Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Landeskasse zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung für ein abgeschlossenes
Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg.
In dem Klageverfahren S 47 AS 1702/15 wendeten sich die drei in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger gegen die Höhe der mit Bescheid vom 25. Februar 2014 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2015 verfügten Aufhebung und Erstattung überzahlter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Dies erfolgte wegen der Anrechnung von hinzugetretenem Einkommen auf den Hilfebedarf der Kläger.
Die Prozessbevollmächtigte und Beschwerdeführerin erhob am 18. Juni 2015 Klage und beantragte am 3. Juli 2015 Prozesskostenhilfe
für die Kläger. Sie nahm Akteneinsicht und begründete die Klage mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 auf zwei Seiten. Sie rügte
die Berechnung der überzahlten Leistungen wegen höherer Wohnkosten als bislang zugrunde gelegt. Das Sozialgericht bewilligte
mit Beschluss vom 13. März 2018 den Klägerinnen zu 1. und 3. Prozesskostenhilfe; den Antrag des Klägers zu 2. lehnte es ab.
In dem Erörterungstermin am 15. Juni 2019 (Dauer: 9:27 Uhr bis 10:38 Uhr) wurde die Sach- und Rechtslage erörtert und der
Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich erledigt. Der Beklagte verpflichtete sich zur Erstattung von 50% der notwendigen
außergerichtlichen Kosten der Kläger.
In dem Antrag auf Kostenfestsetzung vom 31. Juli 2019 nach §
126 Zivilprozessordnung (
ZPO) gegen den Beklagten machte die Beschwerdeführerin insbesondere eine Verfahrensgebühr (VV 3102 RVG) i.H.v. 383 € (= 4/3 der Mittelgebühr), erhöht um 229,80 € bei drei Auftraggebern, eine Einigungs-/Erledigungsgebühr (VV
1006 RVG) i.H.v. 383 € sowie eine Termingebühr (VV 3106 RVG) i.H.v. 423 € geltend. Mit den weiteren Einzelpositionen sowie einem Abzug von 50% der Bruttosumme ergab sich ein Zahlungsanspruch
von 877,74 €.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 28. Mai 2020 die von dem Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen
Kosten auf 749,34 € festgesetzt. Dabei hat sie eine Verfahrensgebühr (VV 3102 RVG) in Höhe der Mittelgebühr (= 300 €), erhöht um 0,6 (= 180 €) bei drei Auftraggebern (VV 1008 RVG) berücksichtigt. Für die Einigungs-/Erledigungsgebühr (VV 1006 RVG) hat sie ebenfalls die Mittelgebühr
(= 300 €) zugrunde gelegt. Die Termingebühr (VV 3106 RVG) hat sie antragsgemäß mit 423 € anerkannt; ebenso die übrigen hier nicht streitigen Positionen. Die dagegen gerichtete Erinnerung
der Beschwerdeführerin hat das Sozialgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 31. März 2021 zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hatte bereits am 19. Juni 2019 die Festsetzung der Gebühren und Auslagen für die bewilligte Prozesskostenhilfe
beantragt. Abweichend von der vorherigen Rechnungslegung hatte sie eine Gebührenerhöhung für die Verfahrensgebühr nur um 30%
wegen zwei Auftraggebern vorgenommen; im Übrigen hatten sich keine Änderungen ergeben. Von dem Gesamtbetrag von 1.618,76 €
sei die Zahlungspflicht des Beklagten i.H.v. 877,74 € abzusetzen, sodass ein Erstattungsbetrag gegen die Landeskasse i.H.v.
741,02 € verbleibe.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 28. August 2019 die der Beschwerdeführerin entstandenen Kosten
gegen die Landeskasse gemäß § 55 RVG (RVG) auf 642,34 € festgesetzt. Sie hat unverändert eine Verfahrensgebühr (VV 3102 RVG) in Höhe der Mittelgebühr (= 300 €), erhöht um 0,3 (= 90 €) bei einem weiteren Auftraggeber (VV 1008 RVG) sowie die Einigungs-/Erledigungsgebühr (VV 1006 RVG) i.H.d. Mittelgebühr (= 300 €) zugrunde gelegt. Die Termingebühr (VV 3106 RVG) hat sie antragsgemäß mit 423 € berücksichtigt. Von der Gesamtsumme i.H.v. 1.391,68 € ist der Betrag von 749,34 € (Anspruch
nach §
126 ZPO) abgesetzt worden.
Dagegen haben sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Landeskasse Erinnerung beim Sozialgericht eingelegt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 31. März 2021 die Erinnerung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen und auf die Erinnerung
des Beschwerdegegners die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 396,43 € festgesetzt. Die Beschwerdeführerin habe die überzahlten
245,91 € zu erstatten. Die vorgenommene Festsetzung der Verfahrensgebühr sei unbillig. Es handele sich um ein deutlich unterdurchschnittliches
Verfahren vor den Sozialgerichten. Es könne daher höchstens eine Verfahrensgebühr von 2/3 der Mittelgebühr berechnet werden
(= 320 € bei drei Klägern). Die Einigungsgebühr richte sich nach der Höhe der Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung der Personenmehrheit
(= 200 €). Von dem Gesamtbetrag i.H.v. 1.189,25 € sei der Kostenanteil des Beklagten (50% der außergerichtlichen Kosten =
594,65 €) abzusetzen. Von dem Rest-Vergütungsanspruch i.H.v. 494,64 € seien nur 2/3 = 396,43 € zu berücksichtigen, weil nur
für zwei Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei.
Gegen den ihr am 6. April 2021 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 20. April 2021 Beschwerde beim Sozialgericht
Magdeburg erhoben. Die Verfahrensgebühr i.H.v. 4/3 der Mittelgebühr sei nicht unbillig. Es habe sich um eine insgesamt überdurchschnittliche
Angelegenheit gehandelt (Durchführung von Leistungsberechnungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr nach Klageerhebung,
Klagebegründung und Akteneinsicht). Zu berücksichtigen seien auch die überlange Verfahrensdauer von 45 Monaten mit einem dadurch
deutlich erhöhten Umfang anwaltlicher Tätigkeit. Die erforderlichen Hilfestellungen bei den Anträgen auf Prozesskostenhilfe
und die schwierigen und umfangreichen Gespräche mit den Mandanten hätten den Aufwand weiter erhöht. Die weiteren Kriterien
seien insgesamt als durchschnittlich zu bewerten.
Im weiteren Verlauf hat die Beschwerdeführerin geltend macht, für die Verfahrensgebühr sei jedenfalls eine Mittelgebühr gerechtfertigt.
Diese dürfte nicht gekürzt werden, weil die Prozesskostenhilfe ohne zeitliche Begrenzung bewilligt worden sei. Bei der Einigungsgebühr
sei die verspätete Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen; diese entstehe in Höhe der vollen ungekürzten Verfahrensgebühr.
Auch seien die Berechnungen des Sozialgerichts fehlerhaft. Wegen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur für die zwei Klägerinnen
sei ein Anteil von 50% von den entstandenen Gebühren i.H.v. 1.618,76 € (= 809,38 €) zu erstatten. Keinesfalls könne von den
Gesamtgebühren für zwei Auftraggeber der von der Beklagten für drei Auftraggeber zu erstattende Betrag abgezogen werden. Die
Festsetzung ginge zulasten des dritten Klägers.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
auf den Kostenerstattungsantrag vom 19. Juni 2019 einen weiteren Betrag von 245,91 € zur Erstattung festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen sowie die Vergütung der Beschwerdeführerin für das Klageverfahren i.H.v. 293,30 festzusetzen.
Er hat mit seiner Anschluss-Beschwerde vom 17. Juni 2021 ausgeführt, die Festsetzung einer Verfahrensgebühr i.H.v. 2/3 der
Mittelgebühr sowie die Anrechnung der Zahlungen des Beklagten seien nicht zu beanstanden. Der Gesamtvergütungsanspruch betrage
1.189,29 €; auf die beiden Klägerinnen entfalle ein Anteil von 792,86 € (= 2/3). Die Beschwerdeführerin müsse sich gemäß §
58 Abs. 2 RVG die vom Beklagten erhaltenen Zahlungen in voller Höhe anrechnen lassen (= 749,34 €). Da hier nur für zwei der drei Klägern
Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, sei bei der Anrechnung des vom Beklagten gezahlten Betrags ein Anteil von 1/3 (= 249,78
€) herauszurechnen. Es sei daher ein Zahlbetrag von 499,56 € zu berücksichtigen. Der Restvergütungsanspruch betrage somit
293,30 €.
Die Gerichtsakte zum Verfahren S 47 AS 1702/15 hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II.
