Entschädigung für überlange Gerichtsverfahren im sozialgerichtlichen Verfahren; Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer;
Bewertung von Zeiträumen scheinbarer Nichtbearbeitung; Verzögerung durch Prozessverhalten des Klägers
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Entschädigung wegen einer unangemessen Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens
aus dem Vertragsarztrecht hat, das erstinstanzlich bei dem Sozialgericht Gotha unter dem Aktenzeichen S 7 KA 1258/08 und in der Berufungsinstanz unter dem Aktenzeichen L 11 KA 1381/11 - Thüringer Landessozialgericht - geführt wurde.
Die Klägerin ist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie führt seit Jahren verschiedene Rechtsstreitigkeiten gegen
die K ...
Am 11. März 2008 hat sie beim Sozialgericht in Gotha Untätigkeitsklage erhoben mit dem Antrag "die K. aufzufordern, meine
fortlaufenden Anträge bezüglich der Erweiterung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets gemäß der Allgemeinen Bestimmungen A. I.
B 4. 3. EBM ab 17.05.98 bis II/03 und später im Rahmen der individuellen Punktzahl ordnungsgemäß bescheiden zu lassen". Bereits
mit der Klageerhebung beantragte sie "wegen des Sachzusammenhangs" die Verbindung der "vorliegenden Untätigkeitsklage" mit
dem "Verfahren ohne Aktenzeichen bezüglich der Honorarwidersprüche der Quartale I/98, II/98 und III/98, welches aufgrund des
noch ausstehenden Urteils des SG Gotha (...) vom LSG Erfurt zurückgegeben wurde".
Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 7 KA 1258/08 geführt. Die Klageschrift enthielt umfangreiche Anlagen, unter anderem eine tabellarische Auflistung ihrer Widersprüche und
Klagen gegen die K., ein Schreiben der Klägerin an die K. vom 15. Dezember 2007, ein Schreiben der K. vom 5. März 2008 zu
Widersprüchen der Klägerin gegen Honorarbescheide der Quartale II/2000 bis II/2003, formularmäßige Widersprüche der Klägerin
gegen die Honorarbescheide für die Quartale III/97 und IV/97, ein an die Klägerin gerichtetes Schreiben der K. vom 23. Juli
1998, einen Bescheid der K. vom 27. August 1998, ein Widerspruchsschreiben der Klägerin gegen den Honorarbescheid des Quartals
I/98 sowie eine ergänzende Begründung zum Widerspruch gegen die Honorarbescheide der Quartale III/97 und IV/97 vom 8. November
1998, ein Schreiben der Klägerin an die K. vom 12. Dezember 1998, der die Widersprüche gegen die Honorarbescheide für die
Quartale II/98, III/97, IV/97 und I/98 betraf, ein Schreiben der Klägerin an den Vorstand der K. vom 18. April 1999, das einen
Widerspruch der Klägerin gegen den Honorarbescheid für das III. Quartal 1998 betraf, einen Bescheid der K. vom 4. März 1999,
einen Widerspruchsbescheid der K. vom 6. Dezember 1999, einen Widerspruchsbescheid der K vom 13. März 2000, eine an das Sozialgericht
in Gotha gerichtete Klage vom 21. Dezember 1999, ein an das Sozialgericht in Gotha gerichtetes Schreiben der Klägerin vom
2. April 2000 sowie eine umfangreiche Klagebegründung der Klägerin vom 28. Oktober 2002 zu den beim Sozialgericht Gotha damals
anhängigen Verfahren S 7 KA 35/00, S 7 KA 2206/00, S 7 KA 104/01, S 7 KA 2518/00 und S 7 KA 401/01.
Mit Verfügung vom 18. März 2008 hat das Sozialgericht die Klageschrift der beklagten K. zur Stellungnahme übersandt. Mit am
10. Juni 2008 eingegangenem Schriftsatz hat die K. beantragt, die Klage abzuweisen. Ein Klageverfahren betreffend der Widersprüche
der Klägerin gegen Honorarbescheide der Quartale I/98, II/98 und III/98 sei bei der Beklagten nicht verzeichnet. Das Landessozialgericht
habe in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2007, Az.: L 4 KA 865/06, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 14. April 2004 wegen der Quartale I/98, II/98 und III/98 als
unzulässig verworfen und die Revision nicht zugelassen. Das Verfahren sei damit beendet. Die Klage auf Erweiterung des Praxisbudgets
für die Quartale III/97 für physikalisch-medizinische Leistungen habe das Sozialgericht mit Urteil vom 16. April 2008, Az.:
S 7 KA 137/04, verbunden mit S 7 KA 2337/04, abgewiesen. Damit sei auch dieses Verfahren beendet. Ebenfalls beendet sei das Verfahren hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit
des Praxisbudgets für die Quartale III/97, IV/98, I/99, III/98, IV/99 durch Zurückweisung der Berufung durch das Thüringer
Landessozialgericht mit Urteil vom 5. Dezember 2007, Az.: L 4 KA 876/04 und L 4 KA 865/06. Hierzu habe die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der einzige der Beklagten vorliegende Antrag auf Erweiterung
des Praxisbudgets datiere vom 8. November 1998. Dazu sei mit Datum vom 4. März 1999 ein Bescheid ergangen, welcher bestandskräftig
geworden sei. Weitere Anträge auf Erweiterung des Praxisbudgets seien nicht gestellt worden. Die ab dem Quartal I/2000 eingelegten
Widersprüche gegen die Honorarbescheide seien mit Zustimmung der Klägerin im Hinblick auf das beim Landessozialgericht anhängig
gewesene Verfahren ruhend gestellt worden. Die entsprechenden Widerspruchsbescheide würden in Kürze, entsprechend der oben
genannten Entscheidung des Landessozialgerichts zur Rechtsmäßigkeit des Praxisbudgets, erlassen. Die Widersprüche hätten keine
Anträge auf Erweiterung des Praxisbudgets enthalten. Zusammenfassend seien keinerlei Anhaltspunkte für eine Untätigkeit der
Beklagten ersichtlich. Aufgrund der oben dargelegten Ausführungen sei es der Beklagten momentan nicht klar, welche Unterlagen
als Verwaltungsakte angesehen und dem Gericht übermittelt werden könnten.
Mit Verfügung vom 10. Juni 2008 wurde der Klägerin diese Klageerwiderung zur Stellungnahme übersandt und die Klägerin um Konkretisierung
ihrer Klage gebeten. Mit am 30. Juni 2008 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin dazu unter anderem erklärt, dass "die
Abarbeitung der Untätigkeitsklage" aus ihrer Sicht vorerst nur für das Quartal I/98 sinnvoll sei. Die weiteren Quartale müssten
ihrer Ansicht nach ohnehin von Amts wegen im Falle einer positiven Entscheidung angepasst werden. Der letzte Satz des Schriftsatzes
lautet wörtlich: "Konzentrieren wir uns also auf das Quartal I/98, wenn Ihnen das recht ist". Dem Schriftsatz waren an die
K. gerichtete Widerspruchsschreiben beigefügt.
Mit am 12. März 2009 unter dem streitgegenständlichen Aktenzeichen S 7 KA 1258/08 eingegangenem Schriftsatz erklärte die Klägerin, sie möchte höflich an die Erledigung ihrer Untätigkeitsklage vom 21. Dezember
1999 mit dem Aktenzeichen S 7 KA 35/00, ihre Anmahnung im Rahmen der Klage vom 2. April 2000, noch ohne Aktenzeichen, und ihren Antrag vom 8. März 2008 zur Ausweitung
auf alle folgenden Quartale bis in die Gegenwart erinnern.
