Keine Anerkennung einer Erkrankung als Folge eines Unfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung allein aufgrund der Seltenheit
des Auftretens
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Hüftgelenksarthrose und -nekrose beim Kläger Folge eines Unfalls ist, den dieser
in der Deutschen Demokratischen Republik erlitten hat.
Der im Dezember 1973 geborene Kläger erlitt am 27. September 1988 einen Arbeitsunfall, der von der Verwaltung der Sozialversicherung
der DDR anerkannt wurde. Dabei geriet der Kläger in Ausübung seines Lehrverhältnisses als Fleischerlehrling in eine Maschine
und wurde dort eingeklemmt. Er zog sich einen komplizierten Querbruch des linken Oberschenkelknochens am Übergang zum unteren
Drittel zu. Die Bruchstelle wurde durch Nagelung zusammengefügt. Im Verlauf des Heilungsprozesses zog der Kläger sich eine
weitere Sturzverletzung mit der Folge eines eingedrückten Bruchs (Infraktion) unterhalb der Kniegelenksrolle (suprakondylär)
im linken Oberschenkel zu, die beteiligte Ärzte als mittelbare Folge ungenügender Gehfähigkeit nach dem vorherigen Unfall
einschätzten.
In verschiedenen Befundunterlagen bewertete der behandelnde Traumatologe Dr. K. den Bruchstand als anatomisch korrekt und
glatt verheilt. In einem abschließenden Gutachten vom 16. August 1990 schätzte er den verbleibenden Körperschaden mit 15 %
ein. Die vorher bezogene Unfallrente wurde daraufhin schon in Zeiten "der Wende" eingestellt und der Gesetzlichen Unfallversicherung
der Bundesrepublik nachfolgend kein Datenbestand zu dem Unfall mehr übergeben.
Im Februar 2008 beantragte der Kläger die Feststellung einer Verletztenrente.
Die Beklagte zog einen Bericht des Chirurgen Dr. Pf. vom S-U-Klinikum N. vom 22. August 2008 nach erneuter Untersuchung des
Klägers bei. Der Kläger hatte dort anhaltende und im Verlauf zunehmende Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenks beklagt.
Im Grunde genommen sei er nie ganz schmerzfrei geworden. Seit ca. zehn Jahren hätten sich die Schmerzen im Hüftgelenk deutlich
verschlechtert. Dr. Pf. berichtete über eine Beinverkürzung links von 1,5 Zentimetern. Das Röntgenbild vom Vortag habe einen
in regelrechter Achsstellung verheilten Oberschenkelschaftbruch gezeigt. Rückstände seien kaum noch erkennbar, insbesondere
keine Achsfehler. Eine vermehrte Knochendemineralisation sei nicht zu erkennen. Im linken Hüftgelenk zeigten sich eine deutliche
Verschmälerung des Gelenkspaltes und ein leicht verformter Hüftkopf. Es seien deutliche zystische Veränderungen sichtbar.
Der Befund spreche für eine Hüftkopfnekrose.
Die Beklagte zog weiterhin einen Befundbericht des Orthopäden T. vom 8. Dezember 2008 bei, bei dem der Kläger erstmals am
8. Juli 2003 in Behandlung gewesen war. Dort hatte er über Schmerzen im linken Hüftbereich, zunehmend in den letzten Jahren,
geklagt. Als Röntgenbefund vom gleichen Tag teilte der Orthopäde T. eine gute achsengerechte Ausheilung des Bruches mit. Im
linken Hüftgelenk lag eine deutliche Gelenkspaltverschmälerung bei stark entrundetem und verplumpten Hüftkopf vor.
