Anspruch auf Verletztenrente in der gesetzlichen Unfallversicherung
Anforderungen an die Berücksichtigung einer durch frühere Unfälle bedingten posttraumatischen Belastungsstörung bei der Feststellung
der MdE
Anforderungen an die Amtsermittlungspflichten des Gerichts nach der Verweigerung einer Begutachtung ohne wichtigen Grund
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls, den der Kläger am 04.01.2001 erlitten hat, um die Zahlung
einer Verletztenrente sowie wegen der Folgen eines am 16.04.2015 erlittenen weiteren Arbeitsunfalls über einen Anspruch auf
Zahlung von Verletztengeld über den 17.05.2015 hinaus und die Zahlung einer Verletztenrente.
1. Am 04.01.2001 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall als Fahrer eines PKW. Der Unfallchirurg Dr. A stellte in seinem Durchgangsarztbericht
vom 05.01.2001 beim Kläger als Erstdiagnosen ein Politrauma, eine offene Tibiafraktur links, eine Sprunggelenksfraktur rechts,
eine Commotio Cerebri, eine retrograde Amnesie und ein Monokelhämatom links fest.
Mit Bescheid vom 15.04.2003 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 04.01.2001 als Arbeitsunfall an und bewertete die gesundheitlichen
Folgen des Unfalls mit einer MdE von 20 v. H. Ab dem 04.07.2002 gewährte sie eine entsprechende Verletztenrente als vorläufige
Entschädigung. Im zweiten Rentengutachten zur Feststellung einer Entschädigung auf unbestimmte Zeit stellte der Sachverständige
Prof. Dr. B unter dem 18.11.2003 als noch vorliegende Unfallfolgen eine zum Teil nachvollziehbare Behinderung, Narbenbildungen,
eine Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks, eine geringfügige Rückfußverkürzung und Verklumpung und eine
Gehbehinderung durch die geringfügige Bewegungsbehinderung des linken oberen Sprunggelenks fest. Die MdE betrage 10 v. H..
Insgesamt sei ein sehr guter Zustand erreicht worden. Daraufhin entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16.12.2003
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2004 die Verletztenrente mit Ablauf des Monats Dezember 2003 und lehnte die
Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ab. In dem sich anschließenden Klageverfahren S 1 U 44/04 verurteilte das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte nach Einholung von Gutachten von dem Orthopäden und Unfallchirurgen Prof. Dr. C und dem Neurologen
Dr. D, die Folgen des Arbeitsunfalls mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten und danach Verletztenrente zu zahlen. Neben den
mit einer MdE von 10 v. H. zu bewertenden Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Gebiet liege beim Kläger
auf neurologischem Fachgebiet eine posttraumatische untere Plexusparese vor, die ebenfalls mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten
sei. Im nachfolgenden Berufungsverfahren (L 17 U 50/06) holte das Landessozialgericht (LSG) ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. E und im Anschluss daran auf Antrag
des Klägers ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von Dr. F ein. Beide stellten das Vorliegen einer Gesamt-MdE von 10 v.H. fest. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.
Am 03.06.2008 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, als er auf einer Hebebühne ausrutschte und mit dem Kopf gegen
eine Wand prallte. Nach Ablehnung der Zahlung von Verletztengeld sowie einer Verletztenrente führte der Kläger auch diesbezüglich
ein Verfahren vor dem SG Düsseldorf (S 16 U 80/10). In einem in diesem Verfahren erstellten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gelangte Dr. G zu dem Ergebnis, dass aus
neurologischer Sicht das Tragen einer Peronaeusschiene sicher nicht notwendig sei, da keine Lähmung des Nervus peronaeus vorliege.
Auch lägen keine psychiatrischen Erkrankungen vor. Es bestünde beim Kläger ein ausgeprägter Versorgungswunsch. Auf Antrag
des Klägers erstattete der Psychiater PD Dr. I danach noch ein Gutachten nach §
109 SGG. In diesem stellte er fest, dass beim Kläger eine leichte depressive Episode bestehe. Mit Urteil vom 31.03.2014 wies das
SG die Klage zurück. Die hiergegen eingelegte Berufung (L 15 U 320/14) nahm der Kläger später zurück.
Am 26.10.2010 erfolgte eine Nachuntersuchung durch den Unfallchirurgen Dr. H im Hinblick auf den Arbeitsunfall vom 04.01.2001.
