Kranken- und Pflegeversicherung - Nachforderung von Beiträgen aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung - Doppelversorgung
nach Fehleinschätzung des Versicherungsstatus
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob für den Beigeladenen zu 2. für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012
Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung nachzuzahlen sind.
Der Beigeladene zu 2., der im umstrittenen Zeitraum mit der einzelkaufmännischen Klägerin verheiratet war, war aufgrund des
Anstellungsvertrages vom 1. März 2005 als kaufmännischer Mitarbeiter bei der Klägerin beschäftigt. Gemäß § 3 des Vertrages
war für den Beigeladenen zu 2. ein monatlicher Bruttolohn in Höhe von 3.600,00 € vereinbart. Das Gehalt werde nach Abzug der
gesetzlichen Abgaben zum Ende eines jeden Monats gezahlt. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug gemäß § 2 des Anstellungsvertrages
43 Stunden. Ausweislich des Feststellungsbogens zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses
zwischen Angehörigen war der Beigeladene zu 2., der eine abgeschlossene Ausbildung zum Facharbeiter für Fertigungsmittel absolviert
hatte, mit dem Erstellen von Angeboten, der Bearbeitung des Einkaufs und dem Verkauf von Materialien sowie der Beratung der
Kundschaft beauftragt.
Am 16. August 2013 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften
für die Sozialversicherung -
SGB IV) bei der Klägerin durch. Anschließend stellte die Beklagte mit den - bestandskräftig gewordenen - Bescheiden vom 24. Oktober
2013 sowohl an die Klägerin als auch an den Beigeladenen zu 2. fest, dass das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu
2. bei der Klägerin von Beginn an versicherungspflichtig gewesen sei. Mit weiterem Bescheid vom 19. Dezember 2013 forderte
die Beklagte von der Klägerin die Nachzahlung von insgesamt 20.686,28 € an Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für
den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte zur Begründung
aus, es sei weder nachvollziehbar noch verständlich, dass im Prüfzeitraum für den Beigeladenen zu 2. keine Beiträge zur Kranken-
und Pflegeversicherung entrichtet worden seien. Diese Behauptung sei unwahr und werde einer nochmaligen Überprüfung nicht
standhalten. In dem streitgegenständlichen Zeitraum seien für den Beigeladenen zu 2. nachweislich Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung entrichtet worden. Die Klägerin fügte dem Widerspruch Unterlagen der Krankenversicherung 1 AG, der Krankenversicherung
2 AG sowie der Krankenversicherung 3 AG bei. Wegen der Einzelheiten dieser Unterlagen wird auf Blatt 79 bis 84 der Verwaltungsakte
der Beklagten verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2014 wies die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 6. Juni 2014 den
Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung -
SGB V) seien Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien, versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung erstrecke sich auf alle Personen, die Mitglied in der gesetzlichen
Krankenversicherung seien. Dabei sei es unerheblich, ob die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung auf einer Pflichtversicherung
oder auf einer freiwilligen Versicherung beruhe (§ 20 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung [SGB XI]).
Von dem Grundsatz der Versicherungspflicht könne lediglich dann abgewichen werden, wenn einer der in §
6 SGB V (Versicherungsfreiheit) oder §
8 SGB V (Befreiung von der Versicherungspflicht) genannten Ausnahmetatbestände zutreffe. Nach §
6 Abs.
1 SGB V seien Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, wenn ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze
nach den Absätzen 6 und 7 übersteige. Der Beigeladene zu 2. habe jedoch ein tatsächliches Arbeitsentgelt bezogen, welches
deutlich unter der jeweiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen habe. Daher habe bei dem Beigeladenen zu 2. im Prüfzeitraum
