SGB-II-Leistungen
Kosten der Unterkunft und Heizung
Anrechnung einer Einkommenssteuererstattung
Einstweiliger Rechtsschutz
Keine überhöhten Anforderungen an den Anordnungsgrund
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Höhe der den Antragstellern zu gewährenden SGB II-Leistungen, zuletzt nur noch für die Monate März bis Juni 2017. In der Sache wenden sich die Antragsteller dagegen, dass
die ihnen vom Antragsgegner mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 28. November 2016 gewährten SGB II-Leistungen nicht in dieser Höhe ausgezahlt, sondern durch den Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017 herabgesetzt und nur
entsprechend niedriger ausgezahlt wurden.
Der 1976 geborene Antragsteller zu 1. ist der Vater der in den Jahren 2007 bzw. 2010 geborenen Antragsteller zu 2. und 3.
Bis ca. Februar 2016 lebten die Antragsteller gemeinsam mit Frau Dr. N. O. (Ehefrau des Antragstellers zu 1. und Mutter der
Antragsteller zu 2. und 3.) in einer gemeinsamen Wohnung im P. in M. (im Folgenden: Familienwohnung).
Im März 2016 trennten sich die Eheleute und verständigten sich darauf, die Kinderbetreuung bis auf Weiteres im Wege des sog.
"Nest-Modells'" zu organisieren. Seitdem leben nur noch die Kinder (Antragsteller zu 2. und 3.) dauerhaft in der Familienwohnung,
während der Antragsteller zu 1. und seine Ehefrau jeweils nur noch wechselweise im Wochenrhythmus dort wohnen. Die jeweils
andere Woche lebt der Antragsteller zu 1. in einem hierfür angemieteten Zimmer in einer Wohngemeinschaft (WG) in der B. in M. und die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3. bei ihrem Partner in Q ... Der Antragsteller zu 1. zahlt für
sein WG-Zimmer 170,- Euro pro Monat (einschließlich Heizkosten; vgl. hierzu: Mahnung des Vermieters vom 28. März 2017, wonach für
die Monate Februar bis April 2017 insgesamt 510,- Euro, d.h. 170,- Euro pro Monat zu zahlen waren). Für die Familienwohnung
fallen nach Aktenlage weiterhin Unterkunftskosten i.H.v. 920,- Euro pro Monat an (einschließlich Heizkosten).
Die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3. bestreitet ihren eigenen Lebensunterhalt sowie den Lebensunterhalt der Antragsteller
zu 2. und 3. (allerdings lediglich für die Zeiten, in denen sie mit ihnen gemeinsam in der Familienwohnung lebt) aus eigenem
Erwerbseinkommen. Dagegen beantragte der Antragsteller zu 1. (gleichzeitig für die Antragsteller zu 2. und 3.) am 1. Juli
2016 beim Antragsgegner laufende SGB II-Leistungen. Eine entsprechende Leistungsbewilligung erfolgte erstmals mit vorläufigem Leistungsbescheid vom 12. Oktober 2016,
der nachfolgend durch den vorläufigen Leistungsbescheid vom 28. November 2016 ersetzt wurde. Mit dem zuletzt genannten Bescheid
wurden den Antragstellern zu 1. bis 3. SGB II-Leistungen u.a. für die Monate Februar bis Juni 2017 i.H.v. 1.101,72 Euro pro Monat gewährt. Bei der Berechnung dieses Leistungsbetrags
legte der Antragsgegner einen Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) i.H.v. 545,- Euro pro Monat zugrunde (Gesamtbetrag
für die Antragsteller zu 1. bis 3. für die Wohnungen in der B. sowie im E.). Als einziges Einkommen wurde die Hälfte des an
die Antragsteller zu 2. und 3. gezahlten Kindergeldes angerechnet.
