Unzulässigkeit der Klage im sozialgerichtlichen Verfahren nach nicht fristgerechter Klageerhebung
Anforderungen an den Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung in einem Widerspruchsbescheid
Mitwirkungspflichten der Verfahrensbeteiligten im Rahmen der Sachaufklärung von Amts wegen
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 der
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) und die Gewährung einer Verletztenrente sowie Leistungen nach §
3 BKV.
Aufgrund eines Erstattungsantrags der Krankenversicherung des Klägers vom 07.04.2014 prüfte die Beklagte, ob bei dem Kläger
eine BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 der
BKV (BK 2108) vorliege, was sie mit Bescheid vom 06.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2015 verneinte. Auf
dem Widerspruchsbescheid ist in dem Formularfeld "Versand am:____" ein Datumsstempel vom 13.11.2015 sowie daneben ein Unterschriftskürzel
angebracht. Die Rechtsbehelfsbelehrung lautet wie folgt: "Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erheben (§
87 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz-
SGG). Sie können die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem zuständigen Sozialgericht
Dortmund, Ruhrallee 3, 44139 Dortmund einreichen (§
57 Abs
1 und §
90 SGG)." Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger zugegangen, jedoch hat der Kläger ausdrücklich Angaben dazu verweigert, wann ihm
dieser zugegangen ist.
Am 06.05.2016 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben mit dem Ziel, die BK 2108 feststellen zu lassen und Leistungen zu erhalten. Das SG hat die Klage nach einer ausführlichen Befragung des Klägers und des Beklagtenvertreters mit Urteil vom 16.12.2019 als unzulässig
abgewiesen. Es stehe nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters fest, dass der Widerspruchsbescheid am 13.11.2015 von der Beklagten
zur Post gegeben worden sei. Damit gelte nach der Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) der Widerspruchsbescheid als am 16.11.2015 zugegangen. Die Klagefrist des §
87 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sei bereits am Mittwoch, dem 16.12.2015 abgelaufen.
Gegen das ihm am 10.01.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.02.2020 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, dass die Klagefrist bereits deswegen nicht abgelaufen sein könne, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid
unzutreffend sei, so dass die Ausschlussfrist von einem Jahr gemäß §
66 Abs
2 SGG greife, die bei Erhebung der Klage noch nicht abgelaufen war. In der Belehrung fehle der Hinweis, dass bei schriftlicher
Klageerhebung die Frist nur dann gewahrt sei, wenn die Klage vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen sei. Dieser Hinweis
sei aber notwendiger Bestandteil der Belehrung. Außerdem fehle ein Hinweis auf die Bekanntgabefiktion des § 37 SGB X, der wegen der Unbestimmtheit des Begriffs der Bekanntgabe ebenfalls notwendig sei.
Davon abgesehen sei die Monatsfrist vorliegend auch gewahrt, denn die Zugangsfiktion sei nicht anwendbar. Das SG habe den Tag der Aufgabe des Widerspruchsbescheides zur Post festgestellt, ohne über die zugrunde gelegten Tatsachen, die
allein dem Vortrag des Beklagtenvertreters entsprangen, Beweis zu erheben. Die Beklagte sei jedoch nicht uneingeschränkt glaubwürdig,
da dem Klägerbevollmächtigten aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt sei, dass das auf Bescheiden der Beklagten aufgestempelte
Datum nicht dem Tag der Aufgabe zur Post entspreche, sondern regelmäßig mehrere Tage früher liege. So trage beispielsweise
in den Verfahren L10.800.787.000 und L10.800.277.000 der Stempelaufdruck auf den Bescheiden ein Datum, das drei Tage vor dem
des Poststempels liege. Auch könne aus dem Eingang einer Sendung bei einem anderen Widerspruchsführer nicht taggenau auf das
Datum der Aufgabe zur Post geschlossen werden. Dies sei aber erforderlich, um die Bekanntgabefiktion auszulösen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 16.12.2019 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2015
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2015 zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der
Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 % sowie Leistungen nach §
3 der
Berufskrankheitenverordnung zu gewähren
und hilfsweise,
1.
die vormals bei der Beklagten Bedienstete Frau A, die den Versand-Vermerk auf dem Aktenstück des Widerspruchsbescheides vom
12.11.2015 in der Verwaltungsakte der Beklagten angebracht hatte, und den Bediensteten in der Poststelle der Beklagten, Herrn
K, jeweils als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsachen, dass
a.
