. Anzumerken sei, dass Prof. H. in seinem Gutachten
auch keine 50 % Wahrscheinlichkeit anführe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (S 5 U 53/11 – L 5 U 19/16) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher
Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese
Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die
„Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
– vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende
Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. Urteil des BSG vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R –; Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 R –). Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht
(vgl. Urteil des BSG vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R –) und ernste Zweifel ausscheiden. Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen
nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).