keine Versicherungsfreiheit nach §
6 Abs.
1 SGB V vorgelegen. Ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
8 SGB V sei nicht gestellt bzw. nicht vorgelegt worden. Andere Ausnahmetatbestände von der Versicherungspflicht seien anhand der
vorliegenden Unterlagen nicht festzustellen bzw. seien nicht vorgebracht worden. Der Vortrag in der Widerspruchsbegründung,
es seien nachweislich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge entrichtet worden, beziehe sich offensichtlich auf die Beiträge
zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Dass es bei den im angefochtenen Bescheid nachgeforderten Beiträgen zur
gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gehe und nicht um die bereits an das private Krankenversicherungsunternehmen
gezahlten Beiträge, sei der Klägerin durchaus bewusst gewesen. Schließlich habe die Klägerin den Beigeladenen zu 2. unmittelbar
nach der im August 2013 durchgeführten Betriebsprüfung bei der B als Pflichtmitglied zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung
angemeldet. Bei der rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
liege auch keine Doppelbelastung hinsichtlich der Beitragszahlung vor. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in seiner
Entscheidung vom 10. Oktober 1962 (2 BvL 27/60) ausgeführt, dass der abgabenrechtliche Grundsatz, wonach zu Beiträgen nur herangezogen werden dürfe, wer von einem bestimmten
öffentlichen Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erwarten habe, für die Sozialversicherung gerade nicht gelte. Eine
hinreichende Rechtfertigung für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen liege in einem Beschäftigungsverhältnis aufgrund
der darin liegenden spezifischen Solidaritäts- und Verantwortungsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Würde man
in der vorliegenden Fallkonstellation von der Pflicht der Beitragszahlung absehen, könnte sich jeder Arbeitgeber seiner Pflicht
zur Beitragszahlung für die privat krankenversicherten Arbeitnehmer bei feststehender Versicherungspflicht entziehen. Der
Arbeitgeber könnte bewusst oder unbewusst vor der Versicherungspflicht seiner Arbeitnehmer die Augen verschließen und keine
Beiträge abführen, um nachträglich vorzubringen, der Arbeitnehmer sei durch eine private Krankenversicherung hinreichend abgesichert.
Ein solches Vorgehen würde die Tatbestände der Versicherungspflicht kraft Gesetzes unterlaufen bzw. umgehen. Eine schriftliche
Anfrage bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund oder einer Einzugsstelle hätte eine Beurteilung der beabsichtigten
sozialversicherungs- bzw. beitragsrechtlichen Behandlung eines Beschäftigungsverhältnisses hinsichtlich der melde- und beitragsrechtlichen
Fragen klären und somit Rechtssicherheit herstellen können.
Dagegen hat die Klägerin am 27. August 2014 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und zur Begründung vorgetragen, unstreitig
habe in dem streitgegenständlichen Zeitraum ein abhängiges versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen
zu 2. vorgelegen. Allerdings habe sie - die Klägerin - für ihn nachweislich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt.
Die Beklagte stelle lediglich die Vermutung auf, dass der Beigeladene zu 2. im Anschluss an die durchgeführte Betriebsprüfung
eine Pflichtmitgliedschaft in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung bei der B begründet habe. Das Verfahren zur
versicherungsrechtlichen Beurteilung im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung vom August 2013 habe sich so dargestellt, dass
am 23. August 2013 ein erster Fragebogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung des Beigeladenen zu 2. von der Beklagten
zugesandt worden sei. Dieser sei am 29. August 2013 nach bestem Wissen und Gewissen vollständig ausgefüllt und an die Beklagte
zurückgesandt worden. Etwa zwei Wochen später habe ein Mitarbeiter der Beklagten - H. - angerufen. In dem Telefongespräch
habe H. aufgefordert, einige Fragen aus dem Fragebogen anders auszufüllen, weil sonst keine Versicherungspflicht des Beigeladenen
zu 2. bestehen würde. Ungefähr eine Woche nach diesem Telefongespräch sei durch eine andere Mitarbeiterin der Beklagten -
G. - persönlich ein zweiter Fragebogen mit der Bitte um nochmalige Erledigung/Unterzeichnung übergeben worden. Der zweite
Fragebogen sei dann am 22. Oktober 2013 zu Händen von H. übersandt worden.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 die Beiladung zu 1. bewirkt und am 28. April 2017 eine nichtöffentliche
Sitzung zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift über die nichtöffentliche
Sitzung (Blatt 40 f. der Gerichtsakten) verwiesen. Mit Beschluss vom 29. Mai 2018 ist schließlich die Beiladung zu 2. erfolgt.