Dieser stellte in seinem Gutachten keine wesentlichen Veränderungen fest. Die MdE betrage weiterhin 10 v. H.. Hierauf gestützt
lehnte die Beklagte es mit Bescheid vom 07.02.2011 ab, dem Kläger wegen einer Verschlimmerung der Unfallfolgen eine Verletztenrente
zu gewähren, da die Beschwerden bezogen auf die Unfallfolgen zwar zugenommen hätten, eine MdE in rentenberechtigender Höhe
aber nicht erreicht werde. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Wiederum im Hinblick auf den Arbeitsunfall vom 04.01.2001 erstattete Dr. J unter dem 20.06.2014 ein weiteres unfallchirurgisches
Gutachten. Klinisch stellte er fest, dass die Fußsohlenbeschwielung des Klägers beiderseits kräftig ausgeprägt sei. Die Beweglichkeit
des oberen Sprunggelenkes rechts sei leicht eingeschränkt, links etwas stärker. Der Schwerpunkt der Beschwerden des Klägers
bilde eine Hohlfußdefomität und Spitzfußstellung sowie Spreizfußbildung. Diese Gesundheitsbeeinträchtigungen seien unfallunabhängig.
An Unfallfolgen bestünden noch eine leichte Muskel- und Kraftminderung des linken Beines, Operationsnarben, eine leichte Bewegungseinschränkung
des rechten oberen Sprunggelenkes, eine Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk und eine leichte Bewegungseinschränkung
im linken unteren Sprunggelenk. Die MdE betrage weiterhin 10 v. H.. Eine vorauseilende Gelenkarthrose sei nicht feststellbar.
Auf der Basis dieses Gutachtens wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2014 den Widerspruch des Klägers gegen
den Bescheid vom 07.02.2011 zurück. Eine MdE in rentenberechtigendem Grad wegen der Folgen des Unfalls vom 04.01.2001 sei
nicht feststellbar.
Hiergegen hat der Kläger am 01.12.2014 beim SG Düsseldorf Klage erhoben (S 1 U 562/14). Er hat die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen seines am 04.01.2001 erlittenen Arbeitsunfalls begehrt und
vorgetragen, dass die Beschwerden im Laufe der Jahre zugenommen hätten. Seit seinem zweiten Arbeitsunfall im Jahre 2008 sei
er nicht mehr in seinem ursprünglichen Beruf tätig. Er verrichte nur mehr Organisations- und Büroarbeiten in seinem selbständigen
Betrieb.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 zu verurteilen,
ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 04.01.2001 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von
mindestens 20 % zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass eine wesentliche Verschlimmerung in den Unfallfolgen, die eine Erhöhung der MdE um
mehr als 5 v. H. bedinge, beim Kläger nicht vorliege. Deshalb werde eine rentenberechtigende MdE nicht erreicht.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens von Dr. K vom 08.05.2015 nach Aktenlage.
Auch dieser hat die MdE auf der Basis der von Dr. J festgestellten Befunde mit 10 v. H. bewertet. Darüber hinaus hat das Gericht
ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. L vom 07.04.2015 auf Grund ambulanter Untersuchung vom 01.04.2015 eingeholt. Dieser
Arzt gelangte zu dem Ergebnis, dass beim Kläger rezidivierend auftretende Panikattacken und rezidivierend auftretende leichte
bis mittelgradige depressive Episoden vorlägen, die nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ereignis vom 01.04.2001 stünden.
Im Rahmen der Untersuchung habe der Kläger angegeben, dass die eigentlichen psychischen Beschwerden auch erst nach dem Unfall
2008 losgegangen seien. Der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. L ausdrücklich erklärt, dass er bereits seit 2008 "nicht mehr richtig
gearbeitet" habe und er zwar ab und zu versuche, leichte Bürotätigkeiten zu verrichten, sich aber nicht mehr leistungsfähig
fühle. Soweit der behandelnde Nervenarzt Dr. M am 17.08.2009 angegeben habe, dass bei dem Kläger eine Belastungsreaktion,
Panikattacken und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vorgelegen hätten, sei eine solche Störung von diesem Arzt
nicht beschrieben und auch nicht durch das Krankheitsbild des Klägers abgeleitet worden. Prof. Dr. L hat ausgeführt, dass
weder die von ihm erhobene Anamnese noch die Untersuchung selbst Hinweise erbracht hätten, dass der Kläger aufgrund des Unfalls
von 2001 an Symptomen leide, die auf eine posttraumatische Belastungsstörung schließen lassen könnten. Der Unfall von 2001
habe keine gravierenden Erkrankungen ausgelöst. Nach dem Unfall vom 04.01.2001 habe keine PTBS und auch keine PTBS "in Latenz"
vorgelegen, die durch ein späteres Ereignis hätte reaktiviert werden können. Eine MdE auf psychiatrischem Fachgebiet läge
deshalb nicht vor. Insgesamt sei die MdE deshalb nach wie vor mit 10 v. H. zu bewerten.
Auf Antrag des Klägers gemäß §
109 SGG hat unter dem 05.03.2016 im Anschluss daran noch PD Dr. I ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten auf Grund ambulanter
Untersuchung vom 05.01.2016 erstellt. Er hat festgestellt, dass bei der Untersuchung auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet
ein normaler Untersuchungsbefund bestanden habe und für das psychiatrisch-psychosomatische Fachgebiet eine wesentliche Gesundheitsstörung
nicht nachzuweisen sei. Bezogen auf das Ereignis vom 04.01.2001 bestünden beim Kläger keine Unfallfolgen.
