Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Münster, mit dem das SG ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Erlass eines Gerichtsbescheides abgelehnt hat.
Die Kläger bezogen seit Mai 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom Beklagten. Zum 01.08.2018 mieteten sie eine Wohnung unter der Anschrift I-Straße 00 in Oelde an. Die Kosten der Unterkunft
und Heizung für diese Wohnung beliefen sich auf insgesamt 427 € monatlich (238 € Kaltmiete, 84 € Betriebs- und 90 € Heizkostenvorauszahlung).
Der Beklagte berücksichtigte die Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Leistungsbewilligung bis zum 30.11.2018
in tatsächlicher Höhe.
Durch Bescheid vom 26.11.2018 bewilligte der Beklagte den Klägern auf Antrag vorläufig Grundsicherungsleistungen für die Zeit
vom 01.12.2018 bis zum 31.05.2019 i.H.v. 1.070 € für Dezember 2018 und monatlich 1.086 € für die Zeit ab Januar 2019. Hierbei
legte er den Regelbedarf i.H.v. jeweils 374 € (Dezember 2018) bzw. i.H.v. jeweils 382 € monatlich (Januar bis Mai 2019) zu
Grunde und gewährte Kosten der Unterkunft ohne Heizkosten i.H.v. monatlich 322 € (238 € Kaltmiete und 84 € Betriebskostenvorauszahlung).
Die Kläger unterzeichneten am 29.11.2018 einen Mietvertrag für die Zeit ab dem 01.01.2019 über eine Erdgeschosswohnung unter
der Anschrift N-Straße 00 in Oelde. Die Kaltmiete für diese Wohnung belief sich auf monatlich 275,70 €. Die Betriebs- und
die Heizkostenvorauszahlungen betrugen 98 € bzw. 47 € pro Monat.
Durch Bescheid vom 06.12.2018 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Zusicherung der Berücksichtigung der Aufwendungen
für die neue Wohnung ab. Eine objektive Erforderlichkeit des Umzugs liege nicht vor.
Mit Änderungsbescheid vom 21.12.2018 bewilligte er unter Bezugnahme auf die Erhöhung der Regelbedarfe zum 01.01.2019 vorläufig
Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.05.2019 in unveränderter Höhe.
Die Kläger zogen zum 01.01.2019 in die Wohnung unter der Anschrift N-Straße 00 in Oelde.
Am 25.01.2019 erhoben sie Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.12.2018. Zur Begründung trugen sie unter Vorlage von ärztlichen
Berichten im Wesentlichen vor, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung seien nicht in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden.
Der Umzug sei auf Grund der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers erforderlich gewesen.
Mit Änderungsbescheid vom 28.01.2019 gewährte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.01.2019 bis zum 31.05.2019 i.H.v.
insgesamt 1.133 € monatlich unter Berücksichtigung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 369 €. Hierbei legte er die
Kaltmiete mit 238 € pro Monat, Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. monatlich 84 € und die für die Wohnung in der N-Straße
00 geschuldeten Heizkostenvorauszahlungen i.H.v. 47 € pro Monat zu Grunde.
Der Beklagte setzte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Dezember 2018 bis Mai 2019 mit zwei Bescheiden vom 06.09.2019 endgültig fest. Unter Anrechnung des Guthabens
aus einer Heizkostenabrechnung vom 16.01.2019 i.H.v. 101,37 € bewilligte er den Klägern für Februar 2019 jeweils Leistungen
i.H.v. 566,50 € und stellte eine individuelle Überzahlung i.H.v. jeweils 50,69 € fest. Im Übrigen entsprach die Höhe der endgültig
festgesetzten Leistungen der der vorläufig bewilligten.
Mit zwei Bescheiden vom 17.09.2019 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit von Dezember 2018 bis Mai 2019
ab. Er berücksichtigte die Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab Januar 2019 nunmehr i.H.v. 412 € monatlich (238 € Kaltmiete,
84 € Betriebskosten und 90 € Heizkostenvorauszahlung). Für die Monate Januar 2019 und März 2019 bis Mai 2019 bewilligte er
den Klägern auf dieser Grundlage Leistungen i.H.v. jeweils 588 € monatlich. Im Februar 2019 gewährte er dem Kläger unter Anrechnung
des Heizkostenguthabens i.H.v. 101,37 € Leistungen i.H.v. 537,31 € und der Klägerin i.H.v. 537,32 €. Die Leistungsbewilligung
für Dezember 2018 blieb unverändert.