Auf die Verfügung zur Vorlage der von der Klägerin erwähnten Akte zu dem Verfahren S 7 KA 35/00 wurde vermerkt, dass sich die Akten beim Bundessozialgericht befänden. Die K. erhielt den Schriftsatz der Klägerin mit der
Gelegenheit zur Stellungnahme, der Rechtsstreit wurde zur Sitzung geschrieben.
Unter dem 3. Juli 2009 wurde vom Sozialgericht Gotha unter anderem die Prozessakte S 7 KA 1258/08 vom Thüringer Landessozialgericht angefordert. Dem Ersuchen kam das Sozialgericht mit Verfügung vom 6. Juli 2009 nach.
Mit am 29. Juli 2009 beim Sozialgericht eingegangenem Schreiben teilte das Bundesverfassungsgericht mit, die Klägerin habe
unter anderem wegen "andauernder Unterlassung gerichtlicher Tätigkeiten des Sozialgerichts Gotha hinsichtlich einer mit Datum
vom 8. März 2008 erhobenen Untätigkeitsklage mit dem Aktenzeichen S 7 KA 1258/08" Verfassungsbeschwerde erhoben und die Prozessakte S 7 KA 1258/08 angefordert (Az.: 1 BvR 1304/09). Dem Bundesverfassungsgericht wurde mitgeteilt, dass sich die Akten beim Thüringer Landessozialgericht befänden (Verfügung
vom 14. Juli 2009). Nunmehr hat sich das Bundesverfassungsgericht mit am 23. Juli 2009 eingegangenem Schreiben an das Thüringer
Landessozialgericht gewandt und um Aktenübersendung gebeten. Mit Beschluss vom 24. September 2009 hat das Bundesverfassungsgericht
(unter anderem) die von der Klägerin wegen der "andauernder Unterlassung gerichtlicher Tätigkeiten des Sozialgerichts Gotha
hinsichtlich einer mit Datum vom 8. März 2008 erhobenen Untätigkeitsklage (Az.: S 7 KA 1258/08)" erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss
ausgeführt, dass es hinsichtlich der als verfassungswidrig beanstandeten Untätigkeit des Sozialgerichts im Verfahren S 7 KA 1258/08 einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) genügenden Begründung fehle.
Nach Rücklauf der Akten hat das Sozialgericht mit Verfügung vom 8. Oktober 2009 die K. aufgefordert, eine Stellungnahme vorzulegen,
die Klägerin erhielt mit Verfügung gleichen Datums die Mitteilung des zuständigen Kammervorsitzenden, dass er, sobald die
Stellungnahme der Beklagten vorliege, einen Verhandlungstermin bestimmt werde.
Die Klägerin hat sich mit am 12. Oktober 2009 eingegangenem Fax an das Sozialgericht gewandt, den Ausgang ihrer Verfassungsbeschwerde
mitgeteilt und den zu diesem Zeitpunkt zuständigen Kammervorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Hierzu hat
der Kammervorsitzende unter dem 13. Oktober 2009 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben und die Akten zur Entscheidung dem
Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
Am 21. Oktober 2009 ist die vom Sozialgericht erbetene Stellungnahme der K. eingegangen.
Der Befangenheitsantrag wurde beim Thüringer Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 11 SF 45/09 geführt. Mit Beschluss vom 7. Januar 2010 hat das Thüringer Landessozialgericht festgestellt, dass das Gesuch, den zuständigen
Kammervorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit in dem Verfahren S 7 KA 1258/08 abzulehnen, unbegründet ist.
Nach Rücklauf der Akten hat der zuständige Kammervorsitzende das Verfahren im Februar 2010 zur Sitzung verfügt, wobei zunächst
ein Erörterungstermin geplant war.
Mit Verfügung vom 19. November 2010 hat das Sozialgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 26. Januar 2011 um 09:00
Uhr bestimmt. Die Ladung ist der Klägerin am 24. November 2010 zugestellt worden.
Am 12. Dezember 2010 hat die Klägerin einen Rechtsanwalt bevollmächtigt, der unter dem 30. Dezember 2010 seine Bevollmächtigung
angezeigt und beantragt hat, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2011 zu verlegen, sowie um Akteneinsicht
gebeten. Daraufhin hat das Sozialgericht die Akten an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt und mitgeteilt, dass
eine Verlegung des Termins nicht beabsichtigt sei. Mit am 13. Januar 2011 eingegangenem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin an seinen Terminsverlegungsantrag festgehalten. Mit Verfügung vom 20. Januar 2011 hat das Sozialgericht daraufhin
die mündliche Verhandlung auf den 9. März 2011 um 09:00 Uhr verlegt. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt
hat, dass er an diesem Tag verhindert sei, hat das Sozialgericht nochmals die mündliche Verhandlung verlegt, nunmehr auf den
23. März 2011, 09:30 Uhr. Mit am 22. März 2011 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin eine Kopie einer Beschwerde an den
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte übersandt.
Am 23. März 2011 hat das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt und die Klage S 7 KA 1258/08 mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, über die in den jeweiligen Widersprüchen gegen die Honorarbescheide enthaltenen
Anträge auf Erweiterung des Praxisbudgets, beginnend mit dem Quartal I/1998 bis zum Quartal I/2005, zu entscheiden, mit Urteil
vom 23. März 2011 abgewiesen.
Das Sozialgericht hat das Urteil am 7. Juli 2011 abgesetzt. Das Sozialgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin keine Anträge
auf Erweiterung eines Praxisbudgets gestellt habe. Ihre Widersprüche gegen die Honorarbescheide seien auch nicht als Anträge
auf Erweiterung des Praxisbudgets bzw. Zusatzbudgets von der K. zu deuten bzw. anzunehmen gewesen. Eine Untätigkeit sei nicht
festzustellen.
Gegen die der Klägerin am 21. Juli 2011 zugestellte Entscheidung hat sie am 16. August 2011 Berufung eingelegt. Mit am 7.
September 2011 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 21. Oktober
2011 zu verlängern. Mit Eingangsverfügung vom 13. September 2011 hat das Landessozialgericht die Berufung der K. zur Kenntnisnahme
übersandt. Mit am 20. September 2011 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin ihre Berufung begründet. Mit Verfügung vom
21. September 2011 wurde der Schriftsatz der K.mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Mit am 5. Dezember 2011 eingegangenem
Schriftsatz hat die K. beantragt, die Berufung zurückzuweisen und dies begründet.
Mit am 15. Februar 2012 eingegangenen zwei Schriftsätzen hat die Klägerin für insgesamt sieben Berufungsverfahren (einschließlich
dem vorliegenden Ausgangsverfahren) "unverzüglich die Dauer der vorliegenden Verfahren beim Sozialgericht Gotha" bzw. "beim
Thüringer Landessozialgericht gerügt" sowie mitgeteilt, dass das Ausgangsverfahren S 7 KA 1258/08 nunmehr beim Thüringer Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 11 KA 1381/11 anhängig sei.
