Gründe
I.
Der Antragsteller hat am 03.05.2021 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 17.11.2020 gegen den Bescheid
der Antragsgegnerin vom 02.11.2020 gestellt. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzulehnen.
In der Gerichtsakte befindet sich ein auf den 31.5.2021 datiertes, als "Beschluss" bezeichnetes, jedoch nicht durch den Kammervorsitzenden
unterzeichnetes Schriftstück. Den Beteiligten sind am 04.06.2021 (Antragsteller) bzw. 07.06.2021 (Antragsgegnerin) beglaubigte
Abschriften des "Beschlusses vom 31.05.2021" zugestellt worden. Hiergegen hat der Antragsteller am 01.07.2021 unter Bezugnahme
auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag Beschwerde erhoben.
Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 23.07.2021 darüber unterrichtet, dass eine instanzbeendende Entscheidung des
Sozialgerichts mangels einer vom Kammervorsitzenden unterzeichneten Beschlussurschrift nicht vorliege, diese Unterschrift
nicht nachgeholt werden könne und das nicht beendete erstinstanzliche Verfahren noch zu Ende zu führen sei.
Auf telefonische Nachfrage hat die Geschäftsstelle des SG am 25.08.2021 mitgeteilt, dort lägen im Retent keine weiteren zur Gerichtsakte zugehörigen Schriftstücke vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte
der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet.
Die gegen einen unwirksamen bzw. nicht existenten Beschluss gerichtete Beschwerde ist zur Beseitigung des Scheins einer Entscheidung,
die hier durch die erteilten beglaubigten Abschriften gesetzt und unterhalten wird, zulässig (vgl. BVerfG Beschl. v. 17.01.1985
- 2 BvR 498/84 - juris Rn. 4; LSG NRW Beschl. v. 8.6.2016 - L 6 AS 842/16 B ER - juris Rn. 8; BSG Beschl. v. 17.12.2015 - B 2 U 150/15 - juris Rn. 8; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [SGG], 13. Aufl. 2020, §
143 Rn. 2a m.w.N.; Schütz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
133 SGG Rn. 18).
Das den Beteiligten als beglaubigte Abschrift zugestellte und vom Antragsteller mit der Beschwerde angefochtene Schriftstück
("Beschluss vom 31.05.2021") erweckt nur den Anschein einer instanzbeendenden Entscheidung, ist aber keine solche. Ein wirksamer
Beschluss liegt aufgrund eines wesentlichen Formmangels nicht vor.
Gem. §§
142 Abs.
1,
134 Abs.
1 SGG ist ein Beschluss vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Ausweislich der Gerichtsakte einschließlich des beim SG verbliebenen Retents fehlt es vorliegend an einer solchen unterzeichneten Urschrift und damit an einem Beschluss, der - gem.
§
133 S. 2
SGG - an die Beteiligten zugestellt und damit wirksam werden könnte (vgl. LSG NRW Beschl. v. 8.6.2016 - L 6 AS 842/16 B ER - juris Rn. 9; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 11.11.2010 - L 25 AS 1969/10 B - juris Rn. 5; BVerwG Urt. v. 3.12.1992 - 5 C 9/89 - juris Rn. 4; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
142 Rn. 2a, §
134 Rn. 2c, §
142 Rn. 3c; Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Aufl. 2020, §
134 Rn. 4, §
133 SGG Rn. 6).
Die Nachholung der fehlenden Unterschrift durch den Kammervorsitzenden des SG ist bei der Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren, d.h. ohne Verkündung nach mündlicher Verhandlung, nicht möglich
(vgl. LSG NRW Beschl. v. 8.6.2016 - L 6 AS 842/16 B ER - juris Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 11.11.2010 - L 25 AS 1969/10 B - juris Rn. 5; BVerwG Urt. v. 03.12.1992 - 5 C 9/89 - juris Rn. 4). Grund hierfür ist, dass nicht etwa ein mangelbehafteter Beschluss an die Beteiligten zugestellt worden ist,
dessen Fehlerhaftigkeit (etwa gem. §§
142 Abs.
1,
138 SGG) im Nachhinein behoben werden könnte. Vielmehr ist ein Schriftstück in die Zustellung gelangt, das überhaupt noch keine Entscheidung
des Gerichts darstellt.
In den Fällen, in denen das Gericht - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entscheidet, gewährleistet das Unterschriftserfordernis
des §
134 Abs.
1 SGG in der aus Gründen der Rechtssicherheit gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit, dass der Beschluss den Beteiligten nicht ohne
den erforderlichen Verlautbarungswillen der entscheidenden Richterin bzw. des entscheidenden Richters bekanntgegeben wird
(vgl. BVerwG Urt. v. 03.12.1992 - 5 C 9/89 - juris Rn. 5). Dem entsprechend stellen schriftliche Abfassungen in diesen Verfahren bis zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung
lediglich Entwürfe ohne rechtliche Wirkung, d.h. grundsätzlich noch abänderbare "Interna" des Gerichts dar (vgl. BFH Urt.
v. 23.10.2003 - V R 24/00 - juris Rn. 19; Urt. v. 28.11.1995 - IX R 16/93 m.w.N.). Mit der Unterschrift bekundet die Richterin bzw. der Richter nicht nur das inhaltliche Ergebnis des Verfahrens einschließlich
dessen Begründung, sondern gibt gleichzeitig auch zu erkennen, dass die Willensbildung des Gerichts zum Abschluss gebracht
worden ist und die Entscheidung nunmehr zur ordnungsgemäßen Bekanntgabe durch Zustellung an die Beteiligten freigegeben wird
(vgl. BVerwG Urt. v. 03.12.1992 - 5 C 9/89 - juris Rn. 8). Im Verfahren ohne mündliche Verhandlung verlässt ein Beschluss daher erst mit der nach §
134 Abs.
1 SGG erforderlichen Unterschrift das Entwurfsstadium und erlangt die Endgültigkeit, die ihn - bei entsprechender Verfügung - ausfertigungs-,
zustellungs- und damit verlautbarungsreif macht. Hieran fehlte es vorliegend.
Ist das erstinstanzliche Verfahren (noch nicht) abgeschlossen, versetzt die Entscheidung über die entsprechende Feststellung
die Beteiligten - in einer auch für das SG verbindlichen Weise - in den Stand des erstinstanzlichen Verfahrens zurück (vgl. LSG NRW Beschl. v. 8.6.2016 - L 6 AS 842/16 B ER - juris Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 11.11.2010 - L 25 AS 1969/10 B - juris Rn. 6). Dort ist es zu Ende führen.
Das weitergehende Beschwerdebegehren des Antragstellers in der Sache ist mangels Vorliegens einer anfechtbaren instanzbeendenden
Entscheidung des SG nicht statthaft und damit unzulässig (vgl. §
172 Abs.
1 SGG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).