Ausstattung mit Hilfsmitteln durch die gesetzliche Krankenversicherung; Übernahme der Kosten für eine salzwasserfeste Badeprothese
Gründe:
I
Der 1972 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei 2002 und 2004 geborene Kinder. Wegen der Amputation seines rechten Beines
ist er mit einer C-leg-Laufprothese und einer normalen (süßwasserbeständigen) Badeprothese versorgt. Er begehrt von der beklagten
Krankenkasse die Versorgung mit einer salzwasserfesten anstelle der normalen Badeprothese.
Unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 1.11.2004, die auf "1 Badeprothese rechts" lautete, und des Kostenvoranschlages
eines Sanitätshauses vom 25.11.2004 über 5.065,86 Euro beantragte der Kläger, der seinerzeit lediglich die C-leg-Prothese
besaß, zusätzlich die Versorgung mit einer salzwasserbeständigen Badeprothese. Zur Begründung gab er an, er verbringe mit
seiner Familie den Jahresurlaub jeweils an der Ostsee. Außerdem besuche er mit seinen Kindern regelmäßig ein wohnortnahes
Salzwasserthermalbad. Dazu benötige er eine salzwasserbeständige Badeprothese, um sich selbst im und am Salzwasser bewegen
und seine Ehefrau bei der Beaufsichtigung der Kinder entlasten zu können. Ein Angebot der Beklagten, sich mit dem Kostenanteil
für eine einfache Badeprothese (2.670,15 Euro) an den Gesamtkosten für eine salzwasserfeste Ausführung zu beteiligen (Schreiben
vom 12.10.2005), lehnte der Kläger ab. Die Beklagte hat ihn daraufhin lediglich mit der einfachen Badeprothese versorgt, die
Ausstattung in einer salzwasserfesten Ausführung aber abgelehnt, weil das Baden und Schwimmen im Salzwasser zu jenen Freizeitaktivitäten
gehöre, die nicht zu den elementaren Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zählten (Bescheid vom 30.3.2005). Der Widerspruch
des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20.2.2006).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.7.2007), weil die begehrte salzwasserfeste Badeprothese zum Behinderungsausgleich
nicht notwendig sei. Der hier allein betroffene Freizeitbereich zähle nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen
Lebens. Die Grundbedürfnisse des sicheren Gehens und Stehens seien durch die vorhandenen Prothesen gewährleistet. Außerdem
habe auch der die Verordnung ausstellende Hausarzt eine salzwasserfeste Badeprothese für medizinisch nicht erforderlich gehalten,
was sich aus der Formulierung "Badeprothese" ohne den notwendigen Zusatz "salzwasserfest" ergebe. Das Landessozialgericht
(LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 18.1.2008) und sich dabei in vollem Umfang auf die Gründe des
SG-Urteils bezogen (§
153 Abs
2 SGG).
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Leistungsvoraussetzungen
des §
33 SGB V seien erfüllt. Bei einem dem unmittelbaren Ausgleich der beeinträchtigten Körperfunktion dienenden Hilfsmittel sei eine medizinische
Rehabilitation anzunehmen, ohne dass dessen Notwendigkeit zur Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen
Lebens zusätzlich zu prüfen sei, wie es beim Ausgleich der Folgen einer Behinderung der Fall sei. Die bewilligte süßwasserfeste
Badeprothese ermögliche ihm nicht den Aufenthalt in Nassbereichen mit Salzwasser, sodass seine Behinderung nur teilweise ausgeglichen
sei. Bei der Auslegung des §
33 SGB V seien zudem die Grundsätze des
SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen zu berücksichtigen, nämlich das Gebot, die Selbstbestimmung und
gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und ihnen entgegenzuwirken
(§
1 Satz 1
SGB IX), sowie das Gebot, den besonderen Bedürfnissen behinderter Mütter und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages Rechnung
zu tragen (§
9 Abs
1 Satz 3
SGB IX). Danach müsse ihm das sichere Gehen, Stehen und Schwimmen im Salzwasser ermöglicht werden, weil er damit den Rahmen eines
ganz normalen Familienalltags nicht verlasse.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 18.1.2008 und des SG Potsdam vom 26.7.2007 zu ändern, den Bescheid der Beklagten
vom 30.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer
salzwasserfesten Badeprothese auszustatten.