Durch Widerspruchsbescheid vom 19.09.2019 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.12.2018 sodann als unbegründet
zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Umzug sei aus amtsärztlicher Sicht nicht erforderlich gewesen und
die Leistungen für Unterkunft und Heizung daher nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen zu erbringen. Die Gesamtkosten
der neuen Wohnung lägen 8,70 € monatlich über denen der alten Wohnung. Für den Monat Dezember 2018 seien nur die Bedarfe für
Unterkunft i.H.v. 322 € zu berücksichtigen, da kein Heizkostenabschlag zu zahlen gewesen sei. Das im Januar 2019 zugeflossene
Heizkostenguthaben sei im Februar 2019 bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Am 15.10.2019 haben die Kläger - anwaltlich vertreten - Klage vor dem SG Münster erhoben und einen Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten gestellt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ergänzend
vorgetragen, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage ergäben sich daraus,
dass der Beklagte weiterhin nicht die tatsächlichen Kosten der Wohnung in der N-Straße 00 übernehme. Im Übrigen verfüge der
Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept, sodass ein Verweis auf die Kosten der bisher bewohnten Wohnung nach obergerichtlicher
Rechtsprechung nicht zulässig sei.
Mit Verfügung vom 25.11.2019 hat das SG die Kläger aufgefordert, zu beziffern, in welcher Höhe Kosten der Unterkunft und Heizung über die bereits bewilligten Leistungen
hinaus begehrt würden. Der bislang gestellte Klageantrag entspreche nicht den schriftlichen Ausführungen.
Darauf haben die Kläger durch Schriftsatz vom 04.12.2019 klarstellend mitgeteilt, der Beklagte habe ihre tatsächlichen Mietkosten
begrenzt durch den sich aus der Wohngeldtabelle ergebenden Betrag zuzüglich 10% zu übernehmen.
Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2019 zu verpflichten,
Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen ergänzend zu seinen Ausführungen im Verwaltungsverfahren vorgetragen, er verfüge über
ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Durch Beschluss vom 23.01.2020 hat das SG Münster den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
ihres Bevollmächtigten abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage habe - auch soweit man ihre
Zulässigkeit unterstelle - keine Aussicht auf Erfolg, da der Umzug nicht erforderlich gewesen sei. Die Deckelung der Kosten
der Unterkunft entspreche der Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II. In der dem Beschluss angehängten Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, dass es davon ausgehe, dass der Beschwerdewert 750 € nicht übersteige und die Beschwerde ausgeschlossen
sei, da sich die Bruttokaltmiete für die neue Wohnung auf 373,70 € und für die alte Wohnung auf 322 € belaufe. Sofern der
Beschwerdewert 750 € übersteige, könne Beschwerde eingelegt werden.
Das SG hat die Beteiligten durch Verfügung vom 04.05.2020 zur beabsichtigten Abweisung der Klage durch Gerichtsbescheid angehört.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.02.2021 hat es die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig, da der Klageantrag auf
Erlass eines Grundurteils gerichtet sei, obschon die Klage im Hinblick auf die erfolgte endgültige Festsetzung auf die Gewährung
höherer Leistungen abziele. Auch liege kein Rechtsschutzbedürfnis vor. Denn der Klageantrag enthalte keine Anfechtung der
endgültigen Festsetzungsbescheide vom 06.09.2019 i.d.F. vom 17.09.2019. Des Weiteren sei die Klage unbegründet, weil der Beklagte
die Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab Januar 2019 zu Recht auf diejenigen der bis Dezember 2018 bewohnten Wohnung begrenzt
habe. Der Umzug sei nach Aktenlage nicht erforderlich gewesen. Bis zum Datum der Entscheidung hätten die Kläger keine substantiierten
Angaben zur Angemessenheit der Wohnung gemacht. In der dem Gerichtsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, dass die Entscheidung mit der Berufung angefochten werden könne.
