Sozialversicherungspflicht bei der Beschäftigung von Familienangehörigen; Beteiligung als stiller Gesellschafter
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin vom 1. Februar 2003 bis 30. November 2007 bei der Beigeladenen zu 1
versicherungspflichtig beschäftigt war.
Die 1977 geborene Klägerin war in dem streitigen Zeitraum bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die Beigeladene
zu 1 - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - war mit Gesellschaftsvertrag vom 28. Dezember 1995 gegründet worden.
Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist der Vater der Klägerin. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer
Tischlerei sowie die damit üblicherweise verbundenen Handelsgeschäfte.
Die Klägerin verpflichtete sich mit dem "Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft" vom 28. Februar 1996 zur
Beteiligung an der Beigeladenen zu 1 als stiller Gesellschafter mit einem Betrag von 50.000 DM. Laut § 2 des Vertrages ist
die stille Beteiligung steuerlich als Mitunternehmerschaft zu behandeln. Zur Geschäftsführung und Vertretung ist nach § 5
Abs. 1 des Vertrages nur der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 berechtigt. Dem stillen Gesellschafter stehen die Kontrollrechte
nach § 233 des Handelsgesetzbuchs (HGB) nach § 5 Abs. 2 des Vertrages in vollem Umfange zu. Am Gewinn und Verlust und an den stillen Reserven ist der stille Gesellschafter nach
§ 6 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages mit einem Anteil von 30 v.H. beteiligt.
Die Beigeladene zu 1 und die Klägerin schlossen am 1. Dezember 1997 einen schriftlichen "Arbeitsvertrag", wonach die Klägerin
ab 1. Dezember 1997 als "vollbeschäftigter Arbeitnehmer" als Finanzbuchhalter eingestellt wird. Der Bruttomonatsgehalt betrug
zunächst 3.200 DM. Die Klägerin hatte Anspruch auf 24 Tage Erholungsurlaub, für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sollten
die gesetzlichen Bestimmungen gelten. Nebenabreden wurden ausdrücklich nicht getroffen. Änderungen des Vertrages bedürfen
nach § 12 des Vertrages der Schriftform. Zum 1. Dezember 1997 erfolgte eine Gehaltserhöhung um 200 DM (Nachtrag zum Arbeitsvertrag
vom 1. Dezember 1997 vom 1. Dezember 1997), zum 1. Januar 1999 um 300 DM (Nachtrag vom 14. Dezember 1998) und zum 1. Mai 2001
um 300 DM (Nachtrag vom 1. Mai 2001). Zum 1. September 2002 vereinbarten die Beteiligten die Erhöhung der am 1. Dezember 1997
vereinbarten Direktversicherung um 43 EUR monatlich (Nachtrag vom 6. August 2002).
Der Klägerin und ihrem Bruder wurde am 13. April 2006 durch die Eltern eine notarielle Generalvollmacht erteilt. Die Vertretung
sollte insbesondere in persönlichen Angelegenheiten wie der Entscheidung über die häusliche Pflege und die Einwilligung in
ärztliche Behandlung erfolgen. Der Widerruf der Vollmacht wurde nicht ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 15. November 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung, dass sie als Beschäftigte
der Beigeladenen zu 1 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Anlässlich einer Betriebsprüfung der Finanzverwaltung
sei festgestellt worden, dass sie rückwirkend als Mitunternehmerin einzustufen sei. Sie sei bereits deshalb nicht in einem
fremden Betrieb tätig, weil sie an dem Betrieb beteiligt sei. Auch wenn ein Arbeitsvertrag existiere, könne dieser kein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis im sozialrechtlichen Sinne begründen. Überdies werde der Vertrag so nicht gelebt. Sie habe sich mit
50.000 DM an dem Betrieb der Beigeladenen zu 1 beteiligt und von Beginn an auf eine angemessene Vergütung verzichtet, wie
auch auf Abgeltung von Überstunden oder Abgeltung regelmäßig nicht genommenen Urlaubs. Dies dokumentiere, dass sie die Familien-GmbH
als ihr eigenes Unternehmen betrachte und gleichberechtigt neben ihrem Vater agiere. Sie habe die kaufmännische Leitung der
Firma übernommen. Sie verfüge des Weiteren über eine notarielle Generalvollmacht nebst Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot
nach §
181 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB).