Die Beklagte veranlasste die Fertigung eines MRT des Beckens vom 6. März 2009, aus dem sich die Diagnose einer deutlichen
Femurkopfnekrose (abgestorbenes Knochengewebe im Oberschenkelkopf) links ergab.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Unfallchirurgen Dr. F. als Beratungsarzt vom 11. August 2009 ein, der die Auffassung
vertrat, die heute bestehende Hüftgelenksarthrose und -nekrose stünden nicht in einem Unfallzusammenhang. Der Bruch sei damals
korrekt versorgt worden. Hüftkopfnekrosen könnten nach einer Nagelung von Oberschenkelbrüchen auftreten, seien aber dann innerhalb
eines Jahres zu erwarten. Der Kläger habe ein Cam-Impingement an beiden Hüften als Veranlagung zu einer Hüftgelenksarthrose.
Mit Bescheid vom 3. September 2009 lehnte der Rentenausschuss der Beklagten die Feststellung einer Rente ab. Er führte aus,
ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Beschwerden und Veränderungen im Bereich des linken Hüftgelenkes und dem Arbeitsunfall
seien nicht wahrscheinlich. Der festgestellte Schaden am linken Hüftgelenk sei Ausdruck eines körpereigenen, selbständigen
Krankheitsprozesses.
Der Kläger legte dagegen noch im gleichen Monat Widerspruch ein und legte eine Einschätzung des Orthopäden T. vom 25. Januar
2010 vor, aus dessen Sicht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Unfallschaden und der Hüftgelenksarthrose bestand. Dies
ergebe sich erstens als direkte Folge der Krafteinwirkung auf das Hüftgelenk und zweitens als Folge der Fehlbelastung der
Hüfte durch die Bruchfolgen mit Beinverkürzung. Auf der Gegenseite finde sich keinerlei krankhafter Befund, und bei dem Alter
des Klägers sei eine Hüftgelenksarthrose anderer Ursache unwahrscheinlich.
In einer weiteren Stellungnahme vom 27. April 2010 führte Dr. F. aus, hier sei die Beinlängendifferenz zur Verursachung einer
Hüftkopfnekrose nicht geeignet. Eine sekundäre Arthrose aufgrund einer Fehlbelastung sei hier auszuschließen, weil der Bruch
absolut achsgerecht versorgt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er verwies
darauf, die Möglichkeit eines Zusammenhanges allein entspreche den Beweisanforderungen im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung
nicht. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger auf dem Postweg bekannt gegeben.
Mit der am 30. Juli 2010 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat der Kläger sich im Wesentlichen auf die Auffassung
des Orthopäden T. bezogen.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. Sch. vom 21. Juni 2012 eingeholt, wegen dessen Inhalt im
Einzelnen auf Bl. 53 - 73 d. A. Bezug genommen wird. Im Wesentlichen ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, er halte
einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Hüftgelenksarthrose und -nekrose für wahrscheinlich. Er halte dies auch angesichts
des Zeitablaufs für möglich, da die Ausbildung einer Sekundärarthrose nach einer solchen Bruchnagelung wie beim Kläger sehr
lange Zeiträume benötigen könne. Eine solche Arthrose nach Nagelung sei allerdings sehr selten. Die Entwicklung einer schicksalhaften
Arthrose bei einem so jungen Menschen sei allerdings eine Rarität sonder Gleichen, zumal beim Kläger keine erhebliche anatomische
Besonderheit der Hüfte vorliege. Das vom Beratungsarzt als Befund beschriebene Cam-Impingement ergebe sich weder aus einem
der einschlägigen Berichte noch könne er selbst dies sogar auf den jüngeren Aufnahmen an der rechten Hüfte erkennen. Klinisch
habe der Kläger ihm gegenüber über ständige gewisse Beschwerden im linken äußeren Hüftbereich bis in die Leiste hinein seit
dem Unfall geklagt. Er habe sich damit arrangiert und sei nicht zum Arzt gegangen. Aus seinen spontanen und unaufgeregten
Angaben ergebe sich eine entsprechende Brückensymptomatik. Das rechte Hüftgelenk sei arthrosefrei, obwohl zumindest eine beginnende
Arthrose angesichts eines vergleichsweise flach auslaufenden Pfannendachs nicht einmal verwunderlich wäre. Nach allem sei
es außerordentlich unwahrscheinlich, dass das linke Hüftgelenk bei dem noch vergleichsweise jungen Kläger eine Arthrose im
Ausmaß einer Gelenkruine ohne den Unfall entwickelt hätte. Auch Risikofaktoren für die Ausbildung einer Hüftgelenksarthrose
seien beim Kläger nicht bekannt. Es bleibe keine Erklärung für die Befundentwicklung der linken Hüfte übrig als das Unfallgeschehen.