Die Kläger haben am 04.03.2021 beim SG Münster einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Mit Schriftsatz
vom 12.04.2021 haben sie mitgeteilt, der Streitwert ergebe sich bereits aus dem Widerspruchsbescheid und betrage 8,70 € monatlich,
mithin 43,50 € für fünf Monate.
Durch Beschluss vom 16.04.2021 hat das SG den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der
Antrag sei bereits unzulässig, da der Rechtsstreit in erster Instanz durch den Gerichtsbescheid vom 04.02.2021 erledigt sei.
Der im Verfahren schriftlich gestellte Klageantrag sei trotz des gerichtlichen Hinweises weder beziffert noch konkretisiert
worden. Der Beschwerdewert liege über 750 €, da der Höhe nach jedenfalls laut Klageantrag Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Dezember 2018 bis Mai 2019 streitig gewesen seien. Ein anderer Beschwerdewert lasse sich weder durch
Auslegung des unbezifferten Antrags noch aus den Ausführungen zur Klagebegründung entnehmen. Denn der klägerische Vortrag
erlaube zwar möglicherweise die Vermutung, dass nur Kosten der Unterkunft und Heizung streitgegenständlich sein sollten, lasse
aber keine Rückschlüsse auf die Höhe der geltend gemachten Leistungen zu. Bereits im Widerspruchsverfahren sei zwar einerseits
ausgeführt worden, es seien Kosten der Unterkunft in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Andererseits hätten die Kläger eine unbestimmte
Begrifflichkeit verwendet, als sie beantragt hätten, Leistungen nach dem SGB II, insbesondere Kosten der Unterkunft, in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Ähnlich indifferent werde auch in den Schriftsätzen
zur Klagebegründung formuliert. Der erstmals nach Erlass des Gerichtsbescheides mitgeteilte Streitwert i.H.v. 43,50 € ändere
nichts an der Sachlage zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung.
Am 17.05.2021 haben die Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass streitgegenständlich die Differenz zwischen den Unterkunftskosten der
Wohnungen in der I-Straße 00 und in der N-Straße 00 gewesen sei. Ausweislich des Widerspruchsbescheides betrage die Differenz
8,70 € monatlich. Mithin sei ein Betrag i.H.v. 43,50 € streitig (5 Monate x 8,70 €).
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
die gerichtliche Entscheidung vom 16.04.2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Im Übrigen hätten die Kläger trotz der entsprechenden gerichtlichen Hinweise davon abgesehen, ihren Klageantrag
zu beziffern.
Die Beteiligten haben am 13. bzw. 23.08.2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
A) Der Senat entscheidet über die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des SG Münster vom 16.04.2021 durch Urteil. Denn
das SG hat über ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §
105 Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu Unrecht durch Beschluss entschieden (dazu A), I.). Ungeachtet der Bezeichnung des gegen den Beschluss eingelegten Rechtsmittels
ist der Senat in einem solchen Fall gehalten, in korrekter Form - mithin durch Urteil - zu entscheiden (dazu A), II.).
I. Das SG hätte über den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 04.03.2021 gemäß §
125 SGG durch Urteil entscheiden müssen. Denn mit dem zulässigen und rechtzeitigen Antrag ist die Wirkung des Gerichtsbescheides
als Instanz beendendes Urteil entfallen.
Der Gerichtsbescheid wirkt gemäß §
105 Abs.
3 Halbsatz 1
SGG als Urteil. Nach §
105 Abs.
2 Satz 2
SGG kann die mündliche Verhandlung gegen einen Gerichtsbescheid beantragt werden, wenn die Berufung nicht gegeben ist (dazu 1.).
Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist nach §
105 Abs.
3 Halbsatz 2
SGG rechtzeitig, d.h. entsprechend §
105 Abs.
2 Satz 1 und
2 SGG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides, zu stellen (dazu 2.). Mit dem zulässigen und fristgerechten
Antrag beim SG gilt der Gerichtsbescheid nach §
105 Abs.
3 Halbsatz 2
SGG als nicht ergangen (vgl. zum entsprechenden systematischen Verständnis der Norm: BSG, Beschluss vom 12.07.2012, B 14 AS 31/12 B, juris Rn. 6; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.08.2017, L 13 AS 133/17, juris Rn. 14; Beschluss des erkennenden Senats vom 26.07.2021, L 6 AS 1537/19, juris Rn. 25; a.A. hinsichtlich der Erforderlichkeit der Zulässigkeit des Antrags wohl Merold, NvwZ 2017, S. 836 ff. [839])