Unter dem 6. Februar 2017 wandte sich der Antragsgegner schriftlich an die Antragsteller und stellte mehrere Nachfragen zum
tatsächlichen Aufenthalt des Antragstellers zu 1. (Ortsabwesenheiten), zur Abwicklung der Mietzinszahlungen für das WG-Zimmer sowie zu diversen Einkommenszuflüssen (Steuererstattung für das Jahr 2015 i.H.v. 4.409,16 Euro; Gutschrift einer Überweisung
von Frau R. O. i.H.v. 500,- Euro; Gutschrift einer Überweisung von Frau S. T. i.H.v. 160,- Euro). Nachdem der Antragsteller
zu 1. auf dieses Schreiben (überschrieben u.a. als "Anhörung gemäß § 24 SGB II") nicht geantwortet hatte, setzte der Antragsgegner mit vorläufigem Leistungs-/Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017 die
den Antragstellern gewährten monatlichen SGB II-Leistungen auf 451,66 Euro (März bis Mai 2017) bzw. 819,19 Euro (Juni 2017) herab (unter Verringerung des Bedarfs für KdUH
auf insgesamt 290,- Euro und infolge Anrechnung des hälftigen Betrags der Steuererstattung als Einkommen des Antragstellers
zu 1.).
Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller zunächst keinen Widerspruch ein. Am 19. April 2017 haben sie jedoch die Überprüfung
des Bescheides vom 21. Februar 2017 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) beantragt.
Bereits am 20. Februar 2017 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Hildesheim um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie haben ausdrücklich beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, die ihnen mit Bescheid vom 28. November 2016 gewährten SGB II-Leistungen in dieser Höhe auszuzahlen. Zur Begründung haben sie u.a. ausgeführt, dass der Antragsgegner viel zu geringe KdUH
berücksichtigt habe.
Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass die Antragsteller ausschließlich höhere KdUH-Leistungen
begehrt hätten. Insoweit liege kein Anordnungsgrund vor, weil bislang weder der Vermieter aufgrund von Zahlungsrückständen
das Mietverhältnis gekündigt habe noch sonstige Umstände vorlägen, die die Gefährdung des weiteren Verbleibs der Betroffenen
in ihrer Unterkunft plausibel machen (Beschluss vom 20. März 2017).
Hiergegen richtet sich die am 23. März 2017 von den Antragstellern eingelegte Beschwerde. Zur Begründung verweisen sie auf
die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach bei einem Streit um KdUH ein Anordnungsgrund gerade nicht voraussetze, dass
die Wohnung bereits gekündigt oder bereits Räumungsklage erhoben worden sei. Unabhängig davon habe der Vermieter des WG-Zimmers wegen der in den Monaten Februar bis April 2017 aufgelaufenen Mietrückstände i.H.v. 510,- Euro dem Antragsteller
zu 1. zwischenzeitlich die fristlose Kündigung angedroht (vgl. "Mahnung" des Vermieters vom 28. März 2017). Auch für die Familienwohnung
habe der Antragsteller zu 1. seinen hälftigen Mietanteil nicht mehr zahlen können. Zu Zahlungsrückständen beim Vermieter sei
es lediglich deshalb bislang nicht gekommen, weil die getrennt lebende Ehefrau den Mietanteil des Antragstellers zu 1. darlehensweise
vorfinanziere. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei der Antragsteller zu 1. auch nicht über längere Zeit ortsabwesend
gewesen. Es treffe zwar zu, dass dieser unregelmäßig eine Freundin in U. besuche. Gleichwohl sei der Antragsteller zu 1. an
jedem Werktag für den Antragsgegner in seiner Wohnung erreichbar gewesen. Soweit der Antragsgegner Abwesenheitszeiten in der
Zeit vom 13. September 2016 bis 4. Januar 2017 unterstelle, sei dieser Zeitraum nicht Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens.
Die Einkommenssteuererstattung für das Jahr 2015 (4.409,16 Euro gemäß Steuerbescheid vom 4. November 2016) sei nicht dem Antragsteller
zu 1., sondern dessen Ehefrau gezahlt worden. Nachdem der Antragsteller zu 1. aufgrund der Höhe seines Einkommens im Jahr
2015 überhaupt keine Einkommenssteuern entrichtet habe, stehe die Steuererstattung ihm weder zu noch zur Verfügung. Hinsichtlich
seiner derzeitigen wirtschaftlichen Situation bezieht sich der Antragsteller zu 1. auf die von ihm vorgelegten Kontoauszüge
(Negativsaldo per 4. Mai 2017: 453,59 Euro).
Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass der Erlass des Änderungsbescheides vom 21. Februar 2017 auf § 48 SGB X beruhe.