Die Frage einer Beinlängendifferenz sei allerdings für die Zusammenhangseinschätzung komplett bedeutungslos. Der Zusammenhang
bestehe mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätze er seit dem ersten Februar
2008 mit 40 v. H. ein.
In Auswertung einer weiteren Stellungnahme von Dr. F. hat die Beklagte gegen das Gutachten eingewandt, der Sachverständige
selbst habe die Bildung einer Arthrose nach Nagelung nur als eine geringe Möglichkeit eingeschätzt. Ein Argument für einen
Zusammenhang lasse sich aus dem langen Zeitablauf jedenfalls nicht ableiten. Der Schluss auf eine Brückensymptomatik sei nicht
nachvollziehbar. Oberschenkelbrüche hinterließen nahezu immer Beschwerden unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Ausmaßes.
Auch auf der rechten Hüftgelenkseite zeigten sich zumindest Veränderungen, die auf eine entstehende Arthrose hinwiesen. Auf
den Röntgenaufnahmen vom 8. Juli 2003 sei nämlich ein Cam-Impingement zu erkennen.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16. Januar 2013, Bl. 92 - 100 d. A., hat Dr. Sch. zunächst angemerkt, die Fehlbelastung
des Hüftgelenkes als Kugelgelenk sei kaum möglich. Es erfordere - wie etwa bei Beinamputierten - ein Abkippen des Beckens
unter Entblößung eines Teils der Pfannenüberdachung des Gelenkes. Damit werde die Druckübertragungsfläche kleiner, was die
Entstehung einer Hüftgelenksarthrose begünstige. Die Behauptung, Oberschenkelbrüche hinterließen nahezu immer Beschwerden,
sei schlicht falsch. Bei einem ausgeheilten Knochenbruch könnten fortdauernde Beschwerden nur zwei Ursachen haben, nämlich
Mitverletzungsfolgen am Weichteilmantel, die beim Kläger nicht festzustellen gewesen seien, oder eine negative Beeinflussung
der Gelenkfunktion, wie immer diese auch zustande gekommen sein möge. Die Behauptung eines sich abzeichnenden Hüftgelenkverschleißes
auf der rechten Seite sei geradezu abwegig. Schon der massive Seitenunterschied spreche im Falle des Klägers in einem vergleichsweise
hohen Maße für die Unfallkausalität.
Mit Urteil vom 9. April 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Minderung der Erwerbsfähigkeit
beim Kläger erreiche das erforderliche Maß von 20 v. H. nicht. Der Oberschenkelbruch, den sich der Kläger bei dem Arbeitsunfall
vom 27. September 1988 zugezogen habe, sei nach einhelliger Auffassung der beteiligten Ärzte im Jahre 2008 anatomiegerecht
ausgeheilt gewesen. Eine Funktionseinschränkung des linken Beines habe sich daraus nicht ergeben.
Die weiteren Gesundheitsstörungen in Form einer Hüftgelenksarthrose mit einer Hüftkopfnekrose seien nicht mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 27. September 1988 zurück zu führen. Insoweit folge das Gericht im Ergebnis den
Beratungsärzten. Die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs richte sich am Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit aus,
bei der bei Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spreche und ernste Zweifel daran ausschieden.
Hingegen genüge die bloße Möglichkeit einer Verursachung nicht.