Die Beigeladene zu 1. hat ausgeführt, die Beklagte habe im Jahr 2013 festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen
zu 2. von Beginn an (1. März 2005) versicherungspflichtig sei und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit
vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 - offensichtlich im Rahmen der vierjährigen Verjährung nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV - nachgefordert. Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung aus der Beschäftigung habe die Klägerin bereits ab dem
1. März 2005 (also von Anfang an) an die Beigeladene zu 1. als Einzugsstelle nach § 28i Satz 2
SGB IV abgeführt. Offenbar sei sie der Auffassung gewesen, dass dies in der Kranken- und Pflegeversicherung wegen der Versicherung
des Beigeladenen zu 2. in der privaten Krankenversicherung nicht notwendig sei. Zwar habe sie - die Beigeladene zu 1. - seinerzeit
erst im Zusammenhang mit den aktuellen Feststellungen der Beklagten ab 1. September 2013 eine Mitgliedschaft in der Kranken-
und Pflegeversicherung hergestellt und auch entsprechende Meldungen nach der DEÜV angefordert. Allerdings habe sie dennoch die von der Beklagten im Rahmen der Betriebsprüfung ab 1. Januar 2009 nachgeforderten
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei der Klägerin eingezogen.
Mit Urteil vom 31. Mai 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beigeladene zu 2.
sei in dem umstrittenen Zeitraum nicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze gemäß §
6 Abs.
1 i.V.m. den Abs.
6 und
7 SGB V versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen. Dem Eintritt der Versicherungspflicht stehe nicht entgegen,
dass offensichtlich sowohl der Beigeladene zu 2. als auch die Klägerin selbst keine positive Kenntnis von dessen Versicherungspflicht
gehabt hätten. Die Begründung der Versicherungspflicht sei allein an die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen
geknüpft. Sie hänge weder von einem Antrag oder einem Aufnahmeakt der Versicherung noch von einer Beitragszahlung ab und trete
ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Versicherten ein. Danach sei festzustellen, dass die Klägerin in dem streitgegenständlichen
Zeitraum ihrer Verpflichtung zur vollständigen Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 2.
nicht nachgekommen sei. Beiträge seien unstreitig nur an die privaten Krankenversicherungen entrichtet worden. Die Klägerin
sei damit zur Nachzahlung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verpflichtet. Dieser Nachforderung stehe auch kein
sozialrechtlicher Herstellungsanspruch infolge eines Beratungsfehlers oder der Einwand der erheblichen Störung des Gegenleistungs-
und Äquivalenzprinzips entgegen. Letzteres sei hier nicht gestört. Denn das Gesetz selbst halte entsprechende Möglichkeiten
bereit, um eine Doppelversorgung in der privaten und in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verhindern. §
5 SGB V beschränke sich nicht nur auf die Aufzählung der gesetzlich krankenversicherten Personen, sondern regele in bestimmtem Umfang
auch explizit die Rechtsbeziehungen zur privaten Krankenversicherung. Bei Existenz von zwei unterschiedlich gestalteten Krankenversicherungssystemen
bestehe das Risiko einer Doppelversicherung, denn Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung könne zu einem
Zeitpunkt eintreten, in dem noch ein privatrechtlicher Krankenversicherungsvertrag bestehe. Dieses Problem löse § 205 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) durch die Gewährung eines rückwirkenden Kündigungsrechts in der privaten Krankenversicherung. Machten die Betroffenen von
den gesetzlich eröffneten Möglichkeiten, eine Doppelversorgung in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung zu verhindern,
keinen Gebrauch, so liege das Risiko einer Fehleinschätzung des Versicherungsstatus bei ihnen. Dies gelte insbesondere auch
für die Klägerin als Arbeitgeberin des Versicherten. Da der Arbeitgeber nach den Bestimmungen des
SGB IV von der Nachforderung der vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (auch des Arbeitnehmeranteils) betroffen sei, sei
es ihm im Rahmen seiner Lohnbuchführung durchaus zuzumuten, Änderungen in der Höhe der Jahresarbeitsentgeltgrenze genauso
wie ein Über- oder gegebenenfalls sogar Unterschreiten aufgrund von höheren oder niedrigeren Entgeltzahlungen zu berücksichtigen
und seine Meldungen an die Einzugsstelle gegebenenfalls zu korrigieren (Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom
26. Juli 2011 - L 5 R 357/09 -, juris). Der Klägerin als Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 2. hätte auffallen müssen, dass dieser im streitbefangenen
Zeitraum die entsprechenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen in nicht unerheblichem Umfang unterschritten habe. Aus den vorgelegten
Unterlagen zur Beitragszahlung gehe eindeutig hervor, dass der Beigeladene zu 2. mit seinem Bruttoverdienst nicht ansatzweise
die entsprechenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen erreicht habe. Die Arbeitgeberin hätte ihre Meldungen an die Einzugsstelle
dementsprechend korrigieren müssen. Mit Berichtigungsbeschluss vom 5. Juli 2018 hat das Sozialgericht den Tenor des Urteils
vom 31. Mai 2018 hinsichtlich der Kostenentscheidung korrigiert.