Mit am 29. Februar 2012 eingegangenem Schriftsatz, der als "Verzögerungsrüge" überschrieben ist, hat die Klägerin erklärt,
dass Anlass zur Besorgnis bestehe, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen werde. Die Verfahrensdauer
habe bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Regelverfahrensdauer von einem Jahr überschritten. Die Klägerin verwies darauf, dass
ihre Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht wegen überlanger Verfahrensdauer mit Aktenzeichen B 1 BvR 1304/09 Erfolg gehabt habe. Zwischenzeitlich sei eine Vielzahl von noch anhängigen Nachfolgeverfahren vor den Sozialgerichten Thüringens
notwendig geworden. Eine Änderung der überlanger Verfahrensdauer vor Thüringer Gerichten sei trotz ständiger Rügen beim SG
Gotha, LSG Erfurt, BSG Kassel, Bundesverfassungsgericht Karlsruhe und dem Thüringer Justizministerium nicht zu verzeichnen.
Untätigkeitsklagen würden erst nach Jahren bearbeitet und seien heute noch nicht entschieden. Außerdem sei eine Beschwerde
vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit dem Aktenzeichen 12014/10 seit 15. Februar 2010 wegen
überlanger Verfahrensdauer anhängig. Bei ausbleibenden sozialgerichtlichen Entscheidungen in Thüringen über viele Jahre sei
die Existenzerhaltung des Praxisbetriebes nur mit Fremdmitteln und entsprechenden Zinsbelastungen möglich gewesen. Ferner
führt die Klägerin unter anderem aus, die Vielzahl der Verfahren gegen die K. habe sie als die schwächere Partei gegenüber
ihrer weisungsberechtigten Institution diversen angreifbaren Verwaltungsakten und vergleichsweise härteren Bestrafungen sowie
nachweislichen Verleumdungen vor dem Disziplinarausschuss ausgesetzt.
Am 3. April 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an das Thüringer Landessozialgericht eine Sachstandsanfrage gerichtet.
Das Thüringer Landessozialgericht hat durch die zuständige Berichterstatterin mitgeteilt, dass die Verwaltungsakte von der
Beklagten angefordert worden sei und diese noch nicht vorliege. Die Klägerin erhalte unaufgefordert Nachricht. Am 17. April
2012 ist die Verwaltungsakte eingegangen. Dies wurde der Klägerin zur Kenntnis gegeben. Mit am 8. Mai 2012 eingegangenem Schriftsatz
hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneut um Sachstandsmitteilung gebeten und mitgeteilt, dass auf eine mündliche
Verhandlung nicht verzichtet werde.
Mit einem auf den 2. Juni 2012 datiertem Schriftsatz, der bereits am 1. Juni 2012 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangen
ist, hat die Klägerin in insgesamt 30 von ihr bezeichneten Rechtsstreitigkeiten ausdrücklich "Schadensersatzklage" erhoben.
Das hier streitgegenständliche Verfahren L 7 KA 1258/08 - SG Gotha - bzw. L 11 KA 1381/11 - Thüringer LSG - ist ausdrücklich erwähnt. Als Grundlage für die Schadenersatzklage wurde das Gesetz über den Rechtsschutz
bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 genannt.
Die Klage wurde dem Beklagten zur Stellungnahme übersandt und die Akte des Ausgangsverfahrens angefordert.
Mit am 8. August 2012 im Ausgangsverfahren eingegangenem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneut nach
dem Sachstand angefragt. Mit Verfügung vom 14. August 2012 wurde der Klägerin unter anderem mitgeteilt, dass die Sache entscheidungsreif
sei, dem Senat jedoch ältere bzw. vordringlichere Verfahren vorlägen. Im Übrigen seien die Akten an das Entschädigungsgericht
übersandt worden. Zwischenzeitlich hat der beklagte Freistaat Thüringen im Entschädigungsverfahren am 3. August 2012 zur Entschädigungsklage
Stellung genommen.
Am 18. September 2012 hat die Klägerin einen Befangenheitsantrag gegen die im Entschädigungsverfahren als Berichterstatterin
zuständige Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht gestellt.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 hat der Senat des Ausgangsverfahrens angefragt, ob die Akten vom Entschädigungsgericht noch
benötigt würden. Mit Verfügung vom 8. Januar 2013 hat der für das Ausgangsverfahren zuständige Senat die Akten angefordert.
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2012 wurde der Befangenheitsantrag gegen Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht als unbegründet
abgelehnt.
Mit am 28. Februar 2013 eingegangenem Schriftsatz im Ausgangsverfahren hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Verzögerungsrüge
erhoben. Mit Verfügung vom 13. März 2013 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16. Mai 2013 bestimmt. Die Ladung
ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25. März 2013 mit Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Zwei Tage vor dem
angesetzten Termin ist am 14. Mai 2013 ein umfangreicher Schriftsatz der Klägerin eingegangen.
Mit Urteil vom 16. Mai 2013 hat der Senat des Ausgangsverfahrens aufgrund mündlicher Verhandlung die Berufung der Klägerin
gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. März 2011 zurückgewiesen. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Nachdem die Klägerin ein Ruhen bzw. ein Verbinden mit anderen Entschädigungsverfahren beantragt und dies vom Senat abgelehnt
worden ist, hat sie in einem ausführlichen Schriftsatz vom 22. Mai 2013 u. a. vorgetragen, dass die von ihr erhobene Entschädigungsklage
zulässig sei. Im Anschluss daran hat die Klägerin eine Vielzahl weitere, zum Teil umfangreiche Schriftsätze eingereicht, die
erneut Anträge auf Aussetzung und Durchführung von Musterverfahren, erneut die Verbindung von Verfahren, Befangenheitsanträge
gegen Richter des anderen für Entschädigungsverfahren zuständigen Senates des Thüringer Landessozialgerichts, Klagebegründungen,
Stellungnahmen, und Rechtsausführungen zum Gegenstand haben. Die Schriftsätze tragen stets sämtliche Aktenzeichen der von
der von der Klägerin erhobenen bzw. zum Zeitpunkt des Einreichens noch anhängigen Entschädigungsklagen. Einige Schriftsätze
betreffen das vorliegende Entschädigungsverfahren nicht bzw. nur am Rande. Unter dem 30. Oktober 2013 hat die Klägerin in
einem ausführlichen Schriftsatz ihre Rechtsauffassung - teilweise wiederholend - dargelegt. Diesen Schriftsatz hat die Klägerin
im Zusammenhang mit der Ladung zu mündlichen Verhandlungen von Verfahren des anderen, für Entschädigungsverfahren zuständigen
12. Senat des Thüringer Landessozialgerichts, eingereicht.
Schließlich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. November 2013 (beim Gericht am 15. November 2013) eingegangen, ihre Klagenanträge
konkretisiert. Sie hat verschiedene Verfahrensabschnitte aufgelistet und hierzu ihre Auffassung einer überlangen Verfahrensdauer
im Einzelnen dargelegt. Im Hinblick auf eine Feststellung der überlangen Verfahrensdauer sei von einem Gesamtverfahrenszeitraum
vom 17. Mai 1998 bis zum 1. August 2013, dies entspräche 15 Jahren und 2 ½ Monate, insgesamt 182 Monaten, auszugehen. Bei
der Feststellung einer Entschädigungssumme sei von dem Zeitraum vom 8. März 2008 bis zum 1. August 2013 auszugehen, dies entspreche
5 Jahren und 5 Monaten, insgesamt 65 Monaten, vom 8. März 2008 bis 15. August 2011 3 Jahren und 5 Monate in der ersten Instanz
und vom 15. August 2011 bis 1. August 2013 2 Jahren in der zweiten Instanz. Sie begehre neben der Feststellung einer überlangen
Verfahrensdauer bei Verzögerungen von 41 Monaten bei angenommener normalen Verfahrenszeit von jeweils 12 Monaten in der ersten
und der zweiten Instanz und oben aufgeführten Stillstandszeiten eine Entschädigung für immaterielle Schäden in Höhe von 4.100,00
EUR plus Prozesszinsen pro Quartal im Zeitraum I/98 bis I/2005. Zudem beantragte sie auch eine materielle Entschädigung. Erstinstanzlich
sei von einer Zulässigkeit der Klage ausgegangen und ein Urteil gefällt worden. Auf dessen Grundlage habe sie Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sei jedoch von einer Unzulässigkeit der Klage ausgegangen worden. Sie beantrage daher, die zusätzlichen
Verfahrenskosten einschließlich Gerichtsgebühren, Anwalts- und Beratungskosten, Praxisausfallkosten usw. für die Berufung
sowie die nachträglich erhobenen, zusätzlichen Kosten sowie die vormals zu viel entrichteten Kosten für die erste Instanz
zu erstatten. Das Urteil des Sozialgerichts Gotha habe sich als fehlerhaft in der Rechtsanwendung erwiesen.