Frau A, die zur Bekanntgabe an den Kläger bestimmte Ausfertigung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 12.11.2015 nicht
am 13.11.2015 kuvertiert und zur internen Poststelle der Beklagten gegeben hatte,
b.
die Briefsendung, die die zur Bekanntgabe an den Kläger bestimmte Ausfertigung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom
12.11.2015 enthielt, nicht am 13.11.2015 bei einem Postdienstleister eingeliefert wurde,
c.
die Widerspruchsbescheide aus einer Ausschusssitzung des Widerspruchsausschusses der Beklagten nicht ausnahmslos gemeinsam,
dh zeitgleich versandt und bei einem Postdienstleister eingeliefert wurden bzw werden,
d.
es im gesamten Jahr 2015 und insbesondere im November 2015 nicht gewährleistet war, dass die zur Bekanntgabe an den jeweiligen
Widerspruchsführer bestimmten Ausfertigungen der von den Widerspruchsausschüssen beschlossenen Widerspruchsbescheide entweder
noch am Tag der Sitzung oder am Folgetag sortiert und in die entsprechenden Briefumschläge gepackt werden, sodann geschaut
wird, ob alle Widerspruchsbescheide eingetütet sind, und an die Poststelle der Beklagten bis spätestens 8.30 Uhr des auf den
Tag der Beschlussfassung folgenden Tages übergeben, dort an diesem auf die Beschlussfassung folgenden Tage frankiert, in einen
dafür vorgesehenen Kasten gelegt und durch einen bei der Beklagten bediensteten Kurierfahrer zur Hauptpost gefahren werden,
e.
es im gesamten Jahr 2015 und insbesondere im November 2015 insbesondere in Zeiten höherer Arbeitsbelastung, bei Personalmangel
und Krankheit wie auch nach Feiertagen häufiger der Fall war, dass Arbeitsrückstände entstanden und Postsendungen mit zur
Bekanntgabe vorgesehenen Bescheidausfertigungen erst mehrere Tage nach dem Bescheiddatum beim Postdienstleister eingeliefert
wurden.
f.
die vormals bei der Beklagten Bedienstete Frau A und den Bediensteten der Beklagten Herrn M jeweils als Zeugen zu vernehmen
zum Beweis der Tatsache, dass kein anderer Widerspruchsführer derjenigen Widersprüche, über die in der Sitzung des Widerspruchsausschusses
der Beklagten am 12.11.2015 verhandelt und entschieden wurde, in einem dazu nachgefolgten Sozialgerichtsverfahren angegeben
hat, den ihn betreffenden Widerspruchsbescheid am 16.11.2015 erhalten zu haben,
2.
ein unabhängiges Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass die in Ausübung versicherter Tätigkeit
des Klägers auf die Bandscheiben seiner Lendenwirbelsäule stattgefundenen Einwirkungen durch Heben und Tragen schwerer Lasten
eine Gesamtbelastungsdosis von deutlich mehr als 12,5 x 10⁶ ergeben,
3.
ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte
Erkrankung der Lendenwirbelsäule besteht und dass zwischen den schädigenden beruflichen Einwirkungen einerseits und der bandscheibendedingten
Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers andererseits unter Berücksichtigung der Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung
der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe der Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist,
4.
ein Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass es keine geeigneten Maßnahmen medizinischer und/ oder
arbeitsfördernder Natur gab bzw gibt, die die bei dem Kläger bestehende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule
noch heilen oder die gefährdenden Elemente der Tätigkeit so umfassend ausschließen (neutralisieren) können, dass diese keinerlei
gefährdende Auswirkungen mehr zeigen würden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und bestätigt, dass die von ihrem Vertreter im Erörterungstermin vor dem SG gemachten Angaben den internen Anweisungen der Hauptverwaltung entsprächen. Nach diesen sei bei dem Datum in der Zeile "Versand
am:______" darauf zu achten, dass der Bescheid noch am selben Tag zur Post gegeben werden könne, dh, es sei immer das Datum
des Versandtages einzutragen. Abweichungen von dem auf diese Weise festgelegten Verfahren ergäben sich im Falle des Klägers
nicht.
Der Kläger führt parallel ein Überprüfungsverfahren in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Bescheid. Am 19.12.2019 beantragte
er die Überprüfung und Rücknahme des Bescheides vom 06.02.2015, was die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2020 und Widerspruchsbescheid
vom 19.02.2020 ablehnte. Das hiergegen mit Klage vom 20.03.2020 geführte Gerichtsverfahren hat das SG Dortmund mit Beschluss
vom 23.11.2020 bis zu einer Entscheidung über die vorliegende Berufung ausgesetzt. Dagegen hat der Kläger am 28.01.2021 Beschwerde
eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Die Beteiligten sind mit gerichtlichen Schreiben vom 15.06.2020 und 28.01.2021 zu einer Entscheidung des Senats durch Beschluss
