Geltendmachung künftig fällig werdenden Unterhalts im Falle eines Sozialhilfeempfängers
Gründe:
1. Die Antragstellerin begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Unterhaltsklage gegen ihren früheren Ehemann. Sie beabsichtigt,
768,-- DM monatlich ab August 1994 geltend zu machen. Mit Beschluß vom 10.10.1994 hat das Familiengericht Prozeßkostenhilfe
versagt. Das Amtsgericht hält die beabsichtigte Rechtsverfolgung für mutwillig i.S.d. §
114
ZPO, weil die Antragstellerin fortlaufende Sozialhilfe in einer den beanspruchten Unterhalt übersteigenden Höhe bezieht.
Der gegen die Versagung gerichteten Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen.
Die Klageschrift ist bislang nicht zugestellt.
2. Der Antragstellerin war Prozeßkostenhilfe in dem im Tenor bezeichneten Umfang zu gewähren.
2.1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist nach Auffassung des Senats nicht mutwillig (§
114
ZPO). Dabei wird der Ausgangspunkt des Amtsgerichts geteilt, daß eine nichtbedürftige Partei eine Leistung grundsätzlich nicht
einklagt, die sie von Dritter Seite ohne Kostenrisiko erhält. Etwas anderes hat aber dann zu gelten, wenn es sich bei dem
Dritten um einen Sozialhilfeträger handelt. Dem Sozialhilfeempfänger darf es nicht verwehrt werden, sich aus dem Einflußbereich
der Sozialbehörde zu lösen und die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche selbst in die Hand zu nehmen (so auch OLG Hamm
FamRZ 1994, 1533; OLG Stuttgart, FamRZ 1994, 384 f.; Seetzen, NJW 1994, 2505, 2506). Diesem mit der Subsidiarität der Sozialhilfe verknüpften Gesichtspunkt trägt die Gegenansicht (OLG Saarbrücken, FamRZ
1994, 636 f.; OLG Köln, FamRZ 1994, 970 f.) nicht hinreichend Rechnung.
Der Nachrang der Sozialhilfe ist auch dann zu berücksichtigen, wenn die geltend gemachten Unterhaltsansprüche die laufend
bezogene Sozialhilfe wie im Streitfall unterschreiten. Auch hier darf es dem Sozialhilfeempfänger nicht verwehrt werden, sich
zumindest teil- oder schrittweise unabhängig von Sozialhilfe zu machen. Damit werden auch Abgrenzungsprobleme vermieden, wenn
die bezogene Sozialhilfe den einzuklagenden Unterhalt nur geringfügig unterschreitet. Sachliche Kriterien für eine überzeugende
Lösung in solchen Grenzfällen sind nicht vorhanden.
2.2. Prozeßkostenhilfe konnte nur bewilligt werden für Unterhaltsraten. die nach der erst noch zu bewirkenden Zustellung der
Klageschrift fällig werden. Für Unterhaltsansprüche, die vor Klageerhebung fällig wurden, ist die Antragstellerin nicht mehr
aktivlegitimiert. Diese Ansprüche sind nach § 91 Abs. 1
BSHG auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen. Insoweit hat die beabsichtigte Klage der Antragstellerin keine Erfolgsaussicht
(§
114
ZPO).
3.1. Der Antragstellerin ist nach §
121 Abs.
2 Satz 1
ZPO ein ortsansässiger Rechtsanwalt zur Vertretung beizuordnen. Die Bestimmung bleibt dem Amtsgericht vorbehalten.
3.2. Darüber hinaus ist der Antragstellerin gemäß §
121 Abs.
3
ZPO Rechtsanwalt, Kassel, als Verkehrsanwalt beizuordnen. Besondere Umstände erfordern dies. Der Streitfall ist nicht einfach
gelagert. Die Klägerin wäre mit der schriftlichen Information eines bei Gericht ansässigen Anwalts überfordert. Angesichts
der weiten Entfernung zwischen Gerichtsort und Wohnsitz der Antragstellerin bzw. Kanzleisitz ihres dortigen Bevollmächtigten
erscheint die Beiordnung als Verkehrsanwalt kostengünstiger als die sonst erforderliche Erstattung von Reisekosten.
4. Die Entscheidung zur Gerichtsgebühr entspricht billigem Ermessen (GKGKV Nr. 1905).