Die abschließende Beantragung hinsichtlich ihrer Forderung auf Entschädigung für den erlittenen immateriellen und materiellen
Schaden zzgl. Prozesszinsen sowie Feststellung der überlangen Verfahrensdauer werde von ihr in der mündlichen Verhandlung
vorgenommen. Die in dem Schriftsatz aufgeführten Berechnungen dienten lediglich der Orientierung.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr wegen unangemessener Dauer des Verfahrens eine Entschädigung für immaterielle Schäden in
Höhe von 4.000,00 Euro plus Prozesszinsen pro Quartal und Zeitraum der Quartale 1/98 bis 1/2005 und materielle Entschädigung
für die Einlegung der Berufung (Gerichtsgebühren, Anwalts- und Beratungskosten, Praxisausfallkosten) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unzulässig, die Klägerin habe die 6-Monatsfrist des §
198 Abs.
5 Satz 1 des
Gerichtsverfassungsgesetzes (
GVG) nicht eingehalten. Die Klage sei auch nicht zulässig geworden. Die Verzögerungsrüge sei nicht unverzüglich erhoben worden.
Eine Überlänge des Verfahrens dürfte für den Zeitraum nach der Rüge und auch insgesamt nicht vorliegen. Die Klägerin habe
durch ihre Prozessführung, insbesondere ihre wechselseitige Bezugnahmen auf Parallelverfahren zur Verfahrensdauer beigetragen.
Gegebenenfalls sei nach einer Einzelfallprüfung auch nur die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer in Betracht
zu ziehen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen
Akteninhalt Bezug genommen, die die Klägerin betreffende Akte des Ausgangsverfahrens lag vor und ist Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Für das Klageverfahren wegen einer Entschädigung auf Grund einer unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens
sind die Vorschriften des §
198 Abs.
1 GVG sowie die §§
183,
197 a und 202 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in der ab 3. Dezember 2011 geltenden Fassung durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) maßgebend. Nach Art. 23 S. 1 ÜGRG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011
- wie hier - bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossenen Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand
von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann.
Für die Entscheidung über die Klage ist das Landessozialgericht (LSG) zuständig. Nach §
200 S. 2
GVG haftet der Bund für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Bundes eingetreten sind. Für Klagen auf
Entschädigung gegen den Bund ist nach §
201 Abs.
1 S. 2
GVG der Bundesgerichtshof (BGH) zuständig. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt §
202 S 2
SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des
GVG (§§198 - 201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG, an die Stelle
des BGH das Bundessozialgericht (BSG) und an die Stelle der
ZPO das
SGG tritt.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG statthaft; sie wurde formgerecht erhoben.
Die Klage ist, obwohl zunächst die Wartefrist des §
198 Abs.
5 Satz 1
GVG nicht eingehalten worden war, wie in den Fällen der Untätigkeitsklage nach §
88 SGG durch Zeitablauf zulässig geworden (vgl. zur Untätigkeitsklage BSGE 75, 56, 58).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch wegen einer unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens
ist §
198 Abs.
1 GVG in Verbindung mit §
202 SGG. Nach §
198 Abs.
1 GVG (in der ab 3. Dezember 2011 geltenden Fassung durch das ÜGRG) wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer
eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet
sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten
des Verfahrensbeteiligten und Dritter (§
198 Abs.
1 S. 2
GVG).
Entschädigung wird für materielle und immaterielle Schäden geleistet.
Für immaterielle Schäden erleichtert §
198 Abs.
2 GVG die Geltendmachung. Danach wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen
lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung
auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung.
Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren
Betrag festsetzen. Der Entschädigungsanspruch kann ein Vielfaches des ursprünglichen Klagebegehrens einschließlich der Kosten
betragen. Ob im Einzelfall nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes eine Entschädigungsgrenze festzustellen ist, kann jedoch hier
dahinstehen.
Entschädigung enthält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens
gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das
Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs
Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände
an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Andernfalls werden sie von dem
Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer
nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge
(§
198 Abs.
3 GVG). Nach Art. 23 ÜGRG gilt für anhängige Verfahren, die bei seinem (des ÜGRG) Inkrafttreten schon verzögert sind, §
198 Abs.
3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss. In diesem Fall wahrt die
Verzögerungsrüge einen Anspruch nach §
198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum.
Bei der Verzögerungsrüge handelt es sich - als materiell-rechtliche Voraussetzung der Entschädigungsklage - prozessrechtlich
um eine Obliegenheit (BT-Drs. 17/3802 S. 20). Das Gericht der Hauptsache oder das Entschädigungsgericht haben weder eine förmliche
Entscheidung über die Verzögerungsrüge zu treffen noch muss auf Grund der Verzögerungsrüge das Verfahren vorrangig bearbeitet
oder erledigt werden. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3802 S. 20) ergibt sich zwar, dass die Rüge dem bearbeitenden
Richter - soweit erforderlich - auch die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen und insofern als
Vorwarnung dienen soll. Eine Verzögerungsrüge steht damit aber auch in einem Spannungsverhältnis zu dem, dem Rechtsuchenden
nach Art.
97 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) gewährleisteten, Recht der richterlichen Unabhängigkeit des für ihn zuständigen Richters. Dass eine Verzögerungsrüge Einfluss
auf die richterliche Tätigkeit haben und Art.
97 Abs.
1 GG hierdurch berührt werden kann, ergibt sich beispielsweise daraus, dass sechs Monate nach der Rüge Klage erhoben werden kann
(§
198 Abs.
5 GVG), d. h. nach Erheben der Rüge der Richter mit einer Entschädigungsklage rechnen muss.
Dies ist insgesamt bei der Frage zu berücksichtigen, wann Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener
Zeit abgeschlossen wird, mithin die Verzögerungsrüge als Anspruchsvoraussetzung für eine Entschädigung wirksam ist. Der Gesetzgeber
war einerseits bemüht zu verhindern, dass die Rüge zu früh, unter Umständen vorsorglich schon mit der Klageerhebung, angebracht
wird, andererseits soll sie aber auch so rechtzeitig erhoben werden, dass sie ihre präventive Funktion noch entfalten kann
(kein Dulden und Liquidieren, vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 20; Söhngen, NZS 2012, S. 493, 469), ohne dass der Richter wegen Art.