ohne mündliche Verhandlung gemäß §
153 Abs.
4 SGG angehört worden. Die Beklagte hat sich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt und der Kläger hat mit Schriftsätzen
vom 10.07.2020 und 01.03.2021 die Berufung begründet und die vorgenannten Anträge gestellt. Mit Schreiben des Senats vom 03.03.2021
sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass es auch in Kenntnis des Schriftsatzes des Klägers vom 01.03.2021 bei
dem beabsichtigten prozessualen Vorgehen verbleibe. Die Beteiligten haben sich nachfolgend nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, dort insbesondere auf die
Sitzungsniederschriften des Erörterungstermins am 05.02.2019 und der mündlichen Verhandlung am 16.12.2019, sowie den Inhalt
der Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
II.
Der Senat konnte nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet
und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§
153 Abs
4 Satz 1
SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, da die Klage nicht fristgerecht erhoben worden ist.
Die Klagefrist beträgt nach §
87 Abs
1 Satz 1
SGG einen Monat, wobei die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben ist, §
87 Abs
2 SGG. Entgegen der Auffassung des Klägers gilt nicht die Jahresfrist nach §
66 Abs
2 SGG, denn die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 12.11.2015 ist zutreffend und vollständig.
Nach §
85 Abs
3 Satz 4
SGG sind die Beteiligten in einem Widerspruchsbescheid über die Zulässigkeit der Klage, die einzuhaltende Frist und den Sitz
des zuständigen Gerichts zu belehren. All dies ist mit der Belehrung im Widerspruchsbescheid vom 12.11.2015 erfolgt. Es ist
weder der Hinweis erforderlich, dass bei schriftlicher Klageerhebung die Frist nur gewahrt sei, wenn die Klage vor Ablauf
der Frist bei Gericht eingegangen ist. Die insoweit von der Klägerseite zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG, Beschluss vom 14.11.1969, II WDB 28.69, BVerwGE43, 26ff) ist überholt (vgl statt aller BVerwG, Beschluss vom 16.03.1989 - 8 B 26/89 - juris, Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 10.11.2016 - X B 85/16 - juris Rn 23). Noch ist eine nähere Erläuterung des Begriffs der "Bekanntgabe" oder ein Hinweis auf § 37 Abs 2 SGB X erforderlich Das Gesetz fordert keine Erläuterung solcher weiterführenden Detailvorschriften in der Rechtsbehelfsbelehrung;
dies wäre auch nicht sachdienlich. Auch bei einem Verzicht auf weiterführende Detailerläuterungen wird gewährleistet, dass
der Rechtsunkundige vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit geschützt wird, indem die Rechtsmittelbelehrung ihn über den wesentlichen
Inhalt der zu beachtenden Vorschriften unterrichtet und es ihm so möglich macht, ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte
zur Durchführung des Rechtsmittels einzuleiten. Zugleich wird damit gerade auch im Interesse des rechtsungewandten Beteiligten
verhindert, dass die Rechtsmittelbelehrung durch weitere Informationen inhaltlich überfrachtet wird und, statt Klarheit zu
schaffen, wegen ihres Umfanges und ihrer Kompliziertheit Verwirrung stiftet (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 24.03.1993, 9/9a RV 17/92 - juris Rn 11 f; BFH, Urteil vom 07.03.2006, xR 18/05 - juris Rn 19, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss
vom 25. Oktober 2010 - L 2 R 556/10 B - juris Rn 12).
Die Monatsfrist ist vorliegend nicht gewahrt. Die Klage ist nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbeschei8des
erhoben worden.
Der Kläger hat nicht schlüssig vorgetragen, dass er die einmonatige Klagefrist des §
87 Abs
1 SGG gewahrt hat. Der Kläger hat auf die Fragen des SG nach den Umständen und dem Zeitpunkt des Zugangs des Widerspruchsbescheides im Erörterungstermin vom 05.03.2019 durch seinen
Prozessbevollmächtigten erklärt, dass den Kläger hierzu keinerlei Erklärungslast treffe und er hierzu keinerlei Angaben machen
werde; auch im Berufungsverfahren hat der Kläger keine Angaben zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides gemacht.
Diese Einschätzung ist insoweit unzutreffend, als den Kläger eine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts trifft.