Der Verdacht des Sachverständigen Dr. Sch., der Kläger habe sich bei dem Unfall einen Pfannenrandbruch links zugezogen, finde
in den ärztlichen Befunden keine Bestätigung. Dr. K. habe einen solchen Bruch in den Unterlagen über die damalige Behandlung
nicht beschrieben. Auch der Beratungsarzt Dr. F. habe einen solchen Befund nicht mitgeteilt. Er sei nicht vollbeweislich gesichert
und entfalle als Grundlage für einen Zusammenhang.
Der Beginn der Hüftgelenksarthrose und -nekrose lasse sich nicht feststellen. In den von Dr. K. gefertigten Unterlagen seien
sie noch nicht beschrieben. Erst 15 Jahre nach dem Unfallereignis habe Dipl.-Med. T. Veränderungen an der linken Hüfte beschrieben.
Der Entwicklungszeitraum könne sowohl eine schicksalhafte als auch eine unfallbedingte Hüftgelenksarthrose betreffen, sei
aber in beiden Fällen selten. Danach lasse sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges nicht begründen.
Die Hüftgelenksarthrose könne auch nicht aus einer Fehlstellung des linken Oberschenkels entstanden sein, weil eine solche
nicht festzustellen gewesen sei. Schon Dr. K. habe einen röntgenologisch anatomischen Bruchstand beschrieben. Diese Einschätzung
hätten sowohl Dipl.-Med. T. als auch Dr. Pf. bestätigt. Daran habe der Sachverständige keine Zweifel geäußert. Die Beinlängenverkürzung
von ungefähr einem Zentimeter sei nach der übereinstimmenden Einschätzung des Sachverständigen und Dr. F. für die Entwicklung
einer Hüftgelenksarthrose nicht von Bedeutung. Die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Brückensymptome seien nicht ersichtlich.
Dr. K. habe seit dem 12. Oktober 1989 von einem komplikationslosen postoperativen Verlauf und einer Entlassung des Klägers
bei subjektivem Wohlbefinden berichtet. Restbeschwerden hatten sich bis zum 16. August 1990 gebessert, als in dem Gutachten
nur noch ziehende Schmerzen bei Wetterwechsel, Oberschenkelschmerzen beim Knien und ein Taubheitsgefühl im Narbenbereich oberhalb
der Kniescheibe beschrieben worden seien. Bis zum 8. Juli 2003 seien danach keine weiteren Befunde erhoben worden. Gegenüber
Dr. Pf. habe der Kläger auch nur angegeben, seit etwa zehn Jahren hätten sich die Schmerzen im Hüftgelenk deutlich verschlechtert.
Dies betreffe erst einen zehn Jahre nach dem Unfall beginnenden Zeitraum. Der Schluss des Sachverständigen aus dem Vergleich
des Zustandes beider Hüftgelenke, es komme nur das Unfallgeschehen als Ursache für die Veränderungen des linken Hüftgelenks
in Betracht, widerspreche seinen übrigen Ausführungen. Er habe beide Möglichkeiten der Entstehung - unfallbedingt oder schicksalhaft
- eher für selten gehalten. Die Möglichkeit einer schicksalhaften Entstehung habe er nicht in Abrede gestellt. Es komme nicht
darauf an, ob eine schicksalhafte Entwicklung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegen sei; vielmehr müsse das Gericht
von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Unfallzusammenhangs überzeugt sein. Dies sei nicht der Fall.
Die Hüftkopfnekrose selbst sei nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen, weil sie sich nach der überzeugenden Auffassung
der Beratungsärzte innerhalb eines Jahres nach dem Unfall ausbilden müsse. Eine solche sei aber von Dr. K. nicht beschrieben
worden. Soweit sie sich entsprechend der Auffassung des Sachverständigen auf die Hüftgelenksarthrose aufgepfropft habe, entspreche
die Zusammenhangseinschätzung derjenigen zur Hüftgelenksarthrose.
Der Kläger hat am 3. Juni 2013 gegen das Urteil Berufung eingelegt und trägt vor, dass Sozialgericht habe den Anspruch wegen
fehlender Brückensymptome abgewiesen. Dieser Umstand spreche aber nicht automatisch für eine Unterbrechung der Kausalkette.