97 Abs.
1 GG allerdings zu einem bestimmten Vorgehen/Verhalten gezwungen werden kann. Unwirksam wäre danach eine Verzögerungsrüge nur
in der Absicht, sich gegenüber anderen Klägern einen zeitlichen Vorteil zu verschaffen oder nur um Einfluss auf die Bearbeitung
durch den Richter ausüben zu wollen.
Eine Besorgnis im oben genannten Sinne ist somit nur anzunehmen, wenn objektive Umstände vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung,
unabhängig von subjektiven Vorstellungen und Empfindungen der Beteiligten, auf eine unangemessene Verfahrensdauer hindeuten
(vgl. Scholz, SGb 2012, S. 19, 24). Solche Umstände können angenommen werden, wenn Zeiträume von gewisser Dauer verstreichen, ohne dass das Gericht für die
Beteiligten nachvollziehbar nach §§
103,
106,
106 a SGG tätig wird oder bei einer unberechtigten bzw. gegen den Willen eines Beteiligten angeordneten Aussetzung. Eine Besorgnis
kann unabhängig vom Zeitmoment bei einem Richterwechsel in komplexen Fällen, längeren Vertretungszeiten oder Überlastungsanzeigen
gerechtfertigt sein. Verzögerte oder vollständig unterbleibende Beantwortung von Sachstandsanfragen sind zu beachten (vgl.
Söhngen, NZS 2012, S. 493, 467). Eine möglicherweise lange Verfahrensdauer in einem anderen/früheren Verfahren des Klägers rechtfertigt per se noch nicht
die Besorgnis der Verzögerung des aktuellen Verfahrens. Die Anforderungsvoraussetzungen dürfen allerdings auch nicht überspannt
werden.
Nach §
198 Abs.
4 GVG ist eine Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die
Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der
Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes
3 nicht erfüllt sind.
Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge
erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet,
oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch
nicht übertragbar (§
198 Abs.
5 GVG).
Nach §
198 Abs.
6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift
1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens
auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenbeihilfe; ausgenommen ist das
Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane,
der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts
an einem Verfahren beteiligt sind.
Damit setzt der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch voraus, dass eine wirksame Verzögerungsrüge erhoben wurde, dass
eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens vorliegt, dass die Klägerin einen Nachteil vermögenswerter oder nicht vermögenswerter
Art erlitten hat, dass nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise nach §
198 Abs.
4 GVG nicht ausreichend ist und dass der geforderte Betrag als Entschädigung angemessen ist.
Art.
19 Abs.
4 S. 1
GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht, die Gerichte gegen Handlungen öffentlicher Gewalt anzurufen, sondern auch die
Effektivität des Rechtsschutzes (BVerfGE 93, 1, 13). Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit (BVerfGE 55, 349, 369). Jedoch lassen sich weder dem
Grundgesetz noch dem ÜGRG allgemein gültige Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist.
Dies ist auch bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Verzögerungsrüge zu berücksichtigen.
Wegen der Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an Art.19 Abs.
4 GG (i. V. m Art.
20 Abs.
3 GG) sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt es darauf an, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt
worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung von vornherein vorausgesetzt. Es reicht also nicht jede Abweichung
vom Optimum, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußeren Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, Urteil vom 21. 2. 2013, B 10 ÜG 2/12 KL).
Die Dauer eines Verfahrens ist auch in hohem Maße von dem Verhältnis abhängig, in dem die Zahl der von Rechtsuchenden betriebenen
Verfahren zu den Personal- und Sachmitteln des jeweils zuständigen Gerichts steht. Dabei reicht es aus, dass dieses Verhältnis
angemessen ist. Der Staat ist jedenfalls nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängige
Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen,
dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Verfahren zu bearbeiten hat. Insofern ist
ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten (BSG, aaO.).
Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG (BSG, aaO.) auch insoweit, als es im Hinblick darauf von Bedeutung sein kann, in welcher Zeit vergleichbare Verfahren erledigt
werden und entsprechende statistische Zahlen einen hilfreichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines
konkreten Verfahrens bieten (können). Hierbei ist jedoch zunächst zu berücksichtigen, dass die Feststellung, in welcher Zeit
vergleichbare Verfahren erledigt wurden, nicht bedeutet, dass die statistischen Vergleichsverfahren auch in angemessener Zeit
erledigt wurden. Ferner ist die Bedeutung solcher statistischer Zahlen bei den Instanzgerichten weitaus geringerer als beim
BSG. Denn entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles. Bei den Instanzgerichten sind die Verfahren schon deshalb nicht ohne
weiteres statistisch zu vergleichen, weil es sich um Tatsacheninstanzen handelt, die Verfahren weitaus unterschiedlicher sind
und sich nicht auf reine Rechtsfragen beschränken. Ein ungewöhnlicher Geschäftsanfall kann bei den Instanzgerichten nicht
in gleicher Weise, etwa durch Unterstützung durch Vorberichterstatter, abgefangen werden wie dies beim BSG möglich ist. Eine Änderung der Geschäftsverteilung oder Überlastungsanzeigen führen per se nicht zu einer schnelleren Erledigung
der Verfahren. Schließlich sind in den Instanzgerichten Richter regelmäßig in verschiedenen Kammern und Dezernaten tätig und
für verschiedene Rechtsgebiete zuständig; auch dies erschwert eine statistische Vergleichbarkeit. Bei der Frage des Maßstabes
bleibt nach der oben genannten Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf die Instanzgerichte allerdings offen, ob eine bundesweite Statistik "vergleichbarer" Verfahren oder die statistischen
Zahlen des betreffenden Bundeslandes zugrunde zu legen sind, um die angemessene Dauer eines konkreten Verfahrens zu beurteilen.
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt
wurde, ist daher vor allem im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art.
19 Abs.
2, 20 Abs.
3 GG zu beurteilen (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 15). §
198 Abs.
1 S. 2
GVG nennt als Maßstab die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten
der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Als weiteres Kriterium ist die Notwendigkeit von Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht
zu nennen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. 8. 2012, NZS 2013, S. 21, 22). Bei einer erheblichen (Existenz sichernden) Bedeutung des Verfahrens können schon kurze Verzögerungen Entschädigungsansprüche
auslösen (BVerfG, info also 2012, S. 28, 29). Bei dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter ist die besondere (bürgerfreundliche) Ausgestaltung des sozialgerichtlichen
Verfahrens zu beachten (vgl. Söhngen, NZS 2012, S. 493, 465). Beispielsweise Unerfahrenheit und Unbeholfenheit eines Verfahrensbeteiligten rechtfertigen keine Verfahrensverzögerung,
weil das sozialgerichtliche Verfahren stärker als andere Verfahrensordnungen auf den rechtlich nicht bewanderten Bürger Rücksicht
nimmt und eine Reihe von Vorschriften enthält, die es ihm erleichtern, sein Recht zu suchen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 10. Aufl. 2012, Vor §
60 RdNr. 1; Söhngen, NZS 2012, S. 493, 465). Diesbezüglich und allgemein ist schließlich auch die Verfahrensführung durch das Gericht unter Berücksichtigung der durch
Art.
97 Abs.
1 GG garantierten richterlichen Unabhängigkeit zu würdigen (vgl. Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren,
§
198 GVG, RdNr. 127, 128).
Steht eine überlange Verfahrensdauer in diesem Sinne fest, ist in einem zweiten Schritt der Umfang der Verzögerung zu würdigen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht kein Entschädigungsanspruch der Klägerin Eine überlange Verfahrensdauer ist
ebenfalls nicht festzustellen.
