Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Nichtanwendung oder Falschanwendung von Rechtssätzen des BSG
Gründe:
I
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 2.8.2018 einen Schadensersatzanspruch der Klägerin als Leistungserbringerin gegen
die beklagte Krankenkasse (KK) wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus einem mit der Beklagten abgeschlossenen Hilfsmittelvertrag
aufgrund europaweiter Ausschreibung nach §
127 SGB V verneint. Sowohl bei Annahme eines schwerpunktmäßig dem Werkvertragsrecht des
BGB zuzuordnenden Vertrages als auch bei Zugrundelegung der allgemeinen Regelung der §§
280 f
BGB und Annahme eines dienstvertraglichen Schwerpunktes scheitere der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz für die Aufwendungen
bei der Selbstbeschaffung der Daten daran, dass die Klägerin der Beklagten keine angemessene Frist zur Leistung bzw Nacherfüllung
gesetzt habe. Auch habe keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten bestanden, in Fällen der "Umversorgung" zur Erleichterung
der Weiterversorgung der Versicherten durch die Klägerin die von ihr angeforderten Daten zu übermitteln, die der Beklagen
auch gar nicht bekannt gewesen seien.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie beruft sich
auf eine Rechtsprechungsabweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz
nicht formgerecht aufgezeigt (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Zurückverweisung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 Abs
2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht
übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem
vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG
nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene
Urteil auf der Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz
in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch
steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl
zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).
2. Die Klägerin ist der Ansicht, das Berufungsurteil beruhe auf Abweichungen von den Urteilen des BSG vom 13.9.2011 (B 1 KR 23/10 R - BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7) und vom 28.11.2013 (B 3 KR 27/12 R - BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1). In diesen Urteilen habe das BSG entschieden, dass die spezialgesetzlichen Regelungen im Bereich der Heilmittelversorgung mit den konkretisierenden vertraglichen
Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung eigener Art begründeten und sich die Versorgung
mit Heilmitteln nicht nach dem Recht des Dienstvertrags (§
611 BGB iVm §
69 SGB V) richteten. Im Zusammenhang mit einem von einer KK auch für schuldrechtliche und sonstige Regelungen des auf Normen des
BGB gestützten Anspruchs auf Herausgabe bestimmter Abrechnungsinformationen habe das BSG festgestellt, dass die Rechtsbeziehungen der KKn und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie
sonstigen Leistungserbringern und deren Verbänden durch das Vierte Kapitel des
SGB V sowie die §§
63 und
64 SGB V abschließend geregelt seien und eine entsprechende Anwendung nach Vorschriften des
BGB nur in Betracht komme, wenn die Regelungen des
SGB V lückenhaft seien. Ein Rückgriff auf vertragliche Modelle des
BGB komme neben den Regelungen von §§
126,
127 SGB V in aller Regel nicht in Betracht.
Demgegenüber beruhe das Berufungsurteil auf der Rechtsannahme, dass es sich bei dem zwischen den Parteien begründeten Vertragsverhältnis
zur "Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln zur Behandlung schlafbezogener Atemstörungen gem. §
127 Abs.
2 SGB V" im Kern um einen Werkvertrag handele, für den das Werkvertragsrecht nach §§
631 ff
BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Fassung Anwendung finde. Infolge dessen sei die Klägerin verpflichtet
gewesen, vor einer "Ersatzvornahme" durch die eigenständige Beschaffung der benötigten Versorgungsdaten eine angemessene Nachfrist
mit Ablehnungsandrohung zu setzen, wie man dies gegenüber einem Handwerker zu tun hätte, der nicht vertragsgerecht leiste.
Eine solche Nachfrist sei nicht gesetzt worden. Dies sei nach werkvertraglichen Grundsätzen auch nicht entbehrlich gewesen
mit der Folge, dass die Klägerin nichts beanspruchen könne (Bl 4 und 5 der Beschwerdebegründung).
3. Dieser Vortrag entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung einer formgerechten Divergenz. Aus den umfangreichen
Ausführungen in der Beschwerdebegründung wird zwar deutlich, dass die Klägerin jedenfalls nicht die Rechtsansicht des LSG
teilt, sondern meint, es habe im Vergleich zur Rechtsprechung des BSG die rechtliche Einordnung des Vertragswerkes gegenteilig und den Rechtsstreit daher im Ergebnis unzutreffend entschieden.