Mit Urteil vom 20.10.2016 hat das SG die Klage zurückgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte abgelehnt, bezogen auf die Unfallfolgen des Arbeitsunfalls des Klägers
vom 04.01.2001 wegen einer eingetretenen wesentlichen Verschlimmerung eine MdE in rentenberechtigender Höhe festzustellen.
Eine wesentliche Verschlimmerung bezogen auf die durch Prof. Dr. B unter dem 18.11.2003 festgestellten Unfallfolgen sei beim
Kläger nicht eingetreten, da sich die MdE seitdem nicht um mehr als 5 v. H. erhöht habe.
Das maßgebliche Gutachten von Prof. Dr. B vom 18.11.2003 habe für die damals noch bestehenden Unfallfolgen beim Kläger eine
MdE von 10 v. H. festgestellt. Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen im Sinne einer für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung
für die Annahme einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X erforderlichen Erhöhung der MdE um mehr als 5 v. H. habe nicht stattgefunden. Sowohl die chirurgische Stellungnahme von Dr.
H vom 26.10.2010 als auch die medizinische Untersuchung durch Dr. J vom 20.06.2014 hätten beim Kläger zwar eine Verschlimmerung
der Beschwerden darstellen können. Es liege beim Kläger aber keine Erhöhung der MdE um mehr als 5 v. H. vor. Dr. J habe in
seinem Gutachten vom 20.06.2014 ausführlich die noch vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben, die aufgrund der
Unfallfolgen vom 04.01.2001 beim Kläger noch vorlägen. Im Wesentlichen sei hier eine Bewegungseinschränkung in den Sprunggelenken
zu erwähnen. Der Schwerpunkt der Funktionsbehinderung liege beim Kläger bezogen auf seine Stand- und Gehfähigkeit aber nicht
in dieser Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke, sondern in der bereits von Dr. J festgestellten Hohlfußdeformität mit
Spitzfußstellung und Spreizfußbildung. Diese Deformation der Füße des Klägers sei nicht unfallbedingt, sondern entspräche
seiner genetischen Anlage, was der Sachverständige Dr. K in seinem Gutachten vom 08.05.2015 bestätigt habe. Eine höhere MdE
als die bereits von Prof. Dr. B im Jahre 2003 festgestellte MdE von 10 v. H. bestehe damit beim Kläger auf chirurgisch-orthopädischem
Fachgebiet nicht. Der Vortrag des Klägers, er sei durch den Unfall im Jahre 2001 in psychischer Hinsicht beeinträchtigt worden,
habe durch psychiatrisch-neurologische Untersuchungen beim Kläger nicht bestätigt werden können. Bereits Dr. G habe in seinem
Gutachten vom 11.10.2011 festgestellt, dass weder auf neurologischem Fachgebiet eine Nervenschädigung beim Kläger vorliege,
noch auf psychiatrischem Fachgebiet eine Erkrankung beim Kläger feststellbar sei. In gleicher Weise habe Prof. Dr. L in seinem
psychiatrischen Gutachten vom 07.04.2015 bekräftigt, dass beim Kläger keine psychopathologische Symptomatik feststellbar sei,
die auf das Unfallereignis von 2001 zurückgeführt werden könne. Insbesondere liege keine posttraumatische Belastungsstörung
vor. Weder die erhobene Anamnese noch die durchgeführte Untersuchung beim Kläger habe dafür Hinweise erbracht. Dem schließe
sich die Kammer an und es liege damit auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine MdE vor, so dass es bei dem auf orthopädisch-unfallchirurgischem
Fachgebiet festgestellten MdE von 10 v. H. bleibe. Es lägen beim Kläger auch keine sogenannten Stütztatbestände vor, die beim
Vorliegen einer unfallbedingten MdE von 10 v. H. gleichwohl eine Rentengewährung gemäß §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VII ermöglichen könnten. Bezüglich des Arbeitsunfalls des Klägers vom 03.06.2008 sei die Klage im Verfahren S 16 U 80/10 mit dem Ergebnis abgewiesen worden, dass keine Leistungen erbracht würden und auch keine MdE von mindestens 10 v. H. bezüglich
der Folgen dieses Unfalls vorlägen.
Gegen das ihm am 22.11.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.11.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er in erster
Linie auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen und unter Hinweis auf das von ihm vorgelegte Gutachten von Dr. N auch noch
vorgetragen, dass bei ihm auch eine PTBS vorliege.
2. Am 16.04.2015 erlitt der Kläger einen weiteren Wegeunfall. Auf dem Rückweg von seiner Steuerberaterin nach Hause fuhr ihm
auf der Autobahn ein anderer PKW auf sein Auto auf, wobei nach Angaben des Klägers die Airbags beider Fahrzeuge nicht auslösten.