Für die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer sowie für die Beurteilung einer wirksamen Verzögerungsrüge kommt
es auf die Dauer und die Umstände des gesamten Ausgangsverfahrens "instanzübergreifend" bis zum Zeitpunkt der Entscheidung
des Entschädigungsgerichts an. Ein Vorverfahren ist nicht gesondert zu beurteilen, kann aber für die Gesamtverfahrensdauer
unter Umständen von Bedeutung sein. Das zuständige Entschädigungsgericht beurteilt mithin die Unangemessenheit einer Verfahrensdauer
in einer Gesamtschau, unabhängig davon, wie viele Instanzen das Verfahren durchlaufen hat. Ansatzpunkt ist zwar zunächst die
Verfahrensdauer in der jeweiligen Instanz, es erfolgt jedoch keine isolierte Betrachtung der Instanz. Dies kann beispielhaft
dazu führen, dass ein Verfahren in einer Instanz zwar geraume Zeit in Anspruch genommen hat, jedoch insgesamt nicht von einer
Unangemessenheit des (Gesamt)Verfahrens auszugehen ist, weil eine zügige Bearbeitung in der anderen Instanz stattgefunden
hat. Denn grundsätzlich dauert ein Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen länger als ein Verfahren, das sich nur auf eine
Instanz beschränkt. Dem entsprechend herrscht Einigkeit darüber, dass die Unangemessenheit einer Verfahrensdauer grundsätzlich
erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens beurteilt werden kann. Dabei kann zwar auch der Fall eintreten, dass die Verfahrensdauer
in einer Instanz bereits derartig unangemessen lang gewesen ist, dass sie in der nachfolgenden Instanz nicht mehr "gerettet
werden" kann. Auch dies widerspricht nicht dem Grundsatz der Gesamtschau.
Bei Verfahren über mehrere Instanzen ist bei der Gesamtschau zu berücksichtigen, auch im Hinblick auf die Höhe einer Entschädigung,
dass, falls das erstinstanzliche Verfahren bereits eine erhebliche Dauer angenommen hat, es besonders schwer wiegt, wenn auch
das zweitinstanzliche Verfahren einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen hat. Der zweitinstanzliche Richter ist zwar nicht
verpflichtet, ein Berufungsverfahren allein deshalb vorrangig zu erledigen, weil das Ausgangsverfahren bereits längere Zeit
gedauert hat. Denn zum einen könnte dies in den Bereich der richterlichen Unabhängigkeit eingreifen. Zum anderen ist es nicht
Aufgabe des Berufungsgerichts, eine unangemessene Dauer eines erstinstanzlichen Verfahrens zu beurteilen. Wenn ein Gerichtsverfahren
aber schon alleine deshalb bis zu einem rechtskräftigen Abschluss regelmäßig länger dauert, wenn es über mehrere Instanzen
geführt wird, sich die Beteiligten per se schon auf ein längeres Verfahren einstellen müssen, erhält der zeitliche Aspekt
eine noch größere Bedeutung, weil es den Beteiligten grundsätzlich darum geht, dass nicht nur die Instanz, sondern das gesamte
Verfahren zügig und in angemessener Zeit abgeschlossen wird.
Bei der Bewertung von sich aus den Akten ergebenden Zeiträumen scheinbarer Nichtbearbeitung bedeuten solche "Lücken" nicht,
dass diese per se zu einer unangemessenen Verfahrensdauer beigetragen haben. Zum einen besteht kein Anspruch eines Rechtsuchenden
auf eine ausschließliche oder beinahe lückenlose Bearbeitung der Sache durch den zuständigen Richter, der Staat ist auch nicht
verpflichtet, für eine solchen Bearbeitung erforderliche Gerichtskapazitäten vorzuhalten (vgl. BSG, Urteil vom 21. 2. 2013, B 10 ÜG 2/12 KL). Zum anderen bedeuten solche, sich aus den Akten ergebende Lücken scheinbarer Nichtbearbeitung
nicht, dass die Sache vom zuständigen Richter in diesem Zeitraum nicht bearbeitet wurde. Beispielsweise werden dem Rechtsstreit
dienende Recherchen, die Kenntnisnahme aktueller Rechtsprechung zum Fall oder beim Landessozialgericht übliche Besprechungen
in der Sache (auch zur Abstimmung) mit Senatskollegen oder Richtern anderer Senate nicht in den Akten vermerkt, gleichwohl
wird das Verfahren bearbeitet. Auch diesbezüglich ist eine genaue Bewertung und Gesamtschau im Einzelfall, etwa im Hinblick
auf die Dauer solcher Lücken oder den Verfahrensstand, erforderlich.
Bei einer Gesamtbetrachtung verbleibt es auch nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 ÜGRG bei Verfahren, die bei Inkrafttreten
bereits anhängig gewesen sind. Nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge (als Anspruchsvoraussetzung) unverzüglich
nach Inkrafttreten erhoben werden, in diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge ein Anspruch nach §
198 GVG. Art. 23 Satz 3 ÜGRG regelt ferner, dass, falls bei einem anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer schon abgeschlossenen Instanz
erfolgt, es keiner Verzögerungsrüge bedarf. Daraus folgt jedoch nicht, dass bei einer nicht unverzüglichen Verzögerungsrüge
nach Art. 23 Abs. 2 ÜGRG die abgeschlossene Instanz isoliert im Hinblick auf eine überlange Verfahrensdauer berücksichtigt
werden kann. Für die abgeschlossene Instanz wird mithin nur auf eine Verzögerungsrüge verzichtet, nicht auf die stets erforderliche
Gesamtschau des Verfahrens. Vielmehr ist vom Entschädigungsgericht zunächst festzustellen, ob die Verzögerungsrüge im Sinne
des Art. 23 Satz 2 ÜGRG unverzüglich erfolgt ist. Ist dies nicht der Fall, beurteilt das Entschädigungsgericht in einer Gesamtschau
die abgeschlossene Instanz sowie die Verfahrensdauer nach der nicht unverzüglichen Verzögerungsrüge (andere Ansicht wohl Thüringer
LSG, Urteil vom 10. Juli 2013, Az.: L 12 SF 912/12 EK).
Ist die Verzögerungsrüge im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜGRG unverzüglich erhoben, verbleibt es bei einer Gesamtbetrachtung des
gesamten Verfahrens erster und zweiter Instanz bis zum Abschluss.
Für den Senat ist nicht zweifelhaft, dass eine wirksame Verzögerungsrüge vorliegt.