Diesen Anforderungen werde das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. mit seiner Einschätzung voll gerecht. Die Fakten, auf
die sich die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs gründe, seien voll bewiesen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Sozialgerichts
gewesen, seinen Hausarzt zu hören, dem er nach dem Arbeitsunfall immer wieder Schmerzen in der Hüfte geklagt habe. Röntgenbilder
aus dem Jahre 1989, die in seinem Sozialversicherungsausweis vermerkt seien, seien vernichtet worden. Er halte zur Klärung
möglicher Beweiserleichterungen die Zulassung der Revision für erforderlich.
Der Kläger beantragt in der Hauptsache,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 9. April 2013 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2010 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Februar 2008 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um
mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung und schließt sich dem Urteil des Sozialgerichts an.
Das Gericht hat eine weitere ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Sch. vom 6. Juni 2014 - unter anderem zur Auswertung
aller dem Gericht vorliegenden Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen - eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 191 -
207 d. A. Bezug genommen wird. Im Wesentlichen hat der Sachverständige die Beurteilung abgegeben, in der Frühphase nach dem
Unfall wären zweifelsfrei keine Veränderungen am linken Hüftgelenk nachzuweisen. Das Bild vom 8. Juli 2003 zeige eine ausgeprägte
Arthrose des linken Hüftgelenkes mit ersten Anzeichen einer Hüftkopfnekrose, die an einer Abplattung der Kopfkontur zu erkennen
sei. Da die Hüftgelenksarthrose damals aber noch dominiert habe, sei die Hüftkopfnekrose als Sekundärfolge einzuschätzen.
Die Hüftgelenksarthrose müsse sich bereits damals seit mehreren Jahren, mindestens 5 und höchstens 15 Jahren, entwickelt haben.
Irgendeine Veranlagung zur Entwicklung einer Hüftgelenksarthrose sei den frühen Röntgenbildern nicht zu entnehmen. Ein Cam-Impingement
sei bildtechnisch nicht zu belegen. Für die Fälle einer ungeklärten, sogenannten idiopathischen Hüftgelenksarthrose ließen
sich mittlerweile häufig Ursachen finden, auf die beim Kläger aber Hinweise fehlten. Die Entstehung einer idiopathischen Hüftgelenksarthrose
vor dem 50. Lebensjahr sei aber völlig atypisch. Eine solche Erklärung stelle eine Möglichkeit mit einer nur sehr geringen
Wahrscheinlichkeit dar. Umgekehrt sei bei dem Unfall eine erhebliche Gewalteinwirkung im Spiel gewesen, die sich an der sehr
groben Bruchflächenverschiebung um gut zehn Zentimeter im Röntgenbild zeige. Die Vermutung liege nahe, dass diese Gewalteinwirkung
auch in irgendeiner Form am linken Hüftgelenk angekommen sei und hier eine röntgenanatomisch nicht erkennbare Knorpelschädigung
bewirkt habe. In der unfallmedizinischen Literatur werde zunächst die Frage aufgeworfen, ob eine Arthrose sich nur auf einer
Seite oder - wenn auch unterschiedlich - an beiden Seiten herausgebildet habe. Im letzteren Fall sei eine Wahrscheinlichkeit
nicht zu stützen. Danach sei die Frage zu stellen, ob irgendwelche Befundauffälligkeiten oder Belastungen in der Altanamnese
bestünden, die unfallfremd die Entstehung der einseitigen Hüftgelenksarthrose erklären könnten. Seien Gründe für eine schicksalhafte
Arthroseentstehung nur dort nicht erkennbar, spreche die Wahrscheinlichkeit eher für das Gegenteil, nämlich einen Unfallzusammenhang.