Im Durchgangsarztbericht vom 16.04.2015 stellte der Arzt Dr. O die Erstdiagnosen HWS-Distorsion und LWS-Prellung. Alle Extremitäten
seien frei beweglich. Es seien insgesamt keine Verletzungszeichen, Prellmarken oder ähnliches erkennbar. Der Kläger beklage
jedoch einen Schmerz im rechten Arm, an dem er früher bereits einen Plexusschaden erlitten habe. Bei dem Kläger liege ein
Zustand nach Vorunfall mit Sprunggelenksfrakturen beidseits und eine posttraumatische Stressstörung vor. Wegen dieser Störung
nehme der Kläger keine Medikamente, befinde sich aber in psychiatrischer Behandlung. Bis zum 17.04.2015 befand sich der Kläger
in stationärer Behandlung in der chirurgischen Abteilung der städtischen Kliniken N1.
Unmittelbar vor diesem Unfall war der Kläger auf seine Veranlassung am Unfalltag von dem Neurologen und Psychiater Dr. N begutachtet
worden. Dr. N stellte in seinem nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstellten Gutachten vom 11.05.2015 beim Kläger die
Diagnosen einer allenfalls teilremittierten PTBS, einer mindestens mittelschweren depressiven Episode, einer Angststörung,
einer Armplexusläsion, einer Polyneuropathie und einer komplexen Gangstörung. Es handele sich um ein chronisches Krankheitsbild,
das seit 15 Jahren bestehe. Die Erkrankung sei seit Jahren sehr stark ausgeprägt, seit dem 2. Unfall 2008 sei es zu einer
erneuten Verschlechterung gekommen und es sei davon auszugehen, dass die Beschwerden noch Jahre andauern würden. Eine Berufsunfähigkeit
bestehe beim Kläger seit Datum des 2. Unfalls im Jahr 2008. Angesichts des bisherigen Verlaufs sei nicht damit zu rechnen,
dass innerhalb der nächsten drei Jahre mit einer Wiederaufnahme der Tätigkeit gerechnet werden könnte.
In einem weiteren Durchgangsarztbericht vom 24.04.2015 berichtete der Unfallchirurg Dr. P über weiterhin bestehende Schmerzen
bei schwerer HWS-Distorsion und LWS-Prellung und ging vom Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit (AU) voraussichtlich bis zum
30.04.2015 aus. Am 30.04.2015 berichtete Dr. P der Beklagten über eine Verlängerung der AU bis zum 11.05.2015.
In einer ärztlichen Unfallmeldung vom 02.06.2015 teilte der Neurologe und Psychiater Dr. M mit, dass der Kläger dort seit
Juni 2008 wegen einer PTBS in Behandlung stehe. Durch den Unfall vom 16.04.2015 sei es zu einer reaktivierten PTBS gekommen.
Die bislang ausbleibende Besserung dürfe seines Erachtens durch die unfallbedingte Reaktivierung der PTBS bedingt sein, die
selbst Folge früherer Arbeitsunfälle sei. Längere Arbeitsunfähigkeit sei anzunehmen.
Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme von der Neurologin und Psychiaterin Dr. R vom 03.08.2015 ein. Diese
ging davon aus, dass das Unfallereignis vom 16.04.2015 nicht geeignet gewesen sei, eine PTBS zu verursachen. Die durch den
Behandler Dr. M gestellte Diagnose einer PTBS könne nicht nachvollzogen werden. Etwaige psychopathologische Befunde und Symptome
würden durch den Behandler gar nicht aufgeführt. Es komme auch nicht die Reaktivierung einer vorbestehenden PTBS in Frage,
weil eine solche nicht vorbestanden habe. Dies ergebe sich aus dem aktuellen Gutachten von Prof. Dr. L vom 07.04.2015 und
den Gutachten von Dr. E und Dr. F aus dem Jahr 2006. Mögliche Angst- und depressive Symptome seien unfallunabhängig.
Mit Bescheiden vom 12.08.2015, 24.08.2015 und 27.08.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet keine Unfallfolgen bestünden und AU und Behandlungsbedürftigkeit auf chirurgischem Fachgebiet nur für vier Wochen
bestanden habe. Mit Bescheid vom 27.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2015 lehnte die Beklagte die Erbringung
von Leistungen wegen des Ereignisses vom 16.04.2015 ab. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Unfall bei
Ausübung einer versicherten Tätigkeit erlitten habe. In dem sich anschließenden Klageverfahren verurteilte das SG die Beklagte mit Urteil vom 20.10.2016 zur Anerkennung des Arbeitsunfalls (S 1 U 164/16). Die hiergegen eingelegte Berufung nahm die Beklagte später zurück.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 18.08.2015 wies Dr. M erneut darauf hin, dass der Unfall vom 16.04.2015 bei
vorliegender PTBS, die ihrerseits durch frühere schwere Unfälle bedingt sei, eine gesundheitsschädigende Reaktivierung früherer
Traumen ausgelöst habe. In einem Attest vom 08.05.2017 bescheinigte Dr. M, dass seit dem Unfall vom 08.05.2017 Berufsunfähigkeit
bestehe.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2018 teilte die Beklagte
dem Kläger mit, dass der Anspruch auf die Gewährung von Verletztengeld für den Zeitraum vom 16.04.2015 bis zum 17.05.2015
begrenzt werde. Ab dem 17.05.2015 bestehe kein Anspruch mehr auf Zahlung von Verletztengeld.