Die Klägerin hat im Sinne des Art. 23 Abs. 2 ÜGRG die Verzögerungsrüge auch unverzüglich erhoben. Eine "unverzügliche" Rüge
im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜGRG ist für Verfahren erforderlich, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 schon
verzögert sind; in diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach §
198 GVG. Unverzüglich bedeutet hier im Sinne des §
121 Abs.
1 Satz 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB) "ohne schuldhaftes Zögern". Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/3802, Seite 31 zu Artikel
22), wonach bei solchen Verfahren, bei denen eine rügepflichtige Situation bereits eingetreten ist, die Rüge grundsätzlich
unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern nach Inkrafttreten der Regelung, erhoben werden müsse. Dies gilt auch für das
sozialgerichtliche Verfahren. Für einen Laien wird damit offensichtlich, dass schnelles Handeln erforderlich ist. Allerdings
existieren keine festen zeitlichen Grenzen. Wann eine Rüge noch unverzüglich erhoben worden ist, beurteilen die Entschädigungsgerichte
unterschiedlich (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 3. Mai 2013, Az.: 23 SCHH 1/13 INTV; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen,
Urteil vom 4. Juli 2013, Az.: 1 SCHH 10/12). Es kommt jedenfalls auf die Umstände des Einzelfalles an. Die Klägerin hatte
am 15. Februar 2012 Verzögerungsrüge erhoben und damit etwa zweieinhalb Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Dies ist nach
der Überzeugung des Senates bereits relativ schnell gewesen. Einen Prozessbevollmächtigten hatte die Klägerin für ein mögliches
Entschädigungsverfahren nicht mandantiert. In dem hier vorliegenden Entschädigungsverfahren ist besonders zu berücksichtigen,
dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGRG beim Sozialgericht Gotha bzw. beim Thüringer Landessozialgericht
über 30 Klagen bzw. Berufungsverfahren gegen die K. anhängig hatte, die teilweise bereits einen erheblichen zeitlichen Umfang
erreicht hatten und die teilweise als schwierig zu bewerten sind. Der Klägerin war deshalb auch eine besondere Prüfungs- und
Überlegungsfrist einzuräumen, mit dem Ergebnis, dass die Erhebung einer Verzögerungsrüge am 15. Februar 2012 hier noch als
unverzüglich zu werten ist. Ob bzw. in welchem Umfang die Klägerin jede Klage bzw. Berufung unter dem Gesichtspunkt einer
Verzögerung tatsächlich geprüft hat, kann dabei dahinstehen.
Die Klage ist unbegründet, denn die Verfahrensdauer war nicht überlang.
Nach der Überzeugung des Senates ist Ausgangspunkt zunächst eine Feststellung der Gsamtverfahrensdauer. Nach einer Entscheidung
des BSG vor Inkrafttreten des ÜGRG liegt eine generelle Grenze, bei deren Überschreitung in der deutschen Sozialgerichtsbarkeit im
Klage- und Berufungsverfahren ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 MRK zu vermuten sei, bei drei Jahre je Gerichtsinstanz (BSG SozR 4 - 1500, § 160 a Nr. 11). Zwar ist diese Entscheidung auf das ÜGRG nicht übertragbar, zumal es nicht auf die zeitliche Dauer des Verfahrens
je Gerichtsinstanz sondern auf die Gesamtverfahrensdauer ankommt und die Verfahrensdauer auch in den einzelnen Rechtsgebieten
der Sozialgerichtsbarkeit variiert. Der zeitliche Rahmen von sechs Jahren Verfahrensdauer bei einem Verfahren über zwei Instanzen
(bzw. einer Verfahrensdauer von drei Jahren je Instanz) ist nach der Überzeugung des Senates - immer auch unter Berücksichtigung
des jeweiligen Rechtsgebietes - aber ein erster Anhaltspunkt. Das Verfahren hier dauerte über zwei Instanzen etwas mehr als
fünf Jahre, dies ist nach den oben genannten Ausführungen für einen sozialrechtlichen Rechtsstreit aus dem Vertragsarztrecht
zunächst nicht außergewöhnlich, zumal es sich in der Regel um schwierige Verfahren handelt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist vom Eingang der Untätigkeitsklage auszugehen, erst ab diesem Zeitpunkt konnte die
Klage vom Sozialgericht bearbeitet und geprüft werden, unabhängig davon, ob von der KV ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes
ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist. Der Untätigkeitsklage lagen weder ein
Antrags- noch ein sonstiges Vorverfahren vor. Die Untätigkeitsklage hatte keinen konkreten Anlass, die Klägerin meinte vielmehr,
dass angebliche Ansprüche seit dem Quartal I/98 noch offen seien, ohne dass sie aber entsprechende Anträge gestellt hatte.
Die Auffassung der Klägerin, dass die Verfahrensdauer gleichwohl ab dem Quartal I/98 beginne, ist geradezu abwegig. Der Klägerin
wurde zuletzt mit rechtskräftigem Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 16. Mai 2013 im Ausgangsverfahren ausführlich
erläutert, dass ihre Untätigkeitsklage mangels Antragsverfahrens unzulässig war.
Das vorliegende Verfahren betraf allerdings eine Untätigkeitsklage, solche sind in der Regel einfacher und werden zügiger
erledigt. Gleichwohl war die Sache insofern als schwierig zu beurteilen, weil die Klägerin durch die Vorlage einer Vielzahl
unübersichtlicher Schriftsätze und Anlagen, die teilweise nichts oder nur am Rande mit einer behaupteten Untätigkeit der K.
zu tun hatten, die Bearbeitung der Klage von Beginn an erschwert hat. Denn die Bearbeitung war durch das Vorgehen der Klägerin
über das gesamte Verfahren hin besonders zeitaufwendig. Die Klägerin ist überwiegend bzw. sogar ausschließlich dafür verantwortlich,
dass das Verfahren nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen werden konnte.
Die Klägerin hat während des gesamten Verfahrens auf andere Verfahren Bezug genommen, unter anderem diese Vorgehensweise führte
dazu, dass der zuständige Richter zeitaufwendig entsprechende Akten sichten und die verwirrenden Angaben der Klägerin aufklären
muss. Ob die Klägerin den Überblick über ihre Verfahren verloren hatte oder dies möglicherweise Prozesstaktik ist, wenn sie
wahllos Schriftstücke vorlegt, die mit der jeweiligen Sache nichts zu tun haben oder lediglich am Rande bzw. wiederholend,
kann dahinstehen, denn die Vorgehensweise kann weder vom Gericht noch vom Prozessgegner ignoriert werden. Das Verfahren verlängert
sich nicht nur dadurch, dass das Gericht umfangreiche aber überflüssige Schreiben zur Kenntnis nehmen muss. Der Prozessgegner
hat Anspruch auf rechtliches Gehör, sodass auch diesem bei besonders umfangreichem Schriftverkehr zeitlich in größerem Umfang
die Möglichkeit eröffnet werden muss, die Äußerungen der Klägerin zur Kenntnis zu nehmen und sich hierzu zu positionieren.
Bereits mit der Klageschrift hatte die Klägerin eine Vielzahl von Anlagen beigefügt, die nicht oder nur am Rande mit einer
Untätigkeitsklage zu tun hatten. Sowohl der bearbeitende Richter als auch der Prozessgegner musste die Klageschrift sorgfältig
und zeitaufwendig zur Kenntnis nehmen. Ferner ergab sich aus der Klageschrift ein konkretes Begehren der Klägerin (zunächst)
nicht. Nachdem die K. zur Klage erwidert hat, dass insbesondere nicht feststellbar sei, auf welche Anträge sich die Untätigkeitsklage
beziehe, über die noch nicht entschieden worden sei, wurde die Klägerin auch vom Sozialgericht aufgefordert, die Klage zu
konkretisieren. Hierzu hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Juni 2008 unter anderem geäußert, dass sich die Beteiligten
und das Gericht zunächst auf das Quartal I/98 "konzentrieren" sollten. Auch diesem Schriftsatz ist nicht zu entnehmen, über
welchen konkreten Antrag entschieden werden sollte bzw. auf welches Antragsverfahren sich die Untätigkeitsklage bezog. Dem
Schriftsatz ist ferner weder zu entnehmen, dass die Klage besondere Bedeutung für die Klägerin hatte, noch dass diese vorrangig
erledigt werden sollte, zumal die Klägerin auf bereits anhängige ältere Klagen, andere Quartale betreffend, mit angeblich
dem gleichen materiell-rechtlichen Streitgegenstand Bezug genommen hatte.
