Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, das die Klage auf höhere Leistungen
für Mai und Juni 2019 abgewiesen hat.
Die 1998 geborene Klägerin bezieht seit 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuvor war sie von Juni 2016 bis Mitte Mai 2017 im Jugendhilfezentrum N stationär nach § 34 SGB VIII untergebracht. Sie lebt seit Mai 2017 in einer Mietwohnung in der X-Straße 00 in N. Ausweislich einer Bescheinigung des Jugendamtes
Wuppertal vom 18.01.2017 war eine Rückkehr der Klägerin in den elterlichen Haushalt wegen schwerwiegender sozialer Gründe
iSv § 22 Abs. 5 SGB II nicht möglich. Die Eltern der Klägerin leben getrennt. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben seit ihrem 5. Lebensjahr keinen
Kontakt mehr zu ihrer Mutter. Der Vater lebt in Wuppertal und bezieht ebenfalls Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin steht wegen rezidivierender depressiver Episoden seit dem 10.08.2017 unter rechtlicher Betreuung. Der Aufgabenkreis
des Betreuers umfasst insbesondere die Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern.
Die Unterkunfts- und Heizbedarfe der Klägerin betrugen im Mai und Juni 2019 insgesamt 379,85 € (233,85 € Grundmiete, 84 €
Betriebskosten, 62 € Heizkosten). Im Juni 2019 war eine Betriebskostennachzahlung von 19,29 € fällig. Die Warmwasseraufbereitung
in der Wohnung der Klägerin erfolgt dezentral über strombetriebene Durchlauferhitzer.
Im August 2018 begann die Klägerin eine Ausbildung zur Erzieherin, weswegen sie rückwirkend zu diesem Monat zuschussweise
Leistungen nach dem BAföG von dem Beigeladenen iHv monatlich 504 € erhielt (Bescheid des Beigeladenen vom 14.03.2019). Die Nachzahlung wurde zum Ausgleich
von Erstattungsansprüchen überwiegend an den Beklagten erbracht. Ab April 2019 erhielt die Klägerin die BAföG-Leistungen auf ihr Konto ausgezahlt. Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 17.03.2019, in dem sie die BAföG-Bewilligung des Beigeladenen angab, bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 04.04.2019 Leistungen u.a. für
Mai und Juni 2019 iHv monatlich 215,60 €. In diesen Monaten rechnete der Beklagte - abzüglich eines Freibetrags von 100 €
- das Einkommen nach dem BAföG neben dem Kindergeld an. Mit Änderungsbescheid vom 06.06.2019 berücksichtigte der Beklagte unter Beibehaltung der Einkommensanrechnung
bedarfserhöhend die Nebenkostennachzahlung der Klägerin iHv 19,29 € im Juni 2019.
Mit Schreiben vom 19.06.2019 teilte der Beigeladene der Klägerin mit, dass die Leistungen nach dem BAföG ab Juli 2019 eingestellt würden, da die Klägerin ab dem 03.04.2019 nicht mehr am Unterricht teilgenommen und ihre Ausbildung
beendet habe. Der Beklagte berücksichtigte nach entsprechender Mitteilung mit Änderungsbescheid vom 24.06.2019 kein Einkommen
aus Leistungen nach dem BAföG von Juli 2019 bis April 2020.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12.07.2019 hob der Beigeladene die Leistungsbewilligung nach dem BAföG ab Mai 2019 auf und forderte von der Klägerin einen Betrag iHv insgesamt 1.008 € für Mai und Juni 2019 (je 504 €) zurück.
Der Betreuer der Klägerin beantragte für die Klägerin bei dem Beklagten mit Schreiben vom 08.08.2019, die BAföG-Leistungen rückwirkend aus der Einkommensberechnung zu nehmen und die hierdurch bedingte Alg II-Nachzahlung direkt an den
Beigeladenen zum Ausgleich der dortigen Erstattungsforderung zu zahlen. Der Beklagte wertete dieses Schreiben als Überprüfungsantrag
und lehnte mit Bescheid vom 12.08.2019 eine Neubescheidung der Leistungsmonate Mai und Juni 2019 ab. Das Einkommen sei in
Form der BAföG-Leistungen zugeflossen und daher im Zuflussmonat als Einkommen zu berücksichtigen. Spätere Änderungen zur Leistungsberechtigung
und Erstattung nach dem BAföG seien unbeachtlich. Ab Juli 2019 sei kein Einkommen nach dem BAföG mehr berücksichtigt worden.