Hiergegen hat der Kläger am 20.09.2018 beim SG Düsseldorf Klage erhoben (S 16 U 479/18).
Mit ebenfalls streitgegenständlichem Bescheid vom 15.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 lehnte es
die Beklagte ab, dem Kläger wegen der Unfallfolgen eine Verletztenrente zu gewähren. Auch hiergegen hat der Kläger am 05.11.2018
beim SG Klage erhoben (S 16 U 570/18).
Mit Beschluss vom 02.12.2018 hat das SG die Verfahren unter dem Aktenzeichen S 16 U 479/18 verbunden.
Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger vorgetragen, dass er in der Vergangenheit verschiedene Arbeitsunfälle erlitten
habe. Hierzu gebe es noch Verfahren vor dem Landessozialgericht. Grundsätzlich sehe er ein, dass es hier auch um die Frage
gehe, ob der Unfall vom 16.04.2015 zu einer Reaktivierung von bereits bestehenden Gesundheitsschäden geführt haben kann. Für
ihn entscheidend sei, dass die Beklagte verpflichtet werde, Leistungen zu erbringen.
Der Kläger hat beantragt,
1.
den Bescheid vom 15.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Beklagte
verpflichtet wird, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 eine Verletztenrente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit
in Höhe von mindestens 20 von 100 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen,
2.
den Bescheid vom 22.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2018 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Beklagte
verpflichtet wird, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 über den 17.05.2015 hinaus Verletztengeld zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass ihre Entscheidungen rechtmäßig seien.
Mit Urteil vom 22.11.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger könne wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 weder die Zahlung von Verletztengeld
über den 17.05.2015 hinaus gemäß §§
45 ff.
SGB VII noch Zahlung von Verletztenrente gemäß §
56 SGB VII verlangen. Als Folge des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 habe der Kläger eine Distorsion der HWS und eine Prellung der LWS
erlitten, die bis zum 16.05.2015 folgenlos abgeheilt seien, so dass Leistungen wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015
nach dem 16.05.2015 nicht mehr zu erbringen seien. Die bei dem Kläger vorliegende gesundheitsschädigende Reaktivierung früherer
Traumata sei zur Überzeugung der Kammer nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015. Ob es sich bei der Reaktivierung früherer
Traumata möglicherweise um mittelbare Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 04.01.2001 handele oder nicht, habe die Kammer nicht
geprüft, weil diese Frage erstinstanzlich nicht Streitgegenstand gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger am 23.12.2019 eingelegte Berufung (L 17 U 705/19), die der Kläger in der Sache nicht begründet hat.
Mit Beschluss vom 24.02.2020 hat der Senat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
1.
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.10.2016 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.02.2011
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 04.01.2001
eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu zahlen.
2.
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.11.2019 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.08.2018
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015
eine Verletztenrente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von mindestens 20 von 100 zu zahlen sowie die Beklagte unter
Abänderung des Bescheides vom 22.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2018 zu verurteilen, ihm wegen der
Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 über den 17.05.2015 hinaus Verletztengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Der Senat hat mit Beweisanordnung vom 07.09.2020 die Neurologin und Psychiaterin Dr. T mit der Begutachtung des Klägers beauftragt.
Mit Schriftsatz vom 14.09.2020 hat der Kläger die Sachverständige ohne Benennung von Gründen abgelehnt. Er hat die Einholung
eines Gutachtens nach §
109 SGG beantragt und angekündigt, dass er in den nächsten acht Wochen einen Gutachter mitteilen werde. Mit Schreiben vom 05.10.2020
hat der Senat den Kläger um Mitteilung der Gründe gebeten, auf Grund derer Frau Dr. T abgelehnt würde. Er hat darauf hingewiesen,
dass er einem Antrag auf Benennung eines Sachverständigen nach §
109 SGG nicht nachkommen werde, da ein solcher nur nach Abschluss der Beweisaufnahme von Amts wegen in Betracht komme.
Mit Schriftsatz vom 19.10.2020 hat der Kläger mitgeteilt, dass es aufgrund der komplexen und vielfachen Unfälle kaum einem
Sachverständigen möglich sei, die gestellten Fragen zu beantworten. Dr. N habe ihn am Unfalltag wenige Stunden vor dem Unfall
begutachtet, so dass er für die Fragen der beste Gutachter sei.