Die Beklagte verteidigt die vorinstanzlichen Entscheidungen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat seinen Antrag auf Versorgung mit einer salzwasserfesten Badeprothese
zu Recht abgelehnt.
1. Die normale (süßwasserfeste) Badeprothese unterscheidet sich von der salzwasserfesten Prothese im Wesentlichen durch andersartige
Materialien. Dadurch wird diese im Vergleich zur normalen Badeprothese aber nicht zu einem "aliud". Die salzwasserfeste Prothese
stellt vielmehr lediglich eine "aufwendigere Ausführung" dar. Der Streit geht hier allerdings nicht nur darum, wer die Mehrkosten
einer vom Versicherten gewählten "aufwendigeren Ausführung" eines bewilligten Hilfsmittels zu tragen hat (§
33 Abs
1 Satz 5
SGB V und §
31 Abs
3 SGB IX), sondern darum, ob ein Anspruch auf Versorgung des Klägers mit einer salzwasserfesten statt der bewilligten und ausgelieferten
normalen (nur süßwasserbeständigen) Badeprothese besteht, die der Kläger nach den gesamten Umständen des Falles nicht als
Erfüllung des geltend gemachten Leistungsanspruchs akzeptiert, sondern nur als "vorläufige" Leistung und unter der Voraussetzung
angenommen hat, dass über den weitergehenden Anspruch auf Versorgung mit der salzwasserfesten Badeprothese noch zu entscheiden
ist. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist durch die Entgegennahme der normalen Badeprothese und deren Benutzung also
nicht entfallen.
2. Maßgebend für den Leistungsanspruch ist §
33 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen,
auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
maßgebend ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr
34 mwN). Nach §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die
im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder
eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen
oder nach §
34 Abs
4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach §
33 Abs
1 Satz 4
SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung
in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach
dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen
Kontrollen. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch, müssen
die Leistungen nach §
33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die
nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken
und die Krankenkassen nicht bewilligen (§
2 Abs
4 und §
12 Abs
1 SGB V).
3. Es fehlt bereits an einer wirksamen vertragsärztlichen Verordnung, weil nur eine "Badeprothese" verschrieben worden ist.
Ohne den Zusatz "salzwasserfest" kann damit nur der Normalfall einer Badeprothese (süßwasserfest) gemeint sein. Das von dem
verordnenden Vertragsarzt (Hausarzt des Klägers) zusätzlich erstellte Attest vom 14.1.2005 spricht inhaltlich eindeutig für
den Willen, nur eine einfache Badeprothese zu verschreiben. Dort ist lediglich vom Duschen als täglicher Maßnahme der Körperhygiene
sowie vom Baden in öffentlichen Einrichtungen, aber mit keinem Wort von der Salzwasserfestigkeit sowie von der Verwendung
in Salzwasserthermalbädern oder bei Urlauben an der Ostsee die Rede. Daher mangelt es schon an der wirksamen vertragsärztlichen
Verordnung des begehrten Hilfsmittels.
4. Selbst wenn aber eine ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung einer salzwasserfesten Badeprothese vorläge, wäre das
Klagebegehren unbegründet, weil die Voraussetzungen des §
33 SGB V nicht erfüllt sind. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Badeprothese hier zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich
ist. Dieser in §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX) eines von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung:
a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren
Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung
des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis
des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer
schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis.
Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt
werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig
im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, jeweils RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich
dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich
teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.
b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer
Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig.
Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten
eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl §
1 SGB V sowie §
6 Abs
1 Nr
1 iVm §
5 Nr
1 und
3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des
Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber
hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel
zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten
täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger
Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen,
Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen
eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums
gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen
Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen
Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen
Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die
- üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB
Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die
Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative
Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500
§ 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b
Nr 13 - Faltrollstuhl).
c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die
im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung.
Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich
funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten
gemäß §
33 Abs
1 Satz 5
SGB V (ebenso §
31 Abs
3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die
keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch
oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183, 188 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8).
5. Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze über die Hilfsmittelversorgung im Rahmen der GKV beim unmittelbaren und mittelbaren
Behinderungsausgleich (3. Variante des §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V und §
31 Abs
1 Nr
3 SGB IX) wird deutlich, dass die Beklagte und die Vorinstanzen einen unrichtigen rechtlichen Ansatz gewählt haben. Sie haben die
Ablehnung des Leistungsantrages des Klägers damit begründet, dass die salzwasserfeste Badeprothese dazu dienen solle, dem
Kläger den regelmäßigen Besuch eines Salzwasser-Schwimmbads sowie das Baden in der Ostsee zu ermöglichen; die Sportausübung
und sonstige Freizeitaktivitäten zählten aber gerade nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Damit
haben sie fälschlich die Grundsätze des mittelbaren Behinderungsausgleichs angewandt, obgleich hier die Grundsätze des unmittelbaren
Behinderungsausgleichs heranzuziehen sind.
Beinamputierte Versicherte, die mit einer normalen Laufprothese versorgt sind, können von der Krankenkasse die zusätzliche
Versorgung mit einer wasserfesten Prothese (Badeprothese, Schwimmprothese) verlangen, um sich zu Hause in Bad und Dusche sowie
außerhalb der Wohnung im Schwimmbad sicher und ohne Gefahr der Beschädigung der regelmäßig nicht wasserfesten Alltagsprothese
bewegen zu können. Maßgeblich ist, dass eine Badeprothese - anders als die Beklagte und das LSG angenommen haben - dem unmittelbaren
Behinderungsausgleich beinamputierter Versicherter dient und ihnen im heimischen Nassbereich sowie im Schwimmbad ein sicheres
Gehen und Stehen ermöglicht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Besuch eines Schwimmbades einer sportlichen Betätigung
bzw einer Freizeitbeschäftigung dient (Schwimmen, Wassergymnastik) und solche Aktivitäten nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen
des täglichen Lebens gehören. Dem Anspruch auf Versorgung mit einer Badeprothese kann auch nicht entgegengehalten werden,
dass es am Markt Kunststoff-Überzüge gibt, die über die vorhandene Alltagsprothese zu ziehen sind und diese vor Wasserschäden
schützen. Dabei handelt es sich nicht um eine in vollem Umfang gleichwertige Versorgungsalternative (vgl dazu Näheres im Urteil
des erkennenden Senats vom 25.6.2009 - B 3 KR 2/08 R -, zur Veröffentlichung in SozR bestimmt).
a) Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß §
33 Abs
1 Satz 1
SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich
der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen
Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und
indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst
sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist.
Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg-Prothese).
b) Hieran ist anzuknüpfen, wenn es um die Versorgung mit einer Badeprothese geht. Die normale Beinprothese hat einen Gebrauchsnachteil,
weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt
mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Beklagte zur Reparatur bzw zum Einsatz verpflichtet wäre,
was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen
wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht eine besondere Rutschgefahr.
Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend
heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil
wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit
der Alltagsprothese im Nassbereich aus.
c) Nicht abzustellen ist auf das Schwimmen als Freizeitbetätigung. Wie bereits ausgeführt, dient die Badeprothese dem unmittelbaren
Behinderungsausgleich beinamputierter Versicherter und ermöglicht ihnen im heimischen Nassbereich sowie im Schwimmbad ein
sicheres Gehen und Stehen; auf die Frage, ob ein Grundbedürfnis betroffen ist, kommt es mithin nicht an. Darüber hinaus stellt
die Ausübung von sportlichen Aktivitäten aber auch kein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens dar; dies gilt für
den Freizeit- und Berufssport gleichermaßen. Es ist deshalb nicht von Bedeutung, dass dem Freizeitsport und insbesondere dem
Schwimmen in der Regel eine gesundheitsfördernde Wirkung zukommt und beinamputierte Menschen von den Vorteilen des Schwimmens
besonders profitieren. Zudem ist zu berücksichtigen, dass man mit einer Badeprothese zwar schwimmen kann, viele Betroffene
auf das Anlegen der Prothese beim Schwimmen aber verzichten, weil sie wegen des Auftriebs eher hinderlich ist.