Er räume ein, dass diese Beurteilung nicht zwingend und insoweit die Zweifel der Beklagten berechtigt seien. Der Bedeutung
einer Brückensymptomatik sei entgegenzuhalten, dass selbst bildtechnisch nachweisbar fortgeschrittene Arthrosen nicht immer
Beschwerden hervorrufen müssten. Eine völlige Beschwerdefreiheit habe der Kläger im Übrigen aber auch abgestritten. Jedenfalls
könne eine Symptomatik schon vor 2003 über viele Jahre zurückliegend vorgelegen haben. Die Abwägung sei nun Sache des Gerichts,
wobei eine sichere Beweisführung auch im Sinne des sogenannten Wahrscheinlichkeitsbeweises in diesem Einzelfall nicht möglich
erscheine. Er gehe aus möglicherweise unzureichenden Gründen von der Wahrscheinlichkeit aus, weil sie näher lägen als die
Gründe für das Gegenteil.
Der Kläger hat zu der ergänzenden Stellungnahme angemerkt, das geringe Alter zum Zeitpunkt der Entwicklung der Arthrose und
das Fehlen biologischer Ursachen für diese Entwicklung lasse die Einschätzung eines Zusammenhangs mit dem Unfall als zwingend
erscheinen. Der Umstand, dass er sich vor 2003 nicht in spezielle ärztliche Behandlung begeben habe, führe nicht zu einer
anderen Schlussfolgerung. Die Einschätzung Dr. Sch. sei schlüssig, wobei er es nicht für angemessen halte, dass dieser nunmehr
letztlich eine medizinische Entscheidung den Juristen zuschiebe.
Die Beteiligten haben nach Hinweisen des Berichterstatters zur Rechtslage im Erörterungstermin vom 27. August 2014 einer Entscheidung
des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Bei der Entscheidung hat neben den Gerichtsakten die Akte der Beklagten - Az. 7 4 2008 03830 - vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2010 beschwert den
Kläger nicht im Sinne von §§
157,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG, soweit die Beklagte darin die Zahlung einer Verletztenrente abgelehnt hat. Denn darauf hat der Kläger gem. §
56 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1,
2 des
Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (
SGB VII - G. v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) keinen Anspruch, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei ihm nicht ein Ausmaß von 20 v. H. erreicht. Die Anwendung dieser
Vorschrift auf den vor 1992 eingetretenen Versicherungsfall des Klägers ergibt sich aus §
215 Abs.
6 SGB VII. Es handelt sich um eine erstmalig festzustellende Rente im Sinne dieser Vorschrift i.V.m. § 1154 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) in der zuletzt geltenden Fassung, weil bei Inkrafttreten der
RVO in Sachsen-Anhalt am 1. Januar 1992 (durch Anl. I Kap. VIII Sachg. I Abschn. III Nr. 1 Maßg. f und i. d. F. durch das RÜG
v. 25.7.1991, BGBl. I S. 1606) kein Körperschaden als Grundlage einer Unfallrentenzahlung festgestellt war.
Für die feststehenden und unumstrittenen Unfallfolgen lässt sich keine Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens
im Sinne des §
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII feststellen, die die Arbeitsmöglichkeiten im Erwerbsleben hätte vermindern können. So hat Dr. F. unwidersprochen und überzeugend
ausgeführt, der beim Unfall entstandene Bruch sei bei der Erstbehandlung korrekt versorgt worden. Es seien im weiteren Behandlungsverlauf
weder eine Achsfehlstellung noch eine Beinlängendifferenz von Bedeutung verblieben. Der Bruch sei dann konsolidiert. Dieser
Einschätzung stimmt der Sachverständige Dr. Sch. zu. Daneben beschreibt der Sachverständige in Übereinstimmung mit den vorliegenden
Befundberichten verbliebene Narben im linken Oberschenkel, ohne dass Beschwerden oder funktionell einschränkende Befunde durch
diese Narben beschrieben oder sonst erkennbar werden. Die Beinlängendifferenz schätzt Dr. Sch. unabhängig von einer wahrscheinlichen
Unfallunabhängigkeit jedenfalls als bedeutungslos ein. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ergibt sich daraus
nicht, wovon auch Dr. Sch. ausweislich seiner für maßgeblich erachteten Kausalitätserwägungen ausgeht.