. Über die Klage ist gemäß §
125 SGG sodann, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch Urteil zu entscheiden (dazu 3.).
1. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid ist mangels Erreichens des Beschwerdewertes nicht gegeben. Nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG i.V.m. §
105 Abs.
2 Satz 1
SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Gerichtsbescheid des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst-
oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt. Das gilt nach §
144 Abs.
1 Satz 2
SGG i.V.m. §
105 Abs.
2 Satz 1
SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
a) Die Klage betrifft eine Geldleistung im Sinne von §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750 € nicht.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelführer versagt hat und was dieser im Rechtsmittelverfahren weiterverfolgt (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 05.08.2015, B 4 AS 17/15 B, juris Rn. 6; Keller in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 13. Auflage 2020, § 144 Rn. 14). Da das SG vor Erlass des Urteils bzw. Gerichtsbescheides noch nicht wissen kann, welche Anträge der unterliegende Beteiligte im Berufungsverfahren
stellen wird, ist bei der Prüfung, ob eine Zulassung erforderlich ist, auf den maximal möglichen Rechtsmittelstreitwert abzustellen,
der grundsätzlich der Beschwer entspricht (Keller a.a.O.). Für die Prüfung der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels ist demgegenüber
grundsätzlich der Zeitpunkt der Einlegung maßgeblich (Keller a.a.O. Rn. 19; Merold, NvwZ 2017, S. 836 ff. [837]). Dies zu
Grunde gelegt, ist auch für die Frage der Statthaftigkeit eines Antrags auf mündliche Verhandlung nach Gerichtsbescheid gemäß
§
105 Abs.
2 Satz 2
SGG auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Denn einem Kläger, der nach einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur
einen nicht berufungsfähigen Teil des Streitgegenstandes zur Überprüfung stellen will, muss bereits zur Wahrung seines Rechtes
auf eine mündliche Verhandlung aus Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) die Gelegenheit gegeben werden, sich in einer solchen zu äußern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.10.2020, L 19 AS 659/20 B, juris Rn. 13; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2020, L 7 AS 135/20 B, juris Rn. 6).
Nach dieser Maßgabe liegen die Beschwer und der Wert des von den Klägern mit ihrem Antrag vom 04.03.2021 weiterverfolgten
Beschwerdegegenstandes bei 43,50 € (5 Monate x 8,70 € [Differenz zwischen den Bedarfen für Unterkunft und Heizung in den Wohnungen
I-Straße 00 und N-Straße 00 in Oelde]). Mangels konkret bezifferten Klageantrags (vgl. zur Zulässigkeit des unbezifferten
Antrags im Höhenstreit: BSG, Urteil vom 23.08.2012, B 4 AS 167/11 R, juris Rn. 12), ist der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Statthaftigkeit der Berufung anhand des wirtschaftlichen
Interesses des Klägers am Ausgang des Rechtsstreits gemäß §
202 SGG i.V.m. §
3 Zivilprozessordnung (
ZPO) zu schätzen. Auszugehen ist dabei im Zweifel bei verständiger Auslegung des gesamten klägerischen Vorbringens davon, dass
sämtliche nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen geltend gemacht werden. Ggf. ist ähnlich wie im
Zivilprozess bei unbezifferten Klageanträgen insoweit von dem Rechtsmittelführer zur Bestimmung des Werts der Rechtsmittelbeschwer
die Angabe zu verlangen, in welcher ungefähren Höhe er höhere Leistungen geltend macht (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom
17.07.2013, L 4 AS 40/12, juris Rn. 14 f.).