Gegen das ihr am 16. Juli 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. August 2018 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt
und zur Begründung nach einer Betreibensaufforderung vom 9. April 2019 am 11. Juli 2019 vorgetragen, soweit die Beklagte pauschal
ausführe, ihr - der Klägerin - sei bewusst gewesen, dass es bei den nachgeforderten Beiträgen um solche zur gesetzlichen Kranken-
und Pflegeversicherung und nicht um die bereits an die private Krankenversicherung gezahlten Beiträge gegangen sei, könne
das einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Im Übrigen hat die Klägerin im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen
Verfahren wiederholt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. Mai 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. Juli 2018 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. Mai 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses
vom 5. Juli 2018 zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Halle für zutreffend.
Mit Beschluss vom 22. März 2021 hat der Senat die Beiladung zu 3. bewirkt. Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (zwei Bände) und auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie der
Beigeladenen zu 1. und 3. verwiesen. Diese Akten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung des
Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene
Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Der angefochtene Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig. Die Beklagte war für deren Erlass zuständig. Denn gemäß §
28p Abs. 1 Satz 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese neben ihren Meldepflichten auch die sonstigen Pflichten,
die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, insbesondere auch die Richtigkeit der Beitragszahlungen,
erfüllen. Nach Satz 5 der genannten Vorschrift erlassen sie im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht
und zur Beitragshöhe u.a. auch in der Kranken- und Pflegeversicherung und die entsprechenden Widerspruchsbescheide. An der
formellen Rechtmäßigkeit bestehen insgesamt keine Zweifel.
Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Nach §
28d Abs.
1 Sätze 1 und 2
SGB IV werden u.a. die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten als Teil des
Gesamtsozialversicherungsbeitrags gezahlt. Zur Zahlung verpflichtet ist der Arbeitgeber (§
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV). Es ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten, dass der Beigeladene zu 2. als Beschäftigter der Klägerin im Sinne von
§
7 Abs.
1 SGB IV in der Zeit gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung und gemäß §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB XI der Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung unterlag. Der Senat hat insoweit ebenfalls keine begründeten
Zweifel. Der Beigeladene zu 2. war auch nicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze gemäß §
6 Abs.
1 in Verbindung mit den Abs.
6 und
7 SGB V versicherungsfrei.
Dem Eintritt der Versicherungspflicht steht nicht entgegen, dass offensichtlich sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene
zu 2. selbst keine positive Kenntnis von dessen Versicherungspflicht gehabt haben. Die Begründung der Versicherungspflicht
ist allein an die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft. Sie hängt weder von einem Antrag oder einen
Aufnahmeakt der Versicherung noch von einer Beitragszahlung ab und tritt ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Versicherten
ein (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Juni 2012 - L 1 R 23/10 -, juris, RdNr. 20 mit weiteren Nachweisen). Danach ist festzustellen, dass die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum
ihrer Verpflichtung zur vollständigen Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 2. nicht nachgekommen
ist. Sie ist damit zur Nachzahlung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verpflichtet. Soweit die Klägerin auf eine
Abführung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung verweist, entspräche selbst diese Handhabung nicht den gesetzlichen