Nach dem in §
103 Satz 1
SGG enthaltenen Amtsermittlungsgrundsatz sind die Beteiligten bei der Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen. Damit wird
eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten konstituiert. Auch wenn Sachaufklärung von Amts wegen nicht von Beteiligtenvorbringen
(Tatsachenbehauptungen; Beweisanregungen; Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Amtsermittlungsgrundsatz keine Pflicht
von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch sonstige konkrete
Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte. In diesem Sinne findet die Amtsermittlung ihre Grenze an der Mitwirkungspflicht der
Verfahrensbeteiligten (st Rspr: BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 61/97 -, BSGE 81, 259-268, SozR 3-4100 § 128 Nr 5, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 23.11.1982 -9 C 74/81-, BVerwGE 66, 237 f).
Das Gericht muss nicht von sich aus in alle Richtungen ermitteln. Nachforschungen sind nur erforderlich, soweit sie der Sachverhalt
und der Vortrag der Beteiligten nahe legen (Schmidt in Meyer-Ladewig ua,
SGG 12. Aufl, §
103 Rn 7). Das ist hier nicht der Fall.
Der Vortrag des Klägers legt keine weiteren Nachforschungen nahe. Nach den von den Beteiligten vorgetragenen Verfahrensabläufen
bei der Beklagten ist ausgeschlossen, dass der Widerspruchsbescheid dem Kläger erst Monate nach dessen Erlass bzw. erst ab
dem 06.04.2016 bekannt gegeben worden ist. Danach stellt sich der Ablauf wie folgt dar: Der Widerspruchsausschuss tagte am
Donnerstag, dem 12.11.2015 und entschied über insgesamt 28 Fälle. Die an diesem Tag entschiedenen Widerspruchsbescheide sind
nach dem Vortrag der Beklagten am nächsten Tag, dem 13.11.2015 kuvertiert, zur internen Poststelle gegeben und noch am selben
Tag von einem Mitarbeiter der Beklagten zur Post gegeben worden. Eine spätere Aufgabe zur Post, als am 13.11.2015 sei ausgeschlossen,
da ein anderer Widerspruchsführer, über dessen Widerspruch in derselben Sitzung entschieden worden ist, in einem anderen Klageverfahren,
Montag, den 16.11.2015 als Zugangsdatum angegeben habe. Selbst wenn hier dem Vortrag des Klägers gefolgt wird, dass Widerspruchsbescheide
bei der Beklagten im damaligen Zeitraum im November 2015 bzw im Jahr 2015 regelmäßig erst mehrere Tage nach dem im Vermerk
" Versand am:..." angegebenen Datum zur Post gegeben wurden, wozu der Bevollmächtigte des Klägers sich ua auf zwei von ihm
vertretene andere Mandanten bezieht, in denen trotz eines auf einen Freitag datierenden Ab-Vermerks der jeweilige Poststempel
auf dem Briefumschlag des Widerspruchsbescheides erst auf den darauffolgenden Montag datierte, ist die Aufgabe zur Post hier
spätestens am Montag dem 16.11.2015 und die Bekanntgabe entsprechend § 37 Abs. 2 SGB X am 19.11.2015 erfolgt. Für eine spätere Bekanntgabe, insbesondere für eine Bekanntgabe mehrere Monate nach Erlass des Widerspruchsbescheides
bestehen keinerlei Anhaltspunkte, sie wird auch vom Kläger nicht behauptet.
Da der Widerspruchsbescheid dem Kläger nach alledem vor dem 06.04.2016 bekannt gegeben worden ist, ist die Klagefrist verstrichen.
Die vom Kläger mit Schriftsätzen vom 10.07.2020 und 01.03.2021 gestellten Beweisanträge werden abgelehnt, da sie nicht auf
entscheidungserhebliche Tatsachen abzielen.
Beweisanträge binden das Gericht nicht, können die Amtsermittlung jedoch lenken und steuern. Beweisanträge dürfen unberücksichtigt
bleiben, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn die Beweiserhebung
wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder
schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist
(BSG, Beschluss vom 26.05.2020 - B 2 U 214/19 B).
Eine Vernehmung der ehemaligen Mitarbeiterin der Beklagten, Frau A, sowie des Mitarbeiters der Beklagten Herrn M als Zeugen
ist nicht erforderlich, da die Tatsachen, zu deren Beweis die Vernehmung beantragt ist, nicht entscheidungserheblich sind.
Wie ausgeführt fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag des Klägers, die Klage fristgerecht erhoben zu haben. Vielmehr
ist die Klagefrist (auch) nach dem klägerischen Vortrag nicht eingehalten worden.
Die Anträge zur medizinischen Sachverhaltsaufklärung sind für die Entscheidung über den Rechtsstreit ebenfalls nicht von Bedeutung,
da die Klage bereits unzulässig ist, so dass es auf das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in der Sache nicht entscheidend
ankommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs
2 SGG liegen nicht vor.