Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Vorläufige Feststellung von Merkzeichen
Besonderer Härtefall
Gründe:
Die am 30. Januar 2020 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 27. Januar 2020 ist gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, aber nicht begründet.
Hinsichtlich des Sachverhalts und der heranzuziehenden Rechtsnormen nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen
in Anwendung der Vorschrift des §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG auf die Ausführungen des SG Bremen Bezug, die er sich zu Eigen macht.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Voraussetzungen hat das SG zu Recht den am 13. Januar 2020 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, denn die Beschwerdeführerin
hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund im Hinblick auf die vorläufige Zuerkennung des Nachteilsausgleichs
der außergewöhnlichen Gehbehinderung (aG) glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat zunächst bereits keinen Anordnungsanspruch, insbesondere keine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung
von mindestens 80 glaubhaft gemacht und eine solche liegt nach der Art ihrer neben einer einseitigen Unterschenkelamputation
schwerpunktmäßig auf psychischer Ebene zu verortenden Gesundheitsstörungen auch nicht nahe. Neben eigenen Behauptungen wird
zur Glaubhaftmachung allein ein Attest der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 9. Januar 2020 vorgelegt,
das indes keine auch nur in Ansätzen gegebene medizinische Begründung für die dort aufgestellten Behauptungen im Hinblick
auf eine weitgehende Gehunfähigkeit erkennen lässt und zudem hinsichtlich der Darstellung der verbliebenen Fähigkeiten der
Klägerin unpräzise ist. Obwohl das SG Bremen im angefochtenen Beschluss vom 27. Januar 2020 vergleichbare Bedenken dargelegt
hat, sind hierzu in der Beschwerdebegründung keinerlei inhaltliche Ausführungen oder gar Ergänzungen erfolgt.
Auch hinsichtlich der fehlenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes sind die Ausführungen des SG Bremen, u. a. mit Inbezugnahme
der Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 16. Mai 2012 - L 13 SB 56/12 ER - sowie vom 8. Januar 2020 - L 13 SB 2/20 ER), grundsätzlich zutreffend.
Wie der Senat ebenfalls bereits zuvor (Senat, Beschluss vom 16. Mai 2012 - L 13 SB 56/12 ER - juris Rn. 5 sowie vom 13. Oktober 2014 - L 13 SB 96/14 B ER) dargelegt hat, ist zwar die vorläufige Feststellung von Merkzeichen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht
bereits grundsätzlich ausgeschlossen, ein Anordnungsgrund kann aber in diesen Fällen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen
angenommen werden. Dies erfordert eine besondere Härte in der Weise, dass ein Antragsteller gerade jetzt im Sinne einer Vorwegnahme
der Hauptsache unerlässlich auf die Erteilung des Merkzeichens angewiesen ist. Etwaige Belastungen begründen noch keinen Anspruch
auf die begehrte einstweilige Regelung vor einer abschließenden Sachaufklärung. Ist das Begehren, wie hier, auf den Erlass
einer vorläufigen Regelung gerichtet, die den Ausgang des Hauptsacheverfahrens vorwegnimmt, müssen besondere Gründe vorliegen,
die eine solche Anordnung gebieten (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Oktober 2014 - a. a. O. - mit Verweis auf Landessozialgericht
- LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2012 - L 13 SB 3/12 B ER). Es müssen schwerwiegende Nachteile glaubhaft gemacht werden, die der Antragstellerin drohen, wenn ihrem Begehren auf
Feststellung des begehrten Merkzeichens nicht sofort entsprochen wird (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Januar 2014
- L 13 SB 119/13 B ER - juris).
Die Antragstellerin hat keine schweren und unzumutbaren Nachteile dargelegt, wie der Senat sie in Präzisierung seiner bisherigen
Rechtsprechung für die vorläufige Feststellung von Merkzeichen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes fordert. Sie
hat auch bereits keine besondere Härte (Senat, Beschluss vom 16. Mai 2012 - L 13 SB 56/12 B ER - juris Rn. 5) dargelegt, ohne deren Vorliegen das Bestehen schwerer und unzumutbarer Nachteile nicht denkbar ist. Eine
Präzisierung des Begriffs der besonderen Härte in diesem Zusammenhang hat der Senat kürzlich wie folgt vorgenommen (Beschluss
vom 8. Januar 2020 - L 13 SB 2/20 ER - mit Hinweis auf Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - L 15 VK 17/16 ER - juris Rn. 29, m. w. N.): Ein Antragsteller
hat darzulegen, welche besonderen Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.
Die Geltendmachung eines wesentlichen Nachteils erfordert die konkrete Darlegung schwerwiegender Gründe, die über den mit
jedem Verfahren verbundenen Zeitablauf hinausgehen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient nicht dazu, unter
Abkürzung des Hauptsacheverfahrens die geltend gemachte Rechtsposition vorab zu realisieren und ist in diesem Sinne kein Instrument
zur Beschleunigung des Hauptsacheverfahrens. Antragstellern ist es im Regelfall zuzumuten, dass die Klärung dem gerichtlichen
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt.
Die Antragstellerin, die nach ihren eigenen Angaben Unterstützung durch ihren Ehemann erfährt und die in versorgungsmäßig
günstiger zentraler Lage einer Großstadt wohnt, hat in beiden Rechtszügen keine schwerwiegenden Gründe vorgebracht. Die Voraussetzungen
für die vorläufige Feststellung von Merkzeichen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfüllt das Vorbringen der Antragstellerin
nicht und sie hat trotz entsprechender Ausführungen im angefochtenen Beschluss vom 27. Januar 2020 ihr diesbezügliches inhaltliches
Vorbringen im Beschwerdeverfahren auch nicht ergänzt. Dass die Antragsgegnerin durch die Gewährung bei ihr beantragter Feststellungen
"nicht unverhältnismäßig in Anspruch genommen wird", liegt in der Natur ihrer feststellenden und nicht leistenden Verwaltungstätigkeit
und ist für die Entscheidung ohne weitere Bedeutung; diese Argumentation könnte in Hinblick auf die Feststellungen der Antragsgegnerin
stets vorgebracht werden und ersetzt nicht die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund.
Unabhängig von den Feststellungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung im Rahmen des Merkzeichens aG kann die örtliche Verkehrsbehörde
im Übrigen räumlich und zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigungen bei der Benutzung der öffentlichen Verkehrsflächen erteilen.
Dies ist von gesundheitlichen Voraussetzungen abhängig, die in der Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Straßenverkehrsverordnung (VwV-StVO) geregelt sind. Im Hinblick auf die Erteilung des Merkzeichens aG im Wege der einstweiligen Anordnung setzt die Glaubhaftmachung
eines Anordnungsgrundes vor diesem Hintergrund u. a. regelmäßig den Nachweis über den erfolglosen Versuch der Erlangung einer
derartigen Ausnahmegenehmigung bzw. den substantiierten Vortrag, dass die danach möglichen Parkerleichterungen nicht ausreichend
sind, voraus, ohne dass es hierauf im konkreten Rechtsstreit noch in entscheidender Weise ankäme.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).