Hiergegen legte die Klägerin am 19.08.2019 Widerspruch ein. Die nachträgliche Aufhebung der Bewilligung von BAföG-Leistungen könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Wenn die BAföG-Leistungen vorher aufgehoben worden wären, hätte der Beklagte das entsprechende Einkommen auch aus der Bedarfsberechnung
entfernen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2019, abgesandt am 29.10.2019, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet
zurück. Leistungen nach dem BAföG seien im Zuflussmonat als Einkommen anzurechnen. Dies gelte selbst dann, wenn die BAföG-Leistungen nach dem Monat des Zuflusses zurückgefordert werden.
Hiergegen hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen am Montag, dem 02.12.2019, Klage erhoben und ihr Vorbringen
wiederholt und vertieft. Aus anderen Verfahren sei bekannt, dass in derartigen Fällen das BAföG aus der Berechnung genommen werde und die Auszahlung direkt an den Beigeladenen erfolge.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 28.10.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Anrechnung von BAföG-Leistungen für einen Zeitraum ab dem 01.05.2019 aus der Berechnung zu nehmen und die Nachzahlung an den Kreis Recklinghausen
zu leisten.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2020 abgewiesen. Die Aufhebung
von BAföG-Leistungen sei erst mit Bescheid vom 12.07.2019 erfolgt, sodass sie bis dahin als bereite Mittel zur Verfügung standen und
als Einkommen zu berücksichtigen gewesen seien. Das Ende der BAföG-Leistungen und deren Rückzahlungsverpflichtung sei zukunftsgerichtet zu beachten und habe für den Beklagten lediglich die
Bedeutung, dass die Klägerin erst von diesem Zeitpunkt an mit Schulden belastet sei. Geldzuflüsse seien nur dann keine bereiten
Mittel, wenn sie bereits im Zuflussmonat mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden waren.
Gegen den ihr am 09.09.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 07.10.2020 Berufung eingelegt. Ergänzend zum
bisherigen Vorbringen macht die Klägerin geltend, sie sei wegen der Rückzahlungspflicht der BAföG-Leistungen nicht bereichert. Es handele sich lediglich um eine Verschiebung beim Kostenträger. Sie habe zudem ihr Ausbildungsverhältnis
gesundheitsbedingt abbrechen müssen. Die Klägerin hat ein Gutachten des Neurologen C vom 18.05.2017 und ein ärztliches Zeugnis
des Neurologen X1 vom 10.05.2019, auf die Bezug genommen wird, vorgelegt. Einen höheren Freibetrag als 100 € mache sie in
Bezug auf den BAföG-Bezug nicht geltend.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.07.2020 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides
vom 12.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2019 zu verpflichten, die Bewilligungsbescheide vom 04.04.2019
und 06.06.2019 dahingehend zu ändern, dass für Mai 2019 und Juni 2019 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach
Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ohne Anrechnung von BAföG-Leistungen iHv monatlich 404 € als Einkommen erbracht werden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 11.02.2021 hat der Senat den Beigeladenen hinzugezogen, der keinen Antrag stellt.
Die Klägerin hat bei dem Beigeladenen am 16.02.2021 und 26.05.2021 erfolglos Erlassanträge, zuletzt nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LHO NRW, gestellt (Bescheide vom 18.05.2021 und 01.06.2021). Die Klägerin habe ihre Mitwirkungsobliegenheiten verletzt. Hiergegen
hat die Klägerin Klage bei dem VG Gelsenkirchen erhoben (Aktenzeichen: 15 K 2635/21).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten
verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage statthafte Klage zu Recht abgewiesen.
Die Bewilligungsbescheide vom 04.04.2019 und 06.06.2019 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf höhere Grundsicherungsleistungen in den Monaten Mai und Juni 2019.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu
Unrecht erhoben worden sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bei dem Erlass der Bewilligungsbescheide vom 04.04.2019 und
06.06.2019 hat der Beklagte weder das Recht fehlerhaft angewandt, noch ist er dabei von einem Sachverhalt ausgegangen, der
sich als fehlerhaft erwiesen hat. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Mai und Juni 2019 Einkommen
aus BAföG-Leistungen iHv monatlich (bereinigt) 404 € angerechnet hat.