Dem Vortrag der Kläger lassen sich bei verständiger Auslegung keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nach Lage des Falles
eine Beschwer i.H.v. insgesamt mehr als 750 € ernsthaft in Betracht käme. Zwar haben die Kläger ihr Begehren nicht konkret
beziffert. Doch beschränkt sich ihr Vorbringen sowohl im Widerspruchs- als auch im Klageverfahren auf die nach ihrer Ansicht
fehlerhaft berechneten Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung in der N-Straße 00. Auf Nachfrage des Gerichts
haben sie mitgeteilt, dass die Wohnkosten entweder in voller Höhe oder bis zum sich aus der Wohngeldtabelle ergebenden Betrag
zuzüglich 10% zu übernehmen seien. Aus dem als Anlage zur Klageschrift übersandten Widerspruchsbescheid ergibt sich unmissverständlich,
dass die Differenz zwischen den tatsächlichen und den vom Beklagten gewährten Kosten für Unterkunft und Heizung 8,70 € monatlich
beträgt. Da im streitgegenständlichen Zeitraum keine Einkommensanrechnung nach den §§ 11 ff. SGB II erfolgte, der Regelbedarf mithin in voller Höhe bewilligt, eine Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfs nicht gerügt worden
ist und auch keine Anhaltspunkte für etwaige Mehrbedarfe vorliegen, ist nicht ersichtlich, welche weiteren Leistungen ernsthaft
in Betracht kommen sollten.
Dies scheint zunächst auch das SG selbst angenommen zu haben, da es durch Verfügung vom 25.11.2019 angefragt hat, in welcher Höhe Kosten der Unterkunft und
Heizung über die bereits bewilligten hinaus begehrt würden. Auch hat es in der dem Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe
vom 23.01.2020 beigefügten Rechtsmittelbelehrung mitgeteilt, dass es davon ausgehe, dass der Beschwerdewert 750 € nicht übersteige.
Aus welchem Grund das SG sodann im Gerichtsbescheid vom 04.02.2021, welcher sich im Rahmen der Prüfung der Begründetheit allein zu den Bedarfen für
Unterkunft und Heizung verhält, von dieser Rechtsauffassung abgewichen ist, lässt sich nicht nachvollziehen.
Ungeachtet der Tatsache, dass nach den obigen Ausführungen von Anfang an keine Beschwer von mehr als 750 € in Betracht kam,
haben die Kläger den Wert des Beschwerdegegenstandes auch im Rahmen des Antrags auf mündliche Verhandlung unter Bezugnahme
auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19.09.2021 konkret auf 43,50 € beziffert.
b) Es ist weder eine laufende noch eine wiederkehrende Leistung für mehr als ein Jahr betroffen.
c) Eine Statthaftigkeit der Berufung kann auch nicht aus der unzutreffenden, von einer Zulässigkeit der Berufung ausgehenden
Rechtsmittelbelehrung des SG abgeleitet werden, da diese gemäß §
105 Abs.
2 Satz 1
SGG i.V.m. §
66 Abs.
2 SGG lediglich Rechtsfolgen für die Berufungsfrist hat (Keller a.a.O., § 66 Rn. 12a). Auch wurde die Berufung nicht durch das SG im Gerichtsbescheid vom 04.02.2021 zugelassen.
2. Der Antrag vom 04.03.2021 auf Durchführung der mündlichen Verhandlung erfolgte innerhalb der im Hinblick auf die fehlerhafte
Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid vom 04.02.2021 maßgeblichen Jahresfrist des §
105 Abs.
2 Satz 1 und
2 SGG i.V.m. §
66 Abs.
1,
2 Satz 1
SGG und damit fristgerecht (vgl. BSG, Beschluss vom 30.10.2019, B 14 AS 7/19 B, juris Rn. 3; Keller a.a.O., § 158 Rn. 6).
Unabhängig davon wäre hier selbst bei einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts mit dem Antrag vom 04.03.2021
die dann geltende Monatsfrist (vgl. §
105 Abs.
2 Satz 1 und
2 SGG) gewahrt.
3. Da der Antrag auf mündliche Verhandlung statthaft und rechtzeitig war (s.o. 1. und 2.), hätte das SG ihn durch Urteil bescheiden müssen. Auf die in Literatur und Rechtsprechung höchst umstrittene Frage, ob das SG im Falle eines unstatthaften bzw. nicht rechtzeitigen Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss
analog §§
158,
169 SGG entscheiden darf, kommt es mithin nicht an (vgl. zum Meinungsstand: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2020, L
7 AS 135/20 B, juris Rn. 4 m.w.N; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.10.2020, L 19 AS 659/20 B, juris Rn. 10; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2020, L 7 AS 479/19 B, juris Rn. 15, 16; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.08.2017, L 13 AS 133/17, juris Rn. 14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.08.2014, L 13 AS 3162/14, juris Rn. 20; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.09.2017, L 18 AS 419/17 B, juris Rn. 8).