Nach Beteiligung der Beigeladenen zu 2 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Mai 2007 nach §
7 Abs.
1 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Da sie über keine Gesellschaftsanteile verfüge und laut Gesellschaftsvertrag
eine einfache Mehrheit für Gesellschafterbeschlüsse erforderlich sei, könne sie keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschicke
der Gesellschaft ausüben. Die Merkmale einer nicht selbstständigen Tätigkeit überwögen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid
vom 29. November 2007).
Im Klageverfahren hat die Klägerin den Bericht des Finanzamts G. vom 27. November 2006 über die Außenprüfung bei der Beigeladenen
zu 1 im April 2006 - Prüfzeitraum 2002 bis 2006 - vorgelegt. Danach stellt der an sie gezahlte Lohn eine steuerliche Vorwegvergütung
an die Gesellschafter der atypischen stillen Gesellschaft dar. Der Lohn, der bisher laut Lohnsteuerkarte bei der Einkommenssteuerveranlagung
der Beteiligten als Einkunft aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt wurde, werde daher nicht mehr angesetzt. Dies
werde dem Finanzamt mitgeteilt. Die Klägerin hat u.a. ihre Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005 vorgelegt,
wonach sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
Mit Urteil vom 1. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Tätigkeit der
Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 könne im streitigen Zeitraum nicht als selbstständige Tätigkeit angesehen werden. Die Klägerin
selbst sei offensichtlich bis zur Betriebsprüfung durch das Finanzamt davon ausgegangen, dass sie sozialversicherungspflichtig
bei der Beigeladenen zu 1 beschäftigt ist. Sie sei entsprechend gemeldet gewesen und es seien Beiträge zur Sozialversicherung
abgeführt worden. Für ihre Arbeitnehmereigenschaft spreche der am 1. Dezember 1997 geschlossene Arbeitsvertrag. Dass sie in
ihrer Arbeitseinteilung im Wesentlichen frei war, sei bei Diensten höherer Art nichts Ungewöhnliches. Hieran ändere auch die
Beteiligung der Klägerin an der Beigeladenen zu 1 als stille Gesellschafterin nichts. Sie sei zwar am Gewinn und Verlust des
Unternehmens beteiligt, es fehle aber an einem für eine selbstständige Tätigkeit typischem Auftreten am Markt, dem Abschluss
von Geschäften im eigenen Namen, dem Treiben eigener Werbung für eigene Zwecke und dem nach außen hin erkennbaren Einsatz
eigener Betriebsmittel. Sie sei als stille Gesellschafterin nicht in der Lage, ihre Bindungen aus dem Anstellungsvertrag zu
lösen. Der steuerrechtlichen Behandlung des Arbeitslohnes aufgrund der Betriebsprüfung des Finanzamtes Gera komme im vorliegenden
Fall als Argument kein großes Gewicht zu, da die dortige Beurteilung nicht nachvollziehbar sei. Der Vater der Klägerin sei
Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1, die Klägerin habe rechtlich keine Möglichkeit der Einflussnahme
auf die Gesellschaft.
Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, sie sei Mitunternehmerin. Sie trage jegliches Geschäftsergebnis,
also sowohl Gewinne wie Verluste, mit. Sie habe neben Unternehmerwillen auch das Unternehmerrisiko. Da sie am Gewinn und vor
allem Verlust des Unternehmens unmittelbar teilnehme, handele es sich nicht um eine stille, sondern atypische stille Gesellschaft,
also Mitunternehmerschaft nach §
15 des
Einkommensteuergesetzes (
EStG) nebst Mitsprache- und Kontrollrechten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 1. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 29. November 2007 aufzuheben und festzustellen, dass sie in ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen
zu 1 in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. November 2007 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten-
und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2007 ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie ist im Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis 30. November 2007 versicherungspflichtig
in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung.