Mit Schreiben vom 02.11.2020 hat der Senat dem Kläger darauf hingewiesen, dass eine Beauftragung von Dr. N nicht in Betracht
komme, da dieser bereits ein Gutachten zu Rechtsfragen erstellt habe, die auch für das vorliegende Gutachten maßgeblich seien.
Mit Schreiben vom 10.11.2020 hat der Senat den Kläger erneut davon in Kenntnis gesetzt, dass er dem Antrag auf Einholung eines
Gutachtens nach §
109 SGG durch den Arzt Dr. N nicht nachkommen werde und auch nicht beabsichtige, diesen Arzt anstelle von Frau Dr. T mit der Erstellung
eines Gutachtens nach §
106 SGG zu beauftragen. Er hat den Kläger aufgefordert, mitzuteilen, ob er bereit sei, sich der Begutachtung durch Frau Dr. T zu
unterziehen. Bei fehlender Bereitschaft des Klägers sehe sich der Senat gezwungen, auf Grundlage der bislang von der Verwaltung
und vom SG durchgeführten medizinischen Ermittlungen zu entscheiden. Danach sei das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen derzeit
nicht nachgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 04.03.2021 hat der, nunmehr anwaltlich vertretene, Kläger mitgeteilt, dass er sich keinesfalls einer Begutachtung
durch Frau. Dr. T unterziehen werde.
Mit Schreiben vom 08.03.2021 hat der Senat den Kläger um Mitteilung gebeten, ob er lediglich die Begutachtung durch Frau Dr.
T oder aber eine Begutachtung durch jeden anderen Arzt/jede andere Ärztin als Dr. N ablehne. Mit Schreiben vom 12.05.2021,
dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 18.05.2021, hat der Senat darauf hingewiesen, dass das Auswahlrecht für die
Bestellung eines Gutachters nach §
106 SGG ausschließlich dem Gericht zustehe. Sofern sich der Kläger weiterhin nicht dazu bereitfinde, sich einer Begutachtung durch
einen vom Senat ausgewählten Gutachter zu unterziehen, sei beabsichtigt, über die Berufung unter Berücksichtigung der derzeitigen
Aktenlage durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG zu entscheiden. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage habe die Berufung keine Aussicht auf Erfolg, weil gesundheitliche Folgen
der Arbeitsunfälle vom 04.01.2001 und 16.04.2015, welche die Zahlung einer Verletztenrente bzw. die Gewährung von Verletztengeld
über den 17.05.2015 hinaus rechtfertigen könnten, bislang nicht nachgewiesen seien.
Mit Schriftsatz vom 31.05.2021 hat der Kläger mitgeteilt, dass er nur bereit sei, sich durch Dr. N begutachten zu lassen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 07.06.2021 die Beweisanordnung vom 07.09.2020 aufgehoben und dem Kläger mit Schreiben vom
07.06.2021, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 18.06.2021, erneut mitgeteilt, er werde nach Ablauf der gesetzten
Frist durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Archivakten
S 1 U 44/04, S 16 U 80/10, S 16 U 15/14, S 1 U 326/15 ER, S 1 U 396/15 und S 1 U 164/16 (jeweils SG Düsseldorf) sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung
war.
II.
Der Senat konnte nach §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er die Berufungen einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.
Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet.
1. Zu Recht hat es das Sozialgericht mit Urteil vom 20.10.2016 abgelehnt, den Bescheid vom 07.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.10.2014 aufzuheben und für die Folgen des Unfalls vom 04.01.2001 eine MdE von mindestens 20 v. H. festzustellen.
Nach §
56 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (
SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall
um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist bei Versicherten die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer
Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht gemäß §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VII für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (Stützrententatbestand). Die Folgen eines Versicherungsfalls
sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§
56 Abs.
1 Satz 3
SGB VII). Nach §
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen
Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Einschätzung
der MdE sind die von der Rechtsprechung und der Literatur herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungswerte zu beachten, die
eine Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE bilden (st. Rspr., vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R - juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R -, juris Rn. 18 jeweils m. w. N.). Diese MdE-Erfahrungswerte bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige
zur Höhe der MdE unterbreitet, wodurch gewährleistet wird, dass alle Betroffenen bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen
Kriterien beurteilt werden. Die Rentenbegutachtung der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Kern Funktionsbegutachtung,
daher kommt es darauf an, inwieweit durch die Schwere der verbliebenen Gesundheitsstörungen das Leistungsvermögen des Versicherten
auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens beeinträchtigt ist (st. Rsr., vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, juris Rn. 17; BSG, Urteil vom 20.12.2016 a.a.O., juris Rn. 14).