II. Entscheidet das SG unter Verstoß gegen die Verfahrensregelungen durch Beschluss statt durch Urteil, so ist im Verfahren vor dem LSG auch dann
durch Urteil zu entscheiden, wenn das Rechtsmittel als Beschwerde bezeichnet ist (BVerwG, Urteil vom 09.04.1964, VIII C 375.63, BVerwGE 18, 193-203; Keller a.a.O., Vor §
143 Rn. 14a; Wehrhahn in jurisPK-
SGG, Stand: 13.05.2019, §
143 Rn. 11). Denn das Rechtsmittelgericht kann lediglich die Entscheidungsbefugnisse haben, die es im Falle einer der korrekten
Form entsprechenden Entscheidung der Vorinstanz hätte (vgl. Schenke in Schenke,
VwGO, 27. Auflage 2021, Vorb. §
124 Rn. 23) und muss das Verfahren demnach in der Verfahrensart betreiben, die der wahren Natur des Prozessgegenstandes entspricht.
Ansonsten oblägen die Frage der Anfechtbarkeit seiner Entscheidung und der Umfang der den Beteiligten im Verfahren zustehenden
Verfahrensrechte - wie etwa die Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Disposition des Berufungsgerichts (vgl. VGH
Mannheim, Urteil vom 30.04.1982, 9 S 484/82).
B) Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung gemäß §
153 Abs.
1 SGG i.V.m. §
124 Abs.
2 SGG entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
C) Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 16.04.2021 ist zulässig (dazu unter C), I.) und begründet (dazu unter C), II.).
I. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
1. Ungeachtet der Ausführungen unter A), I. ist sie gemäß §
172 Abs.
1 SGG statthaft, weil nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung den Beteiligten hinsichtlich der Art des Rechtsmittels ein Wahlrecht
zusteht, sofern das SG - wie hier - der Form nach unrichtig entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.2011, 9 C 1/10, juris Rn. 11). Denn den Beteiligten darf durch die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen Entscheidung kein Nachteil entstehen.
Sie können deshalb sowohl das Rechtsmittel einlegen, das gegen die vom SG gewählte Entscheidungsform zulässig wäre, als auch das Rechtsmittel, das im Falle einer formal ordnungsgemäßen Entscheidung
des SG einzulegen gewesen wäre (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.02.2017, L 13 AS 3192/16 B, juris Rn. 24; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2020, L 7 AS 479/19 B, juris Rn. 17; Keller a.a.O. Rn. 14; Wehrhahn a.a.O.).
2. Die Einlegung der Beschwerde vom 17.05.2021 erfolgte auch fristgerecht innerhalb der maßgeblichen Monatsfrist nach §
173 SGG i.V.m. §
64 SGG.
II. Die Beschwerde ist schließlich begründet.
Der Antrag auf mündliche Verhandlung vom 04.03.2021 wurde rechtzeitig gestellt und war statthaft. Denn die mündliche Verhandlung
kann gemäß §
105 Abs.
2 Satz 2
SGG nur beantragt werden, wenn die Berufung - wie vorliegend auf Grund des Nichterreichens des insoweit nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG maßgeblichen Beschwerdewertes - nicht gegeben ist (siehe dazu A), I., 1.). Auch erfolgte die Stellung des Antrags rechtzeitig
im Sinne des §
105 Abs.
2 Satz 1 und
2 SGG (siehe dazu A), I., 2.).
Auf die Beschwerde der Kläger ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Das SG ist damit verpflichtet, die beantragte mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Gerichtsbescheid gilt als nicht ergangen
(§
105 Abs.
3 SGG).
D) Eine Kostenentscheidung hat nicht zu ergehen. Das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss über die Ablehnung einer mündlichen
Verhandlung stellt nur einen Zwischenstreit im noch vor dem SG anhängigen Rechtsstreit dar (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2020, L 7 AS 135/20 B, juris Rn. 8; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.10.2020, L 19 AS 659/20 B, juris Rn. 19).
E) Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.