Hierfür spricht auch, dass die Klägerin sich erst wieder im März 2009 unter dem vorliegenden Aktenzeichen an das Sozialgericht
gewandt, in diesem Zusammenhang jedoch die Erledigung einer anderen Untätigkeitsklage angemahnt hat. Nunmehr ging es der Klägerin
um alle Quartale ab dem "Quartal I/98 bis in die Gegenwart". Das Sozialgericht musste nunmehr die Akten mit den von der Klägerin
genannten Aktenzeichen beiziehen und teilweise vom Thüringer Landessozialgericht anfordern. Wie auch aus anderen Verfahren,
die der Senat zu bearbeiten hat, offensichtlich wird, nimmt die Klägerin ihre Klagen häufig zum Anlass, Streitgegenstände,
die mit dem ursprünglichen Begehren nichts oder nur am Rande zu tun haben, einzuführen, was die Bearbeitung der Klagen erheblich
erschwert.
Zu einer weiteren Verlängerung der Verfahrensdauer kam es dadurch, dass die Klägerin am 3. Juni 2009 Verfassungsbeschwerde
wegen einer "andauernden Unterlassung gerichtlicher Tätigkeit des Sozialgerichts" hinsichtlich ihrer Untätigkeitsklage eingelegt
hatte. Erst nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24. September 2009 (Az.: 1 BvR 1304/09) unter anderem diese Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hatte und sich die Akten wieder beim Sozialgericht
befanden, konnte die Sache weiter bearbeitet werden.
Das Sozialgericht hat den Beteiligten daraufhin mitgeteilt, einen Verhandlungstermin bestimmen zu wollen und hierzu die K.
um eine beschleunigte Bearbeitung und Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zugang des Schreibens gebeten.
Es ist mithin davon auszugehen, dass das Sozialgericht zeitnah einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen wollte. Hierzu
kam es jedoch zunächst nicht, vielmehr zu einer weiteren Verlängerung der Verfahrensdauer, weil die Klägerin den zuständigen
Kammervorsitzenden mit am 12. Oktober 2009 eingegangenem Schriftsatz wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Der
Kammervorsitzende konnte die Sache erst dann weiter bearbeiten, nachdem das Thüringer Landessozialgericht den Befangenheitsantrag
mit Beschluss vom 7. Januar 2010 abgelehnt hatte und die Akten wieder beim Sozialgericht vorlagen.
Dementsprechend hat das Sozialgericht den Rechtsstreit zur Sitzung geschrieben. Zwar wurde mit Verfügung vom 19. November
2010 Termin zur mündlichen Verhandlung erst auf den 26. Januar 2011 bestimmt, dies ist im Hinblick auf die Verfahrensdauer
jedoch nicht zu beanstanden. Denn in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Sozialgericht bereits im Oktober
2009 einen zeitnahen Termin bestimmen wollte und eine konkrete Planung aufgenommen hatte. Nachdem diese Planung durch den
Befangenheitsantrag unterbrochen wurde, war es weder erforderlich noch konnte die Klägerin erwarten, dass das Sozialgericht
nunmehr andere Verfahren zurückstellt und diese Klage vorrangig terminiert. Denn die Arbeitsorganisation ist Sache des zuständigen
Kammervorsitzenden und fällt in den Bereich dessen richterlicher Unabhängigkeit. Es besteht keine Verpflichtung, Rechtsstreitigkeiten,
die geladen werden sollten bzw. geladen worden sind, nur deshalb vorrangig neu zu terminieren, weil der zuvor geplante Termin
nicht stattfinden konnte.
Hinzu kommt, dass die Klägerin nicht nur in diesem Verfahren den zuständigen Kammervorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit
abgelehnt hat, sondern auch in weiteren Verfahren, für die er zu diesem Zeitpunkt zuständig war (vgl. u. a. SG Gotha, Az.:
S2 KA3535/07; S 2 KA 1066/09). Nachdem das Thüringer Landessozialgericht über alle Befangenheitsanträge entschieden und die Akten zurück an das Sozialgericht
geschickt hatte, lagen dem Kammervorsitzenden nunmehr mehrere Verfahren, die durch die erfolglosen Befangenheitsanträgen verzögert
wurden, vor, die nun ggf. schnell zu entscheiden waren.
Dass der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2011 auf den 9. März 2011 und dann noch auf den 23. März 2011 verlegt
werden musste, lag daran, dass die Klägerin nach der Zustellung der Ladung einen Rechtsanwalt bevollmächtigt hat, der Akteneinsicht
und Terminsverlegung beantragt hat, sich in die Sache einarbeiten wollte und der am 9. März 2011 verhindert war. Diese Verzögerung
lag ebenfalls im Verantwortungsbereich der Klägerin.
Aus der Bearbeitung in der Berufungsinstanz ergibt sich, dass der Rechtsstreit sogar vorrangig bearbeitet wurde. Die Berufung
wurde am 16. August 2011 eingelegt und am 20. September 2011 begründet. Bereits mit Verfügung vom 13. März 2013 wurde Termin
zur mündlichen Verhandlung auf den 16. Mai 2013 bestimmt. Trotz der relativ geringen Verfahrensdauer in der Berufungsinstanz
hat die Klägerin mehrfach Sachstandsanfragen gestellt und - obwohl zu diesem Zeitpunkt schon eine Entschädigungsklage erhoben
worden war - eine weitere Verzögerungsrüge erhoben. Auch im Berufungsverfahren hat die Klägerin umfangreiche Schriftsätze
eingereicht, die mit der eigentlichen Untätigkeitsklage nichts oder nur am Rande zu tun hatten, jedoch zeitaufwändig zur Kenntnis
genommen werden mussten. In der Gesamtschau ist mithin keine unangemessene Verfahrensdauer festzustellen.
Während des gesamten Verfahrens hat die Klägerin so agiert, dass während erheblicher Zeiträume eine vernünftige und zeitnahe
Bearbeitung der (unzulässigen) Klage durch das Sozialgericht bzw. die Berufung durch das Landessozialgericht nicht möglich
war, sie eine vernünftige und zeitnahe Bearbeitung des Rechtsstreites sogar vereitelt hat und nunmehr eine Entschädigung für
angeblich immaterielle Schäden in exorbitanter Höhe verlangt, die nicht annähernd der geringen Bedeutung des Ausgangsverfahrens
entspricht. Es stellt sich die Frage, ob dies dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht.
Der Vollständigkeit halber ist im Hinblick auf die von der Klägerin noch geltend gemachte "materielle Entschädigung" darauf
hinzuweisen, dass ein materieller Schaden wegen überlanger Verfahrensdauer- auch wenn es nicht darauf ankommt - schon nicht
nachvollziehbar dargelegt worden ist. Die Klägerin verkennt hier, dass eine ideelle oder materielle Entschädigung nach dem
ÜGRG wegen einer überlangen Verfahrensdauer und nicht wegen einer fehlerhaften Rechtsanwendung eines Sozialgerichts geleistet
wird. Die Klägerin will aber eine materielle Entschädigung wegen eines angeblich falschen Urteils des Sozialgerichts. Die
Klägerin verkennt auch, dass es im Ergebnis keine Rolle spielt, ob eine Berufung unbegründet ist, weil die Klage unbegründet
oder diese bereits unzulässig gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a Abs.
1 Satz 1 HS 3
SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 VwGO.
Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtsstreit Rechtsfragen grundsätzlicher Art aufgeworfen hat, §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG.