Anspruch auf Arbeitslosengeld II, Absenkung der Leistung bei Nichterfüllung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Leistungsabsenkung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b Zweites
Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -.
Der 1968 geborene Antragsteller ist von Beruf IT-Systemkaufmann und bestand zusätzlich im Jahr 2004 die zweite juristische
Staatsprüfung. Er ist seitdem arbeitslos und ab Juni 2005 im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Am 2. November 2006 schlossen
die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 SGB II. Danach verpflichtete sich die Antragsgegnerin zur Förderung
der beruflichen Weiterbildung an einer praxisorientierten Weiterbildungsmaßnahme im kaufmännisch-verwaltenden Bereich beim
BNW C. für die Dauer von bis zu sechs Monaten. Gleichzeitig sicherte der Antragsteller die Teilnahme an der in Aussicht gestellten
Weiterbildungsmaßnahme zu. Mit Schreiben vom 2. November 2006 übermittelte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Bildungsgutschein
zur Teilnahme an dieser Maßnahme für die Zeit vom 11. Dezember 2006 bis zum 10. Juni 2007. Der Antragsteller nahm daran jedoch
nicht teil.
Mit Bescheid vom 3. Januar 2007 stellte die Antragsgegnerin wegen der Nichterfüllung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung
eine Absenkung des Arbeitslosengeldes (Alg) II in Höhe von 30 % (104,00 EUR monatlich) für die Zeit vom 1. Februar bis zum
30. April 2007 fest und änderte für diesen Zeitraum die ursprüngliche Leistungsbewilligung. Hiergegen legte der Kläger am
5. Januar 2007 Widerspruch ein. Es ist nicht bekannt, ob darüber durch Widerspruchsbescheid entschieden worden ist.
Am 12. Januar 2007 hat der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Aussetzung des Vollzugs des Bescheides der
Antragsgegnerin vom 3. Januar 2007 beantragt. Er ist der Auffassung, dass die angebotene Eingliederungsmaßnahme rechtswidrig
und für einen Juristen unzumutbar sei.
Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat durch Beschluss vom 19. Januar 2007 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. Die
streitige Weiterbildungsmaßnahme sei genehmigt worden und werde von einem anerkannten Bildungsträger durchgeführt. Sie sei
auch geeignet, die berufliche Eingliederung des Antragstellers zu fördern.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 23. Januar 2007 Beschwerde eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen seine
Auffassung, dass eine berufliche Eingliederung nur auf der Basis des zuletzt erlernten Berufes als Jurist erfolgen dürfe.
In Betracht kämen deshalb nur juristische Qualifizierungsmaßnahmen wie Wirtschafts- und Steuerrecht beziehungsweise Fachanwaltskurs.
Die Antragsgegnerin verteidigt die getroffene Entscheidung.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses und zur
Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz.
Verfahrensrechtliche Grundlage für das Begehren des Antragstellers ist §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid
vom 3. Januar 2007 hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Diese ist gerichtlich anzuordnen, weil der Aufhebungsbescheid
vom 3. Januar 2007 höchstwahrscheinlich rechtswidrig ist. Vorrangige Interessen an der sofortigen Vollziehung des Absenkungsbescheides,
die dem Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz entgegenstehen könnten, sind durch die Antragsgegnerin nicht dargelegt worden.
Dem SG ist zuzustimmen, dass für den Antragsteller die Teilnahme an der vorgeschlagenen Eingliederungsmaßnahme zur beruflichen Weiterbildung
im kaufmännisch-verwaltenden Bereich beim Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft in C. ab 11. Dezember 2006 zumutbar
ist. Diese Maßnahme beinhaltet eine kaufmännische Qualifizierung in Buchhaltung, Personalwesen, Lohnbuchhaltung, kaufmännische
Anwendersoftware mit einem Praktikumsanteil von mindestens 50 % der Maßnahmedauer. Sie vermittelt berufspraktische Fertigkeiten
nebst Aktualisierung von bereits vorhandenen Kenntnissen und ist von dem Anforderungsprofil besonders auf Langzeitarbeitslose
zugeschnitten.
Der Antragsteller ist seit spätestens 2004 arbeitsuchend. Seine Bemühungen, als Jurist eine Anstellung zu finden, sind erfolglos
geblieben. Eine rein juristische Qualifizierungsmaßnahme kommt deshalb nicht in Betracht. Es ist vielmehr zwingend geboten,
in die Eingliederungsaktivitäten die Erstausbildung des Antragstellers als IT-Systemkaufmann sowie seine frühere Berufserfahrung
als Personalreferent einzubeziehen. Dadurch erhält der Antragsteller die Chance, die in der Ausbildung erlernten Kenntnisse
im kaufmännischen Bereich aufzufrischen, in einem anschließenden Betriebspraktikum umzusetzen und somit sein Bewerberprofil
auszuweiten. Der juristische Studienabschluss wird dann einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kaufleuten
darstellen.
Die Leistungsabsenkung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II wegen Nichterfüllung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten
Pflichten setzt aber nicht nur voraus, dass die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsschritte zumutbar
und durch eine zusätzliche Verfügung konkretisiert werden. Zwingend erforderlich ist es darüber hinaus, dass zwischen dem
Abschluss der Eingliederungsvereinbarung und dem Beginn der Eingliederungsmaßnahme der erwerbsfähige Hilfebedürftige über
die Rechtsfolgen seiner Weigerung zusätzlich belehrt wird. Das ergibt sich unmissverständlich aus dem Einleitungssatz in §
31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Der Gesetzgeber geht insoweit von der Warnfunktion einer zusätzlichen Rechtsfolgenbelehrung
aus, die konkret, verständlich, vollständig und zeitnah ergehen muss, sodass für den Leistungsempfänger die Zuordnung einer
bestimmen Verweigerungshaltung zu seinem Verantwortungsbereich eindringlich nachwirkt (vgl. Berlit, in LPK-SGB II, 2. Aufl.
§ 31 Rdnr. 68). Eine Überforderung der Behörde ist durch die Einhaltung dieser Voraussetzung nicht zu befürchten, weil die
Rechtsfolgenbelehrung im Zusammenhang mit dem Umsetzungsbescheid ergehen kann.
Nach den vorhandenen Akten ist eine derartige Rechtsfolgenbelehrung nicht ersichtlich. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom
2. November 2006 enthält keinerlei Ausführungen für den Fall, dass der Antragsteller den überreichten Bildungsgutschein nicht
einlöst. Die abschließende Klärung, ob sonst eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung, die im Gegensatz zum Absenkungstatbestand
nach § 31 Abs. 2 SGB II auch mündlich mitgeteilt werden kann, erfolgt ist, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Da der Antragsteller obsiegt, hat die Antragsgegnerin seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).