Auf einen Hinweis des Senats hat der Antragsgegner für den Monat Februar 2017 an die Antragsteller 650,06 Euro nachgezahlt
(Differenzbetrag der für den Monat Februar 2017 gem. Bescheid vom 28. November 2016 bewilligten Leistungen [1.101,72 Euro]
zu dem gemäß Bescheid vom 21. Februar 2017 ausgezahlten Betrag i.H.v. 451,66 Euro).
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Rechtsschutzziel der Antragsteller ist ausweislich der Antragsschrift vom 16. Februar 2017 die vollständige Auszahlung
der mit Bescheid vom 28. November 2016 gewährten SGB II-Leistungen, nachdem der Antragsgegner diese durch Bescheid vom 21. Februar 2017 von ursprünglich 1.101,72 Euro auf 451,66
Euro (März bis Mai 2017) bzw. 819,19 Euro (Juni 2017) herabgesetzt hat. Ein anderslautendes Rechtsschutzziel haben die Antragsteller
auch auf ausdrückliche Nachfrage des Senats nicht benannt (vgl. Nr. 3 der richterlichen Verfügung vom 13. April 2017).
Dagegen ist ein - etwaiger - Bescheid vom 20. Dezember 2016 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Insoweit hat der
Antragsgegner auf Nachfrage des Senats zwar mitgeteilt, dass in seiner elektronischen Datenverarbeitung ein Bescheid vom 20.
Dezember 2016 gespeichert sei, dieser jedoch niemals abgesandt worden sei (Bewilligung von vorläufigen SGB II-Leistungen für die Zeit von Januar bis Juni 2017 i.H.v. 1.150,52 Euro pro Monat). Diesem Vorbringen des Antragsgegners kann
nicht entnommen werden, dass durch die auf eine Nachfrage des Senats erstmals erfolgte Übersendung eines - etwaigen - Bescheides
zur Gerichtsakte (verbunden mit dem Hinweis, dass dieser nie versandt wurde) die Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten (vgl.
hierzu: § 39 SGB X) bewirkt werden soll.
2. Der Antragsteller zu 1. ist befugt, das Verfahren als Vertreter auch für die Antragsteller zu 2. und 3. zu führen. Zwar
ist von einem gemeinsamen Sorgerecht des Antragstellers zu 1. und seiner Ehefrau auszugehen. Aus dem Vorbringen der Ehefrau
im Verwaltungsverfahren ergibt sich jedoch, dass auch sie vom Antragsgegner verlangt, die den Antragstellern zu 2. und 3.
zustehenden SGB II-Leistungen an den Antragsteller zu 1. (als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft) auszuzahlen und damit - zumindest konkludent
- die vorliegende Prozessführung durch den Antragsteller zu 1. genehmigt.
3. Verfahrensrechtlich handelt es sich bei dem Eilantrag der Antragsteller um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung. Zwar wäre bei einem Widerspruch der Antragsteller gegen den Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017 Eilrechtsschutz
im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu beantragen bzw. zu gewähren (vgl. hierzu: Hinweis des
Senats vom 13. April 2017). Allerdings haben die Antragsteller mittlerweile klargestellt, gegen den Änderungsbescheid vom
21. Februar 2017 überhaupt keinen Widerspruch eingelegt sondern erst deutlich später (nämlich im April 2017) dessen Überprüfung
nach Maßgabe des § 44 SGB X beantragt zu haben. Somit liegt zwar das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche streitige Rechtsverhältnis
vor, es existiert allerdings kein Widerspruch, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte.
4. Nach §
86b Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung
setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist, insbesondere auch ein Eilbedürfnis vorliegt (Anordnungsgrund). Sowohl
der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs
2 Zivilprozessordnung -
ZPO -).
Den Antragstellern steht in dem sich aus dem Tenor ergebenen Umfang ein Anordnungsanspruch zur Seite.
Der Antragsgegner hat im (vorläufigen) Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017 zu niedrige Bedarfe für KdUH angesetzt, nämlich
ausweislich der dort für die Familienwohnung und für das WG-Zimmer aufgeführten Beträge und Abzugsbeträge lediglich insgesamt 290,- Euro pro Monat. Für das vorliegende Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes ist hinsichtlich der KdUH jedoch weiterhin - d.h. wie bereits im Bescheid vom 28. November 2016
- zumindest bis Juni 2017 von einem monatlichen Bedarf i.H.v. insgesamt 545,- Euro auszugehen (einschließlich Heizung). Hierbei
handelt es sich um die Summe der hälftigen Mieten für das WG-Zimmer sowie für die Familienwohnung (jeweils einschließlich Heizkosten).
Die nur hälftige Berücksichtigung der Unterkunftskosten folgt für die Familienwohnung daraus, dass der Antragsteller nur jede
zweite Woche mit den Antragstellern zu 2. und 3. eine temporäre Bedarfsgemeinschaft bildet. In der jeweils anderen Woche erhalten
die Antragsteller zu 2. und 3. Naturalunterhalt von ihrer Mutter, die während ihrer Betreuungszeiten (rechnerisch die Hälfte
eines jeden Monats) auch sämtliche anfallenden Unterkunftskosten aus eigenem Erwerbseinkommen bestreitet. In den Betreuungswochen
der Ehefrau fallen für die Antragsteller somit für die Familienwohnung keine Unterkunftskosten an.
Für das WG-Zimmer des Antragstellers zu 1. ergibt sich die Berücksichtigung lediglich der hälftigen Unterkunftskosten aus dem Umstand,
dass der Antragsteller zu 1. nur jede zweite Woche (d.h. rechnerisch jeweils nur einen halben Monat) in seinem WG-Zimmer wohnt. Die Gewährung existenzsichernder Leistungen beschränkt sich bei der Sicherstellung des Grundbedürfnisses "Wohnen"
jedoch auf die Finanzierung derjenigen Wohnung bzw. Räumlichkeiten, in denen sich der Hilfebedürftige auch tatsächlich aufhält.
Ein Anspruch auf Kostenübernahme für Zweitwohnungen besteht somit generell nicht. In diesem Zusammenhang hat der erkennende
Senat bereits entschieden, dass Kosten für die Beibehaltung einer früheren Wohnung - etwa um sich bei einer neu eingegangenen
Partnerschaft einen Rückzugsort offenzuhalten - vom Grundsicherungsträger nicht zu übernehmen sind (Beschluss vom 9. Januar
2017 - L 11 AS 1138/16 B -). Dies gilt sinngemäß auch für die vorliegende Fallkonstellation (sog. "Nest-Modell" nach Trennung der Eltern). Es ist
nicht Sinn und Zweck existenzsichernder Grundsicherungsleistungen, ein von den Eltern nach erfolgter Trennung gewähltes Betreuungsmodell,
welches durch die Beibehaltung einer Familienwohnung zu weiteren Unterkunftskosten führt, vollständig zu finanzieren. Grundsicherungsrechtlich
besteht der Anspruch auf KdUH-Leistungen nur für eine einzige Unterkunft, nämlich für die tatsächlich genutzten Räumlichkeiten.
Dies ist beim Antragsteller zu 1. für die eine Hälfte eines jeden Monats sein WG-Zimmer und für die andere Hälfte des Monats die Familienwohnung.
Bei den Antragstellern besteht somit nach wie vor ein Bedarf für KdUH i.H.v. 545,- Euro pro Monat (WG-Zimmer: 170,- Euro: 2 = 85,- Euro; Familienwohnung: 920,- Euro: 2 = 460,- Euro - jeweils inkl. Heizkosten), d.h. unverändert
in der Höhe des im Bescheid vom 28. November 2016 genannten KdUH-Bedarfs. Dagegen hat der Antragsgegner im Änderungsbescheid
vom 21. Februar 2016 einen diesbezüglichen Bedarf i.H.v. lediglich 290,- Euro berücksichtigt.
Der Änderungsbescheid vom 21. Februar 2016 erweist sich nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung
der Sach- und Rechtslage auch insoweit als rechtswidrig, als beim Antragsteller zu 1. die Hälfte der Einkommenssteuererstattung
für das Jahr 2015 als Einkommen angerechnet worden ist. Der Antragsteller hat - bislang unwidersprochen - dargelegt, dass
die nach erfolgter Trennung von der Ehefrau erfolgte Steuererstattung ausschließlich aus Steuerzahlungen der Ehefrau herrührt.
Dieser Vortrag ist angesichts des von den Antragstellern vorgelegten Steuerbescheides plausibel. Zumindest bei der Vormerkung
von Steuerfreibeträgen (z.B. für die vom Finanzamt für das Jahr 2015 anerkannten Kosten der doppelten Haushaltsführung) dürften
auf das vom Antragsteller zu 1. im Jahr 2015 erzielte Erwerbseinkommen i.H.v. 12.490,- Euro tatsächlich keine Einkommenssteuern
zu entrichten gewesen sein. Es erscheint auch nachvollziehbar, dass nach erfolgter Trennung der Eheleute etwaige vom Finanzamt
erstattete Steuern von demjenigen Ehepartner als eigenes Einkommen beansprucht werden, der diese Steuern zuvor allein abgeführt
hat. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand darf die vom Antragsgegner beim Antragsteller zu 1. vorgenommene Anrechnung von
Einkommen aus der Steuerrückerstattung somit nicht erfolgen. Etwaige weitere Ermittlungen müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten
bleiben.
Da sich somit die beiden vom Antragsgegner angeführten Begründungen für die im Bescheid vom 21. Februar 2017 erfolgte Herabsetzung
des Leistungsbetrags (Verringerung der Bedarfe für KdUH; Einkommen aus der Steuerrückerstattung) nach summarischer Prüfung
als rechtsfehlerhaft erweisen, ist der Antragsgegner antragsgemäß für die Monate April (hier allerdings nur für die Zeit vom
19. bis 30. April 2017, s.u.), Mai und Juni 2017 zu verpflichten, weitere vorläufige SGB II-Leistungen auszuzahlen. Es handelt sich hierbei um 260,02 Euro für den Monat April 2017 (nämlich für die Zeit vom 19. bis
30. April 2017), um 650,06 Euro für den Monat Mai 2017 und 282,53 Euro für den Monat Juni 2017 (Differenzbeträge für die genannten
Zeiträume zwischen dem Bewilligungsbescheid vom 28. November 2016 einerseits und den vom Antragsgegner bislang tatsächlich
ausgezahlten Leistungen andererseits).
Dem stehen auch nicht die vom Antragsgegner in seinem Schreiben vom 6. Februar 2017 aufgeführten angeblichen Einkommenszuflüsse
entgegen. Dass die Steuererstattung für das Jahr 2015 nach derzeitigem Sach- und Streitstand kein zu berücksichtigendes Einkommen
des Antragsgegners zu 1. darstellt, ist bereits dargelegt worden. Den Zufluss von 500,- Euro im Dezember 2016 hat der Antragsteller
zu 1. durch Vorlage eines mit Frau R. O. abgeschlossenen Darlehensvertrag plausibel gemacht. Darüber hinaus wirken sich die
beiden Einkommenszuflüsse im Monat Dezember 2016 (Überweisungen von Frau R. O. i.H.v. 500,- und von Frau V. T. i.H.v. 160,-)
nicht auf die im vorliegenden Verfahren zuletzt noch streitbefangenen Monate März bis Juni 2017 aus.
5. Entgegen der Auffassung des SG fehlt es im vorliegenden Verfahren auch nicht an einem Anordnungsgrund.
Durch die nach derzeitigem Sach- und Streitstand rechtswidrige Herabsetzung der SGB II-Leistungen ist es bei den Antragstellern zu einer existenzgefährdenden Unterdeckung gekommen, aus der sich ohne Weiteres
die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit (und damit ein Anordnungsgrund) ergibt. Dies
gilt auch, soweit im vorliegenden Verfahren laufende KdUH-Leitungen streitbefangen sind. Der Senat verweist insoweit auf seine
ständige und den Beteiligten bekannte Rechtsprechung (etwa: Beschluss vom 28. Januar 2015 - L 11 AS 261/14 B -, Nds. Rpfl. 2015, 183; Breithaupt 2015, 801; NZS 2015, 351), wonach in Eilverfahren um SGB II-Leistungen für laufende Kosten der Unterkunft keine überhöhten Anforderungen an den Anordnungsgrund gestellt werden dürfen.
Vielmehr ist das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürfnis in aller Regel gegeben, wenn ein
SGB II-Leistungsträger zu Unrecht Leistungen für laufende KdUH versagt und es hierdurch bei dem Betroffenen zu einer Bedarfsunterdeckung
kommt. Dementsprechend setzt die Bejahung des Anordnungsgrundes bei einem Streit um laufende KdUH nicht zwingend voraus, dass
bereits die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung wegen Mietrückständen vorliegen oder dass der Vermieter bereits
gekündigt bzw. Räumungsklage erhoben hat.
An dieser zum Anspruch auf laufende KdUH-Leistungen ergangenen Rechtsprechung hält der erkennende Senat auch weiterhin fest.
Er schließt sich somit weder der anderslautenden Rechtsauffassung des SG im angefochtenen Beschluss (S. 3 des Beschlusses) noch der anderslautenden Entscheidung des 7. Senat des erkennenden Gerichts
vom 28. Juni 2016 an, wonach allein eine Differenz zwischen den Leistungen des Grundsicherungsträgers und den Mietzahlungspflichten
nicht genügen soll, um einen Anordnungsgrund zu bejahen (Beschluss vom 28. Juni 2016 - L 7 AS 455/16 B ER -). Vielmehr hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 28. Januar 2015 (a.a.O.) bereits wie folgt entschieden:
Tenor:
Schließlich verletzt im Bereich der Existenzsicherung jede oberhalb einer etwaigen Bagatellgrenze liegende Bedarfsunterdeckung
den Kernbereich des nach Art
1 Abs
1, Art
20 Abs
1 Grundgesetz (
GG) verfassungsrechtlich geschützten Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. hierzu: Bundesverfassungsgericht
- BVerfG -, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a., BVerfGE 125, 175, Rn 133 ff; vgl. zur Diskussion um eine sog. "Bagatellgrenze" in SGB II-Verfahren etwa: BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 30/13 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr 18; Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 35/12 R -, SozR 4-1500 § 54 Nr 28; LSG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse vom 30. März 2009 und 22. April 2013 - L 5 B 121/08 AS ER und L 5 AS 341/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Februar 2010 - L 7 AS 1446/09 B ER). Versagt ein Leistungsträger zu Unrecht SGB II-Leistungen, so dass es bei dem Betroffenen zu einer Bedarfsunterdeckung kommt, folgt in aller Regel allein hieraus das erforderliche
Eilbedürfnis (Anordnungsgrund). Auch beim Anspruch auf Übernahme der angemessenen KdU ist der Rechtsgewährungsanspruch nach
Art
19 Abs
4 GG nicht auf den Betrag begrenzt, durch den eine vermieterseitige außerordentliche Kündigung wegen Mietrückständen gerade noch
vermieden werden kann, sondern erstreckt sich auf den vollen Betrag der angemessenen KdU i.S.d. § 22 SGB II (als Teil des vom Staat zu gewährleistenden menschenwürdigen Existenzminimums). Wird der einstweilige Rechtsschutz auf die
Fallgestaltungen verengt, in denen bereits eine Kündigungslage entstanden bzw. eine Räumungsklage erhoben worden ist, wird
hiermit im Ergebnis Rechtsschutz verweigert (so auch: 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Juni 2009 -
L 7 AS 456/09 B ER, Rn 8 - zitiert nach [...]). Es ist den Betroffenen gerade nicht zuzumuten, einen zivilrechtlichen Kündigungsgrund nach
§§
543,
569 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) entstehen zu lassen, eine Kündigung hinzunehmen, eine Räumungsklage abzuwarten und auf die nachfolgende Beseitigung der
Kündigung gemäß §
569 Abs
3 Nr
2 BGB zu hoffen (16. Senat des LSG Bayern, Beschluss vom 19. März 2013 - L 16 AS 61/13 B ER -, Rn 30 (zitiert nach [...]); ähnlich: 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23. Juni 2009, a.a.O., wonach es einen
schwerwiegenden Wertungswiderspruch darstellt, wenn ein Gericht von einem Bürger, der Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige
Behördenentscheidung sucht, verlangt, dass dieser sich gegenüber einem Dritten vertragswidrig verhält, indem er seine vertraglich
geschuldete Miete nicht vollständig zahlt und damit die Kündigung des Mietverhältnisses provoziert; im Ergebnis ebenso: Conradis
in: LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, Anhang Verfahren Rn 139).