Die Hüftgelenksarthrose und nachfolgende -nekrose links bleiben bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit außer
Betracht, weil sie nicht im Sinne von §
56 Abs.
1 S. 1
SGB VII in Folge eines Versicherungsfalls - hier des Arbeitsunfalls im Sinne von §
7 Abs.
1 SGB VII - eingetreten sind. Es ist nämlich nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Erkrankung des linken Hüftgelenkes durch den
Arbeitsunfall vom 27. September 1988 verursacht worden ist. Insoweit bestehen bereits ernste Zweifel an der naturwissenschaftlichen
Ursächlichkeit (dazu als Voraussetzung BSG, Urt. v. 12.4. 05 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 Rdnr. 11), zu deren Beurteilung zu prüfen ist, ob der Unfall gedanklich außer Betracht bleiben kann,
ohne dass auch die Krankheit notwendig entfiele. Dies ist hier nicht der Fall, weil sich eine Beeinflussung des genannten
Krankheitsbildes durch den Arbeitsunfall nicht feststellen lässt.
Der Zusammenhang ist im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung hinreichend wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen den
Zusammenhang spricht und ernste Zweifel an dem Zusammenhang ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rdnr. 20). Grundlage der Würdigung des Zusammenhanges sind nur die Tatsachen, die nach dem Maßstab
des Vollbeweises festgestellt werden können (BSG, Urt. v. 17.2.09 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 Rdnr. 15). Insoweit ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, die selbst
vernünftige Zweifel nicht zulässt.
In diesem Sinne sind dauerhafte funktionelle Folgen, die sich aus einer nicht vollständigen Verheilung der 1988 und 1989 erlittenen
Brüche des Oberschenkelknochens ergeben hätten, - wie dargelegt - nicht festzustellen. Nicht festzustellen ist auch, dass
der Kläger nach der Abheilung der Brüche unter dauerhaften Beschwerden gelitten hätte. Eine ärztliche Behandlung aus einem
solchen Grund hat er nicht in Anspruch genommen. Dies hat der Kläger nach Angabe des Sachverständigen Dr. Sch. diesem gegenüber
so angegeben und eine solche Angabe auch nicht bestritten.
Eine bis zum Jahr 2003 aufgetretene Erkrankung des linken Hüftgelenkes lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die Überlegungen
des Sachverständigen Dr. Sch. lassen insoweit nicht zu - was aber notwendig wäre - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
allein aus dem Unfallverlauf und dem Krankheitsverlauf auf eine krankhafte Veränderung im Hüftgelenksbereich vor 1998 zu schließen.
So bezeichnet Dr. Sch. nachvollziehbar selbst den Schluss als spekulative Vermutung, mit dem er aus der schweren Gewalteinwirkung
im Rahmen des Unfalls auf das linke Bein eine Schädigung des linken Hüftgelenkes selbst herleiten will. Diese Überlegung kann
ernste Zweifel des Inhalts nicht beseitigen, dass angesichts des Fehlens zeitlich und räumlich unmittelbarer Symptome im Hüftbereich
auch ein anderer Verlauf gut denkbar ist.
Dr. Sch. behauptet auch nicht, dass sich aus den Röntgenbefunden ein sicherer Rückschluss auf eine Arthroseentwicklung bereits
seit der Zeit des Unfalls oder des nachfolgenden Heilungsprozesses ziehen lässt. Insofern ist nach seinen Ausführungen lediglich
eine gröbere Schätzung möglich, wonach der Beginn der Krankheitsentwicklung auch im Jahre 1998 gelegen haben kann.