Nach §
28h Abs.
2 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, nur im Rahmen der Betriebsprüfung entscheidet ausnahmsweise
der Träger der Rentenversicherung (§ 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV). Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§
5 Abs.
1 Nr.
1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V); §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI); §
1 Satz 1 Nr. 1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI), §§
24 ff. des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) setzt sie voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden
Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art
der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer
Art - eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige
Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen; maßgebend ist stets das Gesamtbild der
Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - Az.: B 12 KR 13/07 R m.w.N., nach juris).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im streitigen Zeitraum von einer Beschäftigung auszugehen. Nach der Rechtsprechung
des BSG ist für die Frage der Einstufung als Selbstständiger oder Beschäftigter zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten,
so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung
auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose -
Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass sie tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag
geben, wenn sie von Vereinbarung abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte
Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R m.w.N.). Die Klägerin war im streitigen Zeitraum nicht in ihrem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Alleinige
Betriebsinhaberin war die Beigeladene zu 1, die als GmbH ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb
unabhängig von den als Gesellschafter dahinter stehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen
oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss. Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit der Klägerin für die
Beigeladene zu 1 im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, sind der "Arbeitsvertrag" vom 1. Dezember
1997, und der "Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft" vom 28. Februar 1996. Darüber hinaus ist die der Klägerin
erteilte Generalvollmacht zu berücksichtigen.
Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 erlaubt unter Zugrundelegung des "Arbeitsvertrages"
vom 1. Dezember 1997 eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung. Der Vertrag wird
als Arbeitsvertrag bezeichnet, die Klägerin sollte ausdrücklich als vollbeschäftigte Arbeitnehmerin - als Finanzbuchhalterin
- tätig werden. Sie konnte Arbeitnehmerrechte wie Erholungsurlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wahrnehmen. Auch die
für die Klägerin abgeschlossene und für Arbeitnehmer typische Direktversicherung spricht für eine abhängige Beschäftigung.
An der Eigenschaft der Klägerin als abhängig Beschäftigte ändert sich auch nichts durch den "Vertrag über die Errichtung einer
stillen Gesellschaft" vom 28. Februar 1996. Anders als in der Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom
11. November 2009 (Az.: L 1 KR 222/07) bestand nicht lediglich eine konkludent geschlossene Innengesellschaft, vielmehr wurde ausdrücklich eine gesondert geregelte
stille Gesellschaft gegründet.
Die - gesetzlich nicht definierte und nur rudimentär geregelte - stille Gesellschaft ist (Personen-)Gesellschaft im Sinne
von §
705 BGB und bildet als klassischer Fall einer Innengesellschaft als solche weder ein Gesellschaftsvermögen noch ist sie rechtsfähig/parteifähig
noch kann sie vertreten werden (vgl. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 3, München 2007, § 230 Rn. 7, 8). In rechtlicher Hinsicht tritt allein der Geschäftsinhaber als Träger des Unternehmens in Erscheinung, sodass eine
Außenhaftung der stillen Gesellschafter ausgeschlossen ist (vgl. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, aaO., § 230 Rn. 13). Als Innengesellschaft ist die (typische) stille Gesellschaft in erster Linie Schuldverhältnis mit dem Einlageverhältnis
als zentralen vermögensrechtlichen Aspekt. Die Gesellschaft kann aber auch als "GmbH & Still" nach dem Modell der Kommanditgesellschaft
(KG) ausgestaltet sein, wobei vielfältige "atypische" gesellschaftsrechtliche Gestaltungen denkbar sind. Diese können - jeweils
unter Wahrung der Mindestvoraussetzungen der stillen Gesellschaft - im Innenverhältnis zu einer den Handelsgesellschaften
angenäherten Organisation führen und insofern sogar die Rollenverteilung zwischen dem "Stillen" und dem Geschäftsinhaber umkehren