Die Klägerin erfüllt als erwerbsfähige Leistungsberechtigte die Voraussetzungen des§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Leistungsausschlüsse lagen keine vor. Insbesondere war die Klägerin im Mai und Juni 2019 schon deswegen nicht vom Leistungsbezug
nach§ 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen, weil sie ihre Ausbildung im April 2019 beendet hatte. Im Übrigen stand der BAföG-Leistungsbezug der Klägerin nach § 7 Abs. 6 Nr. 2a SGB II zu keinem Zeitpunkt dem SGB II-Leistungsbezug entgegen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Damit standen der Klägerin gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 Grundsicherungsleistungen (Arbeitslosengeld II), bestehend aus dem
Regelbedarf, Mehrbedarfen sowie Unterkunfts- und Heizbedarfen zu. Den Gesamtbedarf der Klägerin hat der Beklagte gemäß §§
20 Abs. 1, 21 Abs. 7, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Mai 2019 mit 813,60 € (424 € Regelbedarfsstufe 1, 9,75 € Mehrbedarf Warmwasser, 379,85 € Unterkunfts- und Heizbedarfe)
und im Juni 2019 mit 832,89 € (424 € Regelbedarfsstufe 1, 9,75 € Mehrbedarf Warmwasser, 399,14 € Unterkunfts- und Heizbedarfe)
zutreffend ermittelt. Dem Bedarf stellte der Beklagte zu Recht das Kindergeld iHv 194 € und die BAföG-Leistungen (bereinigt um den auch in der Höhe unstreitigen Freibetrag von 100 €) gemäß §§ 11, 11b SGB II als Einkommen gegenüber. Eine weitere Bereinigung des Einkommens um die Versicherungspauschale hatte nicht zu erfolgen. Wie
der Grundfreibetrag für Erwerbstätige nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II (vgl. insoweit BSG Urteil vom 11.07.2019 - B 14 AS 44/18 R) umfasst auch der Grundfreibetrag von 100 € nach § 11b Abs. 2 Satz 5 SGB II pauschal Aufwendungen für Versicherungsbeiträge nach § 11b Abs.1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, sodass keine weitere Absetzung vom Kindergeld und den BAföG-Leistungen mehr vorzunehmen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 19.07.2011 - L 19 AS 455/11 B, juris Rn. 20). Die Klägerin macht einen höheren Absetzungsbetrag, für den auch der Senat keine Anhaltspunkte erkennt,
weder geltend, noch hat sie entsprechende Nachweise erbracht.
Der Rechtmäßigkeit der Anrechnung der BAföG-Leistungen als Einkommen steht nicht entgegen, dass die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid des Beigeladenen vom 12.07.2019
verpflichtet wurde, die ihr in den Monaten Mai 2019 und Juni 2019 zugeflossenen BAföG-Leistungen wieder zurückzuerstatten. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Privilegierte Einnahmen nach § 11a SGB II sind hier nicht gegeben. Die Absetzbeträge nach § 11b Abs. 2 Satz 5 SGB II hat der Beklagte - wie auch die Klägerin nicht anzweifelt und bereits dargelegt- zutreffend ermittelt. Eine Durchschnittsberechnung
des Einkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II in der vom 01.08.2016 bis 31.03.2021 geltenden Fassung kommt nicht in Betracht, weil die Leistungen zuvor mangels schwankenden
Einkommens nicht vorläufig bewilligt wurden. Die Berücksichtigung der BAföG-Leistungen entspricht der Rechtsprechung des BSG, wonach solche Einnahmen als Einkommen iSd § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt (BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R). Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist nach dieser Rechtsprechung, dass in dem Zeitpunkt, in
dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung
belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für
den sie berücksichtigt werden soll, besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem
Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger
in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflussmonats aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen
vornehmen.
