Berücksichtigung des Übergangs von Unterhaltsansprüchen auf den Träger der Sozialhilfe im Prozeßkostenhilfeverfahren
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, die seit längerem Leistungen der Sozialhilfe bezieht, hat Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt,
mit der sie ab Oktober 1992 Getrenntlebensunterhalt und Unterhalt für die beiden bei ihr lebenden, am 4.1.1984 und 16.9.1987
geborenen ehelichen Kinder verlangen will.
In der Klageschrift vom 6.8.1993 (AS. I ff.) heißt es, sie selbst verdiene monatlich ca. 1.000 DM unter Berücksichtigung von
Weihnachts- und Urlaubsgeld. Zum Einkommen des Beklagten heißt es, er sei vergeblich mit Anwaltsschriftsatz vom 23.9.1992
aufgefordert worden, entsprechende Auskunft zu erteilen. In dem genannten Schriftsatz wird dann weiter ausgeführt: "man geht
daher von einem Einkommen aus, das er vor seiner Selbständigkeit erzielt hat in Höhe von 3.000 DM netto pro Monat. In dieser
Höhe könnte er auch wieder jetzt Einkünfte erzielen, wenn er eine entsprechende Arbeit annehmen würde." Es wird dann die geltend
gemachte Unterhaltsforderung auf der Grundlage eines Einkommens des Antragsgegners von 3.000 DM errechnet.
Der Beklagte hat vorgetragen (AS. 12 f.), er sei nicht leistungsfähig. von August bis Mitte Dezember 1992 sei er Geschäftsführer
einer Bau-GmbH gewesen, die in Konkurs gegangen sei und ihm schon vorher wegen erheblicher finanzieller Schwierigkeiten keinerlei
Gehalt ausgezahlt habe. In dieser zeit habe er, um den Unterhalt bestreiten zu können, sich Geld von Freunden darlehensweise
geben lassen. Im April 1993 habe er mit zwei anderen türkischen Landsleuten die M. Hoch- und Tiefbau GmbH gegründet, die aber
noch keinerlei Überschuss erwirtschaftet habe, so dass er keine Gelder aus der Firma habe entnehmen können.
Mit Beschluss vom 24.2.1994 hat das Familiengericht das Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen, weil die Antragstellerin
weder aktivlegitimiert noch prozessführungsbefugt sei. Da sie nämlich seit geraumer Zeit Sozialhilfeleistungen beziehe, seien
ihre Unterhaltsansprüche gemäß § 91
BSHG n.F. kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger übergegangen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die nach §
127 Abs.
2 Satz 2
ZPO zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Familiengericht wird nunmehr erneut über das
Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden und dabei zu Gunsten der Antragstellerin davon auszugehen haben, dass die von ihr
geltend gemachten Unterhaltsansprüche nicht kraft Gesetzes auf das Sozialamt übergegangen sind.
Soweit Unterhaltsansprüche der Antragstellerin und der Kinder gegen den Antragsgegner entstanden sind und im vorliegenden
Rechtsstreit von der Antragstellerin geltend gemacht werden, kann für die im verfahren der Prozesskostenhilfe zu treffende
Entscheidung nicht davon ausgegangen werden, dass sie und die Kinder diese Ansprüche gemäß § 91
BSHG verloren haben. Zwar ist in § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG bestimmt, dass dann, wenn der Hilfeempfänger für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch
hat, dieser Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Träger der Sozialhilfe übergeht. Auch wenn man im vorliegenden
Fall annimmt, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegen, so ist doch noch § 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG zu beachten. Danach geht der Anspruch "nur über, soweit ein Hilfsempfänger sein Einkommen und vermögen nach den Bestimmungen
des Abschnitts 4 ... einzusetzen hat". In § 76 Abs. 1
BSHG, der ersten Bestimmung in Abschnitt 4 dieses Gesetzes, wird der hier maßgebliche Einkommensbegriff definiert. Danach gehören
zum Einkommen i.S. dieses Gesetzes "alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme ...."; abgestellt wird also nur auf
tatsächlich vorhandenes Einkommen, während Einkommen, das der Betreffende - bei entsprechendem Bemühen - erzielen könnte,
effektiv aber nicht hat, unberücksichtigt bleibt. Insofern unterscheidet sich das Sozialhilferecht vom Unterhaltsrecht, nach
dem unter bestimmten Voraussetzungen auch ein rein fiktives Einkommen der in Anspruch genommenen Person für die Begründung
einer Unterhaltsverpflichtung ausreichen kann (siehe dazu auch Künkel, FamRZ 1994, 540, 546). Es wäre im Übrigen auch unverständlich, wenn zwar einer bedürftigen Person Sozialhilfe ohne Rücksicht auf die Gründe
ihrer Hilfsbedürftigkeit zu bewilligen wäre, wenn andererseits das Sozialamt gegen eine ebenfalls hilfsbedürftige Person,
gegen die nach bürgerlichem Recht wegen eines bei ihr fingierten Einkommens Unterhaltsansprüche bestehen, kraft Gesetzes derartige
Ansprüche erwerben und geltend machen könnte.
Im vorliegenden Fall kann schon dem Vortrag der Antragstellerin nicht entnommen werden, dass der Antragsgegner tatsächlich
in der hier fraglichen Zeit seit Oktober 1992 ein Einkommen erzielt hat, das die nach dem Bundessozialhilfegesetz (§§ 79 ff. BSHG) zu berücksichtigende Einkommensgrenze übersteigt. Auch aus dem Vortrag des Antragsgegners lässt sich derartiges nicht entnehmen.
Es ist daher - jedenfalls im Prozesskostenhilfeverfahren - davon auszugehen, dass die geltend gemachten Unterhaltsansprüche
uneingeschränkt bei der Antragstellerin und ihren Kindern geblieben sind.
Das Familiengericht wird nunmehr erneut über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden haben (zur Frage, inwieweit der Unterhaltsberechtigte
zur schlüssigen Darlegung der Höhe seines Unterhaltsbedarfs auf lediglich fiktives Einkommen des in Anspruch genommenen Ehegatten
bzw. Vaters abstellen kann, siehe auch Senat, FamRZ 1993, 1481; 1994, 754).