(vgl. Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, aaO., § 230 Rn. 73, 77). In diesem Fall erscheint es zumindest denkbar, den "Stillen" als Selbständigen anzusehen. Eine so geregelte
atypische stille Gesellschaft liegt hier aber gerade nicht vor. Die Klägerin hat keine Geschäftsführungsbefugnisse, weder
bei der Beigeladenen zu 1 noch im Innenverhältnis der GmbH & Still. Der Vertrag weist in § 5 Abs. 1 ausschließlich dem Geschäftsführer
der Beigeladenen zu 1. die Geschäftsführung zu. Die Klägerin hat keine interne Rechtsmacht, sie kann weder an Stelle der Beigeladenen
zu 1. tätig werden, noch kann sie deren Entscheidungen verhindern. Es bleibt allein dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu
1 - dem Vater der Klägerin - vorbehalten, Art und Umfang der Tätigkeit zu bestimmen. Daran ändert auch die der Klägerin erteilte
Generalvollmacht nichts, da diese jederzeit widerrufen werden kann. Auch die vereinbarte Gewinn- und Verlustbeteiligung gibt
keinen Anlass, deshalb eine aufgrund des Gesamtbildes unzweifelhafte Beschäftigung in Zweifel zu ziehen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - Az.: B 12 KR 31/06 R, nach juris).
Der Annahme von Sozialversicherungspflicht bei der Klägerin steht die einkommenssteuerrechtliche Betrachtungsweise nicht entgegen.
Nach §
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG), einer KG und einer anderen Gesellschaft,
bei der der Gesellschafter als Unternehmer anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) ist
eine andere Gesellschaft im Sinne dieser Vorschrift auch die atypisch stille Gesellschaft, d.h. eine stille Gesellschaft,
bei der der stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist (vgl. BFH, Urteil vom 15. Dezember 1998 - Az.: VIII R 62/97, nach juris). Selbst wenn - wovon das Finanzamt Gera wohl ausgeht - die Einnahmen des Klägers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
angesehen werden müssen, ergeben sich hieraus für das Sozialversicherungsrecht keine weiter gehenden Schlussfolgerungen. Abgesehen
davon, dass die sozialversicherungsrechtliche Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich unabhängig von der
Entscheidung der Finanzbehörden zu treffen ist, handelt es sich nämlich bei §
15 Nr. 2
EStG um eine allein durch Besonderheiten des dortigen Regelungsgegenstandes bedingte und auf sonstige Rechtsgebiete nicht übertragbare
Sonderregelung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - Az.: B 12 KR 31/06 R, nach juris). Hierbei kann es - wie im Fall der Klägerin - steuerrechtlich zu einer anderen Bewertung kommen als in sozialversicherungsrechtlicher
Hinsicht. Diese "Durchbrechung der Einheit der Rechtsordnung" verstößt aber nicht gegen das
Grundgesetz (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - Az.: B 12 KR 31/06 R, nach juris unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Juli 1969 - Az.: 1 BvR 457/66).
Die Vereinbarungen weichen letztlich auch nicht von den tatsächlichen Verhältnissen mit der Folge ab, dass letzteren der Vorrang
einzuräumen wäre.
Eine andere Bewertung ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Rechtsprechung einiger Senate des BSG - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts -, wonach auch für den Fall, dass
der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des
Betroffenen für möglich erachtet wurde, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme
aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R m.w.N., nach juris). Insbesondere der 11. Senat des BSG hat eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall eines - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten
Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte
der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten
(vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1990 - Az.: 11 RAr 47/88, nach juris). So liegt der Fall hier aber nicht, die Klägerin war nur für Teilbereiche zuständig und konnte im Übrigen die
Geschäfte nicht wie eine Alleininhaberin nach eigenem Gutdünken führen. Im Übrigen ist der aus gesetzlichen und vertraglichen
Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse größere Bedeutung beizumessen. Entscheidender
Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung
ist auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten
abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder
gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern
zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit
bestünde. Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs-
und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R, nach juris; Senatsurteil vom 29. Oktober 2013 - Az.: L 6 KR 862/10).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.