Danach ist das Urteil des SG vom 20.10.2016 nicht zu beanstanden. Eine MdE von mindestens 20 v.H. liegt beim Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 04.01.2001
nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung,
die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§
153 Abs.
2 SGG).
Auch das Vorbringen des Klägers zur Begründung seiner Berufung führt zu keiner abweichenden Entscheidung. Soweit er insoweit
u. a. erneut darauf hinweist, dass bei ihm in Folge des Unfalls vom 04.04.2001 auch eine PTBS vorliege, ist dieses Vorbringen
nicht nur durch das nach §
106 SGG eingeholte Gutachten von Prof. Dr. L vom 07.04.2015, sondern auch durch das auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG von PD Dr. I erstellte Gutachten vom 07.12.2015 widerlegt. Substantiierte Einwendungen gegen diese Gutachten hat der Kläger
auch mit seiner Berufung nicht geltend gemacht.
2. Das SG hat mit Urteil vom 22.11.2019 auch zu Recht entschieden, dass auch die weiteren angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig
sind und als Folge des Unfalls vom 16.04.2015 Ansprüche des Klägers in Form der Zahlung von Verletztengeld über den 17.05.2015
hinaus bzw. der Zahlung einer Verletztenrente, auch als Stützrente, nicht bestehen.
Nach §
45 Abs.
1 SGB VII wird Verletztengeld erbracht, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist oder wegen einer Maßnahme
der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann (Nr. 1) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit
oder der Heilbehandlung u.a. Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld oder die sonst dort genannten Sozialleistungen
hatte (Nr.
2). Verletztengeld wird nach §
46 Abs.
1 SGB VII von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tage des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme,
die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. Nach §
46 Abs.
3 Nr.
1 SGB VII endet das Verletztengeld mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit
durch eine Heilbehandlungsmaßnahme. Alle Ansprüche nach dem §§
26 ff
SGB VII setzen als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden voraus (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, juris Rn. 20).
Diese Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztengeld liegen über den 17.05.2015 hinaus nicht vor. Gleiches gilt für
die bereits oben (s. unter 1.) dargelegten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztenrente, auch nicht in Form eines
Stützrententatbestandes.
Auch diesbezüglich verweist der Senat zunächst auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§
153 Abs.
2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch das vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegte Gutachten von Dr. N nicht
für, sondern vielmehr gegen das Vorliegen des vom Kläger wegen des Unfalls vom 16.04.2015 geltend gemachten Anspruchs auf
Verletztengeld spricht. So hat Dr. N ausweislich seines Gutachtens am Unfalltag bereits vor dem Unfall beim Kläger erhebliche
psychische Auffälligkeiten im Sinne einer allenfalls teilremittierten PTBS und einer rezidivierenden depressiven Störung festgestellt,
die er als Folgen des Arbeitsunfalls aus dem Jahr 2008 angesehen hat. Dr. N hat den Kläger in Folge dieser Gesundheitsstörungen
bereits zum Zeitpunkt seiner vor dem Unfall vom 16.04.2015 erfolgten Begutachtung für dauerhaft berufsunfähig gehalten. Eine
Ursächlichkeit auf den Unfall vom 16.04.2015 zurückzuführender, möglicher psychischer Gesundheitsstörungen für eine nach diesem
Zeitpunkt bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers kommt damit auch nach den Feststellungen von Dr. N nicht in Betracht.
Der Kläger hat zudem auch nicht nur gegenüber Dr. N, sondern ebenso gegenüber Prof. Dr. L im Rahmen der durch diesen am 02.04.2015,
und damit kurz vor dem Arbeitsunfall vom 16.04.2015 durchgeführten, Begutachtung angegeben, dass sich die psychischen Störungen
nach dem Unfall 2008 entwickelt hätten. Der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. L ausdrücklich erklärt, dass er bereits seit 2008
"nicht mehr richtig gearbeitet" habe und er zwar ab und zu versuche, leichte Bürotätigkeiten zu verrichten, sich aber nicht
mehr leistungsfähig fühle. Vor diesem Hintergrund hält der Senat auch die, nicht näher begründete, Einschätzung von Dr. M
in dessen Bericht vom 08.05.2017 nicht für überzeugend, dass es erst auf Grund des Unfalls vom 16.04.2015 zu einer protrahierten
Behandlungsbedürftigkeit gekommen sei und beim Kläger erst wegen der Folgen dieses Unfalls Berufsunfähigkeit vorliege.
Soweit das SG auch noch darauf hingewiesen hat, dass es sich ausweislich der Feststellungen von Dr. M in dessen Bericht vom 18.08.2015
bei den beim Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen möglicherweise um die Folgen eines reaktivierten Traumas bezogen
auf den Unfall 2001 handeln könnte, so vermag der Senat eine solche Möglichkeit, die ohnehin zur Bejahung eines Anspruchs
nicht ausreichen würde, nicht zu erkennen. Vielmehr hat Prof. Dr. L in seinem den Senat überzeugenden Gutachten vom 07.04.2015
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach dem Unfall vom 04.01.2001 keine PTBS und auch keine PTBS "in Latenz" vorgelegen
hat, so dass auch eine entsprechende Reaktivierung durch ein späteres Ereignis fernliegend erscheint. Hierauf hat auch bereits
Frau Dr. R in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 03.08.2015 hingewiesen.
