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LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.06.2021 - 4 AS 71/16
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bildung und Teilhabe - außerschulische Lernförderung - Legasthenie und Dyskalkulie - Therapie zur Behandlung als Lernförderung - Abgrenzung zur Lese- und Rechtschreibschwäche - Sachaufklärungspflicht der Sozialgerichte - Verbesserung des Leistungsniveaus als wesentliches Lernziel - Angemessenheit der Lernförderungskosten - Mehrbedarf - unabweisbarer laufender besonderer Bedarf - Fahrkosten zur Therapie
1. Ansprüche auf Übernahme der Kosten für Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB II sind gerichtlich isoliert durchsetzbar (BSG vom 25.4.2018 - B 4 AS 19/17 R = SozR 4-4200 § 28 Nr 11, juris RN 13).
2. Bei einer Therapie zur Behandlung einer Legasthenie bzw Dyskalkulie handelt es sich um eine Lernförderung im Sinne von § 28 Abs 5 SGB II.
3. Zur Feststellung und Abgrenzung von Legasthenie und Lese-Rechtschreibschwäche (LRS).
4. Die Sozialgerichte stellen eine Lernschwäche oder Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) von Amts wegen fest. Bei der Sachaufklärung ist grundsätzlich nicht auf die Einschätzung der Therapeutin/des Therapeuten abzustellen. Der in § 35a Abs 1a S 4 SGB VIII normierte Grundsatz, wonach zur Vermeidung von Interessenkollisionen für die Feststellung des Hilfebedarfs nicht der Leistungserbringer (Therapeut) herangezogen werden soll, ist im SGB II entsprechend anzuwenden.
5. Wesentliches Lernziel kann in einer schulischen Ausbildung neben der Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe auch eine Verbesserung des Leistungsniveaus bei Vorliegen einer Legasthenie oder Dyskalkulie sein. Das wesentliche Lernziel ist nicht abstrakt, sondern im jeweiligen Einzelfall differenzierend nach Schulform und Klassenstufe anhand der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln.
6. Zur Angemessenheit der Kosten für Lernförderung.
7. Zum Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen für die Fahrtkosten zur Durchführung der Lernförderung.
Normenkette:
§ 28 Abs 1 S 1 SGB II
,
§ 37 Abs 1 S 2 SGB II
,
§ 28 Abs 5 SGB II
,
§ 29 Abs 1 SGB II
,
§ 35a Abs 1a S 4 SGB VIII
,
§ 21 Abs 6 S 1 SGB II
,
§ 21 Abs 6 S 2 SGB II
,
§ 6 Abs 1 Nr 2 RBEG
,
§ 20 SGB 10
,
§ 103 SGG
Vorinstanzen: SG Halle 18.11.2015 S 34 AS 1201/15
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2015 sowie die Bescheide des Beklagten vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 2. März 2015 werden hinsichtlich des Klägers aufgehoben und der Beklagte verurteilt, dem Kläger die Kosten für die außerschulische Lernförderung in Höhe von 150 € für Januar 2015, jeweils 200 € für die Monate Februar bis Mai 2015 sowie die Fahrtkosten in Höhe von 12 € für Januar 2015 und jeweils 16 € für die Monate Februar bis Mai 2016 zu erstatten.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

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