1.a.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands
für die Beschwerdeführerin den Beschwerdewert von 200 € gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG. Sie begehrt eine Kostenerstattung i.H.v. weiteren 245,91 €.
Die Beschwerde ist auch am 20. April 2021 gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3
Satz 3 RVG binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts am 6. April 2021 eingelegt worden.
b.
Die - wegen Versäumens der Rechtsmittelfrist - unselbstständige Anschluss-Beschwerde des Beschwerdegegners ist ebenfalls zulässig.
Da das RVG insoweit keine besonderen Regelungen enthält, gilt die allgemeine Regelung des §
567 Abs.
3 ZPO. Danach verliert die Anschluss-Beschwerde ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen
wird. Beides ist hier nicht der Fall.
c.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist der Senat, auf den der zum Berichterstatter bestimmte Senatsvorsitzende
das Verfahren übertragen hat (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
2.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist unbegründet. Diese hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte höhere Vergütung.
Die Anschluss-Beschwerde des Beschwerdegegners ist hingegen teilweise begründet. Der Beschwerdeführerin stehen als aus der
Landeskasse zu erstattende Gebühren und Auslagen im sozialgerichtlichen Verfahren S 47 AS 1702/15 insgesamt nur 422,09 € zu. Die Beschwerdeführerin hat daher den überzahlten Betrag i.H.v. 220,25 € zu erstatten.
a.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse
zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV RVG). Die Höhe der Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem
Ermessen (Satz 1); außerdem ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in
§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht abschließend, so dass weitere (unbenannte) Kriterien mit einbezogen werden können.
Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander. Für jede Rahmengebühr ist dabei eine
eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich (Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017, L 4 AS 141/16 B , Rn. 36 , juris). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht
verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm ein Spielraum (sog. „Toleranzgrenze“) von 20 % zusteht (Bundessozialgericht
[BSG], Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09, Rn. 19, juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet hat; in diesem Falle erfolgt eine Festsetzung
nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
a.a.
Bei der Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) handelt es sich um eine Tätigkeitsgebühr, mit der jede prozessuale Tätigkeit eines Rechtsanwalts abgegolten wird, für die
das RVG keine gesonderte Gebühr vorsieht. Sie entsteht für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information und gilt
u.a. für die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage anhand von Rechtsprechung und Literatur, die im Zusammenhang mit dem gerichtlichen
Verfahren notwendigen Besprechungen sowie den Schriftwechsel des Rechtsanwalts mit dem Auftraggeber, Dritten, Gericht oder
Sachverständigen, ferner die Mitwirkung bei der Auswahl und Beschaffung von Beweismitteln, die Sammlung und den Vortrag des
aus der Sicht des Rechtsanwalts relevanten Stoffs sowie das Anbieten von Beweismitteln (Bundestags-Drucksache 15/1971, S.
210). Der durchschnittliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hat sich dabei am Leitbild des sozialgerichtlichen Verfahrens
zu orientieren. Von Bedeutung ist darüber hinaus auch, welchen Einsatz der Rechtsanwalt im Einzelnen erbringen muss. Zu berücksichtigen
ist dabei zum Beispiel das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung mit dem Mandanten, das Aktenstudium, das Anfertigen
von Notizen, bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung, wie sich dieser rechnerisch ermittelt, und zwar unter Eingehung
auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie die Heranziehung von Kommentarliteratur und einschlägiger Rechtsprechung ( LSG
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2017, L 4 AS 141/16 B , Rn. 37 , juris).
Es entspricht dabei allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent
für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind
sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen (LSG Sachsen-Anhalt,
a.a.O., Rn. 38). Dabei kann im Übrigen die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit
anderer Bewertungskriterien kompensiert werden (BSG, a.a.O., Rn. 38).
Nach diesen Grundsätzen ist hier der Ansatz einer Verfahrensgebühr i.H.v. 383 € (ohne Erhöhung) unbillig gewesen. Denn die
Beschwerdeführerin hat die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG auch unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet. Eine Verfahrensgebühr oberhalb von 200
€ (= 2/3 der Mittelgebühr), die vom Sozialgericht zuerkannt worden ist, kann auch unter Berücksichtigung der Toleranzgrenze
nicht als angemessen betrachtet werden.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Sozialgericht Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 13. März 2018 ohne weitere
zeitliche Einschränkung bewilligt hat, so dass für die Bemessung nach den Kriterien des § 14 RVG die gesamte Verfahrensdauer der ersten Instanz maßgeblich ist.
Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeiten im Zeitraum ab Klageerhebung sind vorliegend als deutlich unterdurchschnittlich
einzuschätzen. Die Beschwerdeführerin hat nach Klageerhebung Akteneinsicht genommen und die Klage mit zweiseitigem Schriftsatz
begründet. Dabei hat sie allein auf die tatsächlichen Unterkunftskosten dargestellt, die zu einer Erhöhung des Gesamthilfebedarfs
führten und den streitigen Erstattungsbetrag reduzierten.
Besondere Schwierigkeiten oder ein erhöhter Aufwand waren insoweit für die Beschwerdeführerin nicht gegeben. Es mussten nicht
etwa weitere Beweismittel vorgelegt werden (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 25. Januar 2021, L 5 AS 74/20 B betreffend die Beteiligten). Soweit das Sozialgericht im Erörterungstermin für Dezember 2012 und Februar 2013 auf eine
formelle Rechtswidrigkeit verwiesen hat, führt dies nicht zu einem höheren Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit.
Denn die Beschwerdeführerin hatte in ihrer Klageschrift dieses Problem nicht angesprochen.
Die Verfahrensdauer von Juni 2015 bis zum Vergleichsschluss im März 2019 ist nicht gebührenerhöhend zu berücksichtigen. Zurecht
hat das Sozialgericht darauf abgestellt, dass sich aus der Dauer des Verfahrens allein keine erkennbaren höheren Schwierigkeiten
ergeben hätten (so auch: Beschluss des Senats vom 4. Juni 2020, L 5 AS 540/19 B). Zunächst ist zu berücksichtigen, dass schon die Klagebegründung erst ein Jahr nach Einlegung der Klage worden ist. Eine
jeweils notwendige erneute Einarbeitung in die Sache aufgrund langer Pausen im Verfahrensablauf ist vorliegend auch nicht
ersichtlich. Vielmehr erfolgte nach der Klagebegründung kein weiterer Schriftsatzwechsel der Beschwerdeführerin. Es ist daher
nicht plausibel, dass die Beschwerdeführerin wegen der Verfahrensdauer als solche sich jeweils neu in den Fall einarbeiten
musste.
Ein Mehraufwand für Hilfestellungen beim Ausfüllen des Antrags auf die beantragte Prozesskostenhilfe kann beim Umfang der
anwaltlichen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden. Die Formulare sind von der Mandantschaft selbst ausgefüllt worden, Hinweise
auf die Beteiligung der Beschwerdeführerin sind nicht erkennbar. Soweit das Sozialgericht von den Klägern noch Nachweise über
die bewilligten Leistungen nach dem SGB II sowie vollständige Kontoauszüge angefordert hat, beschränkte sich der Aufwand der Beschwerdeführerin auf die Weiterleitung
der geforderten Unterlagen. Im Übrigen führt allein der Umstand, dass im Verfahren Prozesskostenhilfe beantragt wurde, nicht
zu einem gebührenerhöhenden Mehraufwand.
Der Hinweis auf (mehrere) umfangreiche und schwierige Gespräche mit der Mandantschaft, auch telefonisch, führt ebenfalls nicht
zu einer Erhöhung des Schwierigkeitsgrads. Denn es ist nicht erkennbar und auch nicht dargelegt worden, weshalb bei einem
einzigen Schriftsatz zur Klagebegründung mehrere Gespräche stattgefunden haben sollten. Die dort in den Vordergrund gestellte
tatsächliche Miethöhe war für eine Rechtsanwältin auch ohne besonderen Schwierigkeitsgrad ermittelbar.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger war eher überdurchschnittlich. Im Verfahren war ein Leistungszeitraum von über
einem Jahr streitig und die Kläger waren eine Rückforderung von fast 1.000 € ausgesetzt.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger waren wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II deutlich unterdurchschnittlich.
Ein besonderes Haftungsrisiko für die Beschwerdeführerin oder weitere zu berücksichtigende Kriterien sind nicht ersichtlich.
Insgesamt erscheint anhand der genannten Kriterien die Festsetzung von 4/3 der Mittelgebühr der Verfahrensgebühr von 383 €
als zu hoch und die Bestimmung durch das Sozialgericht auf 200 € (ohne Erhöhung) als angemessen.