Im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom
16.04.2015 weist der Senat noch darauf hin, dass selbst der auf Antrag des Klägers nach §
109 SGG tätig gewordene Sachverständige PD Dr. I in seinem auf am 05.01.2016 erfolgter ambulanter Untersuchung des Klägers beruhenden
Gutachten vom 05.03.2016 festgestellt hat, dass beim Kläger zum Zeitpunkt seiner Untersuchung überhaupt keine wesentliche
Gesundheitsbeeinträchtigung auf psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgebiet vorlag.
Der fehlende Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des
Klägers. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht durchzuführen.
Eine vom Senat zunächst beabsichtigte Einholung eines weiteren Gutachtens nach §
106 SGG hat der Kläger vereitelt, indem er ohne wichtigen Grund nicht nur eine Begutachtung durch die vom Senat zunächst beauftragte
Sachverständige Dr. T, sondern eine Begutachtung durch jeden anderen Sachverständigen als Dr. N abgelehnt hat. Auch wenn die
Beteiligten im Rahmen der Ermittlung von Amts wegen nicht daran gehindert sind, Vorschläge zur Person des Gutachters zu machen
(§
118 Abs.
1 Satz 1
SGG, §
404 Abs.
2 und Abs.
4 ZPO), obliegt die Auswahl des Auswahl des Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren ausschließlich dem Gericht (§
118 Abs.
1 SGG, §
404 Abs.
1 ZPO; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
118 Rdn. 11c, m.w.N.). Vorliegend kam eine Beauftragung von Dr. N durch den Senat nicht in Betracht, weil dieser Arzt nicht die
Gewähr für eine neutrale Begutachtung geboten hat. Es ist vielmehr zu besorgen gewesen, dass sich Dr. N, der für den Kläger
in derselben Sache bereits ein Privatgutachten erstellt hatte, auf Grund dieser Vorbefassung nicht unbefangen und mit der
gebotenen Neutralität äußern würde. Dr. N hatte den Kläger in dessen Auftrag bereits vor dem Arbeitsunfall vom 16.04.2015
im Zusammenhang mit dem hier ebenfalls streitigen Arbeitsunfall vom 04.01.2001 begutachtet. In der Regel bieten Ärzte, die
in derselben Sache bereits als Privatgutachter tätig waren, nicht die Gewähr für eine neutrale Begutachtung und sind als befangen
anzusehen (vgl. nur Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VI, 3. Aufl., §
43 SGB VI (Stand: 01.04.2021), Rn. 122 m. w. N.). Auch wenn ein Gericht einen Kläger nicht zwingen kann, sich einer Untersuchung und
Begutachtung durch vom Gericht ausgewählte neutrale Ärzte zu unterziehen, so hat dieser die prozessrechtlichen Folgen seines
Verhaltens zu tragen, wenn er ohne wichtigen Grund eine Begutachtung verweigert (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.
Februar 2014 - L 11 R 4850/12 -, juris Rn. 23; Mushoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl., §
103 SGG (Stand: 22.06.2021), Rn. 38). Dass in dem Begehren des Klägers, sich ausschließlich der Begutachtung durch einen ihm genehmen
Sachverständigen unterziehen zu wollen, kein wichtiger Grund für eine Weigerung in diesem Sinne zu sehen ist, bedarf keiner
weiteren Erörterung. Der Kläger ist auch auf die möglichen Konsequenzen seines Verhaltens vom Senat mehrfach hingewiesen worden.
Es bestand für den Senat auch keine Veranlassung, dem Antrag des Klägers nach §
109 SGG auf Einholung eines Gutachtens von Dr. N nachzukommen, wobei offenbleiben kann, ob der Kläger diesen Antrag ausdrücklich
aufrechterhalten hat, nachdem ihn der Senat auf seine Absicht hingewiesen hat, durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG zu entscheiden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
109 Rn. 4). Der Antrag ist jedenfalls als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Bei Nichtmitwirkung an einer Begutachtung aufgrund
ambulanter Untersuchung nach §
106 SGG ohne wichtigen Grund ist auch kein entsprechendes Gutachten nach §
109 SGG zuzulassen (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.11.2020 - L 13 SB 236/19 -, juris Rn. 24; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.12.2019 - L 13 SB 4/19 -, juris Rn. 38; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2018 - L 8 R 2569/17 -, juris Rn. 39). Der Kläger kann nicht die Begutachtung durch einen vom Senat nach §
106 SGG beauftragten Sachverständigen mit der Begründung ablehnen, er wolle ausschließlich durch einen vom ihm ausgewählten Arzt
nach §
109 SGG begutachtet werden. Auf diesem Wege könnte er das Auswahlrecht des Gerichts umgehen und ausschließlich eine Begutachtung
durch einem ihm genehmen Arzt herbeiführen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.