Pflichten der Arbeitgeberin, wie sie in §
257 Abs.
2 SGB V geregelt sind.
Diese Nachforderung ist auch nicht verjährt oder verwirkt noch steht ihr der Einwand einer erheblichen Störung des Gegenleistungs-
und Äquivalenzprinzips entgegen. Gemäß §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach dem
Arbeitsentgelt zu bemessende Beiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung
ausgeübt worden ist (§
23 Abs.
1 SGB IV). Danach begann der Lauf der Verjährungsfrist für die im Jahre 2009 fälligen Beiträge am 1. Januar 2010 und endete am 31.
Dezember 2013. Damit hat der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2013 gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) den Ablauf der Verjährungsfrist für alle geschuldeten Beiträge rechtzeitig gehemmt.
Die Beitragsforderung der Beklagten ist auch nicht verwirkt. Zwar ist das Rechtsinstitut der Verwirkung auch für das Recht
der Sozialversicherung und auch für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen anerkannt. Es setzt aber nicht nur
voraus, dass der Berechtigte eine Ausübung seines Rechts der Beitragsforderung während eines längeren Zeitraums unterlassen
hat. Vielmehr müssen „weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht
kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal
erscheinen lassen" (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 R 16/09 R -, juris, RdNr. 36). Diese besonderen Umstände setzen ein Verwirkungsverhalten des Berechtigten voraus, das auf einer Vertrauensgrundlage
zu einem Vertrauenstatbestand bei der Verpflichteten geführt hat, und diese ihr Verhalten darauf eingerichtet hat (BSG, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Von einem Verwirkungsverhalten der Beklagten kann hier aber nicht die Rede sein. Vielmehr
hat sie seit Kenntnis des Falles durchgehend deutlich gemacht, dass sie ihre Beitragsforderungen geltend machen will.
Der geltend gemachten Nachforderung steht auch nicht das sogenannte Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzip entgegen. Dies bedeutet
im Grundsatz, dass den geschuldeten Beiträgen Ansprüche auf Leistungen aus dem zugleich begründeten Versicherungsverhältnis
gegenüberstehen. Dieses Prinzip ist in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit nach Auffassung des Senats nicht gestört. Denn
das Gesetz selbst hält entsprechende Mittel bereit, um eine Doppelversorgung in der privaten und in der gesetzlichen Krankenversicherung
zu verhindern. So hätte der Beigeladene zu 2. - worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat - gemäß § 205 Abs. 2 VVG - seine private Krankenversicherung rückwirkend kündigen können. Dies hat er versäumt und die Klägerin hat offensichtlich
keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen, um ihn zu einer entsprechenden Antragstellung zu veranlassen. Machen die Betroffenen
von den gesetzlich eröffneten Möglichkeiten, eine Doppelversorgung in der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung
zu verhindern, keinen Gebrauch, so liegt das Risiko einer Fehleinschätzung des Versicherungsstatus bei ihnen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt,
Urteil vom 14. Juni 2012, a.a.O., RdNr. 25). Auch hierauf hat das Sozialgericht zutreffend hingewiesen. Dies gilt insbesondere
auch für die Klägerin als der Arbeitgeberin des Versicherten. Weil der Arbeitgeber nach den Bestimmungen des
SGB IV von der Nachforderung der vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (auch des Arbeitnehmeranteils) betroffen ist, ist
es ihm im Rahmen seiner Lohnbuchführung durchaus zuzumuten, Änderungen in der Höhe der Jahresarbeitsentgeltgrenzen genauso
wie ein Über- oder gegebenenfalls sogar Unterschreiten aufgrund von höheren oder niedrigeren Entgeltzahlungen zu berücksichtigen
und seine Meldungen an die Einzugsstelle gegebenenfalls zu korrigieren (Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Juli 2011 - L 5 R 357/09 -, juris, RdNr. 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Die Beigeladenen haben selbst keine Anträge gestellt und sich damit auch nicht in ein Kostenrisiko begeben; daher sind
ihnen keine Kosten zu erstatten (§
162 Abs.
3 VwGO).
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.