Diesen Ausführungen fehlt aber die klare und deutliche Gegenüberstellung zweier sich einander widersprechender Rechtssätze
aus den Urteilen des BSG einerseits und aus dem des angefochtenen Berufungsurteils andererseits. Es kann letztlich offenbleiben, ob das Vorgehen in
der Beschwerdebegründung den Zulässigkeitsanforderungen genügt, bei dem es dem Revisionsgericht schließlich überlassen bliebe,
aus einem umfangreichen Vortrag jene Elemente herauszusuchen, die die Zulässigkeit und Begründetheit einer Nichtzulassungsbeschwerde
begründen könnten (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 30.1.2014 - B 12 R 13/13 B - Juris RdNr 12).
a) Denn der Vortrag der Klägerin leidet auch daran, dass er die Gründe des Berufungsurteils nur unzureichend wiedergibt. Unabhängig
davon, ob das LSG - dem Vortrag der Klägerin entsprechend - den Rechtsstreit dem Werkvertragsrecht zuordnet, hat es den Schadensersatzanspruch
auch unter Zugrundelegung der allgemeinen Regelung der §§
280 f
BGB bei Annahme eines dienstvertraglichen Schwerpunktes für die Aufwendung bei der Selbstbeschaffung der Daten daran scheitern
lassen, dass die Klägerin der Beklagten keine angemessene Frist zur Leistung bzw Nacherfüllung gesetzt habe. Dass sich das
LSG für die Ablehnung des Schadensersatzanspruchs auch hierauf gestützt hat, wird in der Beschwerdebegründung aber gar nicht
erwähnt. Insofern ist die behauptete Divergenz aus diesem Grund bereits nicht entscheidungserheblich dargelegt, wenn das LSG
die Ablehnung des Anspruchs mit einem weiteren rechtlichen Gesichtspunkt tragend begründet. Im Übrigen ist das LSG unter Bezugnahme
auf die Entscheidungsgründe des SG der Ansicht, dass sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten nach §
127 SGB V bestimmen, die Vorschiften des Zivilrechts aber im Fall der Lückenhaftigkeit des
SGB V weiterhin Anwendung fänden. Dies steht aber nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 27/12 R - BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1, RdNr 37).
b) Mit den weiteren Ausführungen, dass das LSG im Kern von der Rechtsprechung des BSG abgewichen sei, weil der Vertrag selbst "keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Bereitstellung der von der Klägerin
in Umversorgungsfällen benötigten Einstellungsparameter des vorherigen Leistungserbringers beinhalte", hat die Klägerin ebenfalls
keine Divergenz formgerecht aufgezeigt. Auch hier fehlt es an der Gegenüberstellung zweier sich einander widersprechender
Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und aus Urteilen des BSG. Die Klägerin führt anstelle dessen lediglich aus, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung des BSG verkenne, soweit die Klägerin die Bereitstellung benötigter Einstellungsparameter in Umversorgungsfällen benötige und dass
das LSG dem "Versorgungsdreieck" zwischen Versicherten, KKn und Leistungserbringern nicht ausreichend Rechnung getragen habe.
Damit benennt sie aber keine abstrakte rechtliche Aussage des LSG, mit dem dieses von einem Rechtssatz des BSG abgewichen sein könnte. Denn allein in der hiermit behaupteten vermeintlichen Nicht- oder Falschanwendung von Rechtssätzen
des BSG liegt noch keine Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG. Auf eine solche Rüge der vermeintlich falschen Rechtsanwendung im Einzelfall kann die Beschwerde nicht zulässig gestützt
werden (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - Juris RdNr 24). Schließlich liegt aus denselben Gründen auch keine formgerecht dargelegte Divergenz vor, wenn die Klägerin
meint, das LSG habe unter "Missachtung der zitierten vertragsrechtlichen Einordnungen" die Bieterfrage Nr 46 und deren Beantwortung
missverstanden. Hier erschließt sich dem Senat auch nicht der Bezug zu den zitierten BSG-Urteilen.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.