Diese Grundsätze gelten ausweislich der soeben zitierten Begründung ("Es ist den Betroffenen gerade nicht zuzumuten, einen
zivilrechtlichen Kündigungsgrund nach §§
543,
569 BGB entstehen zu lassen"; "Der Anspruch auf Übernahme der angemessenen KdU ( ) erstreckt sich auf den vollen Betrag der angemessenen
KdU i.S.d. § 22 SGB II als Teil des vom Staat zu gewährleistenden menschenwürdigen Existenzminimums") - Hervorhebungen durch den Senat) auch für
die Fallkonstellation, dass nennenswerte Mietrückstände bislang noch nicht entstanden sind. Dass der 7. Senat des erkennenden
Gerichts in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2016 (L 7 AS 455/16 B ER - dort: unter II., vorletzter Absatz) den Beschluss vom 28. Januar 2015 (L 11 AS 261/14 B) offensichtlich anders versteht, kann der erkennende Senat angesichts der soeben zitierten eindeutigen Formulierungen nicht
nachvollziehen.
6. Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung im Eilverfahren erfolgt lediglich vorläufig, d.h. vorbehaltlich des Ausgangs des
Rechtsstreits in der Hauptsache. Gegebenenfalls sind die Antragsteller zur Erstattung der aufgrund dieser Entscheidung gewährten
vorläufigen Leistungen verpflichtet. Bei Zufluss von Einkommen (z.B. aufgrund der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den
Antragsteller zu 1., vgl. hierzu: Aktenvermerk vom 28. März 2017, Bl. 240 der Verwaltungsakte) wäre der Antragsgegner berechtigt
und verpflichtet, dieses nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen auf die SGB II-Leistungen anzurechnen (§ 48 SGB X).
7. Für den Monat Februar 2017 ist der Antragsgegner nicht mehr zur Zahlung weiterer vorläufiger Leistungen zu verpflichten.
Schließlich hat der Antragsgegner auf den Hinweis des Senats den Leistungsbetrag gemäß Bescheid vom 28. November 2016 (1.101,72
Euro) mittlerweile in voller Höhe ausgezahlt (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 10. Mai 2017).
Für den Monat März 2017 sowie für die Zeit vom 1. bis 18. April 2017 besteht kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung, weil es in diesem Zeitraum an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen streitigen Rechtsverhältnis
fehlte. Die Antragsteller haben gegen den Änderungsbescheid vom 21. Februar 2017 keinen Widerspruch eingelegt, so dass dieser
nach Ablauf der Widerspruchsfrist bestandskräftig geworden ist. Erst am 19. April 2017 haben sie die Überprüfung dieses Bescheides
gemäß § 44 SGB X beantragt.
Die Zeit ab Juli 2017 ist im vorliegenden Verfahren ausweislich des von den Antragstellern gestellten Antrags nicht streitbefangen.
Für diesen Zeitraum treffen die den Bewilligungszeitraum bis Ende Juni 2017 regelnden Bescheide vom 28. November 2016 und
21. Februar 2017 auch überhaupt keine Regelungen. Es bleibt den Antragstellern unbenommen, für die Zeit ab Juli 2016 beim
Antragsgegner einen Weiterbewilligungsantrag zu stellen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Sie berücksichtigt einerseits den Teilerfolg der Antragsteller. Zugunsten des Antragsgegners trägt die Kostenquote aber
auch dem Umstand Rechnung, dass die Antragsteller die Nachfragen aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 6. Februar 2017
nicht zeitnah, sondern erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens beantwortet haben.
9. Der Antragsteller zu 1. hat Anspruch auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren, da er angesichts seiner wirtschaftlichen
Verhältnisse die Kosten der Rechtsverfolgung weder vollständig noch in Teilen oder in Raten selbst tragen kann und die Rechtsverfolgung
hinreichende Erfolgsaussicht hatte (§
73a SGG i.V.m. §
114 ZPO).
Den Antragstellern zu 2. und 3. kann PKH nicht gewährt werden. Erstinstanzlich haben sie keinen PKH-Antrag gestellt. Für den
im zweitinstanzlichen Verfahren gestellten PKH-Antrag haben sie bis zum Abschluss des Verfahrens nicht die für die Gewährung
von PKH erforderliche Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.
7. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§
177 SGG).