Damit ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die im Mai und Juni 2019 ausgezahlten BAföG-Leistungen als bereite Mittel zur Verfügung standen und daher als Einkommen zu berücksichtigen waren. Zwar mag der Anspruch
auf BAföG-Leistungen mit der faktischen Beendigung der Ausbildung im April 2019 entfallen sein. Dies allein führt jedoch nicht dazu,
dass die Zahlung der BAföG-Leistungen bereits bei Auszahlung mit einem Rückzahlungsanspruch belastet war. So wie der Beigeladene an die Zuerkennung
des Leistungsanspruchs gebunden ist, solange der Bewilligungsbescheid Bestand hat, steht auch der Klägerin in dieser Zeit
ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung zur Seite. Ein auf einer bindenden Bewilligung begründeter Bezug von BAföG-Leistungen ist rechtmäßig, solange der Bewilligungsbescheid besteht. Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen
Recht kann der Klägerin gegenüber also nicht vor der Aufhebung des BAföG-Bescheides geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn sie Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte.
Spiegelbildlich dazu kann sie sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger
der Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Bewilligungsentscheidung aufgehoben worden
ist. Insoweit kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da nach dem oben Ausgeführten dieser Anspruch den für § 11 Abs. 1 SGB II entscheidenden Zufluss der Einnahme vermittelt. Die so getroffene Abgrenzung ist sachgerecht, weil der Träger der Grundsicherung
damit von einer Prüfung, ob bei materieller Rechtswidrigkeit die zusätzlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit
vorliegen, entbunden ist und es allein auf die Aufhebung der Bewilligung durch den zuständigen Träger, hier das BAföG-Amt ankommt (vgl. zur Rückzahlung von Arbeitslosengeld: BSG Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 165/10 R; zur Rückzahlung von Kindergeld: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.03.2012 - L 2 AS 5392/11).
Zwar ist die Bewilligung der BAföG-Leistungen mit Wirkung für Mai 2019 und Juni 2019 - also für die hier streitigen Zuflussmonate - mit Bescheid vom 12.07.2019
aufgehoben worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, trat
jedoch erst mit der Aufhebung der Bewilligungsentscheidung ein. Die (bestandskräftig gewordene) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung
im Juli 2019 hat deshalb im Verhältnis zum Träger der Grundsicherung lediglich die Bedeutung, dass die Klägerin (erst) von
diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber dem beigeladenen BAföG-Träger) belastet war. Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich
(BSG Urteile vom 19.08.2008 - B 14/7b 10/07 R; vom 13.05.2009 - B 4 AS 29/08 R und vom 10.05.2011 - B 4 KG 1/10 R).
Die Klägerin kann sich im Verfahren gegen den beklagten Grundsicherungsleistungsträger nicht mit Erfolg darauf berufen, die
Berücksichtigung der BAföG-Leistungen als Einkommen stelle deshalb eine unbillige Härte dar, weil sie die Leistungen dem Beigeladenen erstatten müsse.
Zum einen berücksichtigte der Beklagte nicht die gesamten BAföG-Leistungen, sodass der Klägerin monatliche Freibeträge iHv 100 € verblieben. Zum anderen sieht das SGB II die Berücksichtigung von Härtefallgesichtspunkten in dieser Konstellation nicht vor. Vielmehr sind solche Gesichtspunkte
zugunsten des Leistungsempfängers allenfalls und ausschließlich bei einer Entscheidung über den Erlass der aus dem Bescheid
des BAföG-Trägers vom 12.07.2019 begründeten Erstattungsforderung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LHO NRW zu berücksichtigen (vgl. BSG Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 165/10 R; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.03.2012 - L 2 AS 5392/11), zumal keine Erstattungsansprüche der Träger untereinander für Mai 2019 und Juni 2019 bestanden. Die Klägerin ist insoweit
auf das beim VG Gelsenkirchen gegen die Ablehnung ihres Erlassantrags gerichteten Klageverfahren zu verweisen. Zwar hat der
BFH entschieden, dass die Ablehnung eines Billigkeitserlasses bei der Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten regelmäßig
nicht ermessensfehlerhaft ist (BFH Urteil vom 23.01.2020 - III R 16/19; vgl. auch OVG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 29.01.2016 - 12 A 130/15), jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, die seit August 2017 unter rechtlicher Betreuung steht, möglicherweise
gerade aufgrund ihrer psychischen Instabilität und Erkrankung zu einer zeitgerechten Mitteilung nicht in der Lage war. Der
Beigeladene stellt jedoch gerade darauf ab, dass die Klägerin die Überzahlung der BAföG-Leistungen verschuldet habe.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe nach §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, lagen keine vor.