Kostenprivilegierung im sozialgerichtlichen Verfahren bei Klagen in Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für das Hauptsacheverfahren des Erinnerungsführers vor dem Sozialgericht Altenburg
(Az.: S 2 R 3997/12) Kosten nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) erhoben werden.
In diesem Verfahren wendet sich der Erinnerungsführer gegen einen Betriebsprüfungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung
... vom 7. Juni 2012 an den Insolvenzverwalter des Fußballklubs 1. FC G ... und begehrt die Feststellung, dass die dort festgestellte
Forderung in Höhe von 694.508,22 Euro nicht bestehe, hilfsweise, dass sie rechtswidrig sei und gegen ihn keine Bindungswirkung
entfalte.
Mit Schreiben vom 19. November 2012 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Gerichtskosten (KV Nr. 7110) ausgehend
von einem Streitwert von 694.508,22 Euro auf 8.868,00 Euro festgesetzt. Dagegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt
und vorgetragen, sein Verfahren sei bei entsprechender Anwendung von §
183 S. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) gerichtskostenfrei. §
197a SGG sei lediglich als Ausnahmevorschrift für Personen geschaffen worden, die nicht eines besonderen Schutzes in Form eines kostenfreien
Rechtsschutzes bedürften. Als ehrenamtlicher Vorstand eines Fußballklubs sei er nicht weniger schutzbedürftig als die in §
183 SGG genannten Personen. Eine andere Entscheidung würde das Sozialstaatsprinzip konterkarieren. Er begehre zudem die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung.
Mit Beschluss vom 17. Januar 2013 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen und die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung abgelehnt. Der Beschwerdeführer gehöre nicht zu dem Personenkreis des §
183 SGG. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht sei nicht ersichtlich. Bedenken gegen die festgesetzte Höhe bestünden nicht.
Gegen den am 23. Januar 2013 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 6.Februar 2013 Beschwerde eingelegt und im
Ergebnis seine Begründung im Erinnerungsverfahren wiederholt. Er verfüge lediglich über ein monatliches Nettoeinkommen in
Höhe von 1.760,00 Euro. Es sei ihm unmöglich, die Gerichtskosten zu tragen. Damit wäre ein grundrechtlich geschützter effektiver
Rechtsschutz ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter des 1. FC G. habe gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung.
kein Rechtsmittel eingelegt. Zahlreiche Krankenkassen forderten nunmehr von ihm die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.
Sie und das Amtsgericht G. warteten wohl das Ergebnis der Feststellungsklage ab. Im Falle der Nichtabhilfe bzw. der Ablehnung
der beantragten Prozesskostenhilfe müsse er die Klage aus Kostengründen zurücknehmen. Gegen die Höhe des festgesetzten Wertes
wende er sich nicht.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Januar 2013 und den Kostenansatz vom 19. November 2012 aufzuheben.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er in der Hauptsache auf den Beschluss der Vorinstanz.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 7. Februar 2013) und sie dem Thüringer Landessozialgericht
vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat das Verfahren dem Senat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 21. März 2013
übertragen.
II. Die statthafte und nach § 66 Abs. 2 S. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Nach §
197a Abs.
1 S. 1
SGG werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in §
183 SGG genannten Personen gehört oder es sich um ein Verfahren wegen überlangen Gerichtsverfahrens handelt; dann sind die §§
154 bis
162 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) entsprechend anzuwenden. Nach §
183 S. 1
SGG ist für Versicherte, Leistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger das Verfahren vor den Gerichten
der Sozialgerichtsbarkeit kostenfrei, wenn sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind.
Der Beschwerdeführer unterfällt nach dem Wortlaut nicht dem im Gesetz genannten privilegierten Personenkreis, denn er klagt
nicht als Versicherter oder Leistungsempfänger. Dies trägt auch er selbst nicht vor. Die von ihm geforderte entsprechende
Anwendung des §
183 S. 1
SGG kommt nicht in Betracht, denn es fehlt an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Ob sie vorhanden ist, ist vom Standpunkt
des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 13. November 2001 - Az.:
X ZR 134/00, nach juris).
§
197a SGG wurde mit Wirkung vom 2. Januar 2002 durch das 6. Gesetz zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes (SGGÄndG) vom 17. August 2001 eingeführt und löste das Prinzip der unterschiedslosen Kostenfreiheit ab. Grundsätzlich sollten
nunmehr nur die in §
183 S. 1
SGG ausdrücklich genannten Personengruppen auch künftig nicht mit Gerichtskosten belastet werden; ihnen sollte es ermöglicht
werden, auch künftig ihre Ansprüche unabhängig von einem individuellen Kostenrisiko zu klären (vgl. BT-Drucks. 14/5943 S.
20). Die Kostenfreiheit soll nach dem Ziel des Gesetzgebers allerdings für alle Verfahren ausgeschlossen werden, in denen
sie sozialpolitisch nicht mehr gerechtfertigt ist, was bei den Verfahren unterstellt wird, in denen nicht die ausdrücklich
genannten Personengruppen Kläger oder Beklagte sind. Als Beispielsfälle werden in der Gesetzesbegründung Verfahren von Sozialleistungsträgern
untereinander, zwischen Sozialleistungsträgern und Arbeitgebern und Vertragsarztverfahren genannt.
Die von dem Beschwerdeführer begehrte Kostenprivilegierung widerspricht der Zielrichtung des Gesetzes. Diese äußert sich schon
in §
183 S. 1
SGG durch die ausdrückliche Ausnahme einer generellen Privilegierung von ehrenamtlich Tätigen bei allen Klagen vor den Sozialgerichten,
wenn diese nicht in dieser entsprechenden Eigenschaft am Verfahren beteiligt sind. Insofern geht der Vortrag zu einer Konterkarierung
des Sozialstaatsprinzips fehl. Die Forderung nach einer generellen Kostenprivilegierung in Zusammenhang mit ehrenamtlichen
Tätigkeiten ist nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hat auch kein entsprechendes Schutzbedürfnis wie der in §
183 S. 1
SGG genannte Personenkreis. Auf seine subjektiven Vorstellungen kommt es dabei nicht an. Vielmehr kommt eine Gleichstellung nach
dem Sinn des Gesetzes nur dann in Betracht, wenn ein gleichwertiges Leistungsspektrum wie bei einem anerkannten Leistungsempfänger
in Streit steht (z.B. Leistungen aus der privaten statt gesetzlichen Pflegeversicherung - vgl. BSG, Beschluss vom 28. September 2006 - Az.: B 3 P 3/05 R, nach juris). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall.
Bedeutungslos ist der Vortrag des Beschwerdeführers, der Gesetzgeber sei bei der Einführung der Kostenpflicht u.a. von voll
wirtschaftlichen Arbeitgebern ausgegangen. Tatsachlich werden sie in der genannten BT-Drucksache auf Seite 20 aber nur als
Beispielsfall (" ...gilt z.B ") für eine sozialpolitisch nicht gerechtfertigte Privilegierung benannt. Ein Ausschluss anderer
Fälle erfolgt nicht. Ohne rechtliche Bedeutung für die Entscheidung ist der Vortrag, andere Leistungsträger und das Amtsgericht
G. würden den Ausgang der Feststellungsklage abwarten.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sind für die Frage der Kostenfreiheit ohne Bedeutung. Ob ihm die beantragte
Prozesskostenhilfe zusteht, ist nicht in diesem Verfahren zu klären. Diese Entscheidung obliegt dem Sozialgericht; dabei hat
es auch die Frage der Erfolgsaussicht zu prüfen (§
114 der
Zivilprozessordnung -
ZPO-).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).