d) Soweit nach der früheren Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 10.10.1979 - 3 RK 30/79 - SozR 2200 § 182 Nr 55) der Anspruch auf Versorgung mit einer Badeprothese auch auf die "Bedeutung des Schwimmens für die
Gesunderhaltung im Allgemeinen und des Versehrtenschwimmsports für die körperliche Ertüchtigung des behinderten Versicherten
im Besonderen" gestützt worden ist, stellt der Senat fest, dass dieser Aspekt weder der heutigen Lebenswirklichkeit entspricht
noch in der Sache entscheidungserhebliche Bedeutung besitzt. Etwas anderes kann allerdings bei vertragsärztlich verordneter
sportlicher Betätigung als ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach §
44 SGB IX gelten, nämlich beim sog RehaSport (§
44 Abs
1 Nr
3 SGB IX) und beim Funktionstraining (§
44 Abs
1 Nr
4 SGB IX). Nach der "Rahmenvereinbarung über den Reha-Sport und das Funktionstraining" vom 1.1.2007 (abgedruckt unter http://www.kbv.de/themen/2610.html)
gehört zu den Reha-Sportarten das Schwimmen (Ziffer 5.1) und zu den Funktionstrainingsarten die Wassergymnastik (Ziffer 6).
Die dazu erforderlichen Hilfsmittel werden nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erbracht (Ziffer 17.3). Eine dafür
erforderliche vertragsärztliche Verordnung liegt hier aber nicht vor.
e) Im häuslichen Bereich (Bad, Dusche) muss sich ein Versicherter nicht auf Badewannenlifter, Duschhocker, Unterarmgehstützen
und rutschfeste Matten verweisen lassen. Der unmittelbare Behinderungsausgleich durch ein Körperersatzstück hat Vorrang gegenüber
einem nur mittelbaren Ausgleich. Die genannten weiteren Hilfsmittel sind, soweit erforderlich, nur ergänzend zur Verfügung
zu stellen, soweit es sich nicht - wie die rutschfesten Matten - um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handelt.
Der Vorrang des unmittelbaren Behinderungsausgleichs vor dem mittelbaren lässt sich auch aus dem Benachteiligungsverbot für
behinderte Menschen (Art
3 Abs
3 Satz 2
GG) und aus dem Gebot gleichberechtigter Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§
1 SGB IX) ableiten. Außerdem ist in diesem Zusammenhang bei berechtigten Anliegen das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten nach
§
9 SGB IX zu berücksichtigen.
6. Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung
einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich
vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern
ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in
Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese
kann der Kläger jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Kläger nicht
- wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb
der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht.
In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung
dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen
Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und
Gebote des
SGB IX Rechnung zu tragen. Dies ist hier zu verneinen. Es geht lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung,
die dem Kläger zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt und der Gebrauchsnachteil durch einen vom Versicherten zu tragenden Mehrkostenanteil (§
33 Abs
1 Satz 5
SGB V und §
31 Abs
3 SGB IX) vermieden werden kann.
a) Ein längerer jährlicher Erholungsurlaub ist zwar als Grundbedürfnis eines Menschen anerkannt. Die GKV hat aber nicht für
bestimmte Arten einzustehen, den Urlaub zu verbringen. Einem Versicherten ist zuzumuten, sich bei der Urlaubsplanung auf die
vorhandenen Hilfsmittel einzustellen, hier: den Urlaub nicht am Meer zu verbringen, sondern an einem anderen Ort, beispielsweise
an einem Binnensee (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 23: kein Anspruch auf ein notwendiges Zusatzteil für das Beatmungsgerät eines
Schlafapnoe-Patienten zur Benutzung im Wohnmobil).
b) Dass Väter mit ihren Kindern ins Schwimmbad gehen, ist normaler Teil der Alltagsbewältigung. Dies muss auch behinderten
Vätern mit Blick auf §
1 Satz 1 und §
9 Abs
1 Satz 3
SGB IX ermöglicht werden. Das ist hier aber durch die Ausstattung des Klägers mit der normalen Badeprothese auch geschehen, weil
das sichere Gehen und Stehen in und am Wasser - und zusätzlich sogar das Schwimmen - gewährleistet sind.
c) Aber auch bei der Bewältigung des Alltags, also außerhalb des Urlaubs, ist einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen
Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV
ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am
Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter,
der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese
benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§
33 Abs
1 Satz 5
SGB V und §
31 Abs
3 SGB IX). Die Beklagte hat dem Rechnung getragen, indem sie dem Kläger angeboten hat, sich an den Anschaffungskosten für eine salzwasserfeste
Badeprothese in Höhe der Kosten einer normalen Ausführung zu beteiligen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.