OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16.01.1995 - 9 WF 1/95
Prozeßkostenhilfe für Unterhaltsklage eines Sozialhilfeempfängers bei übergegangenen Ansprüchen
1. Sind Unterhaltsansprüche gemäß § 91 Abs. 1 BSHG auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen, so fehlt dem Unterhaltsberechtigten für die Zeit bis zum Ende des Monats, in
dem die Rechtshängigkeit eintritt, die Aktivlegitimation für die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche.
2. Eine zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Sozialhilfeempfänger vereinbarte (treuhänderische) Rückabtretung oder
die vom Träger der Sozialhilfe dem Sozialhilfeempfänger erteilte Einzugsermächtigung sind wegen Verstoßes gegen §§ 31, 32
SGB I unwirksam.
3. Für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen durch einen Sozialhilfeempfänger für die Zeit ab dem Monat nach Rechtshängigkeit
der Unterhaltsklage kann Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, da die Rechtsverfolgung insoweit mutwillig ist, soweit
Unterhaltsansprüche bis zur Höhe der gewährten Sozialhilfe begehrt werden.
Normenkette: BSHG § 91 Abs. 1, Abs. 3 S. 2
,
SGB I § 31 § 32 ,
Entscheidungstext anzeigen:
Gründe:
Die Klägerin beansprucht mit ihrer im Februar 1994 eingereichten Klage vom Beklagten, ihrem getrennt lebenden Ehemann, der
seit Sommer 1993 unbekannten Aufenthalts ist, für sich und die bei ihr lebenden drei minderjährigen Kinder aus der Ehe mit
dem Beklagten Unterhalt von monatlich insgesamt 1.100 DM ab März 1994. Die Klägerin bezieht seit Herbst 1993 für sich und
die Kinder Sozialhilfe von monatlich annähernd 3.000 DM (Bescheid der Landeshauptstadt S. vom 15. Dezember 1993). Durch den
angefochtenen Beschluß, auf den ergänzend verwiesen wird, hat das Familiengericht die von der Klägerin für die Rechtsverfolgung
gegen den Beklagten nachgesuchte Prozeßkostenhilfe mangels Aktivlegitimation und wegen Mutwillens verweigert.
Die hiergegen gerichtete, gemäß § 127 Abs. 2
ZPO zulässige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
Das Familiengericht hat dem Prozeßkostenhilfegesuch der Klägerin zu Recht nicht entsprochen.
Soweit der Unterhalt bis zu der hier noch nicht eingetretenen Rechtshängigkeit der Klage bzw. bis zum Ende des Monats in Rede
steht, in dem die Rechtshängigkeit eingetreten ist (vgl. Seetzen, NJW 1994, 2505, 2506 unter II 1), bietet die Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114
ZPO). Infolge fortlaufenden Sozialhilfebezugs gehen die der Höhe nach die Sozialhilfe unterschreitenden Unterhaltsansprüche der
Klägerin und ihrer Kinder gemäß § 91 Abs. 1
BSHG im Wege gesetzlichen Forderungsübergangs auf den Träger der Sozialhilfe über, so daß der Klägerin die Klagebefugnis fehlt.
Die vom Sozialhilfeträger mit der Klägerin vereinbarte treuhänderische Rückübertragung der Ansprüche ändert daran nichts.
Denn nach neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH FamRZ 1994, 829 = NJW 1994, 1733), der sich der Senat anschließt, ist die vom Sozialhilfeträger mit dem Sozialhilfeempfänger vereinbarte treuhänderische Rückabtretung
oder die vom Sozialhilfeträger dem Sozialhilfeempfänger erteilte Einzugsermächtigung wegen Verstoßes gegen §§ 31, 32
SGB I als unwirksam zu behandeln (vgl. auch OLG Hamburg, FuR 1994, 235, OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 999, Künkel in Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, 4. Aufl., VII Rdn. 297; Seetzen, a.a.O., 2507 f, Schellhorn,
FuR 1994, 234, Strohal, DAVorm 1994, 879, 880 f, Hampel, Bemessung des Unterhalts, 1994, Rdn. 391, a.A. etwa OLG Celle, NJW 1994, 2771, OLG Schleswig, FamRZ 1994, 1183; OLG FamRZ 1994, 1530, OLG München, FamRZ 1994, 1531). Die von der Klägerin vorgebrachten Gründe der Prozeßökonomie können dem Altgläubiger die fehlende Prozeßführungsbefugnis
nicht verschaffen (Künkel, a.a.O.).
Hinsichtlich des nach Rechtshängigkeit fällig werdenden Unterhalts hat das Familiengericht zutreffend Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung
im Sinne von § 114
ZPO bejaht. Angesichts der gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 BSHG für den, Träger der Sozialhilfe ausdrücklich eröffneten Möglichkeit, künftigen, also noch nicht übergegangenen Unterhalt
des Sozialhilfeempfängers im eigenen Namen einzuklagen, beurteilen beide Familiensenate des hiesigen Oberlandesgerichts (Senat,
Beschluß vom 7. September 1994 - 9 WF 84/94- 6. Zivilsenat, Beschlüsse vom 14. Dezember 1993 - 6 WF 84/93 >FamRZ 1994, 636<, 7. Januar 1994 - 6 WF 91/93, 6 WF 1/94, 3. Mai 1994 - 6 WF 23/94, 1. Juli 1994 - 6 WF 54/94 - und 22. Dezember 1994 - 6 WF 90/94) das auf Unterhaltszahlung gerichtete Klagebegehren des Unterhaltsgläubigers als mutwillig, sofern diesem - wie hier - fortlaufend
Sozialhilfe in einer Höhe gewährt wird, die den beanspruchten (künftigen) Unterhalt übersteigt (ebenso: OLG Köln, FamRZ 1994,
970, 97 1; OLG Frankfurt, NJW-RR 1994, 1223, 1224, für die vorliegend gegebene Fallgestaltung auch: Zöller-Philippi, ZPO, 19. Aufl. (1995), § 114 Rdn. 40 a; a.A. etwa OLG Hamm FamRZ 1994, 1533, Seetzen, a.a.O., 2506). Ein Abweichen von dieser Rechtsprechung ist vorliegend schon deshalb nicht veranlaßt, weil wegen
des seit Sommer 1993 unbekannten Aufenthalts des Beklagten auf absehbare Zeit nicht zu erwarten steht, daß die Klägerin durch
eine eigenständige Durchsetzung der Unterhaltsansprüche Unabhängigkeit von der Sozialhilfe gewinnen könnte (vgl. hierzu Seetzen,
a.a.O.).
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