Das Auftreten des Krankheitsbildes schon im vergleichsweise jungen Alter des Klägers lässt den Schluss auf einen Beginn bereits
mit dem Unfall ebenfalls nicht zu. Allein die hohe Unwahrscheinlichkeit einer Arthrosebildung aus unbekannter Ursache (idiopathische
Hüftgelenksarthrose) zwingt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu der Annahme, die Erkrankung habe im zeitlichen
Umfeld des Unfalls und des damit verbundenen Heilungsprozesses bereits bestanden. Hinzu kommt, dass der Sachverständige auch
die Entstehung von Hüftgelenksveränderungen nach der Nagelung eines Oberschenkelbruches ohne feststellbare Begleitverletzung
am Hüftgelenk nur als bloße Möglichkeit von geringer Häufigkeit einschätzt. Ist das Auftreten einer solchen Krankheit bei
einem jungen Patienten nämlich insgesamt schon selten, kann aus der Seltenheit idiopathischer Hüftgelenksveränderungen nicht
überzeugend auf den Krankheitsbeginn geschlossen werden.
Nach den festzustellenden Gesamtumständen des Krankheitsverlaufes erscheint ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Hüftgelenkserkrankung
nicht hinreichend wahrscheinlich; es verbleiben daran ernste Zweifel. Für einen Zusammenhang in Form einer direkten Schädigung
des linken Hüftgelenks fehlt es - wie dargelegt - am Vollbeweis von Erstbefunden eines Schadens am Hüftgelenk für eine unfallnahe
Zeit. Die langsame Entwicklung einer Arthrose (und nachfolgenden Nekrose) als mittelbarer Unfallfolge ist ebenfalls nicht
wahrscheinlich. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, insoweit sei eine Fehlbelastung
zu diskutieren. Eine solche Beeinflussung hält der Sachverständige Dr. Sch. schon grundsätzlich außerhalb von Amputationsfällen
für unmöglich. Jedenfalls fehlt es für eine unfallbedingte Fehlbelastung nach der Abheilung des Bruches, die bis zum Jahr
1990 abgeschlossen war, an Befunden, die eine solche Fehlbelastung selbst zum Ausdruck bringen oder mögliche Grundlagen dafür
darstellen. Ein verändertes Gangbild ist erst im Zusammenhang mit Befunden beschrieben, die bei schon bestehender Hüftkopfarthrose
und -nekrose seit 2003 erhoben worden sind.
Eine weitere Beweiserhebung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten, weil das Gutachten von Dr. Sch. trotz einer letztlich
nicht überzeugenden Beurteilung die Klärung des Falles in vollem Umfang ermöglicht. Weitere Entstehungsmöglichkeiten als die
von Dr. Sch. diskutierten sind zu keiner Zeit aufgebracht worden. Der Sachverständige selbst räumt ein, dass seine Wahrscheinlichkeitseinschätzung
letztlich einen Bereich betrifft, der in Rechtsanwendung durch das Gericht zu klären ist. Die Kritik des Klägers daran ist
unangebracht, weil der Fall sich in der Tat auf die Anwendung von rechtlich vorgegebenen Beweisregeln zuspitzt. Dabei hat
das Gericht vor allem zu beachten, dass das Fehlen von Alternativursachen nicht ausreicht, um die Wahrscheinlichkeit eines
Ursachenzusammenhangs zu begründen (BSG, Urt. v. 9.5.06, aaO.). Es reicht nämlich gerade nicht aus, dass das Unfallgeschehen als zwanglose Erklärung der Krankheitsentwicklung
"übrig" bleibt. Insofern kommt hier auch im Gegensatz zu der Auffassung Dr. Sch. dem Gesichtspunkt keine entscheidende Bedeutung
zu, ob Auffälligkeiten in der Altanamnese ermöglichen, die Entstehung einer einseitigen Hüftgelenksarthrose unfallfremd zu
erklären.
Die Kostenentscheidung des §
193 SGG war hier nach dem Unterliegen des Klägers zu treffen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1,
2 SGG liegen nicht vor. Die Beweisgrundsätze im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung sind in ständiger Rechtsprechung gesichert
und keinen breiter geäußerten Zweifeln in der Literatur ausgesetzt.