Das Begehren der Beschwerdeführerin liegt somit auch jenseits der Toleranzgrenze.
b.b.
Diese Gebühr war - nur - für einen weiteren Auftraggeber im PKH-Verfahren um 30%
(= 60 €) zu erhöhen (Nr. 1008 VVG RVG). Es ergibt sich somit eine Verfahrensgebühr i.H.v. 260 €.
Der Senat folgt insoweit der überwiegenden Auffassung der Rechtsprechung zum Umfang des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts.
Wenn dieser mehrere Streitgenossen vertritt, er aber nicht für alle im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet wurde, besteht
zwar ein Vergütungsanspruch in Höhe der vollen Gebühren. Der Zuschlag nach Nr. 1008 VV RVG bestimmt sich aber nur nach der Zahl der Streitgenossen, für die Prozesskostenhilfe bewilligt wurde (vgl. die Darstellung
der verschiedenen Auffassungen der Rechtsprechung durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Januar
2018, L 39 SF 186/16 BE [12 f.]).
Dies ergibt sich schon aus der gesetzlichen Regelung in § 48 Abs. 1 i.V.m. § 7 RVG. Danach bestimmt sich die gesetzliche Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts gegenüber der Landeskasse nach den Beschlüssen
über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und dessen Beiordnung. Ist - wie hier - unbeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt
worden, wird für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird,
die Gebühr nur einmal bewilligt (§ 7 Abs. 1 RVG).
Die gesetzliche Vergütung i.S.v. § 45 Abs. 1 RVG beinhaltet die in dem VV RVG vorgesehenen Verfahrens-, Geschäfts- und Termingebühr. Die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG ist aber keine eigene Gebühr, sondern sie regelt einen Erhöhungstatbestand (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg,
a.a.O. [18]).
Jeder der Auftraggeber schuldet die Gebühren und Auslagen in dem Umfang, als wäre der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig
geworden (§ 7 Abs. 2 Satz 1 RVG). Für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Landeskasse gemäß § 122
Abs. 1 Nr. 3
ZPO ergibt sich nichts Anderes. Dieser bestimmt sich daher nach den Gebühren und Auslagen, die angefallen wären, wenn er nur
die bedürftige(n) Partei(en) im Rechtsstreit vertreten hätte (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, a.a.O. [17]).
c.c.
Die Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) bemisst sich an der Höhe der Verfahrensgebühr ohne Erhöhungsgebühr, so dass diese zutreffend durch das Sozialgericht mit
200 € festgesetzt worden ist.
b.
Die Termingebühr (VV 3106 RVG) ist antragsgemäß i.H.v. 423 € festgesetzt worden. Angesichts der Dauer des Erörterungstermins ist die vorgenommene Erhöhung
dieser Gebühr auch gerechtfertigt.
c.
Die weiteren Bestandteile der Kostenfestsetzung (Geschäftsreise 3,90 €, Abwesenheitsgeld 10,00 €, Post/Telekommunikation 20,00
€, Dokumentenpauschale 22, 50 €) sowie Umsatzsteuer i.H.v. 178,49 € (auf den Nettobetrag von 939,40 €) sind ebenfalls von
den Beteiligten nicht angegriffen worden. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Festsetzung ergeben sich insoweit nicht, so dass
die Gesamtvergütung insgesamt 1.117,89 € beträgt.
d.
Aus den oben genannten Gründen war es nicht zulässig, den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gesamtvergütung wegen der Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für nur zwei der drei Kläger auf 2/3 zu reduzieren.
Die Beschwerdeführerin muss sich aber gemäß § 58 Abs. 2 RVG die vom Beklagten aufgrund des Vergleichs erhaltenen Zahlungen anrechnen lassen, soweit diese die von ihr vertretenen prozesskostenhilfebedürftigen
Kläger betreffen. Von der Gesamtzahlung von 749,34 € entspricht dies 695,80 € (abzgl. eine Erhöhung und die hierauf entfallende
Umsatzsteuer). Der noch nicht gedeckte Zahlungsanspruch der Beschwerdeführerin gegen die Landeskasse beträgt somit nur 422,09
€.
3.
Die Beschwerdeführerin hat durch den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 28. August 2019 einen Gesamtbetrag
von 642,34 € erhalten. Davon hat sie 220,25 € an den Beschwerdegegner zu erstatten.
4.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG). Eine Beschwerde an das BSG findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).